| Titel: | Versuche über die Anwendung verschiedener Düngemittel in der Forstcultur; von G. Chevandier. | 
| Fundstelle: | Band 123, Jahrgang 1852, Nr. LXXXVIII., S. 462 | 
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                        LXXXVIII.
                        Versuche über die Anwendung verschiedener
                           Düngemittel in der Forstcultur; von G. Chevandier.
                        Aus dem Moniteur industriel, 1851 Nr.
                              1613.
                        Chevandier, über Anwendung verschiedener Düngemittel in der
                           Forstcultur.
                        
                     
                        
                           Diese Versuche wurden im Jahr 1847 angefangen und seitdem ununterbrochen fortgesetzt.
                              Die Frage ist verwickelt: es müssen dabei die Natur des Bodens, die Art und das
                              Alter der Bäume, und die atmosphärischen Verhältnisse ebenso in Betracht gezogen
                              werden, wie die Natur der Dünge- oder Bodenverbesserungsmittel. Die Versuche
                              müssen sich sonach soweit ausdehnen, daß sie individuelle Eigenthümlichkeiten zum
                              Verschwinden bringen, und sie müssen lange genug fortgesetzt werden, um
                              Durchschnittszahlen daraus nehmen zu können, auch müssen sie so zahlreich seyn, um
                              die oben erwähnten verschiedenen Elemente in ihrer Gesammtheit zu umfassen.
                           Ich wählte zu diesen Versuchen solche Substanzen, welche den Bäumen die
                              stickstoffhaltigen oder salzigen Körper liefern können, die sich in ihren
                              Zellgeweben finden, und sorgte bei deren Anwendung für ihre gleichmäßige
                              Vertheilung; die Versuche, welche seit einigen Jahren in der Landwirthschaft mit
                              verschiedenen Düngemitteln angestellt wurden, die als kräftige Anregungsmittel der
                              Vegetation gelten, dienten mir dabei zum Anhaltspunkt.
                           Als Stickstoffquelle benutzte ich die Ammoniaksalze und gewisse dem Thierreich
                              angehörende und im Walde leicht anwendbare Düngemittel; als vollkommen mineralische
                              Nahrungsmittel benutzte ich die Asche der Hölzer, welche deren ganzen Mineralgehalt
                              einschließt; als specielle Mittel endlich nahm ich: Kalk, Kali- und
                              Natronsalze, phosphorsauren Kalk der Knochen, Gyps und Eisenvitriol. Außerdem wandte
                              ich noch die
                              Rückstände an, welche bei der Fabrication der Potasche und Soda durch Zersetzung
                              schwefelsaurer Salze in bedeutender Menge abfallen; mein Vater hat dieselben schon
                              seit langer Zeit mit sehr gutem Erfolg als Bodenverbesserungsmittel für die Wiesen
                              unserer Vogesenthäler eingeführt. Bekanntlich bestehen diese Rückstände aus
                              Calciumoxyd und Schwefelcalcium, welche man gewöhnlich mit Calciumoxysulfür bezeichnet.
                           Ich stellte meine Versuche in Wäldern an, welche in Bezug auf Alter, Bestand und Lage
                              möglichst gleich waren, um die Beobachtungen hinsichtlich der verschiedenen
                              Düngemittel vergleichbar zu machen. Ich benutzte dazu junge Bäume, damit die auf der
                              Oberfläche des Bodens verbreiteten Düngemittel leicht bis zu deren Wurzeln
                              eindringen konnten. So stellte ich in Wäldern, welche dem Vogesensandstein, dem
                              bunten Sandstein und Muschelkalk angehören, dreizehn Versuchsreihen mit jungen
                              Buchen, Tannen, Fichten, Weißtannen und Lärchenbäumen an, während ich von jedem
                              derselben zur Vergleichung nicht gedüngte Bäume stehen ließ.
                           Um die Dauer der Einwirkung dieser Düngemittel und den Erfolg ihrer wiederholten
                              Anwendung auf demselben Terrain beurtheilen zu können, theilte ich jedes Loos in
                              zwei Abtheilungen; das eine erhielt nur im Jahr 1847 Düngung, während das andere
                              öfter nach einander gedüngt wurde. Bei dem letztern Theil betrug das ganze Quantum
