| Titel: | Die Eisenhütte Low-Moor in der englischen Grafschaft York und ihre Producte und Fabricate. | 
| Fundstelle: | Band 129, Jahrgang 1853, Nr. XXV., S. 97 | 
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                        XXV.
                        Die Eisenhütte Low-Moor in der englischen
                           Grafschaft York und ihre Producte und Fabricate.
                        Ueber die Eisenhütte zu Low-Moor.
                        
                     
                        
                           Hr. Ch. H. Knoblauch zu Frankfurt a. M. hat neuerlich in
                              dem Organ für Eisenbahnwesen, 1853, S. 93, einen Aufsatz „über die
                                 Eisenfabrication zu Low-Moor“ mitgetheilt, welcher seine bei
                              einem Besuch dieser Hütte gemachten Beobachtungen enthält und wobei er voraussetzt,
                              daß in Deutschland wenig oder gar nichts über dieselbe bekannt sey. Dieß ist jedoch
                              nicht der Fall, denn Hr. Director Tunner zu Leoben hat im
                              2ten Jahrgang seines, in diesen Blättern schon oft erwähnten Jahrbuchs, bei
                              Gelegenheit eines Berichts über die Bergwerksproducte auf der Londoner Industrie-Ausstellung und
                              als Resultate eines Besuchs der Low-Moor- und einer andern Hütte in
                              Yorkshire, schätzbare Bemerkungen darüber mitgetheilt.
                           Da nun Low-Moor das beste Eisen in England liefert, so wird unsern Lesern das
                              Nachstehende, wobei die genannten beiden Arbeiten benutzt wurden, von Interesse
                              seyn.
                           Low-Moor, den HHrn. Hird, Dauson und Hardy gehörig, und die nur eine halbe Stunde davon
                              entfernte Hütte Bradford-Bowling, im Besitz einer anonymen Gesellschaft,
                              arbeiten auf gleiche eigenthümliche Weise. Erstere hat sechs Hohöfen, wovon stets
                              fünf im Betriebe sind und jährlich etwa 300,000 Cntr. Roheisen produciren; letztere
                              hat fünf Hohöfen mit einer Jahresproduction der vier stets betriebenen, von etwa
                              240,000 Cntr. Jeder Hohöfen erzeugt daher wöchentlich nur 1200 Ctr., eine geringe
                              Quantität im Verhältniß zu der Production vieler Hohöfen in Süd-Wales,
                              Schottland und selbst an der Ruhr in Westphalen, die das Doppelte und Dreifache
                              produciren.
                           Die Quantität wird aber durch die Qualität ersetzt, wovon sich jeder Hüttenmann
                              überzeugen konnte, der die Londoner Ausstellung besuchte, wo von beiden genannten
                              Hütten eine sehr lehrreiche Suite von Erzen, Steinkohlen, Roheisen, Feineisen, allen
                              Sorten Stabeisen, Blech, Munitions- und Geschützguß etc. vorhanden war.
                              Obgleich die Bowling-Hütte eben so gut arbeitet wie die zu Low-Moor,
                              ist letztere doch die ältere, hat den größten Ruf, und wenn wir allein von derselben
                              reden, so ist dieß für den vorliegenden Zweck hinreichend.
