| Titel: | Ueber Reduction durch Kohlenoxyd und einige damit zusammenhängende besondere Erscheinungen, namentlich beim Eisen; von Dr. K. Stammer. | 
| Fundstelle: | Band 120, Jahrgang 1851, Nr. XCIII., S. 428 | 
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                        XCIII.
                        Ueber Reduction durch Kohlenoxyd und einige damit
                           								zusammenhängende besondere Erscheinungen, namentlich beim Eisen; von Dr. K. Stammer.
                        Aus Poggendorff's Annalen der Physik, 1851 Nr.
                              								1.
                        Stammer, über Reduction durch Kohlenoxyd.
                        
                     
                        
                           Die Reduction der Oxyde durch Kohlenoxyd ist zwar allgemein angenommen, allein in den
                              									einzelnen Fällen, sowie bei anderen chemischen Verbindungen, noch keineswegs durch
                              									eine einigermaßen vollständige Reihe von Versuchen festgestellt. Denn die, welche
                              										DespretzAnn. de Chim. et de Phys. Bd. XLIII S. 222.
                              									GoebelJournal für prakt. Chemie, Bd. VI S.
                                    										386.
                              									Leplay und LaurentPolytechn. Journal Bd. LXVIII S. 49.über diesen
                              									Gegenstand bekannt gemacht haben, sind theils unzuverlässig, theils nur auf wenige
                              									Körper ausgedehnt, so daß noch zu viele Lücken bleiben, als daß man auf die nicht
                              									untersuchten Substanzen schließen könnte.
                           Ich habe deßhalb eine Reihe von Versuchen angestellt, in der Absicht, diese für die
                              									Technik so wichtige Wirkung dadurch etwas bestimmter in den einzelnen Fällen
                              									festzustellen. Im Folgenden werde ich die Ergebnisse derselben kurz zusammenfassen.
                              									Die Art der Untersuchung war folgende:
                           Aus einem Gasometer, welcher auf gewöhnlichem Wege (aus saurem oxalsaurem Kali und
                              									Schwefelsäure) bereitetes und möglichst durch Kalkmilch gereinigtes Kohlenoxyd
                              									enthielt, wurde ein durch einen Hahn leicht zu regulirender Strom dieses Gases erst
                              									durch einen Liebig'schen Kugelapparat mit Kalilösung,
                              									dann durch Schwefelsäure, endlich über trockenes kaustisches Kali in eine gläserne
                              									Kugelröhre geleitet, welche die zu untersuchende Substanz enthielt und über einer
                              										Berzelius'schen Lampe erhitzt wurde. Aus der
                              									Ab- oder Zunahme des Gewichts der Kugelröhre, aus den an ihrem Ende
                              									entweichenden Gasen war es leicht, die Wirkung des Kohlenoxydes und den Gang der
                              									Operation zu erkennen, und endlich gab die Untersuchung des in der Kugel enthaltenen
                              									Rückstandes Gewißheit über die hieraus gezogenen Schlüsse.
                           Kleine Abänderungen (z. B. bei der Salpetersäure) dieser Einrichtung ergaben sich in
                              									einigen Fällen von selbst.
                           
