| Titel: | Die Elektricität in Beziehung auf die Salubrität unseres Wohnortes und die therapeutische Anwendung derselben; von Dr. Romershausen. | 
| Autor: | Dr. theol. Elard Romershausen [GND] | 
| Fundstelle: | Band 131, Jahrgang 1854, Nr. XX., S. 58 | 
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                        XX.
                        Die Elektricität in Beziehung auf die Salubrität
                           								unseres Wohnortes und die therapeutische Anwendung derselben; von Dr. Romershausen.
                        (Fortsetzung des Aufsatzes im polytechn. Journal
                           									Bd. CXXX S. 193.)
                        Romershausen, über die Elektricität in Beziehung auf die Salubrität
                           								unseres Wohnortes etc.
                        
                     
                        
                           Nicht allein die geognostische Beschaffenheit des Bodens, sondern vorwaltend auch die
                              									Elevation desselben über der Meeresfläche, ist vom wesentlichsten Einfluß auf das
                              									organische Leben und Gedeihen; denn es ist nachgerade allgemein anerkannt, daß die Elektricität in Verbindung und gegenseitiger Reaction mit
                              									der Wärme etc. das erregende und belebende Princip der an
                              									sich tobten Materie ist, und allen organischen Processen zum Grunde liegt.
                           In Beziehung auf das thierische Leben haben es die sorgfältigsten physiologischen
                              									Untersuchungen älterer und neuerer Zeit, von Galvani, Volta,
                                 										A. v. Humboldt, Pfaff, Ritter, Mateuci, Du Bois Reymond u. m. a.Glavani, de viribus
                                       												Electricitatis in motu musculari commentarius, 1791.A. v. Humboldt, Versuche über die Muskel-
                                    											und Nervenfaser. 1797.Pfaff, über thierische Elektricität und
                                    											Reizbarkeit. 1795.Ritter, Beiträge zu näherer Kenntniß des
                                    											Galvanismus. 1800.Mateuci, Traité des phénomènes
                                       												électro-physiologiques des animaux. 1844.Du Bois Reymond, Untersuchung über thierische
                                    											Elektricität. 1849. unzweifelhaft dargethan, daß die Elektricität der Nerventhätigkeit zum
                              									Grunde liegt, und daß das gesammte Nerven-, Muskel- und Gefäßsystem
                              									dem Wesentlichen nach einen steten Circulationsapparat der Elektricität
                              									darstellt.
                           Diese in dem organischen Proceß thätige Elektricität wird von demselben nicht neu
                              									erzeugt, sondern eigenthümliche Organe nehmen die, auf sie einwirkende allgemeine
                              										terrestrische Elektricität (vergl. obigen Aufsatz 5)
                              									in sich auf und sammeln dieselbe zu den verschiedenen Lebensverrichtungen. In der
                              									Thierwelt treten diese isolirenden Sammelorgane am lebhaftesten hervor bei den
                              									Zitterrochen, den Zitteraalen etc. Diese Thiere zeigen eine so bedeutende
                              									elektrische Ladung, daß dieselbe nur durch mehrfach wiederholte, von ihrem Willen
                              									abhängige Schläge erschöpft werden kann. Bei der guten Leitung des Wassers erfolgt
                              									ihre Erneuerung durch Aufnahme der terrestrischen Elektricität in kurzer Zeit. Sie
                              									befinden sich gleichsam innerhalb der elektrisch-thätigen Erdrinde in
                              									unmittelbarer Berührung mit einem Medium, dessen vorwaltende Leitungsfähigkeit die
                              									locale Erdspannung begünstigt, und es wäre nicht ohne Interesse, zu ermitteln, ob
                              									und in welchem Grade diese Thiere fähig sind, außerhalb und bei einem gegen die Erde
                              									isolirten Zustande, eine neue Ladung aufzunehmen.
