Titel: Das Löthrohr im Großen zu hüttenmännischen Zwecken; von Carl Wagner.
Autor: Carl Wagner
Fundstelle: Band 120, Jahrgang 1851, Nr. XCII., S. 423
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XCII. Das Löthrohr im Großen zu hüttenmännischen Zwecken; von Carl Wagner. Mit Abbildungen auf Tab. VII Wagner, über das Löthrohr im Großen zu hüttenmännischen Zwecken. Die charakteristischen Eigenschaften der Löthrohrflamme bestehen in dem willkürlich benutzbaren oxydirenden und reduciren den Theile derselben. Wer diese Eigenschaften im Kleinen kennen gelernt hat, wird keinen Augenblick zweifeln, daß dieselben, ins Große übertragen, für viele hüttenmännische Zwecke von Wichtigkeit seyn müßten; und es ist nur zu wundern, daß die Vortheile welche die Metallarbeiter schon früher, vorzüglich aber die Wissenschaft aus der Anwendung des Löthrohrs gezogen hat, für die Anwendung der Löthrohrflamme im Großen bisher ohne alle Beachtung blieben. Die v. Scheuchenstuel'schen Versuche in St. Stephan, sowie die v. Gersdorf'schen in Schleglmühl, verschafften mir Gelegenheit diesen Gedanken weiter zu verfolgen; ich habe mich bei jenen Proben hauptsächlich auf die Darstellung einer Löthrohrflamme im Großen für den Puddel- und Schweißproceß beschränkt, daher ich auf die Benützung einer solchen Flammenqualität bei Behandlung der edlen Metalle hier bloß hinweise. Mag man bei der Einführung der Flammenherde, und neuerdings bei derjenigen der Gasfeuer, das Löthrohr im Auge gehabt haben, worüber jedoch schriftlich meines Wissens nichts vorliegt, so ist doch auf die eigenthümliche Verbrennungsmethode, auf die Bedingungen unter welchen eine Löthrohrflamme im Kleinen entsteht, zu wenig, eigentlich gar keine Rücksicht genommen worden, so daß der Effect der Flamm- und Gasöfen, im Gegenhalt zu demjenigen des Löthrohres, noch sehr mangelhaft und unvollkommen zu nennen ist. Die Bedingungen zur Bildung der Löthrohrflamme zerfallen 1) in die physikalischen, 2) in die chemischen. Unter die ersteren rechne ich die Verbrennungsmethode und die mechanischen Vorrichtungen; unter die letzteren die Qualität der Gase. Die einzelnen Theile der Lichtflamme als bekannt voraussetzend, beschränke ich mich auf bloße Beschreibung derselben, so weit sie der Verständniß wegen hierher gehören, und verweise im übrigen auf das Werk: von Berzelius über Anwendung des Löthrohrs. Die Löthrohrflamme (jede Lichtflamme) erzeugt ihr Gas auf dem Wege der trockenen Destillation, indem die strahlende Wärme abwärts wirkt, und so viel Brennstoff flüssig macht, als zur Verbrennung, zur Unterhaltung der Flamme nothwendig ist. Die Lichterscheinung selbst ist die dünne, brennende Gasstromoberfläche, der Gasmantel, welcher einen unverbrannten Gaskegel einschließt. Die intensivste Hitze ist an derjenigen Stelle, wo die atmosphärische Luft mit dem Gase zuerst zusammentritt, wo also die rascheste Verbrennung vor sich geht. Durch richtige Anwendung des Löthrohrs auf eine solche Flamme, Fig. 30, wird nun nicht nur der in der Mitte der Flamme vorhandene, unverbrannte Gaskegel a vollkommen verbrannt, sondern das Mitreißungsvermögen des Düsenwindes, Fig. 31 (Löthrohrspitze), zieht den leuchtenden Flammenmantel b, Fig. 30, nach innen, und bildet so den concentrirten Flammenstrahl c, c, Fig. 31, die eigentliche Löthrohrflamme. Die Löthrohrflammenbildung geht also nur im Freien, oder überhaupt nur dann vor sich, wenn der Gasstrom an seinen Wandungen bereits