| Titel: | Beschreibung des Dynaktinometers, eines Instruments um die Intensität der photogenischen Strahlen zu messen, nebst Bemerkungen über die Differenz des Gesichtsfocus und des photogenischen Focus; von A. F. J. Claudet. | 
| Fundstelle: | Band 123, Jahrgang 1852, Nr. XXXVII., S. 224 | 
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                        XXXVII.
                        Beschreibung des Dynaktinometers, eines
                           Instruments um die Intensität der photogenischen Strahlen zu messen, nebst Bemerkungen
                           über die Differenz des Gesichtsfocus und des photogenischen Focus; von A. F. J.
                              Claudet.
                        Aus dem Philosophical Magazine, Juni 1851, S.
                              478.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              III.
                        Claudet's Dynaktinometer.
                        
                     
                        
                           Die verschiedenen Processe der Photographie beruhen auf einem und demselben wirkenden
                              Princip, und dieses Princip, welches bei der Ausstrahlung aller leuchtenden Körper
                              in Betracht kommt, ist das Agens einer chemischen Wirkung, wodurch gewisse
                              Verbindungen modificirt werden und neue Eigenschaften erhalten. Man hat dieses
                              Agens, um es von dem Lichte zu unterscheiden, Aktinismus genannt, weil es sich im
                              isolirten Zustande äußern kann, ganz abgesehen von dem Intensitätsgrade des Lichts. Die aktinischen
                              (chemischen) Strahlen sind jedoch denselben Gesehen der Transmission, Reflexion,
                              Refraction und Polarisation unterworfen.
                           Wird eine Camera obscura vor einen Gegenstand gestellt,
                              auf welchen die Lichtstrahlen einwirken, so werden diese Strahlen durch die Linse
                              gebrochen und convergiren im Focus der Kammer, wo sie ein Bild erzeugen, welches
                              demjenigen auf unserer Netzhaut genau entspricht.
                           Da aber die Lichtstrahlen in der Regel von chemischen (aktinischen) Strahlen
                              begleitet sind, so rufen diese letzteren ein besonderes Bild hervor, welches,
                              obgleich wir es mit unseren Sinnen nicht wahrnehmen können, doch sein Entstehen und
                              Daseyn uns darthut, wenn wir die Glasplatte der Camera
                                 obscura durch eine mit gewissen chemischen Verbindungen überzogene Platte
                              ersetzen, welche Substanzen sich unter dem Einflusse der chemischen Strahlen
                              modificiren und ein Bild erzeugen, das von dem Gesichtsbilde in zwei wesentlichen
                              Punkten verschieden ist; das Gesichtsbild dauert nämlich nur so lange als die
                              Lichtstrahlen reflectirt werden, und da es durch alle Strahlen, welche von dem
                              Gegenstande reflectirt werden, hervorgebracht wird, so besitzt es die natürlichen
                              Farben, während das chemische Bild, einmal erzeugt, so fortdauert; da letzteres aber
                              lediglich durch eine gleichförmige Wirkung der chemischen Strahlen hervorgerufen
                              wurde, so können die Lichter des Bildes bloß durch einen Ton und die Schatten durch
                              einen andern ausgedrückt seyn, so daß es keine Farben darbietet.
                           Die (leuchtenden) Lichtstrahlen, welche eine verschiedene Brechbarkeit besitzen,
                              werden im Allgemeinen beträchtlich weniger gebrochen als die chemischen Strahlen;
                              daher rührt auch die Schwierigkeit, sie alle in demselben Focus zu vereinigen. Ein
                              Objectivglas, welches für die leuchtenden Strahlen vollkommen achromatisch ist, kann
                              ein Gesichtsbild in einem Focus geben, welcher mit dem Focus der chemischen Strahlen
                              doch nicht coincidirt.
                           Lange Zeit nahm man an, daß die achromatischen Linsen das Gesichtsbild in demselben
                              Focus erzeugen wie das chemische Bild, und diese Annahme war für die Resultate der
                              Photographen eine beständige Fehlerquelle. Nach einer langen Reihe von Versuchen
                              entdeckte ich im J. 1844, daß bei achromatischen Linsen der photographische Focus in
                              der Regel nicht mit dem Gesichtsfocus coincidirt. Diese Thatsache theilte ich der
                              Royal Society und der franz. Akademie der
                              Wissenschaften mit. Anfangs wurde es mir sehr schwer, die Optiker und Photographen
                              davon zu überzeugen; aber Lerebours in Paris, der meine
                              Versuche wiederholte,
                              wies die Richtigkeit meiner Resultate nach, erklärte die Ursache dieser Differenz
                              und gab die Mittel zu ihrer Vermeidung an. Die Optiker änderten nun nach einer neuen
                              Formel die Krümmung ihrer Linsen, um Objectivgläser zu construiren, deren zwei
                              Brennpunkte coincidirten. Fast alle zeigen jetzt an, daß ihre neuen Linsen keine
                              Differenz mehr geben, und daß sie jene Linsen, welche sie vor meiner Entdeckung
                              construirten, corrigiren können. Nur wenige Optiker, welche mit Recht annehmen, daß
                              Linsen, bei welchen die Brennpunkte coincidiren, keinen praktischen Vortheil
                              gewähren, markiren die Zugröhre der Objectivgläser mit kleinen Abtheilungen; nachdem
                              man den Focus auf der matt geschliffenen Glastafel eingestellt hat, zieht man das
                              Rohr je nach der Entfernung des Gegenstandes hinein oder heraus. Uebrigens ist diese
                              Correctionsmethode, wie ich weiter unten zeigen werde, nicht in allen Fällen
                              genau.