                           Bei andern Thieren und namentlich bei uns Menschen,
                              									scheint vorzüglich das Centralorgan des Nervensystems, das Gehirn und sein Fortsatz,
                              									das Rückenmark, die Sammelstätte der elektrischen Ladung zu seyn. Von ihnen laufen
                              									tausendfache Nervenzweige als Leiter zu allen Theilen des Körpers hin und zurück. Da nämlich die äußere
                              									Nervenhülle von Feuchtigkeit nicht durchdrungen wird und isolirend ist, so vertritt
                              									sie den Seidenüberzug unserer Drahtleitungen. Das Innere dieser Nervenfäden steht
                              									aber in leitender Verbindung mit dem Centralorgan, und es ist daher wahrscheinlich,
                              									daß die gesammte Nervenverzweigung sich in gleicher elektrischer Ladung mit dem
                              									Centralorgan befindet und nur durch den Impuls desselben in Thätigkeit versetzt
                              									wird.
                           Der nach allen Theilen des Körpers hin- und zurücklaufende, nervöse
                              									Leitungsapparat des Gehirns, wird von dem freien Willen des höhern geistigen
                              									Princips motivirt, und bewirkt die Thätigkeit der Sinnesorgane und die
                              									Muskelbewegung. Wir können die Wirksamkeit dieses Apparats gewißermaßen mit unsern
                              									elektrischen Telegraphen vergleichen. Wie hier der Leitungsdraht unsere Gedanken
                              									augenblicklich in die weiteste Ferne führt und daselbst entsprechende Bewegungen und
                              									Zeichen bewirkt, so leiten die Nervenfäden unseres Cerebralsystems den
                              									entsprechenden Ausdruck unserer Gedanken momentan zu den verschiedenen Muskelpartien
                              									und Gliedern unseres Körpers.
                           Neben diesem Centralapparat bilden die Nerven des Unterleibes, der Brust- und
                              									Beckenhöhle noch ein zweites, von dem Willen nicht abhängiges Nervensystem –
                              									das sogenannte Sonnengeflecht – ein wahres Abdominalgehirn, welches den für
                              									das Leben nothwendig unausgesetzten Thätigkeiten der reproductiven Sphäre vorsteht
                              									und namentlich die organischen Processe der Respiration, Digestion und Secretion
                              									leitet. Beide Systeme stehen aber durch viele Nervenverzweigungen in dynamischer
                              									Verbindung, daher Störungen des einen stets auch das andere in Mitleidenschaft
                              									ziehen.
                           Auch die Lebenswärme hängt lediglich von dem elektrischen
                              									Nerveneinfluß ab, denn ein Glied, dessen Nerv zerstört ist, erkaltet, die normale
                              									Ernährung desselben hört auf und es stirbt nachgerade ab.
                           Die Bewegungen in welche flüssige Leiter durch einen elektrischen Strom versetzt
                              									werden, zeigen uns, in Verbindung mit der Muskelcontraction des Herzens, die
                              									fortdauernde Ursache des Blutumlaufs, und die bekannten
                              									chemischen Wirkungen der Elektricität vermitteln die organisch-chemischen
                              									Processe der Zersetzung, Scheidung und Secretion – also überhaupt eine
                              									naturgemäße Nutrition.
                           Hiernach hängt also unser Leben und Befinden vorwaltend von der Wirksamkeit der
                              									unserm Körper inwohnenden Elektricität ab – und diese unterliegt, nach
                              									obigem, dem Einfluß der mehr oder mindern elektrischen Spannung unseres Wohnortes
                              									und Aufenthaltes auf der Erde.
                           
                           Ich habe nämlich in obigem Aufsatz nachgewiesen, daß dem Erdkörper und seinem Zubehör
                              									ein bestimmtes, weder zu vermehrendes noch zu verminderndes elektrisches Quantum
                              									inhärirt, und die Motive angegeben, wodurch dasselbe in fortdauernder Aufregung und
                              									dynamischer Thätigkeit erhalten wird.
