| Titel: | Ueber die Anwendbarkeit der Molybdänsäure und der molybdänsauren Verbindungen in der Färbekunst und dem Zeugdruck; von Dr. W. H. v. Kurrer. | 
| Autor: | Dr. Wilhelm Heinrich Kurrer [GND] | 
| Fundstelle: | Band 129, Jahrgang 1853, Nr. XXXII., S. 139 | 
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                        XXXII.
                        Ueber die Anwendbarkeit der Molybdänsäure und der
                           molybdänsauren Verbindungen in der Färbekunst und dem Zeugdruck; von Dr. W. H. v. Kurrer.
                        v. Kurrer, über die Anwendbarkeit der Molybdänsäure in der
                           Färbekunst.
                        
                     
                        
                           Die im polytechn. Journ. Bd. CXXI S. 465 von
                              Hrn. Dr. Fr. Keller in Speyer
                              gelieferte Abhandlung, durch eine Verbindung der Molybdänsäure mit Zinnchlorür
                              Farben hervorzubringen, die im Stande wären theilweise die indigoblauen
                              Druckfabricate im Baumwollenzeugdruck zu ersetzen, veranlaßten mich genaue Versuche
                              über diesen Gegenstand anzustellen, in wie weit nämlich eine nutzbar praktische
                              Verwendung für das Coloriren der Seiden-, Baumwollen- und Leinenstoffe
                              aus den molybdänsauren Verbindungen, nach den vielverheißenden Andeutungen, die der
                              Hr. Verfasser in seiner Abhandlung aufstellt, zu ziehen sey.
                           Zu meinen Versuchen bediente ich mich der in der rühmlich bekannten chemischen
                              Productenfabrik des Hrn. Carl Eduard
                                 Brosche zu Prag fabrikmäßig dargestellten Molybdänsäure und des
                              phosphorsäurehaltigen molybdänsauren Natrons. Die Molybdänsäure für den technischen
                              Gebrauch wird durch den Fabrikchemiker Hrn. Christl (nach der von ihm im polytechn. Journal
                              Bd. CXXIV S. 398 mitgetheilten Methode)
                              auf folgende Art dargestellt: Gleiche Gewichtstheile gepulvertes Gelbbleierz und
                              calcinirte Soda werden in einem eisernen Tiegel geschmolzen, alsdann das gebildete
                              molybdänsaure Natron von dem ausgeschiedenen Metall abgegossen, und ersteres in
                              heißem Wasser zu einer concentrirten Lauge aufgelöst; letztere wird mit
                              überschüssiger Salpetersäure versetzt und gekocht, bis sich die Molybdänsäure als
                              schön canariengelber Niederschlag ausgeschieden hat, der mit Wasser rein ausgesüßt
                              und getrocknet beiläufig den dritten Theil von dem Gewicht des angewandten Erzes
                              beträgt.
                           Die auf solchem Wege dargestellte Molybdänsäure ist zwar nicht chemisch rein, allein
                              für den Gebrauch in Färbereien vollkommen tauglich.
                           Das phosphorsäurehaltige molybdänsaure Natron liefert die Fabrik in Gestalt eines
                              schön weißen krystallinischen Salzes, welches, weil es an der Luft leicht
                              verwittert, in gut verschlossenen Gefäßen aufbewahrt werden muß. Für die ersten
                              Versuche bezog ich im Orte selbst diese Salzverbindung in wasserklarer flüssiger
                              Form, 20 Grad nach Baumé's Arëometer stark, für entfernteren Transport ist
                              hingegen das Salz bequemer und sicherer in Krystallen zu beziehen.
                           Sowohl Molybdänsäure als phosphorsäurehaltiges molybdänsaures Natron kann in jeder
                              beliebigen Menge aus der Brosche'schen Fabrik zu den
                              billigsten Preisen bezogen werden, welche auch viele andere chemische Producte in
                              bester Qualität liefert.
                           Das für meine Versuche bestimmte molybdänsaure Ammoniak bereitete ich mir selbst
                              durch Auflösen der Molybdänsäure in ätzendem Ammoniak (Salmiakspiritus) auf folgende
                              Art: In atzendes Ammoniak wird nach und nach so viel fein gepulverte Molybdänsäure
                              eingetragen, als dasselbe aufzulösen im Stande ist. Die Auflösung der Molybdänsäure
                              erfolgt unter beträchtlicher Wärmeentwickelung und stellt eine helle weingelbe
                              Flüssigkeit dar, die einen starken Geruch nach Ammoniak besitzt, und in
                              wohlverschlossenen Flaschen aufbewahrt werden muß.
                           Nach diesen Vorbemerkungen gehe ich nun zu den Resultaten über, welche ich in der
                              Unifärberei und dem Zeugdruck mit den molybdänsauren Verbindungen und Zinnchlorür
                              auf seidenen, baumwollenen und leinenen Stoffen erhielt, und eröffne die Gallerte
                              mit der losen Seide, dem Seidengespinnst und Seidengewebe, für welche das neue
                              Farbmaterial vorzugsweise nutzbare Verwendung in Aussicht stellt.
                           
