| Titel: | Ueber Leplay's und Dubrunfaut's Verfahren zur Abscheidung des krystallisirbaren Zuckers aus der Melasse; von Hrn. J. Nicklès in Paris. | 
| Fundstelle: | Band 131, Jahrgang 1854, Nr. XVII., S. 47 | 
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                        XVII.
                        Ueber Leplay's und Dubrunfaut's Verfahren zur Abscheidung des
                           								krystallisirbaren Zuckers aus der Melasse; von Hrn. J. Nicklès in Paris.
                        Aus
                           									Silliman's american
                                 									Journal of Science and arts, Septbr. 1853, S. 274.
                        Leplay's Verfahren zur Abscheidung des krystallisirbaren
                           								Zuckers aus der Melasse.
                        
                     
                        
                           Die Rübenzuckerproduction hat sich in Frankreich in zehn Jahren verdoppelt,
                              									ungeachtet ihrer stufenweise erhöhten Besteuerung, welche nun eine sehr bedeutende
                              									ist, indem 100 Kilogr. weißer Melis, welche zu 150 Franken, verkauft werden, 59
                              									Franken Steuer bezahlen. Im Jahr 1842 betrug die Rübenzuckerproduction von ganz
                              									Frankreich beiläufig 40,000,000 Kilogr., und gegenwärtig beträgt sie 80,000,000.
                              									Diese Zunahme verdankt man den Verbesserungen, welche jährlich in der Fabrication
                              									gemacht wurden.
                           Unter diesen Verbesserungen ist die wichtigste die auf der Anwendung des Baryts
                              									beruhende, welche von den HHrn. Leplay und Dubrunfaut eingeführt wurde, und durch die man im Stande
                              									ist 50 Procent des in der Melasse enthaltenen krystallisirbaren Zuckers zu
                              										gewinnen.6 Man s. über dieses Verfahren die Mittheilungen im polytechn. Journal, 1850,
                                    											Bd. CXVII S. 136 und 275.A. d. Red. Bekanntlich hatten diese Melassen lange Zeit einen geringen Werth; man nahm
                              									an, daß sie bloß unkrystallisirbaren Zucker enthalten, und benutzte sie nur zur
                              									Weingeistbereitung mittelst Gährung, zu welchem Zweck große Brennereien entstanden.
                              									In einer derartigen, von Hrn. Leplay geleiteten Anstalt
                              									wurden täglich 12,000 Kilogr. Runkelrüben-Melasse auf Weingeist von 94
                              									Procent verarbeitet, welcher aller zur Fabrication feiner Liköre verwendet
                              									wurde.
                           Die HHrn. Leplay und Dubrunfaut
                              									entdeckten zuerst, daß der Zucker in der Melasse (der Runkelrüben) ein vollkommen
                              									krystallisirbarer Zucker ist, alle Eigenschaften des gewöhnlichen Zuckers besitzt
                              									und bloß von den mit ihm verbundenen fremdartigen Substanzen befreit zu werden
                              									braucht, um ihn zur Krystallisation bringen zu können. Die Lösung des Problems war
                              									von großer Wichtigkeit, da in Frankreich jährlich 40,000,000 Kilogr.
                           
                           Melasse erzeugt werden, welche über die Hälfte ihres Gewichts Zucker enthalten.
                           Das Verfahren der genannten Chemiker, wie es seit einigen Jahren in der Fabrik zu La
                              									Billette bei Paris ausgeübt wird, ist folgendes. Es gründet sich auf die
                              									unauflösliche Verbindung, welche der Zucker mit Baryt bildet. Wenn man eine kochende
                              									Auflösung von Aetzbaryt, welche 30° an Baumé's Aräometer zeigt, in die
                              									gewöhnliche Melasse gießt, so erstarren deren Bestandtheile sogleich zu einer
                              									porösen krystallinischen Masse, welche in Wasser unauflöslich ist und daher
                              									vollständig ausgewaschen werden kann.