                           Hiernach gleicht nun der mit freier Elektricität geladene, und von der mehr oder
                              									weniger isolirenden Atmosphäre umgebene Erdkörper einer isolirten und
                              									elektrisch-überladenen Metallkugel. Wie bei dieser, sammelt sich die
                              									Elektricität auf der Oberfläche, condensirt sich an den Hervorragungen derselben und
                              									strebt daselbst zu entweichen – also in Beziehung auf die Erde an den
                              									Berggipfeln, Felsecken, den Spitzen der Thürme und Gebäude, den Spitzen der Bäume,
                              									der Blätter, und ebenso in dem, mit ihr leitend verbundenen Thierkörper; bei
                              									letzterm nicht allein durch unmittelbare Verbindung, sondern auch durch den
                              									Athmungsproceß innerhalb des terrestrisch-elektrischen Wirkungskreises.
                           Von der localen Elevation der Erdoberfläche und der mehr
                              									oder minder elektrisch-gespannten Atmosphäre hängt also auch die mehr oder
                              									minder begünstigte Aufnahme und Wirksamkeit der Elektricität in dem vegetativen und
                              									animalischen Leben ab.
                           So zeigen sich denn auch überall die wesentlichsten Unterschiede zwischen der
                              									Salubrität der Gebirge und Hochebenen, und dem Thal- und Tieflande.
                           Eine andere Vegetation bedeckt das niedere aufgeschwemmte Land, ein andere die
                              									Urgebirge und die Bergeshöhen. Die aromatisch-kräftigsten Pflanzen und
                              									Kräuter wachsen auf den Gebirgen – die saftreichern und wässerigern in den
                              									Niederungen.
                           Die Gebirgsvölker zeigen uns eine weit größere, geistige und körperliche Energie,
                              									einen muskulösem und dauerhaftem Bau, überhaupt mehr Lebenstenacität als die
                              									wohlgenährten, weichlichem und trägem Bewohner des Tieflandes.
                           In den Niederungen herrschen eigenthümliche Krankheiten, Phthisis, Wechselfieber,
                              									Scropheln, Kröpfe etc., welche auf den Gebirgen selten zu finden sind. Sie begegnen
                              									uns in den engen, geschlossenen, warmen und feuchten Thälern, deren Luft wegen
                              									Mangel an elektrischer Zersetzung, spärlicher Sonneneinwirkung und Luftwechsel, mit
                              									den Gasen faulender, auf die Athmungsorgane giftig einwirkender Stoffe verunreinigt
                              									ist, die auffallendsten Abnormitäten, z.B. in den engen Bergschluchten der Alpen die
                              									häufigsten Albinos, Cretinen und Kakerlaken.
                           Aus demselben Grunde ist das Landleben der Gesundheit zuträglicher als das Leben in
                              									großen, volkreichen Städten, namentlich bei sitzender Lebensweise unter der
                              									elektrischen Negation verschlossener Zimmer. Einem solchen Stubensitzer ist ein
                              									Spaziergang ins Freie, wo möglich auf eine Bergeshöhe, heilsamer und nervös
                              									kräftigender als alle pharmaceutischen Tränke und Stärkungsmittel. Fühlt er sich im
                              									Thale matt und nervös erschlafft in den Gliedern, so daß ihm das Besteigen des
                              									Berges beschwerlich wird, so steigert sich doch mit der wachsenden Höhe die
                              									Muskelkraft, und oben angelangt, fühlt er sich belebter und gestärkt – jeder
                              									Athemzug bringt ihm Erquickung und Wohlseyn. Wer von uns hat dieses nicht selbst
                              									erfahren? Nur der Lungen-Kranke erträgt den erhöheten elektrischen Reiz der
                              									Bergeshöhe nicht.