                           In der letzten Zeit habe ich die wichtige Entdeckung gemacht, daß eine constante
                              Variation in der Differenz dieser beiden Brennpunkte stattfindet, deren Ursache
                              jedoch noch nicht genügend erklärt werden kann. Ich habe die Mittel angegeben, um
                              die wahre Lage von beiden in allen Fällen zu bestimmen, so daß die Photographen
                              selbst mit solchen Linsen ein genaues Bild erhalten können, mit welchen sie früher
                              ganz unvollkommene und unbrauchbare Bilder bekamen.
                           Die von mir entdeckte Variation der Entfernung, welche die beiden Brennpunkte trennt,
                              wurde wie früher die Entdeckung der Nicht-Coincidenz dieser Brennpunkte sehr
                              bezweifelt, weil die neue Thatsache durch keine der Eigenschaften erklärt werden
                              kann, welche bekanntlich die Refraction und die Dispersion der verschiedenen
                              Strahlen des Spectrums bewirken, nachdem dieselben von der Atmosphäre durch das
                              Objectivglas gebrochen wurden. Wir urtheilen daher zu rasch, wenn wir der Ansicht
                              sind, daß bei der Photographie nur die Theorie jenes Lichts, welches unser Gesicht
                              afficirt, Anwendung findet, die Theorie, nach welcher Teleskope und andere
                              Instrumente, die zu Erzeugung eines Gesichtsbildes bestimmt sind, construirt werden;
                              wir müssen vielmehr jene Theorie verlassen und die neuen Gesetze der Photographie
                              studiren, welche uns allein die Mittel liefern können, einen vollkommenen
                              photographischen Apparat herzustellen und uns in Stand setzen werden, eine rein
                              photogenische Thatsache zu erklären.
                           Mit Hülfe meines Brennpunktmessers (Focimeter), abgebildet in Fig. 11 und 12 Tab. III
                              und beschrieben in meiner früheren Abhandlung im polytechn. Journal Bd. CXV S. 32, welchen jeder Photograph selbst construiren kann,
                              reichen wenige Versuchsreihen hin, um sich von der angegebenen Thatsache zu
                              überzeugen.
                           Ich will nun die Coincidenz näher untersuchen, von welcher die Optiker behaupten, sie
                              finde bei ihren Objectivgläsern statt. Es ist nicht richtig, wenn man allgemein den
                              Satz aufstellt: daß Linsen construirt werden können, deren zwei Brennpunkte
                              coincidiren; vielmehr ist es richtiger, wenn man sagt, ein Optiker könne Linsen
                              verfertigen, bei welchen für eine gegebene Entfernung, aber
                                 auch nur für diese Entfernung, der Abstand der beiden Brennpunkte ein
                              Minimum ist. In der That coincidiren die zwei Brennpunkte für eine gewisse Distanz
                              bei allen einigermaßen guten Linsen. Ist es aber wünschenswerth Krümmungen zu
                              wählen, wodurch die beiden Brennpunkte zusammenfallen? Wird in diesem Falle der
                              Optiker nicht bisweilen verleitet werden, andere wichtige Bedingungen, wie z.B. die
                              Krümmungen zur vollkommensten Correction der sphärischen Abweichung, zu opfern? Und
                              wird er ferner bei dem Concentriren aller Strahlen in demselben Focus nicht häufig
                              seine Linsen für die Entwickelung der photogenischen Action schwächer machen? Ich
                              überlasse den ersten Punkt der Untersuchung und Entscheidung der Mathematiker und
                              begnüge mich mit der Untersuchung des Einflusses der antagonistischen Strahlen,
                              welche in gewissen Fällen, die ich unten auseinandersetzen werde, der Wirkung der
                              photogenischen Strahlen entgegentreten können.
                           Es schien mir immer, daß im Allgemeinen diejenigen Linsen die wirksamsten sind, bei
                              welchen der Abstand der Brennpunkte am größten ist. Dieß bestätigen folgende
                              Thatsachen und Beobachtungen:
                           John Herschel stellte bald nach Entdeckung der
                              Photographie die Ansicht auf, daß nicht-achromatische Linsen eine größere
                              photogenische Kraft besitzen als achromatische, weil in den ersteren die
                              photogenischen Strahlen von den rothen, orangegelben und gelben Strahlen, die eine
                              antagonistische Wirkung besitzen, getrennt sind. – Lerebours in Paris bewies, daß wenn man rothe, orangegelbe oder gelbe
                              Strahlen auf den photogenischen Theil des Spectrums einer Daguerreotypplatte fallen
                              läßt, die Wirkung gänzlich aufgehoben oder doch eine langsamere wird als wenn jene
                              Strahlen isolirt sind.
                           Ich selbst habe durch eine Reihe von Versuchen den Antagonismus der rothen,
                              orangegelben und gelben Strahlen erwiesen, und darf nicht unerwähnt lassen, daß Dr. Draper in
                              New-York, Fizeau und Foucault in Paris, dieselbe Thatsache durch überzeugende Versuche
                              nachwiesen.
                           
                           Alle diese Beobachtungen führen nun zu dem Schlusse, daß die wirksamsten Linsen
                              diejenigen sind, bei welchen der photogenische Focus vom Gesichtsfocus am weitesten
                              absteht, aber wir hatten noch keinen hinreichenden Beweis, daß der Effect die Folge
                              einer solchen Theorie ist. Dieß veranlaßte mich über Mittel nachzudenken, wodurch
                              man die Kraft der Linsen, deren Brennpunkte getrennt sind, mit der Kraft jener, bei
                              denen sie coincidiren, vergleichen könnte; und es gelang mir ein Instrument
                              herzustellen, das diesem Zweck vollkommen entspricht.
