| Titel: | Ueber die Darstellung der Collodiumwolle; von Carl Mann in St. Petersburg. | 
| Fundstelle: | Band 129, Jahrgang 1853, Nr. XXX., S. 114 | 
| Download: | XML | 
                     
                        XXX.
                        Ueber die Darstellung der Collodiumwolle; von
                           Carl Mann in
                           St. Petersburg.
                        Aus dem Bulletin de la Classe physico-mathématique
                                 de l'Académie de St. Pétersbourg, t. XI No.
                              14.
                        Mann, über die Darstellung der Collodiumwolle.
                        
                     
                        
                           Es ist hinlänglich bekannt, daß man nach den bisher veröffentlichten Methoden zur
                              Darstellung der Collodiumwolle nicht immer ein in alkoholhaltigem Aether lösliches
                              Präparat erhält. In Folge meiner Beobachtungen bin ich zu der Ueberzeugung gelangt,
                              daß das Mißlingen des darzustellenden Präparates meist von den ungenauen Angaben der
                              Darstellungsmethoden und deren strengen Befolgung abhängig ist. Ich erlaube mir
                              daher, hier in Kürze einige Resultate von Versuchen mitzutheilen, nach welchen eine
                              gute Collodiumwolle immer sicher dargestellt werden kann.
                           Die Schwefelsäure, welche mit dem Kalisalpeter zusammengemischt wird, darf nicht eine
                              höchst concentrirte seyn, sondern vom spec. Gewicht 1,830 – 1,835 = 94
                              Procent an Monohydrat (concentrirter oder einfachgewässerter Säure) nach Ure, = 65,5° nach Baumé, bei 15,5°
                              C. Diese Säure kann man als eine Verbindung von 3 Aequiv. einfach-gewässerter
                              Schwefelsäure mit 1 Aequiv. Wasser betrachten.
                           Die Baumwolle und den Salpeter braucht man nicht zu trocknen. Zur Darstellung von
                              Collodiumwolle sind erforderlich:
                           
                           
                              
                                 3120
                                 Theile    „
                                 Schwefelsäure von 65°,5 Baumé,
                                    Aeq.Kalisalpeter, Aeq.
                                 = 156= 101
                                 
                                    
                                    
                                 (Wasserstoff = 1)Die Aequivalentzahlen sind sowohl hier, als auch bei den
                                          spätern Versuchen deßhalb angeführt, damit man sieht, daß die zur
                                          Darstellung der Collodiumwolle bestimmten Gewichtstheile aus jenen
                                          Zahlen berechnet sind. Zugleich zeigen dieselben, daß auch die
                                          bisher zur Darstellung des Präparats allgemein gültigen
                                          Gewichtsmengen: 15 oder 30 von der Schwefelsäure und 10 oder 20 vom
                                          Salpeter, jenen Zahlen entsprechen.
                                 
                              
                                    1
                                 Theil
                                 Baumwolle.
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                           In einem Glascylinder übergießt man den gepulverten Salpeter mit der Schwefelsäure
                              und rührt beide so lange um, bis der Salpeter ganz zergangen ist. In die noch heiße
                              Mischung, deren Temperatur aber höchstens 50° C. betragen darf, trägt man
                              alsdann die Baumwolle ein und arbeitet dieselbe gut durch, worauf man den Cylinder
                              mit einer Glasplatte bedeckt und das Ganze ungefähr 24 Stunden lang bei einer
                              Temperatur von etwa + 28 bis 30° C. stehen läßt. Nachher bringt man das
                              Gemenge in einen Porzellanmörser, übergießt es mit kaltem Wasser und wäscht es so
                              lange damit aus, bis die zurückbleibende Wolle nicht mehr sauer reagirt. Die noch
                              feuchte Wolle wird zuletzt durch die Behandlung mit kochendem Wasser von den letzten
                              Spuren schwefelsauren Kalis, die von der Faser der Wolle hartnäckig zurückgehalten
                              werden und der Collodiumlösung ein opalisirendes Aussehen geben, befreit.
                           Bleibt die Baumwolle 5 bis 6 Tage lang bei ungefähr + 30° C. in der Mischung
                              liegen, so gewinnt die Collodiumwolle nur an Güte. Eine 10 bis 20 Minuten lange
                              Behandlung der Baumwolle gibt ein unvollkommeneres Präparat.
                           Auch mit Natronsalpeter kann Collodiumwolle erhalten werden, wozu aber eine
                              Schwefelsäure vom spec. Gewicht 1,800 = 64,5° Baumé bei 15,5°
                              C. erforderlich ist. Diese Säure kann man als eine Verbindung von 3 Aeq.
                              einfach-gewässerter Schwefelsäure mit 2 Aeq. Wasser betrachten.
                           Man hat zu nehmen:
                           