                           Die aus dem Low-Moor-Roheisen fabricirten Gußwaaren sind wegen ihrer
                              Festigkeit sehr geschätzt; da das Roheisen aber theuer ist, so wird es nicht zu
                              gewöhnlichen Gußsachen, sondern hauptsächlich zu Geschützen für die Marine benutzt,
                              welche ein vorzügliches Material erfordern. Bei weitem das meiste Roheisen wird aber
                              zur Fabrication eines vortrefflichen Stabeisens
                              verwendet. Dasselbe ist sehr zäh, hat aber einen körnigen Bruch, sowohl in starken
                              als schwachen Stäben, und zwar von einem gleichartigen, lichten, glänzenden und
                              ziemlich feinen Korn. Dabei ist es dicht, weich und frei von unganzen Stellen. Es
                              wird hauptsächlich zu größern Maschinentheilen, besonders zu Locomotiv- und
                              Eisenbahnwagen-Achsen und zu Spurkränzen (tyres)
                              für Eisenbahnräder benutzt. Diese letztem bildeten einen bedeutenden Ausfuhrartikel
                              nach Frankreich und Deutschland, und erst in den letzten Jahren hat man sich in
                              beiden Ländern bemüht, die theuren englischen Reife durch wohlfeilere inländische zu
                              ersetzen. Auch zu Kesselblechen ist das Eisen vorzüglich geeignet, und es wird nur
                              wegen seines hohen
                              Preises nicht auch zur Weißblechfabrication häufig verwendet. – Stahleisen
                              zur Brennstahlbereitung wurde hier zuerst gemacht, während man früher nur
                              schwedisches und russisches verwendete.
                           Begründet ist diese vorzügliche Beschaffenheit des Eisens zum Theil in den
                              Rohmaterialien, und zum Theil in dem guten Betriebe. Obgleich die Erze, der
                              Zuschlagskalk und die Steinkohlen schon von Natur zu den bessern Sorten gehören, so
                              wird doch noch eine sehr umsichtige Auswahl getroffen. Die Kohks zum Hohofen-
                              und Feineisenfeuer-Betriebe sind aus reinen Steinkohlen erzeugt; die Erze
                              werden sämmtlich geröstet, die Gebläseluft wird unerhitzt in den Ofen geführt; der
                              Ofenbetrieb wird stets gahr erhalten und es wird immer graues Roheisen erblasen, mag
                              es nun zur Gießerei oder zum Verpuddeln bestimmt seyn.
                           Low-Moor liegt in einem Thale, durch welches eine Eisenbahn geht und an dessen
                              Abhängen die Gruben liegen, aus denen die Erze und die Steinkohlen gefördert und
                              mittelst Eisenbahnen sogleich zu den Röst- und Verkohkungsöfen und Plätzen
                              geführt werden.
                           Die Kohle ist sehr reich an Kohlenstoff, durchaus frei von allen dem Eisen
                              nachtheiligen Stoffen. Jedoch sind die Flötze nicht alle von gleicher Güte; das
                              beste ist schwach, indem es nur 2 Fuß Mächtigkeit hat, und die Kohlen von demselben
                              werden beim Hohofenbetrieb benutzt, wozu die Stückkohlen in Meilern und die
                              Staubkohlen in Oefen verkohlt werden. Auch zur Erzröstung und zum Feinen des
                              Roheisens nimmt man Kohks aus möglichst reinen Steinkohlen.
                           Die Erze bestehen aus sehr reinen Thon- und Kohleneisensteinen, deren
                              Hauptbestandtheil kohlensaures Eisenoxydul ist, und in welchen nur selten
                              Schwefelkies und Bleiglanz vorkommen. Der Thoneisenstein findet sich im Schieferthon
                              des obern Theils von dem Steinkohlengebirge, indem die Steinkohlenflötze stets
                              darunter liegen; er bildet dicke Knollen und Nieren in dem Schieferthon. Dieser wird
                              zum Theil mit zu Tage gefördert und trennt sich durch Abliegen an der freien Luft
                              von den Erznieren, so daß diese ganz rein sind; zu diesem Abliegen sind zwei Jahre
                              erforderlich, dann wird der Eisenstein zerschlagen und geröstet.
                           Das aus den Hohöfen erfolgende Roheisen ist grau und feinkörnig. Das zu verpuddelnde
                              wird in Feineisenfeuern mit Kohks umgeschmolzen, in eine eiserne Form in dicke
                              Platten abgestochen und mit Wasser abgelöscht. Es heißt dann raffinirtes,
                              Fein- oder Weißeisen, und hat einen strahligen Bruch; es ist so spröde, daß
                              es sich leicht zerschlagen läßt.