                           Ich will nun mein Instrument (Fig. 10), das ich Dynaktinometer nenne, beschreiben. Sein Zweck besteht im
                              Allgemeinen darin, die chemische Kraft zu messen, welche sowohl aus der Intensität
                              der Lichtstrahlung als aus der Construction der Linsen resultirt. Mein Instrument
                              besteht aus einer dünnen metallenen Scheibe, welche vollkommen schwarz ist und einen
                              Spalt hat, der sich von ihrem Mittelpunkt bis zur Peripherie erstreckt; sie ist auf
                              einer Achse befestigt, die sich in einer ebenfalls metallenen Scheibe, welche aber
                              six und vollkommen weiß ist, dreht. Die weiße Scheibe hat ebenfalls einen von ihrem
                              Mittelpunkt ausgehenden Spalt, welcher genau so lang als der Radius der schwarzen
                              Scheibe ist; die schwarze Scheibe kann folglich die weiße Scheibe durchschneiden und
                              wird beim Drehen nach und nach die ganze weiße Fläche bedecken. Der Raum der weißen
                              Fläche, welche die schwarze Scheibe bedecken kann, bildet für sich eine Art
                              Zifferblatt, welches in eine beliebige Anzahl gleicher Segmente getheilt ist, die
                              alle numerirt sind. Ich habe für einen großen Kreis, welcher auf das Zifferblatt
                              beschrieben ist, zwanzig Segmente, und für einen kleineren Kreis welcher in den
                              großen beschrieben wurde, acht Segmente angenommen. Die ersten zwanzig Segmente sind
                              in einfacher arithmetischer Progression numerirt, und die acht Segmente in
                              geometrischer Progression 1, 2, 4, 8, 16, 32, 64. Den Zweck dieser zweierlei
                              Progressionen will ich sogleich erläutern.
                           Die schwarze Scheibe kann in der Art gedreht werden, daß sie während jeder Secunde
                              (oder eines sonstigen gleichen Zeittheils) ein neues Segment des größeren Kreises
                              bedeckt. Auf diese Weise wird das letzte Segment zwanzigmal mehr Licht empfangen
                              haben als das erste, und alle anderen in arithmetischer Progression.
                           Ich habe in der Beschreibung meines Photographometers (polyt. Journal Bd. CXI S. 42) bemerkt, daß die Differenz der
                              photogenischen Intensitäten, wenn sie eine arithmetische Progression befolgen, kaum
                              beobachtet werden kann, und deßwegen das Instrument so construirt, daß es die
                              Intensitäten nach einer geometrischen Progression anzeigt; aus demselben Grunde habe ich
                              bei dem Dynaktinometer einen anderen in acht Segmente getheilten Kreis angebracht.
                              Das erste Segment bleibt immer bedeckt, damit es sich auf der Daguerreotypplatte
                              schwarz darstellt und die Null der Intensität anzeigt; das zweite wird dem Licht
                              1'', das dritte 2'', das vierte 7'', das fünfte 8'', das sechste 16'', das siebente
                              32'', das achte 64'' ausgesetzt. Diese Reihe, welche weiter fortgesetzt werden
                              könnte, indem man den Kreis in eine größere Anzahl von Segmenten theilt, genügt
                              völlig für alle Beobachtungen, wodurch man die Intensität des photogenischen Lichts
                              praktisch zu messen und die Kraft von Objectivgläsern zu vergleichen
                              beabsichtigt.
                           Das Instrument wird dadurch in Bewegung gesetzt, daß man mit der Hand einen Griff,
                              welcher am hintern Ende der Achse befestigt ist, erfaßt und die Scheibe umdreht; wer
                              gewohnt ist Secunden im Gedächtnisse zu zählen oder einem Secundenpendel zu folgen,
                              kann den Versuch mit hinreichender Regelmäßigkeit ausführen; um jedoch das
                              Instrument genauer und vollständiger zu machen, kann man es durch ein Uhrwerk nach
                              Belieben in arithmetischer oder geometrischer Progression drehen lassen. Die
                              letztere Bewegung verursachte einige Schwierigkeiten, doch gelang es mir sie zu
                              erhalten ohne den Mechanismus sehr complicirt zu machen, und der Apparat wird jetzt
                              schon häufig angewandt.
                           Bei dem Instrument, welches von Hand in Bewegung gesetzt wird, muß eine zweite Person
                              auf ein gegebenes Zeichen das Objectivglas öffnen oder schließen. Wenn man aber vor
                              dem Objectivglas eine Klappe anbringt, welche mit einer Schnur und Rolle verbunden
                              ist, so kann der Experimentator, welcher die Schnur in der linken Hand hält, die
                              Klappe in dem Augenblick öffnen, wo er mit der rechten Hand die Scheibe dreht, und
                              den Apparat schließen, wenn die Drehung vollendet ist.
                           Wird das Instrument durch ein Uhrwerk in Bewegung gesetzt, so kann man das
                              Objectivglas durch dasselbe Mittel öffnen und schließen, auf das Signal, welches
                              eine beim Beginn und am Ende der Umdrehung ertönende Glocke gibt.
                           Wenn eine Daguerreotypplatte das Bild vom Dynaktinometer während seiner Umdrehung
                              empfängt, so ist klar, daß jedes Segment einen Effect anzeigt, welcher der
                              Lichtintensität und der Zeit während welcher es unbedeckt blieb, proportional ist;
                              ferner daß die Anzahl der am ersten sichtbaren Segment markirten Secunden das Maaß
                              der Lichtintensität im Augenblicke des Versuchs ist, indem der Effect jedes Segments
                              in Wirklichkeit der
                              Intensitätsgrad ist, welcher während der entsprechenden Zeit erhalten werden
                              kann.
