| Titel: | Reise-Notizen; von Karl Karmarsch. | 
| Fundstelle: | Band 123, Jahrgang 1852, Nr. XLVI., S. 267 | 
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                        XLVI.
                        Reise-Notizen; von Karl Karmarsch.
                        Aus den Mittheilungen des hannover'schen
                                 Gewerbevereins, 1851, Lief. 63.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              IV.
                        Karmarsch's Reise-Notizen.
                        
                     
                        
                           Vorbemerkung. Ein neun Wochen langer Aufenthalt in
                              England, während des Sommers 1851, hat mir sowohl zu ausführlicher Besichtigung der
                              großen Londoner Industrie-Ausstellung als zum Besuche mancher interessanten
                              Fabriken in Birmingham, Manchester, Leeds, Bradford, Huddersfield, Sheffield etc.
                              Gelegenheit gegeben. Wenn ein umfassender und gründlicher Bericht über die gedachte
                              riesenhafte Ausstellung nicht das Werk Eines Menschen seyn kann; wenn ferner die
                              Anschauung von Fabriken, welche der Fremde meist mit einer gewissen Raschheit zu
                              durchwandern genöthigt ist, nur eine mäßige Anzahl Einzelheiten genügend dem
                              Gedächtnisse einzuprägen und in Anmerkungen niederzulegen gestattet, zugleich auch
                              sehr viel Bekanntes darbietet, so konnte doch ein fleißiger Sammler aus beiden
                              Quellen reichen Stoff zu eigener Belehrung mit nach Hause bringen. Ankäufe von
                              Werkzeugen und Fabriksproducten, an Ort und Stelle gemacht, fügten dem noch
                              Mannichfaltiges bei. Mehreres hiervon mag auch anderen zu wissen angenehm oder
                              nützlich seyn, und darum wird eine Bekanntmachung in dieser Zeitschrift für
                              angemessen wohl zu erachten seyn. Bruchstückweise wie die Dinge gesammelt wurden,
                              kann auch ihre Mittheilung nur stattfinden, daher sie für nichts weiter als Notizen
                              gegeben werden. Ohne Zweifel werden Freunde und Landsleute, welche mit mir einen
                              gleichen Weg verfolgten, auch die Früchte ihrer Beobachtungen dem deutschen Publicum
                              nicht vorenthalten, und so dürfte das, was ich nach und nach zu bringen
                              beabsichtige, hin und wieder sich der Erweiterung, Vervollständigung zu erfreuen
                              haben.
                           
                        
                           1. Ueber Verarbeitung des
                                 Britannia-Metalls.
                           (Hierzu Fig. 3–8 auf Tafel
                              IV.)
                           Einleitung. – Das Britannia-Metall ist eine
                              Zusammensetzung, in welcher Zinn den Hauptbestandtheil ausmacht. Seine Verarbeitung
                              schließt sich demnach der gewöhnlichen Zinnwaarenfabrication im Besondern der Zinngießerei,
                              am nächsten an, und ist in der That aus dieser hervorgegangen.
                           Bekanntlich wurde von jeher das Zinn nicht im reinen Zustande, sondern mit Blei
                              gemischt verarbeitet. Dieser Zusatz hat seine vollkommene technische Berechtigung,
                              denn bleihaltiges Zinn füllt beim Gießen die Formen weit besser als unvermischtes.
                              Aber die Gelegenheit durch Vergrößerung des Bleizusatzes über das nöthige Maaß
                              hinaus an dem weit kostbarern Zinn zu sparen, verführte sehr oft zum Mißbrauch und
                              somit zur Verschlechterung der Waaren, welche desto weicher, von desto
                              unansehnlicherer Farbe, desto mehr dem Anlaufen unterworfen sind, je größer der im
                              Gemisch enthaltene Antheil Blei ist, der aus großem Bleigehalte hervorgehenden
                              Gefahr für die Gesundheit nicht zu gedenken. Daß die meisten Arten von Zinngeräthen
                              als Haushaltsgegenstand nach und nach so sehr in Mißcredit gekommen, ja fast aus dem
                              Gebrauche verschwunden sind, hat gewiß seinen Grund zum Theil in jenen
                              Verhältnissen. Schon vor langer Zeit hatten Zinngießer, welche ein sehr bleihaltiges
                              Zinn verarbeiteten, die offenbaren Mängel ihres Materials durch Beimischung anderer
                              Metalle zu verdecken gesucht; man benutzte hierzu hauptsächlich Antimon, welches
                              allerdings die Härte erhöht; gelegentlich kamen auch kleine Zusätze von Kupfer,
                              Zink, Wismuth in Anwendung. Man verfuhr aber hierbei nach keinerlei festen
                              Grundsätzen, und die so zu Stande gebrachten Mischungen konnten sich demnach auch
                              Ansehen und Verbreitung um so weniger erwerben, als ihnen doch stets eine nur
                              unvollkommen geheilte Verschlechterung des Zinns (durch starken Bleiversatz) zum
                              Grunde lag. Inzwischen führte eine bessere Einsicht nach und nach auf
                              Zusammensetzungen, in welchen das Blei größtentheils, ja meist ganz weggelassen,
                              gewisse Antheile von Antimon, oder von Antimon und Kupfer (auch wohl von Zink)
                              hingegen beibehalten wurden. Von der Art sind z.B. die folgenden
                              Metallmischungen:
                           1) weißes Metall zu Tischklingeln (in Frankreich Métal
                                 d'Alger genannt), in 100 Theilen 94,5 Zinn, 5 Kupfer, 0,5 Antimon
                              enthaltend;
                           2) weißes Metall zu Löffeln, Gabeln, Theekannen und dergleichen (unter dem Namen Métal argentin aufgebracht), 85,5 Zinn, 14,5
                              Antimon;
                           3) weißes Metall zu gleichem Gebrauche wie vorstehendes (Minofor benannt), worin auf 100 Theile gefunden wurde: 67,53 Zinn, 17,00
                              Antimon, 8,94 Zink, 3,26 Kupfer (Verlust bei der chemischen Analyse 3,27);
                              endlich.
                           