                        
                           Färben der Seide und der seidenen Stoffe.
                           Die intensivste dunkelblaue Farbe, welche eine Verbindung von molybdänsaurem
                              Molybdänoxyd und molybdänsaurem Zinnoxyd ist, wird erhalten, wenn die Seide und
                              Seidenstoffe mit molybdänsaurem Ammoniak imprägnirt, nachher abgetrocknet in einem
                              salzsauern Bade durchgenommen, und ohne in Wasser auszuwaschen, unmittelbar in einem
                              Zinnchlorür- (Zinnsalz) Bade die blaue Farbe hergestellt, nachher aber
                              alsbald in Wasser rein ausgewaschen und abgetrocknet wird.
                           Helleres Blau in verschiedenen Abstufungen, bis in schönes bläuliches Hellaschgrau
                              übergehend, wird erhalten, wenn das molybdänsaure Ammoniak (Basis) verhältnißmäßig
                              mit reinem Flußwasser verdünnt wird.
                           Seide und Seidenstoffe mit einer 20° Baumé starken Auflösung von
                              molybdänsaurem Natron imprägnirt, abgetrocknet und auf dieselbe Art im
                              salzsauren- und Zinnchlorür-Bade behandelt, nehmen ein lebhaftes
                              Mittelblau an. Ein Maaßtheil des molybdänsauren Natrons von 20° Baumé,
                              mit einem Maaßtheil Hellem Flußwasser gemischt, liefert ein Blau, welches etwas
                              Heller als das vorige ist. Ein Maaßtheil des molybdänsauren Natrons mit drei Maaßtheilen
                              Wasser verdünnt, gibt ein Blau welches wieder einen beträchtlichen Ton Heller als
                              jenes ist. Bei einem größeren Verhältniß von Wasser werden verschiedene hellblaue
                              Abstufungen erhalten, welche bei noch stärkerer Verdünnung des Molybdänsalzes mit
                              Wasser in schöne bläulichgraue Farbentöne übergehen, die sehr beliebt werden
                              dürften.
                           Werden Seide und Seidenstoffe mit einer Auflösung von 1 Pfund krystallisirtem
                              molybdänsaurem Natron in drei Pfund klarem heißem Flußwasser, die nach dem Erkalten
                              mit 1 Loth Salmiakspiritus versetzt wurde, zweimal imprägnirt, und zwischen jedem
                              Imprägniren abgetrocknet, dann durch ein salzsaures und unmittelbar darauf in einem
                              Zinnchlorürbade durchgenommen, so erhält man ein etwas helleres Mittelblau als beim
                              vorhergegangenen Verfahren. Ein Maaßtheil Auflösung mit einem Maaßtheil Flußwasser
                              verdünnt, und die Stoffe darin zweimal grundirt, gab noch ein ziemlich kräftiges
                              Mittelblau, wogegen bei einmaligem Grundiren nur eine helle Farbe, ins Aschgraue
                              spielend, erlangt wird. Die Basis mit verhältnißmäßig noch mehr Wasser verschwächt,
                              liefert schöne bläulichgraue Farbentöne, bis ins Perlgraue übergehend, die dem Auge
                              sehr gefällig erscheinen.
                           Alle diese Farbentöne mit den molybdänsauren Verbindungen und Zinnchlorür auf Seide
                              und Seidenstoffen dargestellt, zeichnen sich durch außerordentliche Dauerhaftigkeit
                              gegen Licht und Luft aus. Von der dunkelsten bis zur hellsten Abstufung habe ich
                              dieselben drei Monate lang zwischen Doppelfenster der
                              Sonne und der atmosphärischen Luft ausgesetzt, ohne die geringste Veränderung im
                              Farbenton daran wahrzunehmen. Schon aus diesem gewichtigen Grunde, und dann wegen
                              der leichten, auch nicht kostspieligen Darstellungsweise, verdienen die
                              Molybdänfarben in der Seidenfärberei die höchste Beachtung und werden sich
                              hoffentlich bald allgemeiner Anerkennung zu erfreuen haben.
                           Im Seidenzeugdruck gestatten hingegen die molybdänsauren
                              Verbindungen, aus demselben Grund wie im Baumwollenzeugdruck, nur eine beschränkte
                              Verwendung, indem damit bloß örtliches (topisches) Blau erzeugt werden kann.
                           