zur Flamme geworden ist, innen aber einen unverbrannten Gaskegel bildet. Der auf eine solche Flamme angewendete Löthrohr- oder Düsenwind ist das mechanische Mittel zur Concentrirung der leuchtenden Gasstromwandung b, b, bedarf aber des unverbrannten Gaskegels a, a, um seinen Sauerstoff abgeben zu können, um die gewünschte reducirende, gleichsam neutrale Flamme zu bilden. Versuche haben gezeigt, daß auf dem Wege der bisherigen Gasentwickelungsmethode in Gas- und Flammöfen, d. h. unter unmittelbarer Zuströmung von atmosphärischer Luft in das zur Gasentwickelung bestimmte Material, die beschriebene Flammenqualität, die eigentliche Löthrohrflamme, nicht erzeugt werden kann: a) Der in die Flamme eines gewöhnlichen Gasofens über der Feuerdrücke geleitete Wind zerstreut unter Brausen die Flamme, und liefert unter allen Pressungs- und Mengenverhältnissen nur eine Mischung von oxybirender und reducirender Flamme; er bildet niemals einen scharfbegränzten concentrirten Flammenstrahl. b) Die Flamme, welche einer kleinen, auf dem Gasgenerator eines Gasofens angebrachten Röhre entströmt, gibt mit keinem Löthrohr Löthrohrflamme, zerstreut die Flamme brausend auch mit der kleinsten Oeffnung. c) Bleibt man mit dem Löthrohre von der Lichtflamme einer Kerze, wie Fig. 32 blasend, zu weit zurück, so entsteht eine zerstreute brausende Flamme, dieselbe wie im Gasofen oder aus der kleinen Röhre des Generators. Es tritt nämlich atmosphärische Luft zwischen Düse und Flamme, die Gase werden ausgedehnt, die nöthige Intensität der Gase ist nicht mehr vorhanden. d) Vergrößert man die Löthrohrspitze bis zum Mißverhältniß zur Flamme, so entsteht ebenfalls Flammenzerstreuung mit Brausen; e) deßgleichen bei unverhältnißmäßiger Windpressung. Nur Gase auf dem Wege der trockenen Destillation erzeugt, liefern Löthrohrflammen: a) Werden auf die im Gasgenerator eines Gasofens schon heftig glühenden Kohlen frische Steinkohlen aufgegeben, das Gebläse oder der zum Generator führende Wind vollkommen abgesperrt, so daß sich die Gase auf dem Wege der trockenen Destillation durch die Hitze der unterliegenden glühenden Kohlen entwickeln, also ohne Vermischung mit atmosphärischer Luft, so entströmen nach einiger Zeit Destillationsgase, welche vollkommene Löthrohrflammen bilden. b) Läßt man den Wind unter dem Roste des Generators oder unmittelbar in letzteren auch nur in geringer Menge wieder einströmen, so fängt die Flamme wieder an zu brausen; die Löthrohrflamme ist vernichtet. c) Die Flamme aus dem Gasometer für Gasbeleuchtung bildet eine vollkommene, ruhige Löthrohrflamme. Auch die intensivsten Destillationsgase geben bloß im Freien, oder nur dann Löthrohrflammen, wenn der Gasstrom eine atmosphärische Schicht passirt hat. a) Destillationsgase aus einem Kolben nach Fig. 33 liefern erst bei a, nicht aber zwischen a und b eine Löthrohrflamme; und diese erst, wenn die Düse bis nach a vorgeschoben wurde; b) eben so wenig in einem Flammofen, welcher mit dem Gasometer oder dessen Röhren in unmittelbarer Verbindung steht. c) Eine schon gebildete Löthrohrflamme läßt sich durch eine entsprechende Oeffnung in eine Röhre oder in einen beliebig anderen Raum bringen, Fig. 34. Die Bedingungen, unter welchen eine Löthrohrflamme möglich wird, sind also: 1) Intensität der auf dem Wege trockener Destillation erzeugten Gase, ohne Vermischung derselben mit atmosphärischer Luft; 2) freie Zuströmung der atmosphärischen Luft, zur gleichmäßigen