                           4) Britannia-Metall, welches den Gegenstand der
                              folgenden näheren Betrachtung ausmachen wird.
                           Im Allgemeinen beruhte die Darstellung der genannten und ähnlicher Compositionen auf
                              einem Bestreben, das Zinn durch andere Metallzusätze, härter, steifer,
                              politurfähiger, klingender zu machen. Zur Erreichung dieses Zweckes ist das Antimon,
                              deßgleichen das Kupfer, vorzüglich geeignet; allein was das Antimon betrifft, muß
                              man sich vor einer zu großen Vermehrung desselben hüten, weil es im Uebermaaße nicht
                              nur die Geschmeidigkeit der Mischung beeinträchtigt, sondern auch als ein giftiges
                              und den Wanzensamen nicht widerstehendes Metall unter manchen Umständen Gefahr für
                              die Gesundheit herbeiführen kann.
                           Das Britannia-Metall behauptet den Vorzug vor allen
                              ähnlichen im Laufe der Zeit versuchten Zusammensetzungen und hat diese sämmtlich in
                              der Gunst des Publicums mit Recht überdauert. Es ist gleich dem mit Blei versetzten
                              Zinn sehr geeignet zur Gießerei und liefert ausgezeichnet schöne und scharfe Güsse;
                              zugleich aber nimmt es eine viel schönere Politur an als jenes, kann namentlich den
                              Operationen des Schleifens (Schmirgelns) und des Glanzschleifens unterzogen werden,
                              während das gewöhnliche Zinn wegen seiner geringern Härte durch Schaben und durch
                              Reiben mit harten Polirsteinen behandelt werden muß, wobei niemals ein feiner Glanz
                              erzielt werden kann. Dieser Umstand trägt wesentlich dazu bei, das
                              Britannia-Metall für Darstellung von Luxus-Geräthschaften tauglich zu
                              machen, und vermöge des so erweiterten Anwendungskreises ist dasselbe auch
                              rücksichtlich der Bearbeitungs-Methoden in die Reihe der gängigsten Metalle
                              eingetreten, d.h. es wird wie diese zu Blech ausgewalzt und in dieser Gestalt durch
                              Prägen, sowie durch Drücken auf der Drehbank weiter verarbeitet; Behandlungen,
                              welche beim Zinn nie in nennenswerthe Uebung gekommen sind. Im beträchtlichsten
                              Umfange findet die Darstellung von Artikeln aus Britannia-Metall in England
                              statt, namentlich zu Birmingham und Sheffield, von wo derartige Waaren in Menge nach
                              allen Gegenden der Welt abgesetzt werden. In Deutschland ist diese Fabrication zur
                              Zeit noch nicht von großer Bedeutung. Elberfeld und Lüdenscheid z.B. liefern
                              Britannia-Metall; in Hannover ist dazu ein kleiner Anfang gemacht, dem wir
                              Gedeihen und Nachfolge wünschen.
                           Zusammensetzung des Britannia-Metalls. –
                              Hierüber findet man in Druckschriften mancherlei Angaben, welche zum Theil wohl
                              nicht auf ganz verläßlichen Nachrichten beruhen, zum Theil deßwegen von einander
                              abweichen, weil die Mischung in verschiedenen Fabriken verschieden ist.
                           
                           a) Es wird z.B. gesagt, das Britannia-Metall sey
                              zu bereiten durch Zusammenschmelzen von gleichen Theilen Messing, Zinn, Antimon und
                              Wismuth, und noch ferneren Zinnzusatz nach Bedarf. Nimmt man, in Ermangelung eines
                              bestimmtem Anhaltspunktes, den Zinngehalt des fertigen Gemisches zu 85 Proc. an,
                              womit man den weiterhin anzuführenden Zusammensetzungen nahe kommt, so läßt sich die
                              Vorschrift so ausdrücken, daß 1 Theil Messing mit 1 Th. Antimon, 1 Th. Wismuth und 1
                              Th. Zinn zusammenzuschmelzen und dieses Gemisch schließlich mit 16 Th. Zinn zu
                              vereinigen sey. Unter dieser Voraussetzung würde das Product in 100 Theilen
                              annähernd enthalten:
                           
                              
                                   85,0
                                 Zinn,
                                 
                              
                                     5,0
                                 Antimon,
                                 
                              
                                     5,0
                                 Wismuth,
                                 
                              
                                     1,4
                                 Zink,
                                 
                              
                                     3,6
                                 Kupfer,
                                 
                              
                                 –––––
                                 
                                 
                              
                                 100,0.
                                 
                                 
                              
                           b) Einer andern Mittheilung zufolge sollen auf 100
                              Theile Zinn 7 Th. Antimon, 2 Th. Kupfer und 2 Th. Messing genommen werden. Dieß gäbe
                              in 100 etwa:
                           
                              
                                   90,1
                                 Zinn,
                                 
                              
                                     6,3
                                 Antimon,
                                 
                              
                                     0,5
                                 Zink,
                                 
                              
                                     3,1
                                 Kupfer,
                                 
                              
                                 –––––
                                 
                                 
                              
                                 100,0.
                                 
                                 
                              
                           c) Köller, der eine Probe
                              englischen Bleches aus Britannia-Metall analysirte, fand darin:
                           
                              
                                   85,72
                                 Zinn,
                                 
                              
                                   10,39
                                 Antimon,
                                 
                              
                                     2,91
                                 Zink,
                                 
                              
                                     0,98
                                 Kupfer,
                                 
                              
                                 ––––––
                                 
                                 
                              
                                 100,00.
                                 
                                 
                              
                           d) Unter dem Namen Plate
                                 pewter findet man eine Composition erwähnt, welche ebenfalls hieher gehört
                              und – wie schon die Benennung ausspricht – zu Blech gestreckt werden
                              kann; sie soll bestehen aus 50 Zinn, 4 Antimon, 1 Wismuth, 1 Kupfer, oder in 100
                              Theilen:
                           
                              
                                   89,30
                                 Zinn,
                                 
                              
                                     7,14
                                 Antimon,
                                 
                              
                                     1,78
                                 Wismuth,
                                 
                              
                                     1,78
                                 Kupfer,
                                 
                              
                                 ––––––
                                 
                                 
                              
                                 100,00.
                                 