                        
                           Färben der baumwollenen Gewebe.
                           Weniger schön und intensiv als auf Seide erscheinen die Unimolybdänfarben auf
                              Baumwollgeweben. Der dunkelste und reinste blaue Ton wird durch molybdänsaures
                              Ammoniak erreicht; allein schon mit drei Maaßtheilen Wasser verdünnt, erscheint die Farbe nur mehr
                              Grau mit einem starken Stich ins Blaue, eine übrigens nicht ungefällige Nuance.
                           Werden baumwollene Gewebe mit 20° Baumé starker phosphorsäurehaltigen
                              molybdänsauren Natronauflösung zweimal grundirt, und zwischen jedem Grundiren
                              abgetrocknet, alsdann im warmen salzsauren Bade und von da im Zinnchlorürbade
                              durchgenommen, so erhält man ein dunkles Hellblau mit eigenthümlichem Stich in
                              lichtes Bleigrau. Verdünnt man die molybdänsaure Natronauflösung mit einem bis acht
                              Theilen Wasser und verwendet sie zum Grundiren der Stoffe, so entstehen in
                              abnehmender Stärke immer mehr graue Farbenabstufungen, die sich sämmtlich durch
                              einen Stich ins Blaue auszeichnen.
                           Ganz den vorigen ähnliche Farbenerscheinungen werden erhalten, wenn eine Auflösung
                              von 1 Pfund krystallisirtem phosphorsäurehaltigem molybdänsaurem Natron in drei
                              Pfund Wasser, mit Zusatz von 1 Loth Salmiakspiritus zum Imprägniren der
                              Baumwollstoffe verwendet, und für helle Töne die Basis mit mehr oder weniger Wasser
                              verdünnt wird.
                           In allen diesen verschiedenen Farbetönen, welche sich gegen Luft und Sonne ebenso
                              beständig wie auf Seide erweisen, kann man weißen Figurendruck anbringen, wenn die
                              unigefärbten baumwollenen Gewebe, wie bei mit Indigo blau gefärbten, in chromsaurem
                              Kali gebeizt und dann mit saurer Enlevage die Grundfarbe zerstört wird, an deren
                              Stelle sodann Weiß zum Vorschein kommt.
                           