                           Auf diese Weise gereinigt, ist der Zuckerbaryt weiß und sieht wie ein dicker Brei
                              									aus; er wird einem Strom Kohlensäure ausgesetzt, welche sich mit dem Baryt verbindet
                              									und den Zucker frei macht. Diese Operation wird in großen hölzernen Kufen von 80 bis
                              									100 Hektoliter Inhalt ausgeführt, in welche starke (von der Dampfmaschine bewegte)
                              									Pumpen die Kohlensäure treiben; letztere gewinnt man durch das Brennen von Kalkstein
                              									in Kalköfen.
                           Während der Einwirkung der Kohlensäure bemerkt man, daß der vorher sehr dicke Brei
                              									von Zuckerbaryt allmählich flüssig wird; nach beendigter Einwirkung derselben ist
                              									das Ganze eine Zuckerauflösung, worin kohlensaurer Baryt suspendirt ist.
                           Um den kohlensauren Baryt abzusondern, wird das Gemisch in Säcke von Baumwollzeug
                              									gebracht, durch welche der Syrup klar filtrirt. Nachdem diese Säcke vollständig
                              									abgetropft sind, werden sie schwach in einer Schraubenpresse gepreßt, und dann einem
                              									starken hydraulischen Druck ausgesetzt, um den rückständigen Syrup vom kohlensauren
                              									Baryt abzusondern. Der so erhaltene Syrup zeigt 18° bis 22°
                              									Baumé; er ist weiß, von angenehmem Geschmack, und enthält Spuren von
                              									einfach- und doppeltkohlensaurem Baryt aufgelöst, welche mittelst einer
                              									hinreichenden Quantität von Gyps oder schwefelsaurer Thonerde abgeschieden werden
                              									können. Endlich wird er mittelst getrockneten Bluts geklärt; er wird abgeschäumt und
                              									filtrirt, und dann wie ein Raffinadesyrup verkocht, worauf man ihn in Formen behufs
                              									des Krystallisirens bringt. Man erhält so auf einmal einen Zucker, welcher mit dem
                              									besten im Handel vorkommenden den Vergleich aushält.
                           Bezüglich der Rückstände dieses Verfahrens, welche in kohlensaurem Baryt, in der
                              									Melasse enthaltenen salzigen Substanzen, Aetzkalk vom Brennen des Kalksteins etc.
                              									bestehen, sind mir folgende Thatsachen mitgetheilt worden: – Der kohlensaure
                              									Baryt kann beliebig oft wieder angewandt werden; man macht ihn nach jeder Operation
                              									wieder ätzend, indem man ihn mit Holzkohlenpulver vermengt glüht, worauf er neuerdings
                              									anwendbar ist. Der Verlust an Baryt, welcher unvermeidlich ist, wird durch Schwefelbaryum ergänzt, welches Hr. Leplay durch Glühen von schwefelsaurem Baryt mit 45 Procent Kohlenpulver
                              									in einem Flammofen bereitet, und das er noch vortheilhafter nach der Methode von Gibbs darstellen könnte, welche darin besteht, den
                              									schwefelsauren Baryt durch die Gase der Feineisenfeuer zu reduciren.
                           Das Schwefelbaryum besitzt ebenfalls die Eigenschaft den Zucker niederzuschlagen, nur
                              									sind hier 2 Aequivalente Schwefel erforderlich, während vom Sauerstoff 1 Aequiv.
                              									hinreicht; letzterer gibt nämlich:
                           Zucker + BaO + HO = Saccharat von BaO + HO,
                           während das Schwefelbaryum liefert:
                           Zucker + 2 SBa + HO = Saccharat von BaOSH,
                                 										SBa
                              								
                           Hier geht also 1 Aequiv. Schwefelbaryum verloren. Um diesen Verlust zu vermeiden,
                              									setzt man der zu behandelnden Melasse 1 Aequiv. Aetzkali oder Aetznatron zu; wenn
                              									man dann in diese Melasse das Schwefelbaryum gießt, wird aller Baryt als Zuckerbaryt
                              									niedergeschlagen, und in der Flüssigkeit verbleibt das Kali oder Natron als
                              									schwefelwasserstoffsaures Salz.