                           Diese wenigen Erfahrungsbeispiele werden das obige zureichend bestätigen. Aber auch
                              									die mit der Elektricität in naher Verbindung und Wechselwirkung stehende allgemeine
                              									Witterungsbeschaffenheit ist von großem Einfluß auf das organische Leben. Da die
                              									elektrische Leitungsfähigkeit der Erdrinde vorzüglich von ihrem Feuchtigkeitsgrade
                              									abhängig ist, so zeigen die Pflanzen freudigeres Wachsthum und Gedeihen, wenn die
                              									Erde bei heiterer Atmosphäre und mäßiger Feuchtigkeit und Wärme einen ungestörten
                              									elektrisch-positiven Wirkungskreis hat – und auch wir, wie die ganze
                              									Thierwelt, fühlen uns unter diesen Umständen munter und wohl. Wenn aber in heißen
                              									Sommertagen, bei anhaltender Dürre, die äußere Erdrinde austrocknet – mit der
                              									Ausdünstung die terrestrische Elektricität nachgerade mehr und mehr in die höchsten
                              									Luftregionen entwichen ist, und durch zwischen eintretende trockne Luftschichten die
                              									Communication und mit ihr die elektrische Leitung zwischen der Erdrinde und der
                              									höhern atmosphärischen Ladung unterbrochen ist, so fehlt den Organismen mehr oder
                              									weniger das erregende und belebende Agens der Elektricität. Die vegetative und
                              									animalische Welt trauert und erschlafft, wir fühlen uns nervös deprimirt, höchst
                              									unbehaglich und ängstlich, um so mehr, da ermattender Schweiß die elektrische Ladung
                              									unserer Organe nachgerade entführt, und wir bei der unterbrochenen Erdleitung auch
                              									eine elektrisch arme Luft einathmen. Wie wohlthuend und erquickend ist alsdann der
                              									ersehnte Eintritt eines Gewitterregens, welcher die Leitung wieder herstellt und die
                              									getrennte elektrische Spannung zwischen der Erde und der höhern Wolkenregion wieder
                              									ausgleicht. Alles lebt wieder auf und die ganze Natur feiert gleichsam einen
                              									Auferstehungstag.
                           Dieser auf sichere Erfahrungen gegründete Nachweis des hochwichtigen Einflusses der
                              									Elektricität auf unser Leben und Befinden, bestätigt aber auch den hohen Werth künstlicher Elektricitätserregung als Heilmittel. Diese
                              									künstlichen Erregungen können zwar die oben dargestellte, allgemeine
                              									atmosphärisch-terrestrische Labung des Körpers nicht ersetzen, da sie stets
                              									zu der Quelle wieder zurückkehren, aus welcher sie entnommen sind, aber sie können
                              									im Organismus local stellvertretend wirken.
                           Wenn in der elektrischen Nerventhätigkeit abnorme Leitungswiderstände und Stockungen
                              									eintreten, so werden dieselben durch künstliche und naturgemäß richtig geleitete
                              									Durchströmungen am sichersten beseitigt, ehe sie in den betreffenden Organen den
                              									chemisch-vitalen Proceß beeinträchtigen, Auftreibungen, Entzündungen,
                              									Ablagerungen, Verhärtungen, Lähmungen und krampfhafte Zustände etc. veranlassen.
                              									Selbst veraltete Abnormitäten dieser Art werden durch andauernde und richtig
                              									geleitete elektrische Strömungen meistens noch geheilt.Man vergl.: „Die Heilkräfte der Elektricität und des Magnetismus,
                                       												nebst Zeichnung und Beschreibung der zweckmäßigsten und billigsten
                                       												Heilapparate“, von Dr. Romershausen. 2te Aufl. Marburg 1853.
                              								
                           Demungeachtet hat die medicinische Elektricität immer noch wenig Eingang in der
                              									ärztlichen Praxis gefunden – sie hat sie vielmehr den Physikern überlassen
                              									und dem Wucher unwissender Charlatanerie preisgegeben. Der Grund dieser
                              									Vernachlässigung scheint aber weniger in der Schuld der Aerzte als in den folgenden
                              									Uebelständen zu liegen.