                                 
                              
                           
                           e) Von Baumgärtl sind zwei
                              fast übereinstimmende Sorten untersucht worden, die eine als
                              Britannia-Metall, die andere als Ashberry's
                                 Patent-Metall bezeichnet. Er fand:
                           
                              
                                 
                                 Britannia-  Metall.
                                 
                                 Ashberry-  Metall.
                                 
                              
                                 Zinn
                                   81,90
                                 –
                                   77,812
                                 
                              
                                 Antimon
                                   16,25
                                 –
                                   19,375
                                 
                              
                                 Kupfer
                                     1,84
                                 –
                                     2,781
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                   99,99
                                 
                                   99,968.
                                 
                              
                           Es ist nicht gesagt, ob die analysirten Stücke Guß oder Blech gewesen seyen; doch ist
                              das erstere aus dem Zusammenhange (indem in der Einleitung des Aufsatzes namentlich
                              von Löffeln gesprochen wird) als wahrscheinlich abzuleiten und auch schon deßwegen
                              zu vermuthen, weil für eine auf Blech zu verarbeitende, also einer großen
                              Dehnbarkeit bedürftigen Mischung der Antimongehalt zu groß ist.
                           f) Zwei Proben von dem Britannia-Metall, welches
                              ich selbst aus Birmingham mitbrachte, sind unter Leitung des Hrn. Dr. Heeren im Laboratorium
                              der polytechnischen Schule analysirt worden, und haben folgendes Verhältniß der
                              Bestandtheile dargeboten:
                           
                              
                                 
                                   
                                    Gegossenes      Metall.
                                 
                                   Blech.
                                 
                              
                                 Zinn
                                       90,71
                                 –
                                   90,57
                                 
                              
                                 Antimon
                                         9,20
                                 –
                                     9,40
                                 
                              
                                 Kupfer
                                         0,09
                                 –
                                     0,03
                                 
                              
                                 Blei
                                       kleine
                                    Spur
                                 –
                                    Spur
                                 
                              
                                 Eisen
                                 kaum eine Spur
                                 –
                                    Spur
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                     100,00
                                 
                                 100,00.
                                 