                           2 Zucker + 2 SBa + KO + HO = Saccharat von BaO + SH, SK.
                           Die Anwendung von Aetzkali wäre für den Zweck zu kostspielig, wenn man es nicht nach
                              									jeder Operation wieder gewinnen könnte. Das Wasser wird nämlich nach dem Auswaschen
                              									in Kesseln gesammelt, abgedampft und der Rückstand dann in einem Flammofen mit ein
                              									wenig Kalk geglüht und geschmolzen. Die geschmolzene Masse wird nach dem Erkalten in
                              									grobe Stücke zerstoßen, ausgelaugt, mittelst Kalk ätzend gemacht, und die Laugen wie
                              									bei der Sodafabrication abgedampft. So erhält man das Kali für eine neue Fällung von
                              									Zuckerbaryt.
                           Durch diese Operation gewinnt man aber nicht nur das bei dem Verfahren zugesetzte
                              									Kali, sondern auch das Kali und Natron, welche ursprünglich im Rübensaft enthalten
                              									waren und sich in der Melasse anhäuften, worin sie beiläufig 10 Procent
                              									betragen.
                           Auf diese Art gelang es den HHrn. Leplay und Dubrunfaut den Zucker aus der Runkelrübenmelasse auf
                              									ökonomische Weise abzuscheiden. Ist aber dieses Verfahren zur Verarbeitung von
                              									Rohrzuckermelasse anwendbar? Allerdings, unter einer Bedingung; nämlich, wenn die
                              									Rohrzucker-Fabrication so betrieben werden kann, daß sie Melassen liefert,
                              									welche frei von unkrystallisirbarem Zucker sind; denn die HHrn. Leplay und Dubrunfaut haben
                              									gezeigt, daß von 60 bis 70 Proc. Zucker in diesen Melassen, 30 Proc.
                              									unkrystallisirbarer Zucker sind, welcher das Product der Fabricationsweise ist und
                              									ursprünglich im Rohrsaft nicht enthalten war. Zwischen den Melassen der
                              									Rüben- und Rohrzucker-Fabriken besteht also ein wesentlicher
                              									Unterschied; erstere enthalten keinen veränderten Zucker, während in letzteren ein
                              									großer Theil des Zuckers unkrystallisirbarer ist.
                           Verfahren den kohlensauren Baryt in Aetzbaryt zu
                                 										verwandeln. – Wir haben oben im allgemeinen das Verfahren erwähnt,
                              									wodurch die HHrn. Leplay und Dubrunfaut den kohlensauren Baryt in Aetzbaryt umwandeln, und wollen es
                              									nun näher beschreiben; erst nach vielem Zeitaufwand und zahlreichen Versuchen gelang
                              									es, dasselbe für die Anwendung im Großen geeignet zu machen, jetzt ist es aber so
                              									vervollkommnet, daß man den Aetzbaryt zu einem sehr niedrigen Preise darstellen
                              									kann.
                           Nachdem man den kohlensauren Baryt gepulvert hat, mengt man ihn innig mit 20 bis 25
                              									Procent Holzkohlenpulver und bringt ihn dann in einen Flammofen, der von
                              									feuerbeständigen Ziegeln gebaut ist. Bei einer röthlichen Weißglühhitze beginnt die
                              									Reduction, und nach dem Aussehen der Masse kann man erkennen, wenn sie vollständig
                              									ist. Ein einziger Ofen reducirt so in 24 Stunden 1200 Kilogr. kohlensauren Baryt,
                              									wobei 12 Hektoliter Holzkohlen zum Heizen und 4 Hektoliter zur Reduction verbraucht
                              									werden; es sind dazu drei Arbeiter erforderlich. Nach beendigter Reduction wird der
                              									Baryt in verschließbaren blechernen Gefäßen (von beiläufig 1 Hektoliter Inhalt)
                              									gesammelt, um ihn darin erkalten zu lassen. Der künstliche kohlensaure Baryt wird
                              									gewöhnlich leichter reducirt als der natürliche (Witherit).