                           Wenn man zwei Objectivgläser vergleichen will, so bringt man sie an zwei dunklen
                              Kammern an, welche vor den Dynaktinometer gestellt wurden. Nachdem man den Focus der
                              zwei Apparate eingestellt hat, versieht man jeden mit einer Daguerreotypplatte oder
                              einem photogenischen Papier. Ist alles fertig, so öffnet man in dem Augenblick wo
                              der Dynaktinometer seine Umdrehung beginnt, die Klappen und schließt dieselben wenn
                              sie beendigt ist. Die Platten werden weggenommen und die Bilder zum Vorschein
                              gebracht. Beim Vergleichen des auf jedem hervorgebrachten Resultats sieht man
                              leicht, welches von beiden Objectivgläsern am raschesten und in welchem Verhältniß
                              rascher es wirkte. Wenn z.B. die arithmetische Progression befolgt wurde, und auf
                              einer der Platten oder Papiere die Zahl 4 des großen Kreises die zuerst sichtbare
                              ist, so schließt man daraus, daß die Intensität des Lichts in jenem Momente vier
                              Secunden lang thätig seyn mußte, um einen Effect in der Camera obscura hervorzubringen; und wenn auf der andern Platte oder dem
                              andern Papier die ersten sieben Segmente schwarz geblieben sind und das achte
                              Segment das erste ist, auf welches das Licht einwirkte, so folgert man daraus, daß
                              das Objectivglas, welches den Effect auf der ersten Platte (oder dem ersten Papier)
                              erzeugte, die doppelte photogenische Kraft des andern besitzt.
                           Wurde aber die geometrische Progression befolgt, so wird dasselbe Experiment das Bild
                              des Segments Nr. 3 auf einer Platte dargestellt zeigen, und dasjenige des Segments
                              Nr. 4 auf der andern, wovon jedes den ersten Intensitätsgrad hat, und wir haben
                              hinsichtlich der Kraft jedes Objectivglases denselben Schluß zu ziehen.
                           Dieser Schluß würde indessen nur unter der Voraussetzung genau seyn, daß die zwei
                              Platten in gleichem Grade empfindlich sind, denn wenn sie nicht ganz gleichmäßig
                              präparirt worden wären, so könnten wir nicht das genaue Maaß der relativen Kraft der
                              zwei Objectivgläser erhalten. Die Differenz könnte dann anstatt von einem
                              Unterschied in der Kraft der Objectivgläser, bloß von der Ungleichheit der
                              Empfindlichkeit der zwei Platten herrühren. Obgleich bei mehrmaligem Wiederholen des
                              Versuchs das durchschnittliche Resultat als genügend zu betrachten seyn dürfte, so
                              entging mir diese Schwierigkeit doch nicht, und ich suchte sie zu vermeiden. Da ich
                              mittelst meines Photographometers (polytechn. Journal Bd. CXI S. 42) die Empfindlichkeit zweier
                              Platten unter dem Einflusse derselben Lichtintensität und während derselben
                              Zeitdauer vergleichen kann, so bediene ich mich dieses Instruments, um vorerst die relative
                              Empfindlichkeit der Platten, welche bei dem Versuche mit dem Dynaktinometer
                              gebraucht werden, zu bestimmen. Auf diese Weise kann ich zum Voraus Plattenpaare
                              prüfen und sie mit dem Empfindlichkeitsstempel versehen aufbewahren, bis ich ihrer
                              bedarf, um die Kraft von zwei Linsen zu probiren. Der Lichteindruck des
                              Photographometers wird auf der einen Hälfte der Platte hervorgebracht, indem man die
                              andere Hälfte für das Bild des Dynaktinometers übrig läßt.
                           Nachdem ich in den zwei dunkeln Kammern operirt habe, wovon jede mit einer der Linsen
                              versehen wurde, deren Kraft ich zu vergleichen wünschte, setze ich die zwei Platten,
                              deren jede den Lichteindruck sowohl des Photographometers als des Dynaktinometers
                              hat, dem Quecksilberdampfe aus, welcher die zwei Bilder auf jeder Platte
                              entwickelt.
                           Die Anzahl von Flecken, welche der Photographometer gab, zeigt die Empfindlichkeit
                              der Platte an, und indem ich die zwei Bilder welche der Dynaktinometer gab, mit
                              Rücksicht auf die Differenz der Empfindlichkeit jeder Platte, wenn eine solche
                              besteht, vergleiche, vermag ich sogleich die relative Kraft der zwei Linsen zu
                              bestimmen. Während einer großen Anzahl von Versuchen bemerkte ich, daß die Kraft der
                              zwei Linsen nicht immer in demselben Verhältnisse bleibt. Es scheint, daß manche
                              Lichtart eine Linse mehr als die andere afficirt; so daß zwei verschiedene
                              Objectivgläser, zu verschiedenen Zeiten verglichen, nicht immer dasselbe Verhältniß
                              in ihrer Kraft anzeigen.
                           Eine ähnliche und eben so auffallende Anomalie beobachtet man, wenn man die Kraft
                              verschiedener Theile derselben Linse bei gleicher Oeffnung vergleicht. In der Regel
                              hat irgend eine Zone am Rande einer Linse bei gegebener Oeffnung eine größere
                              photogenische Kraft, als bei derselben Oeffnung eine Zone am Mittelpunkte oder in
                              der Nähe desselben; die Kräfte dieser zwei verschiedenen Theile stehen nicht immer
                              in demselben Verhältniß zu einander, obgleich jeder Theil ein Gesichtsbild von
                              derselben Intensität geben wird.