                              
                           Es ist offenbar, daß beide der Absicht des Fabrikanten nach von übereinstimmender
                              Mischung und aus 9 Theilen Zinn mit 1 Th. Antimon bereitet sind. Kupfer, Blei und
                              Eisen finden sich in so geringer Menge vor, daß unbedingt deren Gegenwart nur in
                              Unreinheit des Zinns und des Antimons ihren Grund hat. Von allen angeführten
                              Zusammensetzungen des Britannia-Metalls ist hiernach diese die
                              einfachste.
                           Eigenschaften des Britannia-Metalls. –
                              Ueber die Beschaffenheit des von mir aus Birmingham mitgebrachten Metalles, dessen
                              chemische Zusammensetzung vorstehend unter f) angegeben
                              wurde, ist Folgendes zu bemerken:
                           Seine Farbe ist bläulicher als die des reinen Zinns, aber nicht so grau als jene des
                              beträchtlich mit Blei vermischten Zinns, und gleicht fast der Farbe des Platins. Es
                              übertrifft an Härte bedeutend das reine, noch viel mehr also das bleihaltige Zinn: die Ecke
                              oder Kante eines Zinnstäbchens stumpft sich ab ohne den mindesten Eindruck zu
                              machen, wenn man damit auf Britannia-Metall streicht; dagegen kann man mit
                              der Ecke eines Stücks Britannia-Metall in der Oberfläche des Zinnstäbchens
                              starke Ritzen und Grübchen machen. Eine Folge des Antimongehaltes, welcher diese
                              vergrößerte Härte bewirkt, ist es auch, daß das Britannia-Metall sich mit
                              gewöhnlichen Feilen, auch ziemlich feinen, sehr gut feilen läßt, ohne deren Hieb
                              mehr zu verstopfen als Messing es thut; wogegen das reine und noch mehr das
                              bleihaltige Zinn den Hieb schnell ausfüllen, so daß die Wirkung der Feile abnimmt
                              oder fast gänzlich gehemmt ist. Das specifische Gewicht des Britannia-Metalls
                              fand ich am Bleche – 7,339, an einem gegossenen Stücke 7,361; also geringer
                              nach der Bearbeitung durch das Walzen. Da (wie die oben mitgetheilten Analysen
                              ergeben) eine Abweichung in der chemischen Zusammensetzung, welche diesen
                              Unterschied erklären könnte, nicht vorhanden ist, so muß derselbe in dem
                              mechanischen Zustande seinen Grund haben. Mit der gewöhnlich als gültig angenommenen
                              Regel, daß durch Auswalzen die Dichtigkeit der Metalle sich vergrößere, steht diese
                              Beobachtung im Widerspruch: ich wollte mir deßhalb eine Controle derselben
                              verschaffen, und streckte zu dem Behufe ein Gußstück von fast ein Viertelzoll Dicke
                              und dem specifischen Gewichte 7,361, unter rasch verengerter Stellung der Walzen, zu
                              Blech von der Stärke eines Spielkartenblattes aus, wobei es an den Kanten stark
                              einriß: es zeigte nun das specifische Gewicht 7,325. Ich muß demnach die
                              Verminderung der Dichtigkeit durch das Walzen als eine erwiesene Thatsache beim
                              Britannia-Metall ansehen, zu deren Erklärung ich nur sagen kann, daß
                              wahrscheinlich, wie die äußerlich entstehenden Kantenrisse vermuthen lassen, die
                              Theilchen eine Neigung haben, sich unter dem Drucke von einander zu entfernen, weil
                              ihnen die nöthige Geschmeidigkeit fehlt, um sich inniger zwischen einander hinein zu
                              pressenGanz vereinzelt steht meine Beobachtung über das Britannia-Metall
                                    insofern nicht, als Lebrun auch an anderen
                                    Metallen nach dem Walzen oder Hämmern ein geringeres spec. Gewicht fand als vor dieser Behandlung (siehe
                                    Mittheilungen des Gewerbevereins für das Königreich Hannover, Lief. 35, S.
                                    61.).. – Das Metall nimmt durch Poliren einen schönen feinen Glanz an; ist
                              geschmeidig in einem solchen Grade, daß es nur durch vielfach wiederholtes
                              Hin- und Herbiegen abgebrochen werden kann; läßt sich walzen, hämmern, in
                              Stanzen prägen, zu Draht ziehen. Ein von mir selbst gezogener Draht, welcher 0,026
                              Pariser Zoll dick war, erforderte um abgerissen zu werden, eine Belastung von 3 1/4 bis 3 1/2
                              köln. Pfund: dieß ergibt ungefähr dieselbe Festigkeit, welche von mir bei einer
                              andern Gelegenheit an Draht aus unvermischtem Zinn beobachtet worden ist.
                           Um die Wirkung einer schwachen Säure auf Britannia-Metall zu erproben, stellte
                              ich einen Streifen Blech in eine Mischung von gleichviel Wasser und gewöhnlichem
                              gutem Essig so, daß er zum Theil herausragte. Nach 48stündigem Verweilen darin hatte
                              derselbe nichts von seinem Glanze verloren, ausgenommen eine schmale Stelle, welche
                              dicht unter der Oberfläche der Flüssigkeit gewesen war und sich unbedeutend mattgrau
                              angelaufen zeigte; aber in dem Essig bildete sich nachher beim Hindurchleiten von
                              Schwefelwasserstoffgas ein beträchtlicher stockiger dunkelbrauner Niederschlag. Zur
                              Vergleichung wurde in eine andere Portion derselben sauren Flüssigkeit ein Stäbchen
                              reinen Zinns, ebenfalls 48 Stunden lang, gestellt: durch Schwefelwasserstoffgas
                              entstand hierin gleichfalls ein brauner Niederschlag, dem Ansehen nach in ebenso
                              reichlicher Menge als vom Britannia-Metall beim vorhergehenden Versuche. Man
                              darf also wohl schließen, daß Britannia-Metall-Gefäße nicht mehr
                              gesundheitliche Bedenken in der Anwendung erregen können, als zinnerne.
                           Verarbeitung des Britannia-Metalls. – Die
                              Darstellung der Waaren aus dieser Metallmischung geschieht theils durch Guß, theils
                              durch Verarbeitung von Blech. Das Auswalzen des Metalls geht leicht und gut von