                           Es ist kaum nöthig anzuführen, daß bei quantitativen Bestimmungen das Glühen im
                              									Kohlenoxydstrome öfters mehrere Tage nacheinander fortgesetzt werden mußte.
                           Die erhaltenen Resultate gelten natürlich nur für die Temperatur, welche mit einer
                              										Berzelius'schen Lampe erreicht werden kann; höhere
                              									Hitzgrade anzuwenden hielt ich nicht für vortheilhaft, weil ich dann alle Vorzüge,
                              									welche eine Glaskugel hat, hatte aufgeben müssen, und überdieß die untersuchten
                              									Substanzen die Masse der etwa angewendeten Röhre bei stärkerer Hitze angegriffen
                              									haben würden.
                           Ohne nun weiter auf den Gang der Untersuchung in den einzelnen Fällen einzugehen,
                              									will ich in kurzer Uebersicht die erhaltenen Resultate aufführen; nur beim Eisen sey
                              									es mir verstattet, etwas ausführlicher zu seyn, indem dieß wohl durch die Neuheit
                              									und Wichtigkeit der beobachteten Erscheinungen begründet seyn wird.
                           1. Säuren und Oxyde.
                           1. Salpetersäure wird nicht reducirt. Der Versuch geschah
                              									durch Hindurchleiten von Kohlenoxyd durch kalte und durch kochende Salpetersäure von
                              									1,2 spec. Gewicht.
                           Ueber Schwefelsäure s. u. Nr. 16.
                           2. Kupferoxyd wird sehr leicht bei ziemlich niederer
                              									Temperatur zu Metall reducirt.
                           3. Zinnoxyd (Sn O2) wird erst zu Zinnoxydul, dann zu Metall reducirt;
                              									eine Darstellung von Zinnoxydul auf diesem Wege ist jedoch nicht möglich, da die
                              									Gränze nicht bestimmt festgehalten werden kann.
                           4. Bleioxyd wird so leicht wie Kupferoyd zu Metall
                              									reducirt.
                           5. Zinkoxyd. Dieß wird nicht reducirt. Hiernach ist die
                              									Angabe von Dulong und Despretz
                              									zu berichtigen; sie sind vermuthlich durch einen Bleigehalt des Zinks irre geführt
                              									worden, wodurch auch ich einen Anfang von Reduction zu erhalten glaubte; diese
                              									schritt jedoch nicht weiter fort, und das Oxyd erwies sich unstreitig als
                              									bleihaltig.
                           6. Eisenoxyd. Das Verhalten des Eisenoxydes ist höchst
                              									merkwürdig; es wird zwar zu metallischem Eisen reducirt, zugleich aber bildet sich
                              										Eisencarburet, indem das metallische Eisen aus dem
                              									Kohlenoxyd Kohle abscheidet und dadurch Kohlensäure gebildet wird. Ich habe diese
                              									Erscheinungen nicht allein dadurch erkannt, daß eine Verminderung des Gewichtes bis
                              									zu dem des reinen Eisens nicht erreicht werden konnte, sondern auch durch den Geruch
                              									nach Kohlenwasserstoff und den Rückstand von Kohle, die ich beim Auflösen in
                              									Salzsäure deutlich wahrnahm.  Ich stellte hierauf den genaueren Versuch in folgender
                              									Weise an, um den Gang dieser Erscheinungen näher zu beleuchten und die Menge der
                              									aufgenommenen Kohle genauer zu bestimmen.
                           1,0212 Gram. reinen Eisenoxyds entsprechend 0,7069 Gram.
                              									Eisen, wurden durch Wasserstoffgas reducirt, dann etwa 8 Tage lang in einem Strom
                              									von Kohlenoxyd heftig geglüht und von Zeit zu Zeit gewogen. Nach einiger Zeit war
                              									nicht allein eine bedeutende Gewichtszunahme, sondern auch eine beträchtliche
                              									Vermehrung des Volumens zu bemerken, so daß endlich fast die ganze Kugel mit einer
                              									feinpulverigen sammtschwarzen Masse angefüllt war; die Gewichtszunahme betrug
                              									nunmehr 6,4965 Gram., d. h. 100 Thle. Eisen hatten 70,23 Thle. Kohle aufgenommen,
                              									was einem Gehalt von 41,2 Proc. Kohle entspricht.
                           Beim Zerschneiden der Kugel ergab sich, daß der Inhalt aus zwei Substanzen bestand;
                              									die eine, zusammengesintert und eisengrau, bedeckte die Wandungen der Kugel, die
                              									andere, pulverförmig und sammtschwarz, erfüllte deren Inneres. Ich nahm die erstere,
                              									um den Eisengehalt, die andere, um den Kohlengehalt zu bestimmen. Zu letztgenanntem
                              									Zwecke löste ich die Substanz in Eisenchlorid auf, filtrirte durch Asbest und wog
                              									die so erhaltene Kohle; da sie noch Spuren von Eisen enthielt, so wurde sie
                              									wiederholt mit Salpetersäure erhitzt und geglüht und das aus dem so erhaltenen
                              									Eisenoxyd berechnete Eisen von ihrem Gewicht abgezogen.
                           So fand ich die erstere bestehend aus:
                           
                              
                                 95,95
                                 Eisen
                                 
                              
                                 4,05
                                 Kohle
                                 
                              
                                 –––––––––––––
                                 
                              
                                 100,00.
                                 
                                 
                              
                           die andere aus:
                           
                              
                                 22,50
                                 Eisen
                                 
                              
                                 77,50
                                 Kohle
                                 
                              
                                 –––––––––––––
                                 
                              
                                 100,00.
                                 
                                 
                              