                              der Düngemittel im vierten Jahre meiner Versuche das Vierfache und hinsichtlich der
                              Knochen das Sechsfache der Mengen welche die ersteren im Jahr 1847 erhalten
                              hatten.
                           In jedem Loose suchte ich eine gewisse Anzahl vergleichbarer Stämme aus, die beim
                              Anfang der Versuche und dann jedes Jahr gemessen wurden, um ihre allmähliche Zunahme
                              zu erfahren. Sämmtliche Bäume, welche zu diesen Versuchen dienten, beliefen sich auf
                              5530.
                           Nach jeder Messung nahm ich aus jedem Loose die Mittelzahlen, welche sich in meiner
                              Original-Tabelle, nebst besonderen sich auf den Ort und den Versuch
                              beziehenden Beobachtungen zusammengestellt finden. Man findet darin die Anzahl der
                              im April 1847 beim Beginn dieser Arbeit gemessenen Bäume, das Mittel ihrer Höhen und
                              Durchmesser, und ihre jährliche Zunahme bis zum Jahr 1850; endlich die. Vergleichung
                              der erhaltenen Resultate sowohl für die nämliche Baumspecies und für den nämlichen
                              Standort mit verschiedenen Düngemitteln, als auch für verschiedene Waldbäume und
                              verschiedene Standörter mit dem nämlichen Düngemittel. Die Vergleichung des Wachsthums der
                              in normalen Verhältnissen gelassenen Loose, mit dem Wachsthum der gedüngten, ergab
                              die von jedem Düngemittel herrührende Vermehrung oder Verminderung.
                           Ein Hauptresultat der sämmtlichen Versuche ist der ungleiche Gang der Waldvegetation
                              bei den nämlichen Bäumen in mehreren auf einander folgenden Jahren. Dieß zeigte sich
                              bei dem alljährlichen Wachsthum der Bäume, welche kein Düngemittel erhielten, und
                              folglich in dem natürlichen Gang der Vegetation nicht gestört worden waren.
                              Gleichzeitig findet man aber, daß diese individuellen Differenzen mehr oder weniger
                              schnell verwischt werden, wenn die Dauer der Beobachtungen ausgedehnt wird.
                           Versuche dieser Art können also nur dann einige Sicherheit darbieten, wenn sie mit
                              einer ziemlich bedeutenden Anzahl Bäume angestellt und mehrere Jahre nach einander
                              fortgesetzt werden; ihr relativer Werth hängt sogar von der Anzahl der Bäume ab,
                              welche ihnen gewidmet werden konnten, was mich veranlaßte, das Gesammtwachsthum und
                              das Mittel des jährlichen Wachsthums für diese erste Periode von vier Jahren zu
                              bestimmen, ohne mich mit der Vergleichung der jährlichen Resultate zu befassen.
                           Es geht daraus auch die Nothwendigkeit hervor, diese Versuche noch viele Jahre
                              fortzusetzen, um die hier niedergelegten Beobachtungen durch neue zu controliren,
                              und vorzüglich um zu erfahren bis zu welchem Lebensalter der Bäume der Einfluß des
                              an der Oberfläche des Bodens verbreiteten Düngers bemerkbar ist. Es ist nämlich
                              wahrscheinlich, daß dieser Einfluß in dem Maaße abnimmt, als die Bäume heranwachsen
                              und ihre Wurzeln tiefer in den Boden eindringen, während man leicht einsieht, daß er
                              in dem ersten Jahre der Vegetation bedeutend seyn kann, indem er eine beträchtliche
                              Ausbreitung der Blätter und eine entsprechende Entwickelung der Wurzeln anregt, mit
                              einem Wort, den jungen Bäumen eine kräftige und ihre weitere Entwickelung
                              begünstigende Vegetation ertheilt.
                           Nach den Resultaten meiner Versuche stellte ich folgende Tabelle zusammen, in welcher
                              die angewandten Bobenverbesserungs-Mittel nach ihrer relativen Wirksamkeit
                              geordnet sind, mit Hinweisung auf die Zunahme oder Verminderungen, welche ihre
                              Anwendung veranlaßte und die in Hunderteln des normalen Wachsthum ausgedrückt
                              sind.
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 123, S. 464
                              