                              
                                 33
                                 Theile
                                 Schwefelsäure von 64°,5 Baumé,
                                    Aeq.
                                 =
                                 165
                                 
                              
                                 17
                                    „
                                 Natronsalpeter, Aeq.
                                 =
                                   85
                                 
                              
                                 1/2
                                 Theil
                                 Baumwolle.
                                 
                                 
                                 
                              
                           Da im Handel oft eine Schwefelsäure von dem specifischen Gewichte vorkommt, wie sie
                              zur Darstellung der Collodiumwolle vermittelst desKalisalpeters erforderlich ist,
                              so ist es bequemer, eine solche Säure zur Mischung mit dem fein gepulverten
                              Natronsalpeter anzuwenden und das noch fehlende Wasser letzterem zuzumischen,
                              wodurch die Zersetzung des Salzes rascher als sonst vor sich geht. Da aber die
                              Mischung in kurzer Zeit krystallisirt und die obige Menge Baumwolle nicht leicht in
                              ihr verarbeitet werden kann, so steht diese Methode in praktischer Hinsicht der mit
                              Kalisalpeter nach.
                           Versuche haben wir gezeigt, daß die Menge Schwefelsäure, sowohl für die Mischungen
                              mit Kali-, als auch mit Natronsalpeter sich, ohne der Güte der Collodiumwolle
                              zu schaden, vermehren, ja sogar verdoppeln läßt, nur muß sie dann einen andern
                              Wassergehalt haben. Die Schwefelsäure, welche dem Kalisalpeter in doppelter Menge
                              (im Vergleich zu den frühern Mischungen) zugefügt wird, hat dieselbe
                              Zusammensetzung, wie sie zur Mischung mit dem Natronsalpeter in einfacher Menge
                              erforderlich ist.
                           Die Schwefelsäure, welche dem Natronsalpeter in doppelter Menge zuzufügen ist, muß
                              wieder eine andere Zusammensetzung haben; Collodiumwolle wird nämlich erhalten, wenn
                              man nimmt:
                           
                              
                                 68
                                 Theile
                                 Schwefelsäure von 1,790 spec. Gew. = 64°
                                    Baumé bei 15°,5 C.
                                 
                              
                                 17
                                    „
                                 Natronsalpeter,
                                 
                              
                                   1
                                 Theil
                                 Baumwolle.
                                 
                              
                           Da diese Mischung der Säuren und des Salzes beim ersten
                              Versuch, nachdem sie 12 Stunden lang in der Zimmertemperatur gestanden hatte, die
                              dann zugefügte Baumwolle noch etwas schwärzte und sie theilweise auflöste, so war zu
                              vermuthen, daß die Schwefelsäure noch nicht Zeit genug gehabt hatte, den
                              Natronsalpeter gehörig zu zersetzen. Bei einem neuen Versuch ließ ich daher die
                              Mischung der Säure und des Salzes 24 Stunden lang unter öfterem Umrühren stehen und
                              alsdann wurde in dieser Mischung die Baumwolle gut durchgearbeitet, wobei sich nun
                              durchaus keine Färbung der Wolle zeigte; nachdem hierauf das Gemenge 5 Tage lang bei
                              einer Temperatur von ungefähr + 30° C. gestanden hatte, ergab es sich, daß
                              die gewonnene Collodiumwolle von vorzüglicher Güte war. Diese Methode ist außerdem
                              deßhalb recht bequem anzuwenden, weil die Mischung ziemlich flüssig bleibt und im
                              Ganzen wenig saure Dämpfe verbreitet.
                           Aus diesen für den Kali- und Natronsalpeter erforderlichen bestimmten
                              Hydratzuständen der Schwefelsäure ergibt es sich, von welcher Beschaffenheit die
                              Schwefelsäure seyn muß, wenn man statt der salpetersauren Salze, zur Darstellung der
                              Collodiumwolle, nur Salpetersäure nehmen will. Durch Versuche habe ich ermittelt, daß
                              zur Erzeugung der Collodiumwolle die geeignetste Säuremischung ist:
                           
