| Titel: | Ueber die Verbindungen des Zuckers mit dem Kalk; von Eugen Peligot. | 
| Fundstelle: | Band 120, Jahrgang 1851, Nr. LXV., S. 302 | 
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                        LXV.
                        Ueber die Verbindungen des Zuckers mit dem Kalk;
                           								von Eugen
                              								Peligot.
                        Aus den Comptes rendus, März 1851, Nr.
                              								9.
                        Peligot, über die Verbindungen des Zuckers mit dem
                           								Kalk.
                        
                     
                        
                           Bekanntlich wird der gelöschte Kalk von Zuckerwasser in großer Menge aufgelöst. In
                              									meiner im J. 1838 veröffentlichten Abhandlung über die Natur
                                 										und Eigenschaften des Zuckers zeigte ich, daß Alkohol in der kalkhaltigen
                              									Flüssigkeit, welche überschüssigen Zucker enthält, einen weißen Niederschlag
                              									hervorbringt, der beim Austrocknen eine spröde, harzähnliche Masse liefert. Dieser,
                              									obgleich nicht krystallinische Körper, besitzt immer dieselbe Zusammensetzung; er
                              									enthält 18 Proc. Kalk, entspricht dem krystallisirten Zuckerbaryt und der
                              									Formel:
                           C12H11O11, CaO.
                           Diese Verbindung ist in Wasser leicht löslich. Ihre Auflösung besitzt (sowie jene
                              									welche man durch Behandlung von Zuckerwasser mit einem großen Ueberschuß von Kalk
                              									erhält, der sich dann in größerer Menge auflöst) die Eigenschaft, sich beim Erhitzen
                              									zu trüben und bei hinreichender Concentration sogar zu gerinnen, wie das Eierweiß.
                              									Im Gegensatz zum Verhalten des Eierweißes, verschwindet aber der Kalkniederschlag in
                              									dem Maaße als die Temperatur sinkt, und die Flüssigkeit wird, noch bevor sie ganz
                              									erkaltet ist, wieder ganz klar und durchsichtig.
                           Ich habe diese merkwürdige Erscheinung neuerdings studirt und gefunden, daß der so
                              									beim Erhitzen niederfallende Zuckerkalk nicht die Zusammensetzung und Eigenschaften
                              									desjenigen hat, welcher sich in der Flüssigkeit aufgelöst befand. Es gelang mir
                              									ersteren Körper leicht zu isoliren, indem ich ihn durch Filtriren von der siedend erhaltenen Flüssigkeit abschied; der Niederschlag
                              									verschwindet nun nicht mehr, wie es der Fall ist, wenn man dieselbe Flüssigkeit
                              									erkalten läßt; er ist alsdann leicht in reinem Zustand zu erhalten, weil der
                              									Zuckerkalk in diesem Zustand beinahe unauflöslich ist sowohl
                                 										in kaltem als in kochendem Wasser.
                           