                           1) Die Zerbrechlichkeit und oft eintretende Wirkungslosigkeit der seither
                              									gebräuchlichen Maschinen für die ReibungselektricitätIndessen glaube ich nicht, daß wir die Reibungselektricität ganz entbehren können, indem sie tiefer und
                                    											kräftiger in das Innere dringt, größere Leitungswiderstände besiegt und
                                    											chemische Zersetzungen bewirkt, welche dem galvanischen und Inductionsstrom
                                    											widerstehen. Ich benütze bereits seit vielen Jahren eine solche kleine
                                    											Scheibenmaschine von eigenthümlicher Construction mit ausgezeichnetem
                                    											Erfolg. Sie ist gegen Luftfeuchtigkeit in einem kleinen Kästchen
                                    											verschlossen – liefert ebenso wie der Induktionsapparat
                                    											intermittirende Ströme von beliebiger Stärke, und zwar vortheilhafter in
                                    											bestimmter polarer Richtung. – die Kostbarkeit kräftigerer Rotationsmaschinen, der beschwerliche
                              									Transport und die mühevolle Bewegung beider – die umständliche Behandlung
                              									galvanischer Apparate und ihre den Kranken belästigende Gasentwicklung etc., eignen
                              									sich wenig zu einer allgemeinen ärztlichen Praxis.
                           2) Kann dem vielbeschäftigten Arzt nicht zugemuthet werden, seine kostbare Zeit durch
                              									längere Manipulationen bei einzelnen Patienten zu zersplittern. Um die Elektricität
                              									mit Erfolg unter seinen Heilmitteln aufzunehmen, ist es daher nothwendig, daß ihm
                              									billige, dauerhafte und wirksame Apparate zu Gebote stehen, welche er, wie andere
                              									pharmaceutische Mittel, seinen Patienten verordnen kann, und wobei er nur die Art
                              									der Anwendung zu bestimmen hat.
                           
                           3) Fehlte es seither noch an den für specielle Fälle geeigneten und bequem zu
                              									behandelnden Heilvorrichtungen, wodurch der Patient selbst in Stand gesetzt wird,
                              									die verordneten Strömungen mit Sicherheit zu dirigiren.
                           4) Ist die medicinische Anwendung der Elektricität seither vielfach dadurch
                              									beeinträchtigt und verleidet worden, daß man sie gewöhnlich erst nach Erschöpfung
                              									aller pharmaceutischen Mittel und bei, als unheilbar aufgegebenen Kranken, als ultimum refugium verordnete, und verlangte daß sie nach
                              									einigen, oft völlig unrichtig geleiteten gewaltsamen Operationen noch Hülfe bringen
                              									sollte. Nach meiner langjährigen Erfahrung sind zwar auch solche veraltete und als
                              									unheilbar anerkannte Uebel durch eine rationelle und beharrlich fortgesetzte
                              									elektrische Cur oft noch geheilt worden; schnellere, sichere und günstigere Erfolge
                              									wird man aber jedenfalls erlangen, wenn man gleich anfangs die Elektricität mit
                              									andern geeigneten Arzneimitteln in Verbindung setzt. Der Arzt darf wenigstens
                              									überzeugt seyn, daß eine gelinde, richtig geleitete und die Lebensthätigkeit mild
                              									unterstützende Elektricitätserregung niemals Schaden bringt.
                           5) Nicht minder nachtheilig und abschreckend für den wissenschaftlichen Arzt ist die
                              									thörichte Meinung derer, welche die Elektricität als ein Universalmittel gegen alle
                              									möglichen Krankheiten marktschreierisch anpreisen und alle andern bewährten
                              									Heilmittel dabei hintansetzen. Gerade die gegenseitige Unterstützung derselben führt
                              									am sichersten zu dem erwünschten Ziele.
