| Titel: | Ueber Reichenbach's Distanzmesser; vom Ministerialrath Dr. Steinheil. | 
| Fundstelle: | Band 129, Jahrgang 1853, Nr. XCII., S. 408 | 
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                        XCII.
                        Ueber Reichenbach's Distanzmesser; vom Ministerialrath Dr.
                           Steinheil.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              VII.
                        Steinheil, über Reichenbach's Distanzmesser.
                        
                     
                        
                           Die Aufgabe „durch den Reichenbach'schen
                                 Distanzmesser die Horizontalprojection des Abstandes zweier Terrainpunkte zu
                                 finden“, scheint nach dem Aufsatze des Hrn. Professor Decher im polytechn. Journal, 1850,
                              Bd. CXVI S. 29 auf erhebliche Complication zu führen. Es werden, nachdem schon die
                              Berechnung der Theilung der Latte ziemlich viel Arbeit macht, zwei verschiedene
                              Hülfstafeln, die eine für Elevation, die andere für Depression erforderlich. Beide
                              haben doppelten Eingang, was bekanntlich immer auf unbequeme Interpolation führt.
                              Dadurch verliert das Instrument in der Anwendung – um mit Bessel zu reden – so sehr den edeln Charakter der
                              Einfachheit, daß wenn sich diese Schwierigkeiten nicht beseitigen ließen, es sehr
                              zweifelhaft bliebe, ob nicht andern Messungsmitteln der Vorzug gebührt. Denn unter
                              den vielen Messungsmitteln welche bestehen ist immer dasjenige das praktische, was
                              mit dem geringsten Aufwand von Mühe und Zeit die verlangte Genauigkeit gibt, und
                              diese Rücksicht muß immer maßgebend seyn bei der Wahl des Meßapparates.
                           Indessen gestattet Reichenbach's Instrument in der That eine viel einfachere Behandlung,
                              die weder Hülfstafeln, noch eine eigene Berechnung der Distanzlatte voraussetzt und
                              dennoch dieselbe Genauigkeit gibt. Da ich mich dieser Methode schon vor mehr als 25
                              Jahren vielfach bediente und sie bequem fand, so veranlaßt mich die Hoffnung, daß es
                              auch andern Besitzern dieses Instruments eben so gehen werde, zu deren nachfolgenden
                              Bekanntmachung.
                           Es bezeichne
                           a den kleinsten Abstand der Mitte der Distanzlatte von
                              dem Mittelpunkt des Objectives,
                           α die Vereinigungsweite der von a kommenden Lichtstrahlen,
                           r den Abstand der beiden horizontalen Ocularfäden auf
                              der Distanzlatte gemessen.
                           Bezeichnen wir diese Größen für eine andere Entfernung der Distanzlatte mit einem
                              Striche, also mit
                           
                           
                              a'
                              
                           α'
                           r', und nennen wir
                           ρ den kleinsten Abstand der Ocularfäden in derselben
                              Längeneinheit gemessen, so hat man, wie aus Fig. 20 zu ersehen:
                           a : r = α : ρ
                           a' : r' = α' : ρ
                           denn es wird für die zweite Stellung der Distanzlatte wohl
                              erforderlich, die Fäden mit dem Oculare von α nach α' zu verstellen,
                              aber der Abstand der Fäden ρ ändert sich nicht. Man hat sonach:
                           
                              
                                 r = aρ/α
                                    r' = a'ρ/α'
                                 
                                    
                                    
                                       (1)
                                 
                              
                           Nun ist aber die Relation zwischen Abstand, Brennweite und Vereinigungsweite für
                              Strahlen die der Achse sehr nahe liegen, und für unendlich kleine Dicke der
                              Objectivlinse, wenn wir Euler's Bezeichnungen beibehalten, bekanntlich:
                           
                              
                                 1/a + 1/α = 1/p
                                 und eben so
                                 
                                 
                                 
                              
                                 1/a' + 1/α' = 1/p,
                                 woraus folgt
                                 
                                 
                                 
                              
                                 1/α =
                                    1/p – 1/a 1/α' = 1/p – 1/a'
                                 
                                 
                                    
                                    
                                       (2)
                                 
                              
                           Diese Werthe in (1) gesetzt, geben
                           r = ρ (a – p)/p
                           r' = ρ (a' –
                              p)/p
                           woraus sich das Verhältniß der Ablesungen an der Distanzlatte
                              zu den Abständen der Latte
                           
                              
                                 r/r' = (a – p)/(a' – p)
                                 
                                    
                                    
                                       (3)
                                 
                              
                           findet.
                           