                           Die Zusammensetzung dieses gut ausgewaschenen, dann bei 88° R. mit Ausschluß
                              									der Kohlensäure der Luft getrockneten Körpers entspricht der Formel: C12H11O11, 3Ca O. Er enthält 32,9 Proc. Kalk.
                           Kaltes Wasser, mit einem Ueberschuß dieser Verbindung in Berührung gebracht, löst von
                              									ihr weniger als 1 Proc. seines Gewichtes auf. Erhitzt man diese gesättigte
                              									Auflösung, so trübt sie sich, indem die Hälfte des in ihr enthaltenen Zuckerkalks
                              									niederfällt; es sind also wenigstens 200 Thle. kochenden Wassers nöthig, um 1 Thl.
                              									dieser Verbindung aufzulösen. Dieser Zuckerkalk ist folglich minder löslich als der
                              									Zuckerbaryt, von welchen 100 Theile Wasser bei 12° R. 2,1 und bei 80°
                              									R. 2,3 Thle. auflösen.
                           Die Bildung dieses Körpers ist leicht zu erklären: erhitzt man nämlich eine mit Kalk
                              									gesättigte Zuckerlösung, bis in der kochenden Flüssigkeit ein reichlicher
                              									Niederschlag entsteht, so enthält dann die Flüssigkeit einen Theil desjenigen
                              									Zuckers in freiem Zustande, welcher in ihrem kalten Zustande mit Kalk zusammen war.
                              									Läßt man nun die Flüssigkeit wieder erkalten, so nimmt der freie Zucker wieder Kalk
                              									aus dem niedergeschlagenen basischen Zuckerkalk auf und letzterer verschwindet in
                              									dem Maaße als die Erkaltung erfolgt. In der That ist dieses in reinem Wasser fast
                              									unauflösliche Salz in Zuckerwasser sehr löslich.
                           Die Menge Kalks, welche sich in einer Zuckerlösung auflöst, ist verschieden und steht
                              									zur Dichtigkeit der Flüssigkeit im Verhältniß. Dieß ist im Widerspruch mit einer
                              									Angabe von Soubeiran in dessen im J. 1842
                              									veröffentlichter Abhandlung über die Verbindungen des
                                 										Rohrzuckers mit den Basen. Nach diesem Chemiker bestünde eine Verbindung,
                              									entsprechend der Formel: 2C12H11O11, 3Ca
                              									O; dieser Körper, welcher 20 Proc. Zucker enthält,
                              									entsteht nach Soubeiran jedesmal, wenn der Kalk im Verhältniß zum Zucker in Ueberschuß vorhanden ist, und
                              									zwar bildet sich diese Verbindung von Zucker und Kalk nach ihm am liebsten.
                           Ich habe zu wiederholtenmalen die Kalkmengen, welche reines Zuckerwasser von
                              									verschiedener Dichtigkeit auflöst, sorgfältig bestimmt. Um constante Resultate zu
                              									erhalten, muß 1) fein gepulverter Kalk in großem Ueberschuß (wenigstens doppelt
                              									soviel als sich auflösen soll) angewandt werden; 2) derselbe in kleinen Mengen in
                              									die Flüssigkeit gebracht werden, welche sich in Folge der Verbindung erhitzt und die
                              									letzten Antheile der Basis, welche sie aufzunehmen vermag, nur schwierig, langsam
                              									und bei oft wiederholtem Umrühren auflöst.
                           
                           Folgende Tabelle enthält: 1) die Zusammensetzung und Dichtigkeit der Zuckerlösung; 2)
                              									ihre Dichtigkeit, nachdem sie mit Kalk gesättigt wurde; 3) die Menge von Kalk und
                              									Zucker, welche in 100 Thln. des Rückstandes enthalten sind, den jede dieser
                              									Auflösungen beim Abdampfen zur Trockne liefert; dieser Rückstand wurde bei
                              									80° R. getrocknet.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 120, S. 304
                              In 100 Theilen Wasser aufgelöster
                                 										Zucker.; Dichtigkeit der Zuckerlösung.; Dichtigkeit der mit Kalk gesättigten
                                 										Zuckerlösung.; 100 Theile trockenen Rückstands enthalten:; Kalk.; Zucker.
                              