                           Eine Formel habe ich für diese Substanzen nicht auffinden können; in der Annahme, daß
                              									die letztere eine chemische Verbindung wäre, was ich jedoch noch dahingestellt seyn
                              									lassen muß, würde die Formel Fe C15 eine annähernde Vorstellung ihrer
                              									Zusammensetzung, liefern, da diese Unterstellung 76,8 Proc. Kohle gibt.
                           Ich habe diese Erscheinung noch nicht weiter verfolgen können; sie scheint mir jedoch
                              									nicht unwichtig für die Technik, namentlich für die Erklärung des
                              									Hohofenprocesses.
                           Es schließt sich daran ein Versuch, den ich in Folge dieses Verhaltens anstellte,
                              									nämlich über die Einwirkung des Eisens auf Kohlensäure:  durch Wasserstoff aus Eisenoxyd
                              									reducirtes Eisen nahm auch aus diesem Gase Kohle auf, was ich aus der bedeutenden
                              									Gewichtsvermehrung und dem nachherigen Verhalten gegen Salzsäure erkannte.
                           7. Manganoxydoxydul wird leicht zu Oxydul reducirt.
                           2. Sulfüre.
                           8. 9. 10. Die Sulfüre des Kupfers,
                                 										Eisens und Bleies erleiden keine Veränderung,
                              									woraus wohl dasselbe für die übrigen geschlossen werden darf. Dieß wird durch das
                              									Verhalten einiger schwefelsauren Salze bestätigt. (s. u.)
                           3. Chlormetalle.
                           11. Chlorsilber wird nicht
                              									angegriffen; die Angabe Göbel's, daß auf diesem Wege
                              									Phosgengas gebildet werde, ist falsch. Ich habe den Versuch zu wiederholtenmalen
                              									angestellt, aber nie die geringste Spur von Reduction erhalten können, und eben so
                              									wenig irgend einen Geruch oder eine Veränderung des Kohlenoxydes bemerkt.
                           12. 13. 14. Eben so wenig werden Chlorblei, Chlorkupfer
                              									und Chlorammonium verändert.
                           4. Salze.
                           15. Schwefelsaures Kali wird zu einfach Schwefelkalium
                              									reducirt.
                           16. Saures schwefelsaures Kali; die entweichende
                              									Schwefelsäure wird gänzlich zu schwefliger Säure reducirt, indem nur diese und
                              									Kohlensäure ohne Spur von Schwefelsäure entweichen.
                           17. Schwefelsaures Natron wird nicht reducirt; vermuthlich
                              									fängt die Reduction desselben erst bei einer Temperatur an, die etwas höher als die
                              										Berzelius'sche Lampe liegt.
                           18 Schwefelsaures Ammoniumoxyd wird zu schwefligsaurem
                              									reducirt.
                           19. Schwefelsaure Magnesia erleidet keine Veränderung.
                           20. 21. Schwefelsaurer Kalk und schwefelsaurer Baryt geben die Schwefelmetalle.
                           22. Gebrannter Alaun zeigt keine anderen Erscheinungen als
                              									seine einzelnen Bestandtheile.
                           23. Schwefelsaures Silber wird zu metallischem Silber
                              									reducirt.
                           24. Schwefelsaures Kupfer gibt metallisches Kupfer.
                           
                           25. Schwefelsaures Blei gibt Blei und Schwefelblei in
                              									unbestimmtem Verhältniß.
                           26. Schwefelsaures Zinkoxyd wird zu Oxyd reducirt.
                           27. Schwefelsaures Eisenoxydul gibt Eisen und
                              									Eisenhalbsulfuret (Fe2
                                 									S).
                           28. Schwefelsaures Manganoxydul gibt das Oxydsulfuret (Mn O + Mn S).
                           29. Selensaurer Baryt gibt Selen und kohlensauren
                              									Baryt.
                           30. Salpetersaures Kali gibt kohlensaures Kali, welches
                              									Kali enthält.
                           31. Salpetersaurer Baryt wird in derselben Weise
                              									verändert.
                           32. 33. 34. Phosphorsaures Eisenoxyd, Bleioxyd und Kupferoxyd werden nicht verändert.
                           35. Arseniksaures Natron gibt metallisches Arsen, und das
                              									Natron vereinigt sich mit dem Glase der Kugel.
                           36. Antimonsaures Natron zeigt die entsprechende
                              									Erscheinung.
                           37. Kohlensaures Kali wird nicht verändert.
                           38. Oxalsaures Kali gibt das kohlensaure Salz, während
                              									viele Kohle abgeschieden wird und Kohlensäure weggeht.
                           Es erklärt sich hieraus, warum dieses Salz beim Glühen für sich nicht rein weiß,
                              									sondern grau oder schwarz wird; ein Theil des freiwerdenden Kohlenoxyds wirkt
                              									nämlich auf einen noch unzersetzten Theil des Salzes und bewirkt darin eine
                              									Abscheidung von Kohle.
                           39 Chromsaures Kali gibt kohlensaures Kali und eine
                              									Verbindung von Chromoxyd und Kali; es entstehen aus 2 (KO, Cr O3)
                              									durch Aufnahme von 1 Atom Sauerstoff und 2 At. C (unter
                              									Entstehung von CO2) erst
                              									2 (KO, CO2) + Cr2
                              									O3, dann aber treibt ein
                              									Theil dieses Chromoxyds einen Theil der Kohlensäure aus und es entsteht die genannte
                              									Verbindung.
                           40. Chromsaures Bleioxyd gibt Blei und Chromoxyd.