                              
                                 und
                                 1 Aeq.1  „
                                 dreifach-gewässerte Schwefelsäure von spec.
                                    Gew.= 1,632 = 56° Bauméeinfach-gewässerte
                                    Salpetersäure von spec. Gew.= 1,518 bis 1,512 = 49,6 bis 49,12°
                                    B.
                                 
                                    
                                    
                                 bei 15°,5 C.
                                 
                              
                           eine Mischung, welche Baumwolle in eine vorzügliche
                              Collodiumwolle verwandelt.
                           Hat man eine concentrirtere Schwefelsäure und eine verdünntere Salpetersäure, so
                              bestimmt man durch Berechnung die von beiden zu nehmenden Mengen, um auf 1 Aeq.
                              wasserfreier Schwefelsäure und 1 Aeq. wasserfreier Salpetersäure, 4 Aeq. Wasser zu
                              bekommen.
                           Zur Darstellung von Collodiumwolle mit Salpetersäuremonohydrat hat man abzuwägen:
                           
                              
                                 13
                                 Theile
                                 dreifach-gewässerte Schwefelsäure,
                                 Aeq.
                                 =
                                 67
                                 
                              
                                 12
                                    „
                                 einfach-gewässerte Salpetersäure,
                                 Aeq.
                                 =
                                 63
                                 