                           Wir sehen hieraus, daß die Theilung der Distanzlatte für alle Abstände der Latte
                              letzteren proportional ist, wenn die Abstände der Latte
                              von demjenigen Punkte aus gezählt werden, der um p, d.
                              i. um die Brennweite des Objectives, vor dem Objectiv liegt.
                           Aus (3) folgt unmittelbar:
                           
                              
                                 a' – p = r'/r (a – p)
                                 
                                    
                                    
                                       (4)
                                 
                              
                           Soll nun auf 1000 Fuß Abstand die Theilung der Distanzlatte 10 Fuß umfassen, so
                              wird
                           
                              
                                 (a – p)
                                 = 1000
                                 
                                 
                                 
                              
                                        r
                                 =     10,
                                 daher
                                 
                                 
                              
                                 (a' –
                                    p)
                                 =  (100) r'
                                 
                                    
                                    
                                       (5)
                                 
                              
                           d.h. die Differenz der zwei Ablesungen an der Distanzlatte
                              100mal genommen, ist gleich der Entfernung der Latte von dem Punkte, der um die
                              Brennweite vor dem Objectiv liegt. Die Distanzlatte wird sonach direct in denjenigen
                              Längenmaaßeinheiten getheilt, in welchen man die Distanzen messen will, und jede
                              Latte gilt für jedes Instrument, wenn sein Fädenabstand berichtigt ist.
                           Soll nun aber der Abstand nicht von dem Objective, sondern von einem bestimmten Punkt
                              in der Figur auf dem Meßtisch gezählt werden, wofür wir den Durchschnitt der
                              Drehungsachse mit der optischen Achse substituiren können, da sich dieser Punkt
                              immer senkrecht über den entsprechenden in der Figur bringen läßt, so nimmt der
                              Ausdruck (5), wenn wir mit u obigen Abstand bezeichnen,
                              die Form an
                           a' + u = (100) r' + p + u.
                           Allein (p + u) ist eine
                              constante Größe, die nur ein für allemal für jedes Instrument abzumessen ist und
                              dann jeder Ablesung im Kopfe beigefügt werden kann. Setzen wir
                           p + u = C
                              
                           so wird der Abstand des Mittelpunktes der Distanzlatte von der
                              Drehungsachse des Instrumentes:
                           
                              
                                 a' + u = (100)
                                    r' + C
                                    
                                 
                                    
                                    
                                       (6)
                                 
                              
                           Wenn sonach der eine Faden auf den Nullpunkt der Scala eingestellt wird, zeigt der
                              andere Faden auf r', und diese Ablesung 100mal genommen
                              und um C vergrößert, gibt den verlangten Abstand in
                              denjenigen Einheiten, in welchen die Latte getheilt ist.
                           
                           Es versteht sich von selbst, daß man zur Berichtigung des Fädenabstandes etwa 100
                              Lattentheilungslängen abmißt, die Brennweite des Objectives zulegt, in diesem Punkte
                              das Objectiv, im andern Endpunkt die Latte aufstellt und nun einen oder auch beide
                              Fadenschuber durch die Schrauben verstellt, bis die Fäden zugleich, der eine auf den
                              obersten, der andere auf den untersten Theilstrich der Latte treffen.
                           Nennt man die Horizontalprojection des Abstandes a' + u π, die Neigung der Absehnslinie des oberen
                              Oculares nach dem Nullpunkt gegen den Horizont i,
                           so wird
                           
                              
                                 π = Cos i (100 r' + C)
                                 
                                    
                                    
                                       (7)
                                 
                              
                           Der Winkel, den die beiden Absehnslinien mit einander bilden, ist für 1000 Fuß
                              Abstand unter obigen Annahmen 34,4 Minuten. Für diesen Winkel beträgt der
                              Unterschied zwischen Sinus und Tangens 4 Einheiten der 5ten Decimalstelle. Da man aber mit dem
                              Distanzmesser nur circa 1/500, also nicht einmal eine
                              Einheit der 4ten Decimalstelle richtig bekömmt, so ist es in Bezug auf die normale
                              Stellung der Distanzlatte zur Absehnslinie gleichgültig, in welchen Zwischenpunkt
                              zwischen beide Absehnslinien der rechte Winkel verlegt wird. Vernachlässigungen
                              derselben Ordnung sind auch schon begangen in (2) und sie finden sich eben so in den
                              Entwickelungen des Hrn. Prof. Decher.
                           Demzufolge können wir den Nullpunkt der Distanzlatte in ihre
                                 Mitte verlegen. Wir nehmen an, daß diese Höhe von 5 Fuß gleich sey der Höhe
                              der Drehungsachse des Instrumentes über dem Fußboden.Sollte man in einzelnen Fällen genöthigt seyn, bei der Aufstellung des
                                    Instrumentes hievon abzugehen, so wird durch Vergleichung der Latte mit der
                                    Höhe in welcher die Achse aufgestellt ist, der Strich der Theilung bekannt,
                                    der gleiche Höhe mit der Achse hat und auf diesen Strich wird dann der obere
                                    Ocular-Faden eingestellt, wenn der Höhenkreis zur Bestimmung der
                                    Neigung i abgelesen werden soll.
                              
