| Titel: | Ueber ein verbessertes Verfahren, die Eisenbahnschienen an den Wechseln (Stößen) mit den Stühlen zu verbinden; von Hrn. R. S. Norris. | 
| Fundstelle: | Band 131, Jahrgang 1854, Nr. XXVII., S. 114 | 
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                        XXVII.
                        Ueber ein verbessertes Verfahren, die
                           								Eisenbahnschienen an den Wechseln (Stößen) mit den Stühlen zu verbinden; von Hrn.
                           									R. S.
                              								Norris.
                        Aus dem London Journal of arts, Octbr. 1853, S.
                              									297.
                        Norris, über ein verbessertes Verfahren die Schienen an den
                           								Wechseln mit den Stühlen zu verbinden.
                        
                     
                        
                           Hr. R. S. Norris von Warrington hielt in der Gesellschaft
                              									des Ingenieur-Vereins zu Birmingham einen Vortrag über dieses Verfahren, welches seit achtzehn
                              									Monaten auf einem stark befahrenen Theil der London- und Nordwest-Bahn
                              									in Anwendung ist und wegen seiner guten Resultate sich bereits weiter verbreitet
                              									hat.
                           Es besteht darin, die Stühle an den Schienenwechseln auf der
                                 										Bahnlinie selbst, mittelst gußeiserner Formen oder Schalen und eines
                                 										transportabeln Cupolofens zu gießen. Das in die Form laufende flüssige
                              									Metall kommt in genaue Berührung mit den Schienen und schwindet beim Erkalten so,
                              									daß es die Wechsel oder Schienenenden fest zusammenhält. Der zu erreichende Zweck
                              									besteht darin, die zusammenstoßenden verschiedenen Schienen zu einer einzigen
                              									zusammenhängenden zu verbinden, welche sich am Wechsel nicht mehr biegt, als an
                              									jedem andern Punkt. Die Eisenbahn-Ingenieure haben sich schon Jahre lang mit
                              									diesem Gegenstand beschäftigt und es wurden mehr oder minder entsprechende
                              									Vorschläge zur Lösung dieser Aufgabe gemacht.
                           Mag nun die Art der Verbindung der Schienen unter einander, oder der Schienen mit den
                              									Stühlen seyn welche sie wolle, so muß stets für die eintretende Ausdehnung und
                              									Zusammenziehung der Schienen vorgesorgt werden. Dieser Zweck wird dadurch erreicht,
                              									daß man die vorher erhitzten Schalen eine kurze Zeit lang an die Schienenenden legt,
                              									bis sie warm werden, worauf man sie wieder wegnimmt und eine dünne Schicht Lehm und
                              									Schwärze auf die Schienenenden mit einem Pinsel aufträgt, welche sogleich trocknet;
                              									wird nun das flüssige Roheisen in die Schalenform gegossen, so verhindert jene
                              									Schicht die absolute Berührung der Schienenenden. Obgleich nun auf diese Weise für
                              									die Ausdehnung und Zusammenziehung der Schienen vorgesorgt ist, so hält doch der
                              									Guß, da die Vertiefung in dem Stuhl parallel mit der Schiene ist, fest genug, um
                              									jede Vertical- und Seitenbewegung der letzteren zu verhindern. Die
                              									Berührungsoberfläche zwischen der Schiene und dem Stuhl beträgt etwa 100
                              									Quadratzoll, oder 50 Quadratzoll für jedes Schienenende.
                           Diese große Oberfläche verhindert eine merkliche Abnutzung der Schienenenden durch
                              									die Längenbewegung der Ausdehnung; und da keine Vertical- und Seitenbewegung
                              									stattfinden kann, so veranlassen die Räder auch keine Stöße. Auf diese Weise bleiben
                              									die Verbindungen Jahre lang gut, wie die bisherige Erfahrung bewiesen hat.
                           Die Ausführung des Gusses ist sehr einfach und kann ohne Unterbrechung der Fahrten
                              									vorgenommen werden.
