| Titel: | Ueber den Werth der Getreidesorten, insbesondere des Weizens; von J. Reiset. | 
| Fundstelle: | Band 129, Jahrgang 1853, Nr. LXVIII., S. 298 | 
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                        LXVIII.
                        Ueber den Werth der Getreidesorten, insbesondere
                           des Weizens; von J.
                              Reiset.
                        Aus den Comptes rendus, Mai 1853, Nr.
                              20.
                        Reiset, über den Werth der Getreidesorten.
                        
                     
                        
                           Gewöhnlich nimmt man an, daß sich das Gewicht eines Hektoliters einer Getreideart mit
                              der Qualität dieses Korns selbst verändert; auch sucht der Käufer auf den Märkten
                              immer einen schweren Weizen, einen schweren Hafer.
                           Wenn der Verkauf nach dem Maaße geschieht, so muß allerdings dem schwersten Getreide
                              der Vorzug gegeben werden; wird aber nach dem Gewicht verkauft, so scheint der
                              Käufer die Güte des Getreides voraus zu beurtheilen, indem er die Schwere desselben
                              Korns im Verhältniß zu seinem Volum berücksichtigt.
                           Der Zweck meiner Arbeit war, zu bestimmen ob das schwerste Korn auch einen höheren
                              Nahrungswerth hat?
                           
                           Dieser erste Theil derselben umfaßt die Versuche mit Weizen; die anderen
                              Getreidearten werden ebenfalls in Untersuchung gezogen werden. Der Verfasser
                              gelangte zu folgenden
                           
                        
                           Allgemeinen Schlüssen.
                           Das Gewicht eines bestimmten Volums Weizen ist abhängig von dem Verfahren beim
                              Messen, von der wirklichen Dichtigkeit der Körner, ihrer Gestalt und endlich von
                              ihrem Wassergehalt.
                           Die wirkliche Dichtigkeit der Körner, mittelst des Regnault'schen Volumenometers bestimmt, entspricht gewöhnlich ihrem
                              scheinbaren Gewichte nicht; es kann vorkommen, daß die höchste Dichtigkeit einer der
                              kleinern Zahlen für das scheinbare Gewicht eines Liters entspricht.
                           Die größten Schwankungen, welche beim scheinbaren Gewicht des Weizens vorkommen
                              können, sind beinahe ausschließlich der Gestalt des Kornes selbst zuzuschreiben; so
                              wird der schwerste Weizen sich in seiner Gestalt am gleichartigsten zeigen, wobei
                              die Körner sich gleichmäßiger und in größerer Menge in dem Maaße zusammenlegen
                              können.
                           Der Wassergehalt der von mir untersuchten Weizensorten variirt von 12 bis 19 Procent
                              als den äußersten Gränzen; jede Weizensorte scheint eine normale Menge Wasser
                              aufzunehmen, welche sie unter den gewöhnlichen Zuständen der Atmosphäre mit einer
                              gewissen Verwandtschaft zurückhält. Durch fractionirte Austrocknung zieht sich das
                              Korn beträchtlich zusammen; seine Dichtigkeit nimmt zu, das scheinbare Gewicht des
                              Liters aber vermindert sich.
                           Durch Absorption von Wasser schwillt das Korn auf, seine Dichtigkeit und das
                              scheinbare Gewicht des Liters vermindern sich; durch eine zufällige Wasserabsorption
                              angeschwollenes Getreide erhält durch Austrocknen sein ursprüngliches Volum nicht
                              wieder, sein scheinbares Gewicht und seine Dichtigkeit werden und bleiben sehr
                              gering.
                           Der Klebergehalt variirte von 10,68 bis 17,93 Procent. Zwischen dem scheinbaren
                              Gewichte der verschiedenen untersuchten Weizensorten und ihrem Gehalt an
                              stickstoffhaltiger Substanz besteht gar keine Beziehung.
                           Mit der Dichtigkeit des Weizens scheint sein Klebergehalt im Allgemeinen
                              zuzunehmen.
                           Das Hartkorn zeigt größere Dichtigkeit und enthält auch mehr Kleber als das
                              Weich- oder Zartkorn.
                           Die untersuchten Weizensorten gaben 1,77 bis 2,25 Proc. Asche; in der Regel findet
                              man in einer Weizensorte mit dem größten Verhältniß von Asche auch den größten
                              Klebergehalt und die größte Dichtigkeit verbunden.
                           Wenn man den Klebergehalt als Maaßstab für den Preis des Weizens nimmt, so müßten 100
                              Kilogr. eines Weizens mit 25 Franken oder 15,37 Franken bezahlt werden, je nachdem
                              er 15,51 Kleber enthält, wie der Sommerweizen (blé
                                 hérisson), oder 9,54 wie der englische Weizen.
                           Wählt man zum Brode einen an Kleber mehr oder weniger reichen Weizen, so kann der
                              Consument welcher täglich ungefähr 1250 Gramme Brod verzehrt, seine tägliche Ration
                              um eine Quantität stickstoffhaltiger Substanz vermehren, welche 250 Grammen
                              Rindfleisch entspricht.
                           Bei den jetzigen Handelsverhältnissen und ihren Grundlagen liegt es gar nicht im
                              Interesse des Producenten dem Consumenten stickstoffreicheren Weizen zu liefern;
                              diese gewöhnlich härteren und glätteren Varietäten des Weizens erschöpfen den Boden
                              bedeutend und werden auf den Märkten fast immer verschmäht, weil sie ein etwas
                              minder weißes Mehl geben als der weiße Weizen mit weicher Schale.
                           Die Analyse des in verschiedenen Zuständen der Reife geernteten Weizens ergibt, daß
                              die Menge des Wassers in dem Korn in dem Maaße abnimmt, als die Reife
                              vorschreitet.
                           Auch eine gewisse Verschiedenheit in dem Gehalt dieses Weizens (von verschiedener
                              Reife) an Kleber zeigt sich; doch sind diese Schwankungen gering und scheinen keinen
                              bestimmten Gang zu befolgen.
                           Von einer und derselben Weizensorte enthalten die vollkommen entwickelten, großen
                              Körner mehr Wasser und weniger Kleber als die magern Körner.
                           Da das Gewicht eines Hektoliters Weizen nur sehr schwache Andeutungen über die
                              Qualität des Korns gibt, so ist der Verkauf nach dem Volum stets mit Nachtheilen
                              verbunden.
                           Wenn die Regierung den Verkauf nach dem Gewicht auf gleichförmiger Grundlage
                              einführen würde, so würde sie dadurch der Landwirthschaft einen wahrhaften Dienst
                              erweisen, weil dann der gegenwärtigen Verwirrung welche auf den Märkten durch
                              Anwendung eines gemischten Systems existirt, ein Ende gemacht wäre.
                           Die folgenden Tabellen enthalten sämmtliche Beobachtungen und Analysen.
                           