                                 
                                 Das Zeichen + bedeutet Zunahme; das Zeichen – Abnahme. Die sechste
                                    Colonne gibt nicht das Mittel aus der dritten und fünften Colonne, sondern
                                    das mittlere Wachsthum aller in den beiden
                                    Theilen inbegriffenen Bäume.
                                 
                              
                                 
                                 Mit Ausnahme der Knochen, von denen 150 Kilogr. per Hektare genommen wurden.
                                 
                              
                                 
                                 Mit Ausnahme der Knochen, von denen 300 Kilogr. per Hektare genommen wurden.
                                 
                              Art des Bodenverbesserungsmittels;
                                 Erste Theil; Menge per Hektare; Zunahme oder
                                 Abnahme; Zweiter Theil; Zunahme oder Abnahme für beide Theile zusammen;
                                 Calciumoxysulfür; Dasselbe ausgelaugt; salzsaures Ammoniak; gebrannter Gyps,
                                 gepulvert; ausgelaugte Holzasche; Holzasche; schwefelsaures Ammoniak; Staubmist
                                 (Poudrette); an der Luft gelöschter Kalk; ungebrannte Knochen, gepulvert;
                                 kohlensaures Kali; geronnenes Blut; salpetersaures Kali, ungebrannte Knochen,
                                 Eisenvitriol und kohlensaurer Kalk; gebrannte Knochen, gepulvert; salpetersaures
                                 Kali und ungebrannte Knochen; kohlensaures Natron; salpetersaures Kali;
                                 schwefelsaures Eisen (Eisenvitriol); Kochsalz (Seesalz); Eisenvitriol und Kalk;
                                 Eisenvitriol und kohlensaurer Kalk; Hektoliter; Kilogr.; Kil. von jeder
                                 Substanz
                              