                           Der Apparat besteht aus Schalen und aus einem tragbaren Cupolofen, und das Verfahren
                              									ist auf einer schon bestehenden Bahnlinie folgendes: – Jeder auf einem
                              									Wechsel befindliche Steinblock oder jede Schwelle wird zuvörderst von den
                              									Schienenplatten um etwa 3 Zoll entfernt, um Raum zum Anbringen der Schalen zu
                              									erlangen, oder er wird einstweilen ganz weggenommen. Alsdann wird der alte Stuhl
                              									entfernt und die gußeiserne Form angebracht. Diese besteht aus einer Sohlplatte mit
                              									Falzen, in welche man die vier Seitenplatten stellt die über der Schiene durch
                              									Schraubenzwingen zusammengehalten werden und auf diese Weise eine Form bilden. Unter
                              									die Sohlplatte werden Eisenstücke gelegt, um sie in der gehörigen Höhe zu erhalten.
                              									Der Abguß ist bald gemacht und gleich darauf kann ungehindert die Stelle von einem
                              									Zuge passirt werden.
                           In der Schalenform werden zwei stählerne Bolzen oder Nägel so angebracht, daß sie die
                              									Kerne für die Löcher bilden, durch welche nach Vollendung der Stühle die Nägel zum
                              									Festhalten derselben auf den Schwellen oder Steinblöcken getrieben werden. Man läßt
                              									so lange flüssiges Eisen in die Form laufen, bis sie gänzlich gefüllt ist.
                           Die Schalen sind so eingerichtet, daß sie die Schiene an beiden Enden mittelst eines
                              									Vorsprungs umschließen, auch werden sie an den Fugen mit etwas Lehm verstrichen,
                              									damit kein Eisen durchlaufen kann.
                           Nach etwa fünf Minuten kann die Form weggenommen werden, was nur wenige Secunden
                              									erfordert. Die Form des auf diese Weise dargestellten Stuhls ist von der Art, daß
                              									die beiden Schienenenden gehörig befestigt und zusammengehalten werden. Die äußere
                              									Form kann jede beliebige seyn. Ist der Guß kalt genug, so wird die Schwelle wieder
                              									an ihre Stelle gebracht und der Stuhl darauf festgenagelt.
                           Bei dem Bau neuer Bahnen ist die Arbeit dieselbe, nur brauchen die Schwellen nicht
                              									weggerückt oder weggenommen zu werden.
                           Das einzuschmelzende Roheisen besteht gewöhnlich aus alten Stühlen und aus etwas
                              									neuem Roheisen. Der Cupolofen zum Schmelzen desselben hat einen cylindrischen Mantel
                              									aus 1/16 Zoll starkem Eisenblech von 2 1/4 Fuß Weite und 4 1/2 Fuß Höhe; inwendig
                              									ist er mit einem 4 Zoll dicken Futter von feuerfesten Ziegelsteinen und Lehm
                              									bekleidet, wie es gewöhnlich der Fall ist.
                           Dieser Cupolofen wiegt etwa 6 Centner, kann durch die Arbeiter ohne Schwierigkeiten
                              									auf einen Lorry mit bloßer Platte gehoben und auf der Bahn dahin gefahren werden wo
                              									man ihn braucht. Dort wird er von dem Lorry abgehoben und auf einige Schwellen auf
                              									der Bank neben den Schienen abgesetzt. Man kann ihn dann auf 1/2 engl. (etwa 1/4
                              									deutsche) Meile benutzen, weil das geschmolzene Eisen flüssig genug ist, um in den
                              									Gießkellen zu beiden Seiten des Ofens soweit fortgeschafft werden zu können.
                           
                           Der Cupolofen ist mit einem kranzförmigen Windbehälter versehen, welcher den Wind von
                              									einem Ventilator aufnimmt und ihn durch vier Formen dem Ofen zuführt; jede Form ist
                              									im Maul 2 Zoll weit. Der Mantel des Ventilators hat 22 Zoll im Durchmesser, ist 9
                              									Zoll breit und wiegt etwa 3 Ctr.; er wird mit dem Cupolofen durch eine Düse
                              									verbunden, welche leicht in die Oeffnung des Windbehälters eingesteckt und wieder
                              									herausgenommen wird, wenn man Ofen und Gebläse transportiren will. Der Ventilator
                              									wird durch Menschenkraft mittelst Kurbeln, oder wenn viel Eisen geschmolzen werden
                              									muß, durch eine kleine transportable Dampfmaschine bewegt.
                           Man kann mit einem solchen kleinen Cupolofen eine bedeutende Roheisenmenge
                              									umschmelzen. Wird das Gebläse durch zwei Arbeiter bewegt, so lassen sich in 7
                              									Stunden 70 Centner, bei Maschinenkraft aber 90 Ctr. durchschmelzen. – Zu
                              									Reparaturen auf einer Bahnlinie kann man einen kleinen, nur 2 Centner wiegenden Ofen
                              									anwenden.