                           Tabelle I.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 129, S. 301
                              Name des Weizens;
                                 Normal-Weizen; Dichte; Scheinbares Gewicht eines Liters; Wasser in 100
                                 Theilen; 100 trockenen Weizens enthalten; Asche; Stickstoff; Kleber oder
                                 Albumin; Petagnelle noir (Ponlard) halbweich; Geerntet zu Varrières
                                 (Vilmorin); Weißer, weicher, englischer Weizen; Geerntet von Crespel (Straße von
                                 Calais); Weizen, geerntet z. Ecorche-bouef 1850; Schlechte Ernte; Weizen
                                 von Charmoise; Eingesandt von Hrn. Malingié; Englischer Weizen (im
                                 dritten Jahre nach der Einfuhr); Geerntet zu Avrigny (Picarcardie); Barker's
                                 Weizen, 1851 eingeführt; Gesäet zu Ecorche-boeuf 1851; Weißer russischer
                                 Weizen, in Neufchatel geerntet; Eingesandt v. Hrn. Mabire;
                                 Herisson-Weizen (Sommer-Weizen, halbweich), 1851; Geerntet zu
                                 Bouyères bei Arpajon; Richelle von Neapel, weißer Sommerweizen, 1851;
                                 Geerntet zu Vollerand (Seine und Oise); Victoria-Weizen, Sommerfrucht;
                                 Aus der Umgegend von Pontoise; Spalding-Weizen, in Ecorche-boeuf
                                 gebaut 1851; Untere Seine
                              
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 129, S. 302
                              Name des Weizens;
                                 Normal-Weizen; Dichte; Scheinbares Gewicht eines Liters; Wasser in 100
                                 Theilen; 100 trockenen Weizens enthalten; Asche; Stickstoff; Kleber oder
                                 Albumin; Victoria-Weizen, geerntet zu Ecorche-boeuf 1851; Untere
                                 Seine; Xeres-Weizen (sehr hart); Geerntet zu Bruyères bei Arpajon;
                                 Rother russischer Weizen (7 Jahre nach der Einfuhr); Geerntet zu Neufchatel
                                 (untere Seine); Weizen aus der Umgegend von Pont-Levoy; Eingesandt von
                                 Hrn. Malingié; Weizen von Sicilien, Sommerfrucht, hart, 1851; Geerntet zu
                                 Varrières (Vilmorin); Nouette oder Riesen-Weizen von St. Helena;
                                 Geerntet zu Bruyères; Richelle-Weizen von Grignon (weich);
                                 Albert-Weizen (aus England eingeführt 1851); Gesäet zu
                                 Ecorche-boeuf 1851; Polnischer Weizen (sehr hart); Geerntet zu
                                 Varrières (Seine und Oise)
                              
                           
                           Tabelle II.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 129, S. 303
                              Analysen von in verschiedenen
                                 Zuständen der Reife geerntetem Weizen; Wasser in 100 des normalen Weizens; 100
                                 des getrockneten Weizens enthalten Stickstoff; Gefunden; Mittel; Kleber
                                 berechnet; Versuch Nr. I; Probe Nr. 1, geschnitten den 24. Juli 1852. Körner
                                 sehr teigartig; Probe Nr. 2, geschnitten den 29. Juli 1852. Körner im Beginn der
                                 Mehlbildung; Probe Nr. 3, geschnitten den 6. August 1852. Vollständig feste
                                 Körner; Versuch Nr. II; Probe Nr. 1, geschnitten den 15. Juli 1852. Körner
                                 teigartig; Probe Nr. 2, geschnitten den 21. Juli 1852. Schon ziemlich
                                 ausgebildete Körner; Probe Nr. 3, geschnitten bei vollkommener Reife
                              
                           
                           Tabelle III.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 129, S. 304
                              Analysen ausgesuchter Körner
                                 derselben Varietät des Weizens; Wasser in 100 des normalen Weizens; 100 des
                                 getrockneten Weizens enthalten: Stickstoff; Gefunden; Mittel; Kleber berechnet;
                                 Asche; Spalding-Weizen, magere Körner von der Ernte 1852;
                                 Spalding-Weizen, große Körner von der Ernte 1852; Victoria-Weizen,
                                 magere Körner von der Ernte 1852; Victoria-Weizen, große Körner von der
                                 Ernte 1852; Albert-Weizen, magere Körner, Ernte 1852;
                                 Albert-Weizen, große Körner, Ernte 1852