| Titel: | Versuche über die Absorptionsfähigkeit der Knochenkohle für Zucker und Wasser; von Ventzke. | 
| Fundstelle: | Band 129, Jahrgang 1853, Nr. XXXIII., S. 144 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        XXXIII.
                        Versuche über die Absorptionsfähigkeit der
                           Knochenkohle für Zucker und Wasser; von Ventzke.
                        Aus dem Journal für praktische Chemie, 1852, Nr.
                              22.
                        Ventzke's Versuche über die Absorptionsfähigkeit der Knochenkohle
                           für Zucker und Wasser.
                        
                     
                        
                           Erster Versuch. – Ich bereitete mir eine wässerige
                              Rohzucker-Lösung von ganz genau bestimmtem Zuckergehalt, und füllte damit zur
                              Hälfte einen Filtrir-Cylinder mit Schraubenventil, wie die Besitzer meines
                              SaccharimetersBeschrieben im Journal für praktische Chemie Bd. XXV S. 65 und Bd. XXVIII S.
                                    101. ihn kennen. In diese Zuckerlösung wurde nun soviel einer sehr feinkörnigen
                              Knochenkohle geschüttet, daß alle Zwischenräume derselben durch jene Lösung
                              ausgefüllt waren, folglich keine Flüssigkeit über der Kohle stand. Die Knochenkohle
                              war ganz frisch geglüht, wurde noch glühend in ein luftdicht verschlossenes Gefäß
                              gebracht und zur Abkühlung hingestellt, so daß jede Aufnahme von Feuchtigkeit aus
                              der Luft vermieden war. Der Cylinder mit der Mengung von Kohle und Zuckerlösung
                              wurde nun bei gewöhnlicher Stubentemperatur etwa zehn Stunden unberührt gelassen,
                              dann wurde die Zuckerlösung an verschiedenen Stellen des Cylinders untersucht und
                              überall das gleiche Resultat gefunden, nämlich: daß die Lösung
                                 3,2 Procent an Zucker verloren hatte, wenn man nämlich ihren ursprünglichen
                              Gehalt mit 100 bezeichnet. Die Kohle mußte also die Zuckerlösung nicht unverändert
                              aufgenommen, sondern durch größere Verwandtschaft zum Zucker sich vorzugsweise
                              desselben bemächtigt haben. Dieser Versuch ist wohl der einfachste, welcher in
                              dieser Beziehung gemacht werden kann, da man nur mit zwei Factoren: Zucker und Wasser auf der einen, und Kohle ohne Wasser auf der andern Seite zu thun hat. Es mußte
                              sich also die größere oder geringere Verwandtschaft der Kohle zum Wasser oder Zucker
                              hier unzweideutig kundgeben oder nicht.
                           Zweiter Versuch. – Er wurde ganz wie der erste mit
                              derselben Zuckerlösung und Kohlensorte gemacht, und nur dahin abgeändert, daß die
                              ganz trockene Kohle innig mit 10 Proc. Wasser gemengt wurde. Letzteres wurde so
                              vollständig von der Kohle aufgenommen und in ihren Poren condensirt, daß dem äußern Ansehen nach die Kohle eben so trocken
                              erschien, als vor der Hinzufügung des Wassers. Das Ergebniß des Versuchs war, daß
                              die Zuckerlösung 14,8 Procent ihres Zuckergehaltes verloren hatte. Hier stellten sich die
                              Verhältnisse schon anders als im ersten Versuch. Die Kohle konnte noch eine
                              bedeutende Menge der Zuckerlösung aufnehmen; sie that das nicht, sondern schied von
                              dem Wasser aus, was sie bereits in ihren Poren condensirt enthielt, und nahm dafür
                              vorzugsweise Zucker aus der sie umgebenden Lösung auf, während das von der Kohle
                              ausgeschiedene Wasser jene verdünnte.
                           Tatsächlich mußte also die Kohle bei Beendigung des Versuchs in ihren Poren eine
                              condensirtere Zuckerlösung enthalten, als die in den Zwischenräumen es war. Hier
                              zeigt sich also unzweifelhaft eine Art Contact-Wahlverwandtschaft, wenn man
                              einen Namen dafür haben will, denn es wird das schon in der Kohle befindliche mit
                              nicht geringer Kraft festgehaltene Wasser vom Zucker mehr oder minder ausgetrieben.