                        
                           Verwendung im Baumwollenzeugdruck.
                           Auf die Verwendbarkeit der Molybdänsäure und ihrer Verbindungen im
                              Baumwollenzeugdruck setzte ich nach Hrn. Dr. Keller's Andeutungen, wornach die mannichfaltigsten
                              Druckfabricate, die bisher nur mit Indigo hergestellt wurden, durch Molybdänsäure
                              und Zinnchlorür zu erreichen wären, meine schönste Hoffnung. Wie sehr wurde ich aber
                              getäuscht, als ich mit Molybdänsalz imprägnirte baumwollene und seidene Gewebe in
                              das salzsaure Bad brachte, und unter keinen Verhältnissen, ich mochte das Bad noch
                              so concentrirt an Säure, warm oder kalt, selbst mit Zusatz von Salmiak anwenden, ein
                              erträgliches Gelb auf den Zeugen erhielt, im Gegentheil sich nur ein schwacher
                              gelblicher Schein zeigte, welcher durch Auswaschen in Wasser fast völlig verloren
                              ging. Die ausgewaschenen Zeuge nahmen im Zinnchlorürbade nur noch einen schwachen
                              Ton von blauer oder grauer Farbe an.
                           
                           Alle weiteren Versuche mit andern Säuren, z.B. Essigsäure, Weinsteinsäure, Oralsäure
                              und Citronensäure, die molybdänsauren Alkalien auf Baumwoll- und
                              Seidenstoffen zu zersetzen und Gelb darauf niederzuschlagen, blieben ohne Erfolg. Im
                              Zinnchlorürbade nahmen die Stoffe statt einer blauen nur eine lichte schmutziggraue
                              Farbe an, ein Beweis, daß alle diesen Säuren die molybdänsauren Verbindungen nicht
                              zu zersetzen vermögen, und dafür nur die Salzsäure verwendbar ist.
                           So lange nun das Niederschlagen der gelben Molydänsäure auf den Stoffen nicht
                              vollkommen gelingt, sich auch dieselbe nicht so fest mit der Faser verbindet, daß
                              sie das Abwässern nach dem salzsauren Bade aushält, ist an eine ausgedehnte
                              Verwendung derselben im Zeugdruck nicht zu denken.
                           Mir ist es unter keinen Verhältnissen gelungen, das von Hrn. Dr. Keller gestellte Prognostikon auch nur
                              annähernd zu erreichen, und es beschränkt sich meinen Versuchen zufolge die
                              Verwendbarkeit der molybdänsauren Verbindungen im Baumwollenzeugdruck außer dem oben
                              angeführten Weißätzen nur noch auf örtlichen Blaudruck, den ich auf folgende Weise
                              darstelle: Man versetzt 20° Baumé starke molybdänsaure Natronauflösung
                              mit Albumin in druckfähigen Zustand; nach dem Aufdruck wird abgetrocknet, alsdann
                              die Waare durch ein warmes salzsaures Bad genommen, und darauf unmittelbar in einem
                              Zinnchlorürbade die blaue Farbe entwickelt, welche nun im weißen Grund ein kräftiges
                              Mittelblau bildet. Nach dem Zinnchlorürbade wird rein gewaschen und abgetrocknet.
                              Anstatt mit Albumin kann die Masse für den Druck auch mit hellgebrannter Stärke oder
                              Traganth verdickt werden.
                           Auch ist mir in ausgenutzten verschwächten Zinnchlorürbädern kein Grün nach Dr. Kellers Angabe gelungen,
                              aus der natürlichen Ursache weil kein fixirtes Molybdängelb vorhanden war.
                           Die örtlich blaue Molybdänfarbe auf Baumwollzeug besitzt gegen Sonne und Luft
                              ebenfalls die oben erwähnte Dauer.
                           
                        
                           Versuche Leinwand zu färben.
                           Die Verwandtschaft des Molybdänblau zur Faser der Leinwand ist so gering, daß wenn
                              dieselbe mit 20° Baumé starker molybdänsaurer Natronauflösung, welche
                              mit gleichen Theilen Wasser verdünnt worden ist, imprägnirt, nachher abgetrocknet,
                              sodann durch ein salzsaures Bad passirt und unmittelbar darauf die Farbe im
                              Zinnchlorürbade entwickelt wird, nur ein bläuliches Grau zum Vorschein kommt; eine
                              mit mehr Wasser verdünnte Basis liefert noch hellere graue Farbentöne.