                              Statten, doch zeigt dasselbe einige Neigung einzureißen; wenigstens haben die
                              Blechtafeln rauhe, vielfältig und häufig auf 2 bis 3 Linien Tiefe eingerissene
                              Ränder, obschon sie übrigens sehr glatt, glänzend und rein erscheinen; ich sah
                              selbst Tafeln, die vom Ende her einen 12 bis 20 Zoll tiefen Längenriß bekommen
                              hatten. Blech, welches bei einer halben Linie Dicke in Tafeln von 16 1/2 hannov.
                              Zoll Breite und etwa 8 Fuß Länge dargestellt wird, berechnet die Fabrik von Richard Ford Sturzes zu Birmingham 1 Shill. 4 Pence das
                              englische Pfund (11 Ggr. das hannov. Pfund). Die Verarbeitung des Blechs findet
                              hauptsächlich durch Drücken auf der Drehbank und durch Prägen zwischen Stanzen unter
                              dem Fallwerke Statt.
                           a) Gießen. – Nicht nur
                              Löffel und einfache Gefäße, so wie eine Menge kleiner Gegenstände und Bestandtheile
                              werden durch Guß dargestellt, sondern man gießt auch bauchige und zwar sehr
                              künstliche Stücke im Ganzen, in messingenen oder eisernen
                              Formen, die aus vielen Theilen zusammengesetzt und daher sehr kostspielig sind. Ich
                              sah z.B. einen großen Theetopf, wozu die Form nicht weniger als 70 Pfund Sterling (467 Thlr.) gekostet
                              hatte. Der ungemein ausgebreitete Absatz der Waaren und die guten Preise, welche
                              dafür in England bezahlt werden, machen die Anwendung so theurer Gießformen
                              thunlich, wovor ein deutscher Fabrikant in der Regel zurückschrecken wird. Ich gebe
                              auf der Kupfertafel durch Fig. 3 und 4 (beide in der halben
                              Größe gezeichnet) ein Paar erläuternde Beispiele an Stücken, welche ich in der
                              obengedachten Sturges'schen Fabrik für die technologische
                              Sammlung der polytechnischen Schule im rohen Gusse erworben habe und daher genau
                              untersuchen konnte.
                           Fig. 4 ist ein
                              5 1/2 Zoll hoher Theetopf mit überaus reicher Reliefverzierung, welcher ganz wie die
                              Zeichnung ihn darstellt – also sammt den Ansatzstücken a, b des Henkels, dem Ausgusse c und vier
                              Füßen gleich d, d – aus der Form gekommen ist.
                              Letztere besteht, wie die noch vorhandenen Gußnähte zu erkennen geben, aus 17
                              Theilen, nämlich:
                           3 Stück (2 Seitentheile, 1 Bodenstück) für das Aeußere, den Hobel nach der Sprache unserer Zinngießer;
                           9 Theile zum Kern des Körpers;
                           2 Theile zum Kern des Ausgusses c;
                           1 Kernstück zur Höhlung des Ansatzes a;
                           1 Kernstück deßgleichen zum Ansatze b.
                           1 Stück zum Scharnier, woran nachher der Deckel angebracht wird. (Dieses Scharnier
                              hat vom Gusse her noch nicht die Bohrung).
                           Alle Verzierungen sind auf das Reinste und Schärfste ausgegossen, alle schlichten
                              Flächen sehr glatt, obschon nicht glänzend. Der Guß ist nur im Boden dick (des
                              festen Standes wegen), übrigens aber von so dünner Wandung, daß das Stück nicht mehr
                              als 1 Pfund 27 Loth wiegt.
                           Die weit einfachere Milchkanne Fig. 4 erfordert
                              gleichwohl eine 10theilige Form, wovon 3 Stücke (wie beim Theetopf) den Hobel
                              bilden, und 7 Stücke den Kern für den Hohlkörper zusammensetzen. Diese Kanne ist 4
                              3/4 Zoll hoch und wiegt 17 Loth.
                           Im Allgemeinen ist zu bemerken, daß der Einguß das Metall mitten auf die äußere
                              Fläche des Bodens führt; daß die mehrtheiligen Kerne vor dem Gusse durch Gypsbrei
                              aneinander gekittet, aus dem gegossenen Gegenstande aber stückweise herausgeholt
                              werden; endlich daß man einzelne kleine Löcher, welche
                              nicht ganz selten in so schwierigen Gußstücken sich finden, mittelst
                              Schnell-Loth zustopft.
                           b) Drücken. – Das
                              Britannia-Metallblech ist mit den bekannten Handgriffen des Drückens auf der
                              Drehbank äußerst leicht zu behandeln. Interessant war mir die Verfertigung eines bauchigen
                              Theetopfkörpers zu sehen, den Fig. 5 in halber Größe
                              vorstellt. Er ist 4 1/4 Zoll hoch, im Bauche 5 1/4 Zoll weit; der Durchmesser seiner
                              Mündung a, b beträgt 3 1/4 Zoll. Zur Hervorbringung
                              desselben kam eine Blechscheibe von 10 1/2 Zoll Durchmesser, 28 Loth wiegend, in
                              Anwendung, welche zuerst auf ein hölzernes Futter wie A,
                              Fig. 6,
                              gebracht wurde. Mit dem Gewinde bei c ist dieses Futter
                              auf der Drehbankspindel festgeschraubt; ein kleines rundes Holzstück B, gegen welches man den Reitnagel C der Drehbank scharf ansetzt, hält das Blech d, h, i, e auf der Vorderfläche des Futters
                              unverrückbar. Nachdem mittelst der Drückstähle das Blech dergestalt über das Futter
                              aufgezogen ist, daß es ein Gefäß von dem Profile g, h, i,
                                 f bildet, wird dieses in ein genau passendes vertieftes Futter D, Fig. 7, gesetzt, worin es
                              durch Reibung genügend festhält, während ein bedeutender Theil vom Rande aus
                              freisteht. Dieser freistehende Theil kg, mf wird
                              sodann durch behutsames und wohlgeregeltes Anhalten und Führen der Drückstähle
                              allein, ohne Unterlage oder sonstiges Hülfsmittel gegen die Mitte hereingezogen, um
                              das Profil kl, mn zu erzeugen. Durch Wegstechen
                              dessen, um was der Blechkörper zu groß sich zeigt, und durch schließliches Ausdrehen
                              der Mündung l, n fällt so viel Metall ab, daß das
                              fertiggedrückte Stück nur mehr 21 1/4 Loth wiegt.
                           c) Prägen. – Gleich