                           Ehe ich diese Thatsache ermittelt hatte, beobachtete ich, daß die Anwendung von
                              Diaphragmen, welche die Oeffnung auf 1/2 1/4 oder 1/8 reduciren, nicht immer die
                              photogenische Kraft in demselben Verhältniß vermindere. Bisweilen, wenn ich mit der
                              ganzen Oeffnung der Linse ein Bild in zehn Secunden zu erhalten vermochte, hatte
                              ich, wenn ich ein Diaphragma anwandte welches die Oeffnung genau auf die Hälfte
                              reducirte, in zwanzig Secunden noch keinen Effect.
                           
                           Als ich diese Thatsache mehreren Photographen, namentlich Hrn. Malone, der ein sehr aufmerksamer Beobachter ist, mittheilte, bemerkten
                              sie mir, daß ihnen dieselbe Anomalie sowohl bei der Daguerreotypie als bei der
                              Talbotypie schon öfters aufgefallen sey. Die Analogie dieser verschiedenen
                              Thatsachen und meiner Versuche über die Variation in der Distanz der zwei
                              Brennpunkte fiel mir auf, und ich versuchte nun eine Hypothese zur Erklärung dieser
                              Variation aufzustellen.
                           Als ich die Differenz zwischen den zwei Brennpunkten verglich, welche Strahlen gaben
                              die an verschiedenen Punkten irgend eines Objectivglases gebrochen wurden, fand ich,
                              daß die Differenz für die vom Mittelpunkte entferntesten Theile des Objectivglases
                              größer ist. Dieß muß von der Unvollkommenheit der chromatischen Correction
                              herrühren, welche Unvollkommenheit sich für die schiefsten Strahlenbüschel
                              bedeutender herausstellt, als diejenigen welche allmählich mehr parallel werden, da
                              sie von Theilen, welche dem Centrum der Linse näher sind, gebrochen werden.
                           Es gibt ein gewisses Verhältniß aller Strahlen des Spectrums, welche, wenn sie
                              combinirt sind, eine eben so große photogenische Kraft besitzen, als die reinen
                              isolirten photogenischen Strahlen. Dieß ist der Fall, wenn die Atmosphäre rein und
                              das Licht vollkommen weiß ist. Alsdann ist das Verhältniß der gelben Strahlen im
                              Vergleich mit den photogenischen Strahlen in seinem Minimum; und die Concentration
                              aller Strahlen an demselben Punkt gibt eine eben so große photogenische Wirkung, als
                              die reinen photogenischen Strahlen allein. In diesem Falle wird das Centrum der
                              Linse eben so viel bewirken als irgend ein entfernter Punkt, wo die photogenischen
                              Strahlen von den gelben entfernter sind.
                           Dann erscheinen auch die zwei Brennpunkte am meisten von einander entfernt, weil die
                              ganze Oeffnung zur Bildung des photogenischen Bildes eben so gut als zu derjenigen
                              des Gesichtsbildes beiträgt; die photogenische Wirkung wird nämlich durch das größte
                              Verhältniß der brechbaren Strahlen hervorgebracht, welche durch die
                              Ueber-Correction weniger gebrochen worden sind als die Gesichtsstrahlen.
                           Man wird diese Erscheinungen besser verstehen, wenn man beachtet, daß der
                              photogenische Raum des Spectrums beim grünen Strahle beginnt und sich bedeutend über
                              den violetten Strahl hinaus erstreckt, ferner daß derselbe photogenische Raum je
                              nach der Reinheit der Atmosphäre länger oder kürzer ist. Absorbirende Ursachen,
                              jedenfalls diejenigen, welche die Atmosphäre verdunkeln, beginnen zuerst das
                              brechbarste Ende zu neutralisiren; wenn diese Ursachen an Intensität zunehmen, wird der photogenische
                              Raum allmählich verkürzt, entsprechend der Abnahme der Brechbarkeit, so daß die
                              violetten Strahlen vor den indigoblauen und letztere vor den blauen absorbirt
                              werden. Keine dieser Strahlen werden aber sämmtlich auf einmal absorbirt, sondern
                              sie erlöschen in dem Maaße als das absorbirende Medium dicker wird. Die
                              photogenischen Strahlen sind demselben Gesetze unterworfen; der brechbarste Theil
                              verschwindet zuerst. Während dieses Absorptionsprocesses nähert sich die mittlere
                              Brechbarkeit des so reducirten photogenischen Raums mehr und mehr der mittleren
                              Brechbarkeit der Gesichtsstrahlen, so daß der Achromatismus des ganzen Spectrums
                              desto vollkommener wird, je mehr sich dessen Länge vermindert. Dieser Effect ist
                              nicht besonders auffallend, wenn es sich bloß um die Gesichtsstrahlen handelt; aber
                              wenn drei Viertel des langen photogenischen Raums absorbirt worden sind, müssen die
                              Bedingungen des Achromatismus offenbar beträchtlich modificirt seyn.
                           Die außerordentliche Länge des photogenischen Spectrums und seine verschiedenen
                              Brechbarkeitsgrade, welche den Achromatismus des Ganzen sehr schwierig machen,
                              erweisen sich durch anomale Effecte, welche bei der Erzeugung des photogenischen
                              Bildes eintreten. Alle Photographen müssen bemerkt haben, daß wenn die Exposition in
                              der Kammer zu lange gedauert hat und die ganze Oeffnung der Linse angewendet worden
                              ist, das erzeugte Bild sehr selten ein scharfes ist. Der Grund davon ist, daß die
                              äußersten photogenischen Strahlen, welche die schwächsten sind, in Wirkung kamen,
                              und durch ihre Zerstreuung ein verwirrtes Bild erzeugten; bei kürzerer Exposition
                              wären diese äußersten Strahlen unwirksam geblieben und das Bild würde schärfer
                              ausgefallen seyn.