                              
                                   1
                                 Theil
                                 Baumwolle,
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                           letztere mit der bis ungefähr + 5° C. abgekühlten
                              Säuremischung in einem Cylinderglase gut durchzuarbeiten und wie früher, so auch
                              hier, das Gemenge bedeckt, gegen 24 Stunden lang bei + 5 bis 8° C. stehen zu
                              lassen, darauf die Säure so viel als möglich durch Auspressen fortzuschaffen und die
                              rückständige Wolle mit kaltem Wasser vollkommen auszuwaschen. Versuche haben mir
                              gezeigt, daß auch nach dieser Methode die Collodiumwolle weniger gut war, wenn die
                              Baumwolle kürzere Zeit, etwa nur 1 Stunde lang, in der Säuremischung gelegen
                              hatte.
                           Man ist also bei der Darstellung der Collodiumwolle an eine bestimmte Concentration
                              der Schwefelsäure nicht gebunden und kann leicht Säuren von verschiedener
                              Concentration zurecht machen.
                           Mit den Mischungen aus Kali- und Natronsalpeter läßt sich auch in kürzerer
                              Zeit, als oben angegeben, Collodiumwolle erhalten, wenn die Baumwolle mit ihnen etwa
                              1 Stunde lang bei ungefähr + 40 bis 50° C. behandelt wird, ebenso, wie dieß
                              mit der Mischung aus Salpetersäure und der doppelten Menge Schwefelsäure der Fall
                              ist. Die Mischung aber aus 13 oder 14 Th. dreifach-gewässerter Schwefelsäure
                              und 12 Th. einfach-gewässerter Salpetersäure (wenn letztere von zu gelber
                              Farbe ist) verträgt keine zu hohe, ja nicht einmal die Zimmertemperatur, weil die
                              dabei auftretende Untersalpetersäure die Eigenschaft der Collodiumwolle,wenigstens in der Hinsicht,
                              verändert, daß die Auflösung derselben in alkoholhaltigem Aether auf einer
                              Glasscheibe verdampft, nicht wie die gute Collodiumwolle durchsichtige, sondern
                              opalisirende Häutchen (das eigentliche Collodium) gibt. Wenn das angewendete
                              Salpetersäuremonohydrat viel Untersalpetersäure enthielt, so bekommen die Häutchen
                              ein milchweißes, trübes Aussehen, und umgekehrt, wird das Collodium (d.h. die
                              Häutchen) um so klarer und farbloser, je weniger Untersalpetersäure im Spiele
                              war.
                           Hierbei muß ich bemerken, daß ich mit einer Salpetersäure gearbeitet habe, die
                              hellgelb, also nicht ganz frei von Untersalpetersäure war, wovon 12 Theile mit 13
                              Th. dreifach-gewässerter Schwefelsäure eine fast farblose Mischung und diese
                              klares Collodium gab. Daß die Trübung von einem, nicht zum Collodium gehörigen,
                              Bestandtheil herrührt, ist mir wahrscheinlich. Ferner muß ich aus meinen
                              verschiedenartigen Versuchen schließen, daß man mit einem reinen, wasserhellen
                              Salpetersäuremonohydrat, auch bei einer angemessenen höhern Temperatur, das klarste
                              Collodium wird darstellen können.
                           Wird die Baumwolle mit den Mischungen aus Schwefel- und Salpetersäure bei
                              0° behandelt, so geht die Bildung der Collidiumwolle zwar vor sich, aber nur
                              langsam und nicht vollkommen. Die Temperatur von + 5 bis 8° C. schien mir für
                              ein gutes Präparat die günstigste zu seyn.
                           Die nach allen diesen Methoden dargestellte Collodiumwolle, besonders die, welche
                              gleich nach dem Auswaschen stark ausgepreßt und nachher zwischen Fließpapier von der
                              noch anhängenden Feuchtigkeit möglichst befreit ist, löst sich außerordentlich
                              leicht in einem Gemenge von 7 bis 8 Theilen gewöhnlichem reinen, wasserhaltigen
                              Aether und 1 Theil absolutem Alkohol. Diese Auflösung läßt sich mit gleichem Theile
                              und noch mehr Aether verdünnen, ohne etwas vom Gelösten auszuscheiden.
                           Wenn man so viel Collodiumwolle mit dem Alkoholäther zusammenschüttelt, daß eine
                              Auflösung von ähnlicher Consistenz entsteht, als 2 Theile Zucker in 1 Theil Wasser
                              geben, so sieht die Collodiumauflösung fast klar aus, und nur nach längerem Abstehen
                              derselben bemerkt man einen sehr geringen Bodensatz, in welchem oft die Reste von
                              der Verunreinigung der Baumwolle sichtbar werden, die bei der fabrikmäßigen
                              Bearbeitung der scheinbar reinsten Handelswaare vorkommen.
                           Die vollkommen trockene Collodiumwolle löst sich in dem Alkoholäther etwas langsam,
                              eigentlich träge, auf – eine Eigenschaft, die an dem Präparate am
                              auffallendsten ist, welches bei niedrigem Temperaturgradenerhalten worden ist. Wird aber
                              trockene Collodiumwolle mit Wasser angefeuchtet und auf obige Weise ausgepreßt, so
                              löst sie sich nun so leicht wie frische. Die Collodiumwolle, welche vermittelst der
                              Mischungen, sowohl aus Kalisalpeter als auch Salpetersäuremonohydrat, mit der
                              sogenannten einfachen Menge Schwefelsäure bei höherer Temperatur dargestellt ist,
                              wird in einer Mischung aus 8 Theilen wasserfreien Aethers und 1 Theil absoluten
                              Alkohols, durch anhaltendes Schütteln, meist nur vertheilt und wenig gelöst.
                              Vermittelst der Mischungen, sowohl aus Salpetersäure, als auch aus Kali- und