                           Das Feineisen kommt nun in einen Nebenraum des Puddelofens, welcher von der aus
                              demselben entweichenden Flamme gefeuert wird, um dort bis zur Rothgluth
                              vorgewärmt zu werden; es wird dadurch der Puddelproceß wesentlich gefördert, denn
                              während ohne das Vorwärmen 7 bis 8 Chargen in einer 12stündigen Schicht gemacht
                              werden, kann man mit vorgewärmtem Roheisen 10 bis 11 machen.
                           3 Cntr. von dem vorgewärmten Eisen kommen nun auf den Puddelofenherd und werden sehr
                              heiß eingeschmolzen, so wie überhaupt der ganze Proceß in einer sehr hohen
                              Temperatur ausgeführt wird. Die aus dem Ofen kommenden, 40 bis 50 Pfd. schweren
                              Luppen werden in der älteren Puddelhütte unter Stirn-, und in der neuen unter
                              Dampf- oder Stempelhämmern gezängt. Die Zängearbeit ist nach den
                              verschiedenen Qualitäten des Stabeisens verschieden. Für das Eisen Nr. 1 werden die
                              Luppen zu einem kubischen, für Eisen Nr. 2 aber zu einem flachen prismatischen
                              Stücke und für Eisen Nr. 3 endlich zu einer nur 1 Zoll dicken Platte ausgeschmiedet,
                              nachdem sie zuvor auf allen Seiten gezängt worden ist.
                           Im weitern Verlauf der Arbeit werden sodann die für das Eisen Nr. 1 bestimmten
                              kubischen Stücke, nachdem sie im Schweißofen eine gute Hitze erhalten haben, wieder
                              unter Hämmern zu prismatischen Stücken, von ungefähr dreifacher Länge einer der
                              Seiten der frühern kubischen Stücke ausgereckt, und für gröbere Dimensionen sogleich
                              in derselben Hitze noch fertig, für feinere Dimensionen aber nur zu Kolben oder
                              Zaggeln ausgewalzt und verschnitten. Letztere werden dann nur noch rothglühend
                              gemacht und hierauf zu fertigen Stäben ausgewalzt.
                           Die für das Eisen Nr. 2 bestimmten flachen, prismatischen Stücke, kommen in der Regel
                              je drei über einander gelegt, mithin als Packete zur Schweißung, welche zunächst
                              wieder unter Hämmern zu fast kubischen Stücken ausgeschweißt und ausgeschmiedet, in
                              dieser Gestalt aber sogleich wieder in die Schweißöfen zurückgebracht werden. In der
                              hierauf wieder erfolgten Schweißhitze werden die einzelnen Stücke abermals unter
                              Hämmern zu in die Länge gereckten Formen geschmiedet und dann gleich in derselben
                              Hitze entweder ganz fertig, oder nur zu Materialeisen vorgewalzt, welches letztere
                              zu seinem Fertigwalzen, wie bei dem Eisen Nr. 1, bloß einer guten Glühhitze
                              bedarf.
                           Für das Eisen Nr. 3 endlich werden die zolldicken Luppenplatten im kalten Zustande
                              mittelst einer Maschinenramme zerbrochen und zwar zu Stücken von der Größe der
                              flachen Hand, oder etwas darüber. Diese Bruchstücke werden nach dem Bruchansehen von
                              Nr. 1 und 2 sortirt, die gleichartigen auf Holzunterlagen zu etwa kubischen
                              Haufenpacketen zusammengelegt und mit den Unterlagen in den Schweißofen
                              gebracht.