                           Wenn aber die gelben Strahlen vorherrschen, weil das Medium einen Theil der
                              brechbarsten Strahlen absorbirt, dann wird der centrale Theil der Linse, in welchem
                              die gelben Strahlen mehr mit den photogenischen Strahlen verdichtet sind, weniger
                              Kraft haben, wegen der neutralisirenden Wirkung des Ueberschusses gelber Strahlen.
                              In diesem Falle wirkt das Centrum weniger oder gar nicht, und die Brennpunkte sind
                              um so weniger von einander entfernt, weil das Gesichtsbild, wie vorher, durch die
                              weniger gebrochenen Strahlen von der ganzen Oeffnung gebildet wird, und das
                              photogenische Bild durch einen kleineren Theil der brechbarsten Strahlen, welche
                              durch dieselbe Ueber-Correction weniger gebrochen worden waren als die
                              Gesichtsstrahlen, entsteht, und folglich wird die Convergenz des Ganzen mehr
                              parallel seyn. Alle absorbirenden Ursachen verkürzen die Länge des Spectrums oder
                              reduciren die Zerstreuung der Strahlen.
                           
                           Bei Linsen, deren photogenischer Focus länger als der Gesichtsfocus ist, wird dieser
                              Effect offenbar durch eine Ueber-Correction der photogenischen Strahlen
                              hervorgebracht, und die größere oder geringere Entfernung der beiden Brennpunkte von
                              einander muß dem Gesetze folgen, welches ich soeben beschrieben habe. Aber bei
                              solchen Linsen, wo die Ueber-Correction nicht stattgefunden hat und bei denen
                              der photogenische Focus kürzer als der Gesichtsfocus ist, müssen dieselben Umstände,
                              welche in dem vorhergehenden Falle die beiden Brennpunkte immer mehr von einander
                              entfernen, sie im Gegentheil mehr coincidirend machen. Andere Umstände können jedoch
                              diese Erscheinung auf verschiedene Weise modificiren.
                           Bei einigen Linsen erzeugen dieselben Lichtbedingungen verschiedene Effecte, weil die
                              chromatische Correction an den einzelnen Punkten ihrer Krümmungen in verschiedenem
                              Grade stattfindet; dieß erklärt die Anomalie, welche ich in meiner ersten Abhandlung
                              erwähnte, daß nämlich die Trennung der zwei Brennpunkte in verschiedenen Linsen und
                              in scheinbar ähnlichen Linsen verschiedene und sogar entgegengesetzte Gesetze
                              befolgt. – Die Farbe des Glases selbst kann in einer Linse eine größere
                              Absorption von gewissen Strahlen veranlassen als in einer andern. Wenn das Glas
                              einer Linse mehr oder weniger photogenische Strahlen als das einer anderen absorbirt
                              und durch seine Farbe mehr oder weniger gelbe Strahlen erzeugt, so werden diese
                              letzteren die photogenische Wirkung im Centrum der Linse in einem verschiedenen
                              Verhältniß neutralisiren.
                           Daher können zwei verschiedene Linsen von denselben Krümmungen und von derselben
                              Dichtigkeit und Dispersion häufig nicht denselben Grad chromatischer Correction
                              zeigen; überdieß kann die chromatische Correction in jedem Glase, je nach der
                              wandelbaren Farbe des Lichts verbunden mit der Farbe oder andern Eigenschaften des
                              Glases selbstJedermann muß beobachtet haben, daß es häufig unmöglich ist mit dem besten
                                    Objectivglase ein scharfes Bild auf dem matt geschliffenen Glase zu
                                    erhalten, und daß zu andern Zeiten, unter verschiedenen Luftbedingungen, ein
                                    vollkommenes Bild leicht erhalten wird. Ebenso verhält es sich mit dem
                                    photogenischen Bild; bisweilen erscheint jedes Segment des Focimeters
                                    deutlich und ein anderesmal erscheinen sie alle verwirrt; es gibt folglich
                                    Tage, wo es unmöglich ist, genügende Resultate zu erhalten und andere wo wir
                                    mit dem besten Erfolge operiren. Es ist daher klar, daß der Achromatismus
                                    der Objectivgläser unaufhörliche Variationen erleidet., wieder verschiedenartig wirken.
                           Aus den vorhergehenden Beobachtungen folgt, daß die Farbe der Gläser, der Grad ihrer
                              chromatischen Aberration in den verschiedenen Punkten der Linse, dasselbe Resultat erzeugen können; denn
                              je nach der chromatischen Correction dieser verschiedenen Punkte können vom
                              Mittelpunkte zur Peripherie mehr oder weniger gelbe Strahlen und mehr oder weniger
                              photogenische Strahlen concentrirt werden, und die neutralisirende Wirkung der
                              gelben Strahlen kann folglich im Centrum einer Linse größer seyn als im Centrum
                              einer andern. Dann kann die Trennung der zwei Brennpunkte, in zwei Objectivgläsern,
                              durch den Einfluß desselben Lichts sich in einer anomalen Richtung ändern.
                           Die allgemeine Lichtfarbe in verschiedenen Klimaten kann auch den Achromatismus der
                              photogenischen Strahlen modificiren; aus diesem Grunde können die zwei Brennpunkte
                              in Wien oder Paris mehr oder minder getrennt seyn als in London, und man kann bei
                              Anwendung derselben Linsen in Europa oder in Amerika einen großen Unterschied
                              finden. Wir könnten uns daher sehr irren, wenn wir uns an die Compensation halten
                              wollten, welche vom Verfertiger des Apparats an der Röhre der Objectivgläser
                              angezeigt wurde; es ist folglich unumgänglich nöthig, die genaue Lage des
                              photogenischen Focus häufig mittelst des Focimeters zu bestimmen.