                           Sind nun Meßtisch und Distanzlatte in derselben Horizontalebene aufgestellt, so muß,
                              wenn das obere Ocular auf den Nullpunkt zeigt, auch der Höhenkreis Null zeigen, oder
                              es wird dessen Inder auf diesen Punkt gebracht. Nun gibt der Höhenkreis unmittelbar
                              die Neigung der Absehnslinie oder den Winkel ± i
                              auch in anderem Terrain.
                           Für größere Abstände als 500 Fuß wollen wir den Nullpunkt der Theilung in den
                              obersten Theilstrich der Distanzlatte verlegen und die zweite Hälfte der Theilung der
                              Distanzlatte von der Mitte aus bis zum Fußpunkte zählen.
                           Das obere Ocular auf den mittlern Nullstrich der Latte eingestellt, gibt daher immer
                              die Neigung i; aber für Entfernungen die größer als 500
                              Fuß sind, wird nach der Bestimmung von i der untere
                              Ocularfaden auf den obersten Theilstrich der Latte gebracht und am obern Oculare die
                              Ablesung r' gemacht, die jetzt stets in die untere
                              Hälfte der Latte fällt.
                           Die Absehnslinie des Visirs der Latte ist in der Mitte im Nullstrich normal auf die
                              Ebene der Latte gestellt. Daher bleibt bei allen Neigungen des Terrains die Normale
                              der Mitte der Lattenebene senkrecht zur Drehungsachse des Instrumentes.
                           Um die Distanzlatte in der Verticalebene zu erhalten die zugleich durch das Objectiv
                              geht, dient in der Regel ein Senkel, der oben an der Latte befestigt ist. Diesen
                              Senkel befestige ich an dem mittlern Nullstrich der Latte in einem schmalen
                              Längendurchschnitt und benutze ihn zugleich senkrecht auf die oben genannte Ebene
                              zum Ablothen des Nullstriches, indem die Latte so gestellt
                                 wird, daß das Loth auf den Punkt trifft, dessen Horizontalprojection bestimmt
                                 werden soll. Das Loth reicht nicht bis zum Fußpunkt der Latte, sondern bis
                              zum Theilstrich 9 Fuß von oben. Wird nun die Latte geneigt, so kömmt der Nullstrich
                              näher zum Boden, um wieviel, dieß zeigt sehr nahe die Spitze des Senkels an der
                              Lattentheilung. Um eben so viel wird über dem Nullstrich eingestellt vor Ablesung
                              des Höhenkreises. Uebrigens beträgt diese Correction bei einer Neigung von
                              20° (der größten welche der Distanzmesser aufwärts zu messen gestattet) und
                              bei 50 Fuß Abstand der Latte, nur 1/391 der reducirten Entfernung, und ist somit nur
                              in ganz ungewöhnlichen Fällen in Anwendung zu bringen.
                           Es erübrigt jetzt nur noch, den gemessenen Abstand des mittlern Nullstriches der
                              Latte mit der Neigung i auf den Horizont zu reduciren.
                              Allein da man diese Linie in die Figur auf dem Meßtisch eintragen soll und folglich
                              die entsprechende Zirkelöffnung benöthiget, ist es kürzer auch die Reduction gleich
                              graphisch auszuführen.
                           Dieß kann geschehen mit Hülfe eines auf Messing getheilten Gradbogens von 25°
                              Umfang, der dem gewöhnlichen 2500theiligen und 5000theiligen Transversalmaaßstab
                              beigefügt ist.
                           Es sey Fig.
                                 21, A, B, C, D ein Messingblech, auf welchem der
                              Transversalmaaßstab abde getheilt ist. Um c drehe ein abgeschrägtes Lineal, dessen abgeschrägte
                              geradlinige Kante genau nach dem Centrum c geht und auf
                              der Ebene des Bleches aufliegt. Der Drehungspunkt c sey
                              zum Einsetzen der
                              Zirkelspitze conisch vertieft. Die Kreistheilung sey von Grad zu Grad durch
                              Transversalen von 20' zu 20' getheilt. Senkrecht auf cc' ist cf errichtet.
                           Beim Gebrauche wird erst die abgelesene corrigirte Entfernung a' + u (6) mit dem Zirkel am
                              Transversalmaaßstab abde entnommen, dann das
                              Lineal cg auf die am Höhenkreis abgelesene Neigung
                              i eingestellt. Hierauf wird der eine Schenkel des
                              Zirkels in c eingesetzt und der andere an die Kante des
                              Lineals cg gebracht. Dieser letzte Punkt sey h. Nun wird der Zirkel um h
                              gedreht und seine Oeffnung vermindert bis die Spitze, die früher auf c stand, die Gerade df
                              tangirt. Die Oeffnung hi des Zirkels ist nun π oder die verlangte Horizontalprojection des
                              Abstandes des Senkelpunktes der Latte von dem Fußpunkte des Durchschnitts der
                              Drehungsachse des Instrumentes mit der optischen Achse.
                           München, den 30. August 1853.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