                           Ein Blick auf die Zahlen dieser Tabelle zeigt, daß Soubeiran's Angabe unrichtig ist; daß sich bei der Behandlung einer
                              									Zuckerlösung mit überschüssigem Kalk constant eine Verbindung 2C12H11O11, 3Ca
                              									O bildet, ist nicht anzunehmen. Allerdings erhält man,
                              									wenn man Kalk mit einer Zuckerlösung zusammenbringt, welche ungefähr 1/5 ihres
                              									Gewichts Zucker enthält, eine Verbindung von Zucker mit Kalk in dem von Soubeiran angegebenen Verhältniß; dieß ist aber nur eine
                              									Zufälligkeit, denn dieses unkrystallisirbare Product unterscheidet sich weder in
                              									seiner Bildungsweise, noch in seinen Eigenschaften von denjenigen welche unter
                              									gleichen Umständen mit minder dichten oder mehr Zucker enthaltenden Lösungen
                              									entstehen; jeder Grad, welchen die Auflösung am Dichtigkeitsmesser zeigt, liefert
                              									einen Zuckerkalk von anderer Zusammensetzung. Diese Thatsachen machen es nothwendig,
                              									daß ich das saccharimetrische Verfahren abändere, welches ich zum Theil auf die
                              									Bildung eines Zuckerkalks von constanter Zusammensetzung gegründet hatte.
                           Die Existenz mehrerer beflimmten Verbindungen von Zucker und Kalk läßt sich also
                              									nicht in Zweifel ziehen. Man kann annehmen, daß  die Verbindung C12H11O11, Ca
                              									O der einzige in Wasser lösliche Zuckerkalk ist, welcher
                              									beim Zusammenbringen einer Zuckerlösung mit Kalk sich sogleich erzeugt; einmal
                              									erzeugt, löst diese Verbindung eine weitere Menge Basis auf, und zwar eine um so
                              									größere, je concentrirter die Zuckerlösung ist. Nach meiner Meinung kann als Formel
                              									der Verbindung, welche sich im letztern Falle zu bilden
                                 										strebt, angenommen werden: C12H11O11, 2Ca
                              									O, wornach sie dem Zuckerbleioxyd entspricht; sie würde
                              									daher 24,6 Proc. Kalk enthalten; doch ist die Existenz dieses Körpers nur
                              									wahrscheinlich, denn wenn man eine Zuckerlösung, welche über 30 Proc. Zucker
                              									enthält, mit Kalk zu sättigen versucht, wird die Kalklösung anfangs sehr klebrig und
                              									gesteht nach einiger Zeit zu einer Masse. Man kann auch den Zucker unmittelbar in
                              									Form einer festen, wenig oder gar nicht löslichen Kalkverbindung dadurch fällen, daß
                              									man einem Syrup von 35° B. Kalk zusetzt; in dem einen wie in dem anderen
                              									Falle ist der entstandenen Verbindung ein Ueberschuß von Kalk beigemengt, welchen
                              									ich nicht davon zu trennen vermochte.
                           Vorstehende Beobachtungen veranlaßten mich, den Zucker, welcher in der Melasse noch
                              									in großer Menge enthalten ist, mittelst Kalk auszuziehen. Es ist mir gelungen aus
                              									roher Rübenmelasse 25 Proc. krystallisirten Zucker bloß durch Anwendung von Kalk und
                              									Kohlensäure oder Schwefelsäure zu gewinnen; dieses Quantum ist allerdings geringer
                              									als dasjenige, welches Dubrunfaut aus denselben
                              									Rückständen durch Fällen des Zuckers als Zuckerbaryt gewinnt; der geringe Preis des
                              									Kalks, seine unzweifelhafte Unschädlichkeit und noch mehrere andere Umstände dürften
                              									jedoch meiner Methode einigen Werth verleihen.
                           Hr. Peligot hatte in seiner ersten Abhandlung angegeben,
                              									daß der Kalk, indem er sich im Zucker auflöst, immer dieselbe Verbindung bildet,
                              									welche 14 Procent Kalk enthält; ich fand dann daß man diese Verbindung schwer
                              									erhält, weil sie eine große Neigung hat mehr Kalk aufzunehmen, und nahm an, daß
                              									jenes Verhältniß bis auf 20 Proc. steigen kann. Diese äußersten Zahlen werden durch
                              									die Tabelle bestätigt, welche Hr. Peligot jetzt
                              									veröffentlicht. Er erkennt jetzt an, daß die Verbindung mit 14 Proc. Kalk noch mehr
                              									Kalk auflöst und eine höhere Verbindung bildet, welche nach ihm bis 24 Proc. Kalk
                              									enthalten sollte, während sie in der That nicht über 20
                              									Proc. enthält;  die
                              									Cohäsion des Kalks verzögere nämlich die Sättigung, daher die Menge des aufgelösten
                              									Kalks mit der Concentration der Flüssigkeit wechsle. Wir kennen eine erste
                              									Verbindung von Kalk und Zucker, welche 14 Proc. Kalk enthält; es ist diejenige,
                              									welche Peligot und ich analysirt haben. Es gibt eine
                              									andere, welche den dritten Theil ihres Gewichts Kalk enthält; sie wurde von Daniell entdeckt und jetzt von Peligot neuerdings analysirt. Nun haben wir noch eine Zwischenverbindung,
                              									welche nach Peligot 24 Proc. Kalk enthalten sollte, und
                              									die ich nie mit mehr als 20 Proc. Kalk erhalten konnte. Hier ist die Unsicherheit,
                              									welche Peligot's Abhandlung nicht beseitigt und worüber
                              									wir nicht ins Reine kommen können, bis es gelingt diese Verbindung in
                              									krystallisirtem Zustande zu erhalten.
                           
                              Soubeiran.