                           Es ist wichtig zu berücksichtigen, daß der mathematische Focus nur für eine Ebene existirt; dessenungeachtet können die Objecte,
                              welche sich außerhalb und innerhalb dieser Ebene in einer mäßigen Gränze befinden,
                              mit hinreichender Richtigkeit dargestellt werden. Es ist daher möglich, ein ziemlich
                              genügendes Bild in einiger Entfernung von dem mathematischen Focus zu erhalten, aber
                              diese Entfernung darf nicht zu groß seyn. Beim Porträtiren müssen die Objectivgläser
                              gleichzeitig Theile darstellen, welche in verschiedenen Ebenen liegen, in einem
                              Abstand von wenigstens zwei Fuß. Es ist unmöglich einen genauen Focus für alle diese
                              Theile zu haben; aber keiner darf zu weit von diesem Punkt entfernt seyn. Wenn der
                              Mund oder die Augen im mathematischen Focus sind, so werden die Theile vor und
                              hinter dieser Ebene nicht dieselbe Deutlichkeit erhalten, aber der Effect wird
                              ziemlich gut für alle Theile seyn. Wenn wir aber, ohne den Brennpunkt des
                              Objectivglases zu ändern, den Sitzenden in solcher Weise vor- oder rückwärts
                              bewegen, daß der Mund und die Augen in der Ebene sind wo die Hände zuerst waren,
                              oder in der Ebene wo die Ohren und Arme früher waren, so werden wir das Gesicht
                              immer noch ziemlich deutlich und scharf erhalten; aber im ersten Falle werden die
                              Hände und im zweiten die Ohren und Arme ihre correcte Form verloren haben. Je näher
                              der Apparat dem Objecte ist, desto sichtbarer sind diese Fehler. Wenn wir mit
                              Objectivgläsern von sehr großer Brennweite operiren, so sind die Differenzen klein, weil die
                              Strahlen gegen den Focus in spitzeren Winkeln convergiren. Mit diesen
                              Objectivgläsern können wir bis zu einem gewissen Grade den mathematischen Focus ohne
                              merkliche Differenz verlieren, und aus diesem Grunde sind sie vorzuziehen, wenn die
                              Lichtintensität oder die Empfindlichkeit der Oberfläche ihre Anwendung
                              gestattet.
                           Aus den vorhergehenden Beobachtungen erhellt, daß der Experimentator immer den
                              mathematischen Brennpunkt kennen muß, um ihn auf den wichtigsten Theil des
                              Gegenstandes, aber nicht zu weit von den äußersten Punkten, zu richten.
                           Ich zögerte lange, irgend eine Hypothese über die Ursache der Variation zwischen den
                              beiden Brennpunkten aufzustellen, und habe es endlich mehr in der Absicht gethan,
                              den Gegenstand zur Sprache zu bringen als ihn positiv zu entscheiden. Derselbe geht
                              hauptsächlich die Optiker an, welche Linsen für photographische Zwecke construiren,
                              und es ist an ihnen, die Gesetze des neuen Princips zu studiren, womit sie es zu
                              thun haben. Bisher wandten sie ihre ganze Geschicklichkeit an, um vollkommenere
                              Instrumente herzustellen, welche frei von sphärischer und chromatischer Aberration
                              sind, wie wenn sie Teleskope zu construiren hätten. Sie haben jetzt eine andere
                              Aufgabe zu lösen; denn ein gutes Teleskop könnte eine sehr schlechte photographische
                              Camera, und eine gute Camera ein sehr schlechtes Teleskop liefern.
                           Bei den Teleskopen handelt es sich darum, wenn man die Dichtheit und Zerstreuung
                              zweier Gläser von verschiedenem Brechungsinder kennt, sie so zu combiniren, daß alle
                              Strahlen, welche weißes Licht erzeugen, gegen denselben Punkt convergiren. Aber
                              dieselben zwei Gläser haben eine beträchtlichere Zerstreuung für die photogenischen
                              Strahlen als für irgend andere; die Brechungsindexe dieser photogenischen Strahlen
                              sind viel größer als diejenigen irgend anderer Strahlen, welche weißes Licht bilden.
                              Deßwegen müssen die Optiker bei Construction der Objectivgläser die Krümmungen der
                              zwei Gläser nur nach der Brechung und Zerstreuung der photogenischen Strahlen
                              bestimmen, ohne Rücksicht auf die Brechung und Zerstreuung der leuchtenden Strahlen.
                              Linsen welche hiernach construirt wurden, werden wahrscheinlich eine bedeutende
                              chromatische Aberration für die Gesichtsstrahlen besitzen; sie geben vielleicht kein
                              scharfes Bild auf dem matten Glase des Apparats, aber gewiß werden sie die
                              vollkommensten Gemälde auf der photographischen Fläche liefern, und dieß ist für den
                              Photographen der einzig wichtige Punkt.
                           
                           Ehe ich schließe, will ich die Aufmerksamkeit der Physiker auf den Einfluß lenken,
                              welchen die Polarisation des Lichts auf den Achromatismus photographischer
                              Objectivgläser ausüben kann.