                              Messingblech, Silberblech etc. wird auch das Blech aus Britannia-Metall in
                              zahlreichen Fällen unter dem Fallwerke zwischen Stanze und Oberstempel geprägt, und
                              man macht hiervon namentlich bei Herstellung aller solcher Stücke Anwendung, welche
                              ihrer Gestalt nach sich nicht zum Drücken auf der Drehbank eignen. So werden unter
                              andern zu den gedrückten Theetopfkörpern die Deckel, die Ausgüsse (in Hälften), die
                              Henkel (ebenfalls in Hälften) geprägt. Die Körper selbst, wenn sie nicht die
                              schlichtrunde durch das Drücken erzeugte Gestalt behalten sollen, werden durch
                              Prägen in einem kleinern Fall- oder Schlagwerke nach bekannter Weise
                              ausgebildet, z.B. mit sogenannten Knorren, Rippen u. dergl. versehen.
                           d) Löthen. – Die an
                              Britannia-Metall-Waaren vorkommenden Löthungen werden mit gewöhnlichem
                              Schnell-Loth (Zinnloth) ausgeführt, indem man sich einer Gasflamme und des
                              Löthrohrs bedient. Der Arbeiter taucht ein sehr dünnes Stäbchen Loth mit dem Ende in
                              ein Gemisch von Oel und Colophonium, trägt dieß auf die Löthstelle, und bläst
                              zugleich mittelst des Löthrohrs die Flamme darauf, wobei das Loth abfließt und in
                              die Fuge eindringt. Die in zwei Theilen geprägten Henkel und Ausgüsse werden so durch Löthen
                              vereinigt; auf dieselbe Weise befestigt man nachher an den aus Blech gemachten
                              Gefäßkörpern nicht nur diese Henkel und Ausgüsse, sondern auch die als besondere
                              Stücke gegossenen Füße und Deckel-Scharniere. Auch gegossene
                              Reliefverzierungen werden auf den schlichten Blechkörpern durch Löthung
                              befestigt.
                           e) Schleifen und Poliren.
                              – Die Gegenstände aus Britannia-Metall werden, sofern sie große
                              schlichte Flächen haben, auf hölzernen lederbekleideten Scheiben mit feinem Sande
                              geschliffen, dann auf der Handfläche mit trockenem Tripelpulver polirt. Der erwähnte
                              Sand (Trent Sand) kommt aus dem Flusse Trent, ist
                              graubraun und außerordentlich fein; ich konnte nicht erfahren, ob und wie er vor der
                              Anwendung zubereitet (etwa zerstoßen oder geschlämmt) wird. Man gebraucht ihn in
                              halbfeuchtem Zustande, etwa so wie frisch aus der Erde gegrabener Sand zu seyn
                              pflegt. Der Arbeiter hat auf dem Tische einen Vorrath solchen Sandes neben sich, und
                              wirft davon mit der Hand fleißig zwischen die Scheibe und das fast von ganz unten
                              her gegen dieselbe angehaltene Arbeitsstück, welches dabei nach Erforderniß gewendet
                              wird. – Das Innere der Gefäße wird auf kleinen (etwa 2 Zoll im Durchmesser
                              haltenden) Lederscheiben mit demselben Sande geschliffen. Eine solche Scheibe F, Fig. 8 (Maaßstab ein
                              Viertel des wirklichen), befindet sich am Ende eines 3 bis 6 Zoll langen hölzernen
                              Stieles oder Schaftes E, der mit seinem inwendigen
                              Schraubengewinde bei Z auf der Spindel einer Drehbank
                              angeschraubt ist.
                           Polirte Stellen an Arbeiten mit Reliefverzierungen empfangen ihren Glanz durch Reiben
                              mit dem Polirstahle oder Blutsteine.
                           1) Versilbern. – Der größere Theil der Artikel aus
                              Britannia-Metall wird auf galvanischem Wege stark versilbert (electro-plated). Wir kennen galvanisch
                              versilberte Waaren aus Argentan (Neusilber) in Deutschland unter dem Namen China-Silber; in England aber hat der Gebrauch
                              dieser sowohl als jener des versilberten Britannia-Metalls eine sehr große
                              Ausdehnung erlangt, und beide werden dort so sorgfältig gearbeitet, daß sie im
                              Ansehen durchaus nicht von ächten Silberwaaren zu unterscheiden sind. Die
                              versilberten Gegenstände werden mittelst Polirstahls oder Blutsteins polirt,
                              theilweise (namentlich auf Flächen mit feinen vertieften, die Gravirung nachahmenden
                              Verzierungen, welche der Polirstahl zudrücken würde) mit Leder und Polirroth,
                              sogenanntem Crocus, glanzgeschliffen.
                           Das Putzen der versilberten Waaren, wie es beim Gebrauche derselben nöthig wird, muß
                              mit Behutsamkeit geschehen. Die Anweisung, welche die Fabrikanten dazu geben, ist folgende: man
                              gebraucht zum Putzen feines Polirroth (geschlämmtes hellrothes Caput mortuum oder
                              Colcothar) mit Wasser zur Consistenz des Rahms angemacht. Aus den Vertiefungen
                              verzierter Gegenstände wäscht man dann das Pulver mit Seife und kochendem Wasser
                              heraus, worauf das Stück gut getrocknet und schließlich mit weichem Sämischleder
                              (sogenanntem Waschleder) abgerieben wird. Das Bürsten muß man so viel möglich
                              vermeiden, weil durch dasselbe leicht die glatten Theile der Gegenstände Schaden
                              leiden, wenn es nicht sehr aufmerksam und sorgfältig verrichtet wird.
                           Statt der Versilberung kommt öfters Vertombakung des Britannia-Metalls in
                              Anwendung; man nennt solche Artikel Similor, und ich sah
                              dergleichen von sehr hübscher, ziemlich goldähnlicher Tombakfarbe, habe auch ein
                              Paar große Tafelleuchter dieser Art aus Birmingham mitgebracht. Man sagte mir, daß
                              der Flüssigkeit, aus welcher die gleichzeitige galvanische Niederschlagung von
                              Kupfer und Zink erfolgt, eine sehr kleine Menge Goldauflösung zugesetzt werde, um
                              die Farbe des gelben Ueberzuges zu erhöhen. Es scheint indessen, daß diese Waaren
                              demungeachtet mit der Zeit schwärzlich anlaufen.
                           