                           Gewöhnlich macht man die Haufenpackete nicht viel über 1 Cntr. schwer, weil bei der
                              Anfertigung schwererer Stücke zwei oder mehrere davon im weitem Verlauf übereinander
                              gelegt und wieder geschweißt werden müssen, wie dieß bei den Spurkränzen und Achsen,
                              so wie bei dem Materialeisen zu starken und großen Kesselblechen stets erforderlich
                              ist. Stücke, die nicht viel über oder unter einem Centner Gewicht haben, werden aus
                              je einem solchen Haufenpacket angefertigt. Dasselbe erhält zuvörderst eine recht
                              starke Schweißhitze, wird dann unter einem Hammer zu einem kubischen Stücke
                              ausgeschmiedet und darauf in den Schweißofen zurückgebracht. Nach erlangter zweiter
                              Hitze kommt es abermals unter den Hammer, um zu einem Stabe oder zu irgend einem
                              andern Stück ausgereckt zu werden, das entweder als solches, oder nachdem es zuvor
                              durch einige Walzenkaliber gegangen ist, einstweilen zur Seite gelegt wird, um als
                              Materialeisen für eine weitere Verarbeitung mittelst Walzwerken zu dienen.
                           Die Puddelarbeiter werden nach den verschiedenen Eisensorten bezahlt, für Nr. 1 höher
                              als für Nr. 2 und 3. – Der Bruch von Nr. 1 muß ganz rein und krystallinisch
                              erscheinen. Bei Nr. 2 zeigen sich ungeschweißte Stellen von silberweißem Glanze, die
                              wahrscheinlich von Kieseleisen herrühren. – Eisen Nr. 2 hat billigere Preise
                              und wird in kleinern Dimensionen verkauft, weil in diesen die Qualität besser ist.
                              Das Eisen Nr. 1 wird nur zu größern Stücken, wie geraden und Kurbelachsen für
                              Eisenbahnwagen und Locomotiven, und zu großen Platten verarbeitet; diese werden vor
                              ihrem Verkauf einer sehr genauen Prüfung unterworfen. – Die Preise steigen
                              mit dem Gewicht; so kostet z.B. ein Spurkranz unter 3 Cntr. 6 1/4 Rthlr., über 5
                              Cntr. 10 2/3 Rthlr. im beschnittenen Zustande der geraden Stangen; eine Achse unter
                              2 1/2 Cntr. etwa 6 2/3 Rthlr., über 5 Cntr. 8 Rthlr.
                           Die Spurkränze (tyres) von Low-Moor bestehen in
                              ihrer ganzen Masse nur aus einer Eisensorte, und zwar aus weichem, aber körnigem und
                              vollkommen geschweißtem Eisen, also nicht mit einer stahlartigen äußeren Lage (wie
                              z.B. die im polytechn. Journal Bd. CXX S.
                                 330 beschriebenen). Man ist in England der Meinung, daß jene bei den
                              Locomotiven die größte Sicherheit gegen Brüche, eine gute Adhäsion oder Reibung auf
                              den Schienen gewähren und sich sehr gleichförmig abnutzen, so daß sie ungeachtet
                              ihrer Weichheit eine verhältnißmäßig lange Dauer gewähren und sich auch beim
                              Nachdrehen sehr leicht bearbeiten lassen. Man hat neuerlich zu Low-Moor auch
                              ganz schmiedeiserne Räder angefertigt.
                           Das Charakteristische der Eisenfabrication zu Low-Moor besteht also in einer
                              genauen Auswahl der Rohmaterialien und in einer sehr sorgfältigen Arbeit, da man
                              vorzügliche und nicht wohlfeile Fabricate erzielen will. Die mechanische
                              Bearbeitung des Stabeisens wird daher hauptsächlich mit Hämmern bewirkt, und es
                              werden nur zur letzten Formgebung Walzen angewendet. Die alte Puddelhütte hat 12,
                              die neue 20 Puddelöfen nebst der erforderlichen Anzahl Glühöfen; ferner 1 großen und
                              3 kleine Dampfhämmer, endlich 24 Stirnhämmer, die an 12 Wellen liegen und
                              abwechselnd gebraucht werden. – Um den Stäben im äußern Ansehen nachzuhelfen,
                              pflegt man die bessern Sorten auch noch zu Planiren, wozu ein kleiner Schwanzhammer
                              benutzt wird, auf dessen breite Amboßfläche ein Gebläse-Luftstrom einwirkt,
                              um sie beständig vom abfallenden Glühspan rein zu erhalten und daher den Stäben eine
                              recht gefällige Oberfläche zu geben.