Entzündung der Gasstromwandungen, so daß 3) immer noch ein unverbrannter Gaskegel oder Gasstromkern zur Consumtion des Düsenwindes vorräthig ist; 4) richtige Lage der Düse, und 5) richtiges Verhältniß des Düsenquerschnittes und der Windpressung. Da ich nicht Gelegenheit hatte, Destillationsgase in großem Verhältniß zu prüfen, so kann ich nur nach meinen Versuchen im Kleinen hier bemerken, daß der reducirende Theil der Flamme verhältnißmäßig sich verlängert oder verkürzt. Die meßbare Länge einer mit dem Munde geblasenen Löthrohrflamme beträgt beiläufig 3′″–4′″, bei größerer Anstrengung und großer Lichtflamme 7′″–8′″, bei der Geiger'schen Lampe beiläufig 18′″–20′″, bei einem größeren Lichte einer Gaslampe 3″–4′. Es unterliegt demnach keinem Zweifel, daß bei gesteigertem Verhältnisse der Bedingungen Reductionsflammen von 4′–6′ zu erzielen wären. Versuche in dieser Absicht könnten dort, wo Gasbeleuchtungsanstalten bestehen, auf die mindest kostspielige Weise, und zwar anfangs ganz im Freien in der Art vorgenommen werden, daß man einfach die einer beliebig weiten Röhre entströmende Gasflamme durch einen gleichförmigen Windstrom aus einer verhältnißmäßigen Düsensection zur Löthrohrflamme umbiegt, wie Fig. 35, oder daß in der Mitte einer gebogenen Gasröhre Fig. 36, oder in einem Gaskasten Fig. 37 die Winddüse zum beliebigen Vor- und Rückwärtsschieben angebracht wäre, um ganz auf empirischem Wege die richtige Gestalt der Löthrohrflamme auffinden, und sie in ihren einzelnen Theilen prüfen zu können. Aus dem bisher Gesagten und den vorausgegangenen Ursachen ergibt sich nun von selbst, daß der Löthrohrflammofen beiläufig die Gestalt wie in Fig. 38 bekommen müßte: a Gaskasten, in welchem b die verschiebbaren Düsen angebracht sind. c Zuströmungsraum für die atmosphärische Luft, dessen Dimensionen erst ermittelt werden müßten. d Löthrohrflamme. e Manipulationsraum des freistehenden Flammofens. Um eine Flammendecke in dem Löthrohrflammofen zu erlangen, müßten natürlich mehrere Düsen in gleichem Horizonte, mehrere neben einander liegende Flammen in den Ofen führen, wie z. B. in Fig. 39. a Gaskasten, b verschiebbare Düsen, welche in ein gemeinschaftliches Windrohr b′ münden. c Zuströmungsraum, um die Gasstromwandung gleichmäßig zu entzünden. d Löthrohrflammen, welche zusammen die Flammendecke bilden. e Manipulationsraum des Löthrohrflammofens. Die ökonomische Frage läßt sich dermalen nur oberflächlich besprechen, und erwartet zunächst von den Versuchen mit rohen und gereinigten Gasen ihre Lösung; jedenfalls aber ist die Gaserzeugung für metallurgische Zwecke bedeutend billiger als für Gasbeleuchtungen, da der Brennstoff zur Destillation durch die Ueberhitze des Flammofens ersetzt werden dürfte, die gewonnenen Kohks noch immer zu benützen sind, die Reinigung und kostspielige Gasleitung erspart, endlich der Flammofen selbst, besonders die Gewölbziegel, durch den concentrirten Flammenstrahl geschont werden würden. Der wesentlichste Vortheil aber läge zunächst in der zu hoffenden Verminderung des großen Metallverlustes beim Puddel- und Schweißproceß. Kurz, zu welchen Hoffnungen diese Idee berechtigt, will ich hier nicht bestimmen; mag ein jeder nach seiner Ansicht anknüpfen; ich beabsichtige nur sie denen vorzulegen, welche Mittel und Gelegenheit haben, den Gegenstand weiter zu verfolgen, was mir wenigstens jetzt nicht vergönnt ist.

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