                              Natronsalpeter, mit der doppelten Menge Schwefelsäure und bei ungefähr + 30°
                              C. dargestellte Collodiumwolle, läßt sich in diesem Alkoholäther nicht einmal
                              vertheilen und scheint darin unlöslich zu seyn. Der von Alkohol und Wasser freie
                              Aether allein löst fast nichts von der Collodiumwolle, auch selbst dann nicht, wenn
                              er wasserhaltig ist. Ganz so verhalten sich absoluter Alkohol und wässeriger
                              Weingeist zu der Collodiumwolle, welche bei viel niederigerer Temperatur, als + 40
                              bis 50° C., dargestellt ist.
                           Die Collodiumwolle aber, welche vermittelst einer Mischung aus 13 Th.
                              dreifach-gewässerter Schwefelsäure + 12 Th. einfach-gewässerter
                              Salpetersäure und 1 oder 2 Theilen Baumwolle während zwei Stunden langer Behandlung
                              bei + 40 bis 50° C. erhalten ist, löst sich in absolutem Alkohol und gibt
                              eine eben solche dickflüssige und klare Auflösung, wie eine gewöhnliche gute
                              Collodiumauflösung, welche vermittelst Alkoholäther gewonnen wird. Diese
                              alkoholische Auflösung verdunstet sehr langsam und hinterlaßt, auf einer Glasscheibe
                              ausgetrocknet, klare, farblose, feste, ganz dem Collodium ähnliche Häutchen. Die
                              Eigenschaft dieser Art von Collodiumwolle, sich in absolutem Alkohol zu lösen, habe
                              ich erst vor Kurzem entdeckt und aus Mangel an Zeit noch nicht näher studiren
                              können. Ich beabsichtige jedoch, diesen Gegenstand genauer zu verfolgen, und hoffe
                              daß dessen speciellere Kenntniß zu interessanten Resultaten führen wird.
                           Die Collodiumwolle angezündet, verpufft nicht so heftig, als die sogenannte
                              Schießwolle (welche gewöhnlich, entweder vermittelst höchst concentrirter
                              Schwefel- und Salpetersäure, oder höchst concentrirter Schwefelsäure und
                              Salpeter gewonnen wird), sondern etwas langsamer, eigentlich ruhiger, und hinterläßt
                              nur selten einen geringen kohligen Rückstand.
                           In der Absicht, eine Collodiumwolle zu einer Analyse darzustellen, wurde eine reine
                              ausgesuchte Baumwolle zuerst mit einer verdünnten Auflösung von kohlensaurem Natron,
                              alsdann mit salpetersäurehaltigem Wasser behandelt und endlich mit reinem, zwar nur
                              mit kaltem, Wasserausgewaschen. Von der gut getrockneten Wolle wurde eine Drachme mit 14 Dr.
                              dreifach-gewässerter Schwefelsäure und 12 Dr. einfach-gewässerter
                              Salpetersäure 40 Stunden lang bei ungefähr + 6° C. zusammenwirken gelassen,
                              nachher wie gewöhnlich mit kaltem Wasser gewaschen und bei ungefähr + 30° C.
                              getrocknet. Die so gewonnene Collodiumwolle ließ sich bei 100° C. in einem
                              Strome von trockener Luft zwei Stunden lang erhitzen, ohne von ihrem Gewichte auch
                              nur das Geringste zu verlieren, außer einer höchst geringen Menge Feuchtigkeit, die
                              sich gleich zu Anfang der Operation zeigte und durchaus nicht sauer reagirte. Sie
                              löste sich in Alkoholäther ebenso leicht und vollkommen, nach, wie vor dem Erhitzen.
                              Auch mit Kupferoxyd gemengt, ließ sie sich ohne Gewichtsverlust bei 100° C.
                              in trockenem Luftstrome erhitzen. Diese Collodiumwolle, in einem Glasgefäße mit
                              einem Glasstöpsel verschlossen, hat sich bisher, fast drei Jahre lang, ganz
                              unverändert erhalten.
                           In der Voraussetzung, daß die mit kohlensaurem Natron etc. behandelte Baumwolle die
                              reinste Collodiumwolle geliefert hatte, wurde eine solche, welche, bei 100°
                              C. getrocknet, unverändert blieb, in Alkoholäther gelöst und die ziemlich
                              dünnflüssige Auflösung zum Absetzen hingestellt, wobei sich am Boden des Gefäßes
                              einige Fäserchen ablagerten. Dieses Präparat konnte daher nicht als ein chemisch
                              reines Product gelten, auch abgesehen davon, daß in dieser Collodiumwolle, durch
                              eine geringe Menge Untersalpetersäure, welche in der zur Darstellung verwendeten
                              Salpetersäure enthalten war, wahrscheinlich noch ein besonderer Körper sich befand,
                              der die früher erwähnte milchweiße Trübung des Collodiums verursachte.
                           Alle von mir angestellten Elementaranalysen obiger Collodiumwolle haben deßhalb noch
                              nicht zu solchen Resultaten geführt, die der Oeffentlichkeit übergeben werden
                              könnten. Zur Ausführung der Analysen selbst wurde die, vermittelst einer Pincette
                              sorgfältig ausgesuchte und fein zerschnittene Collodiumwolle, einmal im Mörser, ein
                              anderesmal im Verbrennungsrohr, mit Kupferoxyd sowohl, als auch mit chromsaurem
                              Bleioxyd gemengt, das Verbrennungsrohr ebenso, wie bei jeder andern Analyse eines
                              stickstoffhaltigen Körpers, vorgerichtet, bei 100° C. ein Strom trockener
                              Luft durchgeleitet, nachher die Verbrennung unternommen und dieselbe unter Anwendung
                              eines Stromes Sauerstoff beendigt. Die Verbrennungen konnten mit der größten
                              Bequemlichkeit regelmäßig geleitet werden, indem während der ganzen Dauer derselben,
                              durchaus keine stürmische Gasentwicklung stattfand.
                           