                        
                           2. Ueber appretirten Baumwollstoff als
                                 Stellvertreter des Papiers zum Schreiben und Zeichnen.
                           Im Jahre 1846 erhielt Dowse in England ein Patent auf
                              Zubereitung der Baumwollzeuge, um sie anstatt Papier anwenden zu können. Dingler's polytechn. Journal theilte
                              bald nachher (Jahrg. 1847, Bd. CIV S. 79) aus dem London
                                 Journal of arts das Verfahren mit folgenden Worten mit:
                           
                              „Die Baumwollzeuge werden zuerst gesengt um ihnen den Flaum zu benehmen,
                                 und dann gebleicht; sollen sie als Surrogate für farbiges Papier dienen, so muß
                                 man sie färben. Hierauf sättigt man die Zeuge mit einer Auflösung von 1 Pfd.
                                 Harz in 10 1/4 Pfd. Potasche- oder Sodaauflösung (welche 1/4 Pfd. Alkali
                                 enthält). Dann taucht man die Zeuge in eine Auflösung von 1 Pfd. Alaun in 10
                                 Pfd. Wasser; hierauf kommen sie in eine Auflösung von Stärke, Mehl oder Gummi,
                                 um ihnen die erforderliche Steifheit zu ertheilen und ihre Zwischenräume
                                 auszufüllen; ehe man sie von einer Auflösung in die andere bringt, muß man sie
                                 jedesmal durch Auspreßwalzen passiren. Die Zeuge werden nun getrocknet und
                                 hernach zwischen Walzen oder in Bogen zwischen Platten gepreßt, um ihre
                                 Oberflächen zu glätten.“
                              
                           
                           
                              „Statt der Harzauflösung kann man auch eine Auflösung von weißer Seife in
                                 Alkali anwenden; zum Steifen kann man anstatt der Stärke oder mit ihr auch Leim
                                 anwenden.“
                              
                           
                              „So präparirte Zeuge können mit gewöhnlicher Tinte beschrieben, bedruckt
                                 und zu vielen Zwecken wie Papier angewendet werden.“
                              