                           Die mittleren Stühle kann man auf die Art sehr fest mit den Schienen verbinden, daß
                              									man die hölzernen Keile herausnimmt und dafür eiserne eingießt. Dieß geschieht
                              									dadurch, daß man trocknen Formsand um den Stuhl legt und flüssiges Eisen in die
                              									Höhlung zwischen jenen und die Schiene gießt, so daß es über den Stuhl vorsteht.
                              									Mehrere auf diese Weise ausgeführte Befestigungen haben zwei Jahre sehr gut gehalten
                              									und werden auch noch ferner dicht seyn. Beim Gießen dehnt das in die Stühle
                              									einlaufende flüssige Eisen dieselben aus, worauf sie sich wieder zusammenziehen und
                              									die Keile sehr fest halten.
                           Es versteht sich, daß der neue Stuhl genau dieselbe Stellung auf den Schwellen
                              									einnimmt und auch dieselbe Befestigung hat, wie der gewöhnliche Stuhl auf einem
                              									Schienenwechsel; er kann daher bei einer zufälligen Beschädigung sehr schnell wieder
                              									reparirt werden, indem man einen hölzernen Keil eintreibt, bis der kleine Cupolofen
                              									herbeigebracht ist und ein neuer eiserner Keil gegossen wurde.
                           ––––––––––
                           Hr. Norris zeigte nach obigem Vortrag Exemplare von den
                              									Stühlen und die Schalenmodelle vor, so wie auch einen der neuen Verbindungsstühle
                              									auf den Wechseln, welcher 18 Monate auf der nördlichen Verbindungsbahn gelegen
                              									hatte, die einen sehr großen Verkehr hat, so daß während jener Zeit 500,000 Räder
                              									darüber weggegangen waren; die beiden Schienenenden waren abgeschnitten und blieben
                              									fest in dem Stuhl stecken, und die Oberfläche des Wechsels war eben und glatt.
                           
                           Hr. Woodhouse bemerkte, daß neuerlich ein Versuch mit
                              									diesen Stühlen bei Rugby unter seiner Leitung gemacht wurde, und daß die Resultate
                              									sehr genügend seyen; man habe die Absicht gehabt, jenen Theil des Oberbaues in dem
                              									jetzigen Sommer umzulegen, aber die neuen Stühle hätten sich so zweckmäßig gezeigt,
                              									daß das Umlegen unterbleiben konnte. Er könne daher die allgemeinere Anwendung der
                              									Stühle nur dringend empfehlen.
                           In Beantwortung mehrerer Fragen bemerkte er ferner, daß die Wechsel bei den neuen
                              									Schienen nicht mit Filz versehen werden konnten. – Bei Rugby habe man
                              									ungefähr alle vier Minuten, mit Einschluß der Vorbereitungen, einen Stuhl
                              									gegossen.
                           Hr. Norris sagte, daß die Arbeitslöhne für den Guß eines
                              									Stuhls etwa 6 Pence (5 Sgr.) betragen, und daß sich die Kosten, einschließlich aller
                              									Ausgaben, jedoch ohne das Eisen, welches etwa 50 Pfd. wiege, auf etwa 1 Shilling (10
                              									Sgr.) belaufen. Die Kosten für den Guß würden sich aber, bei größerer Uebung der
                              									Arbeiter, bedeutend vermindern; anfänglich hätten sie täglich nur 40 Stühle
                              									gegossen, nach größerer Uebung aber 80 und zuletzt 120 Stück.
                           Er bemerkte dann, daß nur jeder dritte oder vierte Wechsel ein verschiebbarer für die
                              									Ausdehnung zu seyn brauche, was ein großer Vortheil sey.