                              Hierin unterscheidet sich also dieser Versuch vom ersten, wo die Kohle wasserfrei
                              auftritt.
                           Es gibt aber Beobachtungen, welche Ansichten verschiedener Art durch ihre
                              Eigenthümlichkeit hervorzurufen im Stande sind Werden größere Massen frisch
                              gebrannter grobkörniger Knochenkohle mit etwa 5–7 Procent Wasser benezt, in
                              Haufen hingeschüttet, so entsteht eine bedeutende Temperatur-Erhöhung
                              innerhalb derselben, die unter Umständen bis zum Glühen und theilweisen Weißbrennen
                              der Kohlen sich steigern kann. Beispiele ähnlicher Art sind schon früher beschrieben
                              worden, und dürften kürzlich bei Berlin vorgekommene Feuersbrünste ihre Entstehung
                              auf diese Weise gefunden haben. Diese Erscheinung mag sich nach den verschiedenen
                              Ansichten leicht erklären lassen. Ich führe sie hier nur an in Beziehung zu
                              Nachfolgendem, erfahrungsmäßig Feststehendem.
                           Wenn man sehr feinkörnige, etwa 60 Körner per Milligramm
                              enthaltende, jedoch von allem Pulverigen befreite, höchst wirksame Kohle in großen
                              Massen und in gegen Abkühlung geschützten Gefäßen mit beinahe lochendem Wasser
                              auswäscht, dann dem Wasser eine concentrirte Rohzuckerlösung von etwa 1,3 spec.
                              Gewicht folgen läßt, so wird das Wasser mit Leichtigkeit von der Zuckerlösung
                              verdrängt. Hat letztere nun ebenfalls eine hohe Temperatur, etwa 68 bis 76°
                              R., so entsteht, trotzdem daß die Kohle völlig von Wasser durchnäßt war, eine
                              Wechselwirkung eigenthümlicher Art zwischen Zuckerlösung und Kohle. Letztere muß
                              nämlich die Eigenschaft haben, die Zuckerlösung bedeutend stärker zu condensiren als
                              das Wasser, denn es erfolgt nun, ganz analog mit der oben erwähnten Einwirkung von
                              Wasser auf trockne Kohle, eine so ansehnliche
                              Temperatur-Erhöhung, daß sie sich, wenigstens in den Poren der Kohle,
                              mindestens bis auf 168° R. steigern muß, denn der
                                 Zucker wird in
                                 Caramel verwandelt, es entwickelt sich plötzlich durch Ausscheidung von
                              Bestandtheilen des Wassers aus dem Zucker, Wasserdampf in
                              Masse nebst einigen andern gasförmigen Producten, und eine Explosion ist die
                              nothwendige Folge davon. Diese extreme schnell eintretende Wirkung findet allerdings
                              nur unter den oben angegebenen Verhältnissen und Bedingungen statt. Sind die
                              Temperaturen des vorangehenden Wassers und der nachdrückenden Zuckerlösung etwas
                              niedriger, so erfolgt nur theilweise Zersetzung des Zuckers in Caramel, welcher in
                              der durch die Kohle filtrirenden Zuckerlösung leicht zu entdecken ist und sie mehr
                              oder minder stark bräunt. Hält man die Wärmegrade noch niedriger, so erfolgt keine
                              Zersetzung des Zuckers und nur eine bedeutende Erhöhung der Temperatur der
                              abfließenden Zuckerlösung zeugt von der unumgänglichen Verdichtung letzterer in den
                              Poren der Kohle.
                           Es steht die Thatsache fest, daß eine Zuckerlösung, je concentrirter, desto leichter,
                              das Wasser völlig aus der Kohle verdrängt, während umgekehrt Wasser die Zuckerlösung
                              weit schwieriger austreibt, obgleich gerade das Gegentheil stattfinden müßte, wenn
                              rein mechanische Hindernisse zu überwinden wären, da im letzteren Falle ja die
                              schwerere Flüssigkeit unten, die leichtere oben sich befindet. Auch diese Erfahrung
                              spricht für eine größere Verwandtschaft der Kohle zum Zucker.