                           Wenn wir bedenken, daß Licht, welches je nach dem Zustande der Atmosphäre immer mehr
                              oder minder polarisirt ist, zuerst unter verschiedenen Winkeln auf der ersten
                              Oberfläche der Linse reflectirt und von da durch vier Gläser von verschiedener
                              Dicke, welche in allen ihren Theilen mehr oder weniger gekühlt sind, gebrochen wird;
                              daß diese Brechung an den einzelnen Punkten der Oberfläche unter verschiedenen
                              Winkeln stattfindet, so darf man wohl annehmen, daß, nach den gewöhnlichen
                              Polarisationsgesetzen, gewisse Strahlen manchmal an Punkten, welche vom Centrum
                              entfernt sind, erlöschen, was die Farbe des von diesen verschiedenen Punkten
                              gegebenen Lichts modificiren und folglich einen gewissen Einfluß auf ihren
                              Achromatismus äußern muß. Dann können die zwei Brennpunkte mehr oder minder getrennt
                              seyn, aus denselben Gründen welche ich vorher angegeben habe.
                           Da ich über diese Thatsachen nicht genügend experimentiren konnte, so theile ich
                              jetzt nur eine Vermuthung mit, welche nach meiner Meinung von den Photographen
                              ernstlich geprüft zu werden verdient. Zu der Annahme, daß die Polarisation des
                              Lichts einen gewissen Einfluß auf den Achromatismus der Objectivgläser ausübt,
                              veranlaßte mich nämlich die Thatsache, daß wenn man ein Prisma oder einen Spiegel
                              anwendet um das Bild wieder umzukehren, es häufig vorkommt, daß die zwei Brennpunkte
                              mehr oder minder von einander getrennt sind, als wenn man mit demselben Lichte
                              operirt, ohne das Bild des Gegenstandes zu reflectiren.
                           Ich muß noch eine andere Beobachtung erwähnen. Mehrere Photographen, besonders
                              Dilettanten, welche in der Regel Ansichten oder architektonische Gemälde aufnehmen,
                              glauben daß bei ihren Objectivgläsern keine Trennung der zwei Brennpunkte und
                              folglich auch keine Variation stattfinde. Dieß ist richtig, wenn sie auf ihre Weise
                              zu Werke gehen, nämlich die Oeffnung ihrer Objectivgläser durch das Diaphragma
                              beträchtlich reduciren, weil in diesem Falle alle Strahlen nahezu parallel sind, und
                              die kleine Differenz welche stattfinden kann, unbemerkbar ist; aber man lasse sie
                              ohne Diaphragmen nahe Gegenstände aufnehmen, so werden sie bald finden, daß ihre
                              Objectivgläser keine scharfen Bilder geben können, ohne daß sie den photogenischen
                              Focus berücksichtigen.
                           Man kann durch einen in der Optik wohl bekannten leichten Versuch klar nachweisen,
                              daß durch das Anbringen von Diaphragmen vor der Oeffnung der Objectivgläser die
                              schiefen Strahlen abgeschnitten, und in Folge hiervon Gegenstände welche in
                              verschiedenen Ebenen liegen, eben so deutlich abgebildet werden als wenn sie in der
                              Ebene wären welche den mathematischen Focus gibt. Wenn wir eine Karte mit einer
                              Nadel durchstechen, so können durch diese Oeffnung sowohl kurz- als
                              weitsichtige Personen deutlich in einem Buche lesen, das in gleicher Entfernung von
                              ihren Augen angebracht ist; sie können das Buch auch rück- und vorwärts von
                              ihrem Gesichtspunkte bewegen, ohne die correcte Form der Typen zu verlieren; ein
                              solches Diaphragma ändert den Brennpunkt nicht, welchen ihnen die Natur gegeben hat;
                              sondern es streckt ihn dadurch, daß es nur parallele Strahlen auf die Netzhaut
                              gelangen läßt.
                           So verhält es sich mit Objectivgläsern, deren chromatische Aberration bei Anwendung
                              von Diaphragmen mit sehr kleiner Oeffnung zerstört oder vielmehr unmerklich gemacht
                              wird. Aus diesem Grunde kann eine gewöhnliche Camera
                                 obscura mit gleicher Schärfe Gegenstände darstellen, die sowohl in nahen
                              als in entfernten Ebenen liegen. Ein auffallendes Beispiel davon sind die schönen
                              Ansichten, welche Hr. Lerebours am Pont neuf in Paris mit
                              allen Arten von Objectivgläsern auf Platten oder Papier aufnahm; man sieht auf
                              denselben die Statue Heinrichs IV., welche bloß 20 oder 30 Schritte von seinem Hause
                              entfernt ist, eben so klar und deutlich abgebildet als den langen Palast der
                              Tuillerien, alle auf einander folgenden Brücken der Seine, und alle Gebäude welche
                              in beträchtlicher Länge die zwei entgegengesetzten Quais bedecken.
                           Wenn alle Gesichtsbrennpunkte für so beträchtliche Entfernungen zusammenfallen
                              können, so darf man sich nicht wundern, daß die photogenischen Brennpunkte selbst
                              mit den Brennpunkten der Gesichtsstrahlen zusammenfallen. Wenn daher alle
                              photographischen Operationen mit Objectivgläsern ausgeführt werden könnten, welche
                              genügend reducirte Oeffnungen haben, so wäre das Problem der zwei Brennpunkte
                              gelöst, und wir hätten uns um die Frage hinsichtlich ihrer Coincidenz oder Trennung
                              nicht zu bekümmern. Aber der Fall ist sehr verschieden, wenn wir Porträts
                              aufzunehmen haben; diese Operation erfordert die größte Raschheit, und da die Kraft
                              der Objectivgläser im Verhältniß ihrer Oberfläche ist, so müssen die Optiker
                              Krümmungen annehmen, welche die größtmöglichen Oeffnungen zulassen; dann zeigen sich
                              die Differenzen zwischen den zwei Brennpunkten und ihren constanten Variationen im
                              höchsten Grade.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