                           Die hierin zu Tage tretende, den größten Theil der englischen Patentbeschreibungen
                              charakterisirende Unbestimmtheit und Allgemeinheit der Angaben ist vielleicht
                              Ursache gewesen, daß in Deutschland man dem Gegenstande keine Aufmerksamkeit
                              schenkte, wenigstens in unseren technischen Zeitschriften seiner nicht weiter
                              gedacht wurde, nachdem in mehreren derselben die erste Notiz (aus oben genannter
                              englischer Quelle) aufgeführt war. Die Londoner Industrie-Ausstellung gab
                              indessen Gelegenheit zu bemerken, daß die Erfindung sowohl in England als in
                              Frankreich eine praktische Anwendung gefunden hat, deren Nützlichkeit außer Zweifel
                              gesetzt ist. Es fand sich nämlich unter den ausgestellten Gegenständen ein dünner,
                              mit glänzender und stark durchscheinender Appretur versehener weißer Baumwollstoff,
                              welcher zum Durchzeichnen statt des sonst üblichen Kalkix- oder Copirpapiers
                              (Stroh- und Firnißpapiers) bestimmt, für diese Anwendung mit vorzüglicher
                              Tauglichkeit begabt erschien. Beigefügte Probeblätter solcher Zeichnungen ergaben,
                              daß auch das Tuschen und das Anlegen mit Farben sehr gut auf diesem Stoffe von
                              statten geht. Mehrere so ausgeführte Maschinenzeichnungen sah ich nachher auch in
                              dem Zeichner-Atelier des Hrn. Armengaud in Paris.
                           Der französische Aussteller (Husson in Paris, Quai de la Tournell, 13) nennt sein Product Papier-toile; bei den Engländern hat es den Namen
                              Writing and tracing cloth oder Vellum cloth empfangen, unter welchem man es z.B. bei J.
                              Smith in London (42 Rathbone Place, Oxford Street) findet. Die Waare ist 37
                              bis 38 hannov. Zoll breit. In Paris wird der Meter (41 hannov. Zoll) zu 2 Fr. 25
                              Cent. = 14 gGr. 5 Pf. Courant verkauft, in London die Yard (37 1/2 hannov. Zoll) zu
                              1 Shilling = 8 gGr., bei Abnahme eines ganzen Stücks von 24 Yards sogar um 10 Pence
                              = 6 gGr. 8 Pf. Dieser große Preisunterschied erklärt sich zum Theil aus einer
                              Verschiedenheit des Gewebes, wie sogleich näher anzugeben seyn wird.
                           Beide Arten sind ziemlich steif und in so hohem Grade durchscheinend, daß man die
                              Züge einer feinen Zeichnung sehr vollkommen hindurch erkennen und genau nachziehen
                              kann; doch ist der englische Stoff noch stärker durchscheinend als der französische.
                              Der erstere zeigt eine rein weiße Farbe und einen ausgezeichneten Glanz; der französische ist etwas
                              gelblich oder schmutzigweiß und weit weniger glänzend. Für den Gebrauch empfiehlt
                              sich daher, namentlich da die größere Wohlfeilheit hinzukommt, das englische
                              Fabricat vorzugsweise. Das Schreiben mit gewöhnlicher Tinte, das Zeichnen mit der
                              Reißfeder, das Tuschen und das Auftragen anderer Farben mittelst des Pinsels, geht
                              auf beiden gleich gut von statten; nur der Bleistift faßt auf dem französischen
                              etwas besser, da es nicht so sehr glatt ist. Durch das Auftragen nasser Farben geht
                              an den damit bedeckten Stellen der Glanz verloren, die Rückseite eben dieser Stellen
                              behält ihn aber mehr oder weniger. Mit Tinte gemachte Schrift geht – zumal
                              wenn jene nicht zu dick war – beim Spülen und Reiben im Wasser nicht gänzlich
                              wieder weg, sondern bleibt sehr leserlich, ungeachtet die Steifheit und der Glanz
                              des Stoffes durch diese Behandlung gänzlich verschwinden.Die Haltbarkeit der Tinte-Schrift auf diesem Stoffe hat in England zu
                                    einer sehr praktischen Nebenanwendung desselben geführt, wozu man indessen
                                    eine gröbere und nicht ganz so durchscheinende Sorte gebraucht. Man
                                    schneidet nämlich daraus länglich viereckige Stücke, biegt an diesen die
                                    eine schmale Seite und deren beide Ecken nach rückwärts um, sticht hier ein
                                    Loch durch, füttert dieses mit einem Metallringe von der bei
                                    Damen-Corsetten gebräuchlichen Art aus, und benutzt diese Zettel zum
                                    Anhängen an Reisesäcke und dergl., indem man Namen, Bestimmungsort etc.
                                    darauf schreibt. Aus eigener Erfahrung kann ich die Brauchbarkeit solcher
                                    Adreßzettel bezeugen. Das Duzend kostet in London 3 Pence (2 gGr.). Gegen die zum Copiren von Zeichnungen üblichen Papiergattungen hat das in
                              Rede stehende Gewebe vieles voraus; es ist weit haltbarer, bricht nicht bei dem
                              schärfsten Zusammenfalten und Streichen der Bruchstelle mit dem Falzbeine etc., läßt
                              sich leicht und schön zusammenrollen, offenbart nicht das unangenehme Knattern, hat
                              eine weit angenehmere Farbe und wird nicht (wie so oft das Firnißpapier) mit der
                              Zeit gelb.
                           Die einleuchtende vorzügliche Tauglichkeit dieses Fabricates bewog mich, dessen
                              Beschaffenheit näher zu untersuchen, und wo möglich den leitenden Faden zu dessen
                              Nachbildung aufzufinden. Es war hierbei die Natur des Gewebes und die Art der
                              Appretur zu erforschen.
                           In kaltem Wasser eingeweicht und unter fleißigem Reiben vollständig ausgewaschen,
                              dann getrocknet, erscheint das Gewebe aller Appretur beraubt, und kann leicht als
                              Baumwollstoff erkannt werden. Unter dieser Behandlung schrumpft es ein wenig ein;
                              die Fäden quellen auf und werden rund, während sie ursprünglich stark plattgedrückt
                              waren. Durch genaues Wägen einer gemessenen Probe, und Abzählen der Fäden in derselben, kann
                              alsdann sehr annähernd (wenn man dabei schätzungsweise den Gewichtverlust im
                              Bleichen veranschlagt) die Feinheits-Nummer des zu dem Stoffe verarbeiteten
                              Gespinnstes ermittelt werden. Ich fand auf diese Weise, daß die englische Waare aus Kette Nr. 60 und Schuß Nr. 70
                              verfertigt ist. Dieselbe enthält auf dem Raume eines hannov. Zolls im appretirten
                              Zustande 76 bis 77 Ketten- und 84 bis 86 Einschußfäden, nach dem Auswaschen
                              und Trocknen 78 Ketten- und 88 Schußfäden. Die hannov. Quadrat-Elle
                              des käuflichen Stoffs wiegt nahe an 1 3/5 Loth (1,5908 Loth) kölnisch. Das
                              französische Fabricat ist bedeutend feiner und dichter; es besteht aus Kettengarn
                              Nr. 90, Schußgarn Nr. 100, enthält auf 1 Zoll im appretirten Zustande 112
                              Ketten- und 132 Einschußfäden, nach dem Waschen 115 Ketten- und 145
                              Schußfäden; eine Quadrat-Elle desselben wiegt (unausgewaschen) etwas über 1
                              4/5 Loth (1,8133 Loth) kölnisch. Der erörterten Beschaffenheit nach sind beide
                              Gewebe, von der Appretur abgesehen, zu dem Baumwoll-Battist oder Jaconnet zu
                              rechnen.
                           Der durch Auskochen und Auswaschen im Wasser eintretende Gewichtverlust beträgt an
                              der englischen Waare 9 1/3 Proc., an der französischen dagegen 17 1/2 Proc., so daß letztere im
                              gereinigten Zustande nur sehr unbedeutend schwerer ins Gewicht fällt als erstere.
                              Welcher Natur das den Glanz, die Steifheit und die durchscheinende Beschaffenheit
                              begründende, zugleich auch das Ausfließen der Tusche und Tinte hindernde
                              Appretur-Material sey, würde zunächst aus den Eingangs dieses Artikels
                              mitgetheilten Angaben des englischen Fabrikanten zu entnehmen seyn, wenn diese nicht
                              hierin eine so große und unbestimmte Wahl ließen. Durch successive Behandlung mit
                              alkalischer Harzlösung, Alaunlösung und gekochter Stärke konnte ich einer vorher
                              rein ausgewaschenen Probe des englischen Fabricates, welche schließlich mit einem
                              polirten Achate auf polirter Glasunterlage kräftig geglättet wurde, zwar Glanz und
                              Tauglichkeit zum Schreiben, aber keineswegs das durchscheinende Wesen wieder
                              ertheilen. Statt weitere Versuche in dieser Richtung anzustellen, zog ich vor, eine
                              sorgfältige Prüfung der in meinen Händen befindlichen fertigen Waare zu unternehmen,
                              welche mich Folgendes lehrte:
                           Ein Tropfen weingeistiger Jodtinctur bringt auf dem appretirten Stoffe einen
                              dunkelvioletten Fleck hervor. Wurde das zum Auskochen der Waare angewendete Wasser
                              eingedunstet, so blieb eine klebrige Flüssigkeit, welche sich durch hinzugetröpfelte
                              Jodtinctur schön indigblau färbte. Die Anwesenheit von Stärke ist nach diesen beiden Beobachtungen entschieden, sowohl für die
                              englische als für die französische Sorte. – An der Lichtstamme verbrannt,
                              gibt der Stoff keine Spur von dem Geruche nach versengtem Horn oder Haar; ein
                              Beweis, daß die Appretur nicht durch Leim hervorgebracht ist. Ueber einer
                              Lichtstamme oder auf einem heißen Ofen stark erwärmt, erlangt der Stoff
                              vorübergehend eine geringe aber deutliche Klebrigkeit, welche man wahrnimmt, wenn
                              das heiße Gewebe zwischen den Fingern gedrückt wird. Dieselbe Wahrnehmung ist zu
                              machen, wenn man ein Streifchen am Lichte anbrennt und dessen Flamme durch Drücken
                              zwischen Zeigefinger und Daumen auslöscht. Die französische Waare zeigt die
                              Klebrigkeit in etwas höherem Grade als die englische; ich deutete die Erscheinung
                              überhaupt auf die Gegenwart einer geringen Menge Wachs.
                           Nachdem die Anhaltspunkte gewonnen waren, nahm ich eine durch Auskochen und
                              Auswaschen gänzlich von Appretur befreite größere Probe der englischen Waare;
                              tränkte sie mit heißer gekochter Stärke (Kartoffelstärke, weil diese bekanntlich
                              einen klareren Kleister gibt als Weizenstärke), nachdem in diese etwas weißes Wachs
                              verrührt war, preßte und streifte sie in der Hand aus, und überging sie nach dem
                              Trocknen, zwischen Papier liegend, mit einem heißen Plätteisen. Trotz der
                              mechanischen Unvollkommenheit dieses in so kleinem Maaßstabe ausgeführten
                              Verfahrens, erhielt ich auf solche Weise ein Product, welches ungefähr dieselbe
                              Farbe und ziemlich denselben Grad von durchscheinender Beschaffenheit zeigte, wie
                              der in Paris käufliche Stoff, auch in seinen sonstigen Eigenschaften diesem höchst
                              ähnlich war. Ich halte mich demnach überzeugt, daß man durch gute Ausführung der
                              eben beschriebenen Zurichtung, namentlich durch sehr scharfes
                                 heißes Kalandern des mit wachshaltiger Stärke gesteiften Gewebes, einen
                              völlig brauchbaren Stoff werde darstellen können; wenngleich ich allerdings zugeben
                              muß, daß hiermit die in England übliche Fabrications-Methode noch nicht
                              aufgeklärt ist.
                           
                        
                           
                              (Die Fortsetzung folgt im nächsten
                                 Heft.)
                              
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