                           Für die Darstellung von Collodiumwolle ist also die wichtigste Bedingung, die Menge
                              des Wassers zur gegebenen Menge Schwefel- und Salpetersäure möglichst genau
                              zu bestimmen. In dem Maaße, als mehr oder weniger Wasser in die Mischungen gebracht
                              wird, erhält man eine schlechtere oder gar keine Collodiumwolle. Höchst concentrirte
                              Schwefelsäure liefert eine, schon in der Zimmertemperatur sich leicht zersetzende,
                              in frischem Zustande gute, mehr verdünnte Schwefelsäure hingegen eine schlechte
                              Schießwolle, welche in Alkoholäther sich beide nicht lösen. Es kann die Baumwolle,
                              je nach dem Hydratzustande der Säuren, von einer höchst löslichen Form, stufenweise
                              bis zur ganz unlöslichen gebracht werden. Wenn durch die Anwendung einer zu
                              concentrirten Schwefelsäure eine unlösliche Schießwolle erhalten worden ist, so kann
                              diese bald löslich gemacht werden, wenn sie in die richtige Säuremischung gebracht
                              wird, und umgekehrt, kann eine gute Collodiumwolle in unlösliche Schießwolle,
                              verwandelt werden.
                           Da es sich in Folge aller dieser Versuche herausgestellt hat, daß: 1) der
                              Hydratzustand der Schwefelsäure, 2) eine gewisse Menge Untersalpetersäure in dem
                              Salpetersäuremonohydrate, 3) die Temperatur, und 4) die Zeit bei der Erzeugung der
                              Collodiumwolle von Einfluß sind, so kann man wohl annehmen, daß die von
                              verschiedenen Chemikern bei der Analyse der Schießwolle erhaltenen, sehr
                              abweichenden Resultate in einer verschiedenen Beschaffenheit des angewendeten
                              Präparates ihren Grund haben.
                           Auch scheint es mir nicht überflüssig zu seyn, schließlich aufmerksam darauf zu
                              machen, daß – da die Collodiumwolle bei 100° C. getrocknet und an der
                              atmosphärischen Luft aufbewahrt werden kann, ohne daß sie sich verändert –
                              dieses Präparat eine brauchbare, vielleicht die ächte Schießwolle seyn dürfte.