                           
                           Aus dieser Tabelle und aus der Gesammtheit meiner Versuche geht hervor, daß die
                              Düngemittel in vier Classen eingetheilt werden können:
                           1) Diejenigen, welche mehr oder weniger deutlich die Fruchtbarkeit erhöhten; diese
                              sind: das Calciumoxysulfür, das salzsaure Ammoniak, der Gyps, die Holzasche, das
                              schwefelsaure Ammoniak, der Staubmist, der Kalk und die ungebrannten Knochen.
                           2) Diejenigen, deren düngende Wirkung wenig deutlich und sogar zweifelhaft war,
                              nämlich: das kohlensaure Kali, das geronnene Blut, die gebrannten Knochen, ein
                              Gemenge aus gleichen Theilen Kalisalpeter, ungebrannten Knochen, Eisenvitriol und
                              kohlensaurem Kalt, und ein Gemenge aus gleichen Theilen Kalisalpeter und
                              ungebrannten Knochen.
                           3) Diejenigen, welche keine Einwirkung auf die Vegetation zu haben schienen; dieß
                              sind: das kohlensaure Natron, das salpetersaure Kali und das Kochsalz.
                           4) Diejenigen, welche schädlich einzuwirken scheinen; dieß sind: der Eisenvitriol und
                              die Gemenge aus gleichen Theilen Eisenvitriol und Kalk, oder Eisenvitriol und
                              kohlensaurem Kalk.
                           Nach den mittleren Resultaten des Eisenvitriols könnte man denselben sowohl in die
                              dritte als in die vierte Classe bringen; allein die vielen Fälle, in welchen er eine
                              Abnahme des Wachsthums verursachte, sowie auch die Gemenge in denen er einen
                              Bestandtheil ausmacht, reihen ihn in die letztere Classe ein.
                           Zufolge dieser Untersuchungen, welche vorzüglich vom theoretischen Gesichtspunkt aus
                              und zur Controle ähnlicher, beim Feldbau gemachter Beobachtungen unternommen wurden,
                              glaube ich auf einige praktische Anwendungen hinweisen zu dürfen.
                           So können in Gegenden, wo Gyps und Kalk wohlfeil sind, oder wo Asche und Staubmist
                              bereitet wird, oder wo Rückstände der Sodafabrication zu haben sind, diese
                              Substanzen mit Vortheil benutzt werden, um das Gedeihen der Samen, Pflanzungen und
                              jungen Wälder zu befördern.
                           Einige auf den Ort, wo meine Versuche angestellt wurden, bezügliche Ziffern werden
                              den möglichen Vortheil der Anwendung gewisser Düngemittel im Walde nachweisen.
                           1000 Kilogr. roher oder gebrannter Gyps oder Kalk würden, im Walde ausgestreut, im
                              Mittel 16,20 oder 25 Franken kosten; nun haben wir gesehen daß 1000, ja schon 500
                              Kilogr. dieser Substanzen 
                              per Hektare, ein sehr gutes Walddüngemittel abgeben
                              können, welches 23 bis 14 Procent Zunahme im Wachsthum hervorbringt.
                           Vier Hektoliter Staubmist (Poudrette) würden auf eine Hektare gestreut, 18 Franken
                              kosten und im Mittel eine Vermehrung des Wachsthums um 13 Procent bewirken.
                           Die Aschen, welche durch Verbrennung der Ueberreste der Waldschläge erhalten werden,
                              können ebenfalls an Ort und Stelle mit Vortheil angewandt werden, indem man sie zur
                              Zeit des Schlages auf dem Boden ausstreut, da sie im Mittel eine Zunahme im
                              Wachsthum von 20 Procent bewirken können.
                           Endlich kann man in der Nähe von Sodafabriken und Fabriken von kohlensaurem Kali
                              durch Zersetzung des schwefelsauren Kalis, großen Vortheil aus den Rückständen
                              dieser Fabricate erzielen: das Calciumoxysulfür ist nämlich diejenige Substanz,
                              durch welche ich die größte Zunahme im Wachsthum erreichte; sie stieg in gewissen
                              Fällen über 100 Procent des normalen Wachsthums. 100 und sogar 50 Hektoliter dieser
                              Rückstände reichen hin, um eine Hektare Wald zu düngen, und da sie im Handel gar
                              keinen Werth besitzen, so würde ihre Anwendung keine andern Kosten als die der
                              Arbeit verursachen.
                           Diese auffallende Wirkung des Calciumoxysulfürs auf die Vegetation der Wälder und
                              Wiesen macht es wahrscheinlich, daß diese in den Sodafabriken sich täglich
                              anhäufende Substanz in der Landwirthschaft mit großem Nutzen verwendet werden
                              könnte. Die beträchtlichen Anhäufungen dieser Substanz bilden an manchen Orten
                              wirkliche Hügel und werden in den Seehäfen, wie zu Marseille, in ungeheuren Massen
                              ins Meer geworfen, dessen Wasser sie verderben und worin sie eine langsame
                              Verbrennung erleiden.
                           Diese so verlorenen Düngermassen könnten an denselben Orten von den Besitzern der
                              Fichtenwälder benutzt werden, welche in der Umgegend von Marseille so häufig sind;
                              auch zur Wiesencultur ließen sie sich verwenden. Ebenso könnten sie bei dem geringen
                              Preis des Transports zur See ein nützlicher Handelsartikel für die benachbarten
                              Küsten werden. Diese Bemerkungen gelten auch für Liverpool, Glasgow und Newcastle,
                              welche ähnliche Lagen haben und ebenfalls große Sodafabriken besitzen.