                           6) Hat ein offenbarer Mißbrauch dieses hochwichtigen Heilmittels seither viele
                              									differente und falsche Ansichten über dasselbe verbreitet. Man beachtete nämlich zu
                              									wenig, daß die allgemeine Wirkung der Elektricität auf den Organismus, stets
                              									Erregung und Erhöhung der Erregbarkeit, also in diesem Sinne eines der kräftigsten.
                              									nervösen Reizmittel zur Beförderung und Hebung der Lebensthätigkeit ist. Bei ihrer
                              									nahen Verwandtschaft mit der Lebenskraft dient sie derselben gleichsam als
                              									Vermittlerin und Gehülfin. Diese hülfreiche Einwirkung ist aber überall in der
                              									vegetativen und animalischen Welt eine mild erregende; sobald sie in einem
                              									naturwidrigen, unmäßigen Grade auftritt, wird sie eine gewalsam zerstörende, erzeugt
                              									exaltirte Zustände und vernichtet die Lebenskraft durch Ueberreiz, wie dieses auch
                              									bei jedem andern übermäßig erregenden Reizmittel der Fall ist. Eine dem betreffenden
                              									Subject und dem vorliegenden Zustand entsprechende richtige Abmessung dieses
                              									belebenden Princips ist daher die Hauptbedingung einer erfolgreichen elektrischen
                              									Cur.
                           Da nun gegenwärtig die unter 1, 2 und 3 erwähnten Hindernisse beseitigt sind, indem
                              									die sehr bequemen und wirksamen elektromagnetischen Inductions-Apparate allenthalben zu sehr billigem Preise zu haben
                              										sindDie in meiner obigen Schrift über die Heilkräfte der Elektricität und des
                                    											Magnetismus etc. angegebene, sehr bequeme, und in jedem beliebigen Grade
                                    											wirkende Inductionsmaschine nebst dauerhaftem,
                                    											gegen Gasentwicklung geschützten Element und vollständigem Heilapparat kostet 6 1/2 Rthlr., und kann nach
                                    											der Anleitung von jedem in der Physik bewanderten Mechaniker leicht
                                    											angefertigt werden.Auch benutzen jetzt die Aerzte und elektrischen Heilinstitute meinen galvanoelektrischen Bogen (vergl. meine Schrift:
                                    											der einfache galvanisch-elektrische Bogen, ein Schutz- und
                                    											Heilmittel, nebst Bemerkungen über vitale Elektricität, Halle 1847, und
                                    											polytechnisches Journal, 1850, Bd. CXV, S. 25). Die selbstthätig andauernden
                                    											Strömungen dieses kleinen, mit den Goldberger'schen Kettchen nicht zu verwechselnden physikalischen
                                    											Apparats bedürfen keiner weitern Beihülfe, und sind in den meisten Fällen
                                    											naturgemäßer und vortheilhafter als die vorübergehenden Erschütterungen der
                                    											Inductionsmaschinen. Der Arzt kann diesen jahrelang dienenden Bogen, bei seinem geringen Preis, wie jedes
                                    											andere pharmaceutische Mittel verordnen, denn er kostet physikalisch richtig
                                    											construirt, mit Polplatten von reinem Zink und Silber
                                    											nebst Seidenpolster und isolirender Armatur 20 Sgr., so hoffe ich um so mehr, daß die Aerzte davon allgemeinern Gebrauch machen
                              									werden, da die seitherige Theorie mehr und mehr das Vertrauen zu verlieren
                              										scheint.Man vergl. Dr. Steudel's Schrift über die medicinische Praxis, ihre Illusionen und
                                    											ihr Streben zur Gewißheit. Stuttgart 1853.
                              								
                           Ich schließe diese Erörterung mit dem Wunsche, daß sie überhaupt eine allgemeinere
                              									Aufmerksamkeit auf die segensreiche Wirksamkeit der Elektricität in der organischen
                              									Welt lenken, und daß deren bewährte Heilkräfte hinfort recht vielen Leidenden Hülfe
                              									und Genesung bringen möge.
                           Marburg, im November 1853.