                           Hr. May erwähnte in dieser Hinsicht, daß Hr. Brunel jetzt auf eine Länge von vielen Meilen Barlow's Schienen fest zusammengenietet und gar keine
                              									Rüchsicht auf die Ausdehnung genommen habe, ohne daß sich ein Nachtheil zeigte. Es
                              									herrschten in Beziehung auf die Wirkungen der Ausdehnung irrige Ansichten; die Größe
                              									ihrer Kraft sey beschränkt, und wenn sich ihr eine größere Kraft entgegensetze, so
                              									könne keine bedeutende Ausdehnung und Zusammenziehung stattfinden. Stabeisen, um
                              									15° F. erwärmt, dehne sich um 1/10000 seiner Länge aus, und übe eine Kraft
                              									von 1 Tonne per Quadratzoll Querschnitt durch die
                              									Ausdehnung aus; es könne daher keine Ausdehnung der Schienen stattfinden, wenn für
                              									jede 15° F. Temperatur-Erhöhung ein Widerstand von 1 Tonne
                              									entgegenwirkt. Er halte es für wahrscheinlich, daß Hr. Norris in der Folge die Ausdehnung ganz unberücksichtigt lassen könne. Um
                              									die wirkliche Ausdehnung der Schienen leicht zu bestimmen, empfahl er eine Anzahl
                              									dünner graduirter Keile zur wärmsten Tageszeit zwischen die Fugen zu stecken und im
                              									kältesten Theil der Nacht die Größe der Ausdehnung von einem bedeutenden Theil der
                              									Schienen zu messen. Man werde sie wahrscheinlich sehr unbedeutend finden, indem die
                              									gewöhnlichen Stühle einer Längenbewegung der Schiene bedeutenden Widerstand
                              									entgegensetzen, weil die Keile sie in den Stühlen festhalten, die letztern aber auf
                              									den Schwellen befestigt
                              									sind und diese fest in dem Boden liegen. Der Widerstand der Barlow'schen Schienen sey etwas Anderes, denn nach dessen
                              										Oberbau-SystemPolytechn. Journal Bd. CXXVII S.
                                       											395. seyen Schiene, Stuhl und Schwelle Eins.
                           Hr. Woodhouse bemerkte, daß beim Legen der Schienen die
                              									Arbeiter zwischen den Schienenenden an den Wechseln 1/16 Zoll starke Stückchen Holz
                              									oder Eisen anbringen, um die erforderlichen Zwischenräume für die Ausdehnung zu
                              									lassen. Sie finden dann stets, daß wenn diese Stückchen am frühen Morgen eingesteckt
                              									worden sind, sie Mittags so fest sitzen, daß man sie nicht herausziehen kann, in der
                              									Kühle aber wieder ganz lose werden.
                           Hr. Norris erwähnte, daß Fälle vorgekommen seyen, wo sich
                              									die Schienen mit den Schwellen aus dem Ballast deßhalb erhoben, weil nicht
                              									hinlänglich auf die Ausdehnung Rücksicht genommen war, und auch in den Curven seyen
                              									Schienen und Schwellen durch die Wirkung der Ausdehnung gehoben worden. Der höchste
                              									Temperaturwechsel betrage in Englang 80 bis 90° F. und veranlasse folglich
                              									eine Ausdehnung von 3 Fuß per engl. Meile; dieser
                              									Zwischenraum müsse also per Meile gelassen werden, wenn
                              									nicht eine Hebung oder Seitenbiegung veranlaßt werden solle, oder es müsse ein
                              									hinreichend starker Widerstand existiren, um das Eisen zusammendrücken zu
                              									können.
                           Hr. May meinte, die Temperaturveränderungen der Schienen
                              									müßten bedeutend geringer als die der Luft seyn, da sie zum Theil unter dem Boden
                              									liegen und daher der Temperatur der Erdoberfläche folgen müssen, welche weit weniger
                              									schwankt als die der Luft.
                           Hr. Norris erklärte schließlich, daß seine Aufmerksamkeit
                              									vor etwa zwei Jahren zuerst auf diese Art von Stühlen dadurch gerichtet worden sey,
                              									daß er Vergleiche zwischen gewöhnlichen Schienen mit Querschwellen und den
                              									Brückenschienen auf Längsschwellen angestellt habe, wobei er sich überzeugte, daß
                              									bei den letzteren eine genauere Verbindung der Schienen erreicht werde, als bei den
                              									ersteren; die Brückenschienen und Längsschwellen kosten aber mehr; daher sey er auf
                              									die Idee gekommen, flüssiges Eisen in die Stühle zu gießen, um auf diese Weise eine
                              									feste Verbindung zu bewirken, und dieß habe ihn endlich zum Guß der Stühle auf der
                              									Stelle selbst, als den besten Weg zur Erreichung seines Zwecks geführt.