| Titel: | Sicherheitsanker, von Hrn. Ferdinand Martin zu Marseille. | 
| Fundstelle: | Band 131, Jahrgang 1854, Nr. XLIX., S. 183 | 
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                        XLIX.
                        Sicherheitsanker, von Hrn. Ferdinand Martin zu
                           								Marseille.
                        Aus Armengaud's Génie industriel, Octbr. 1853, S.
                              									193.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              									III.
                        Martin's Sicherheitsanker.
                        
                     
                        
                           Alle Seeleute wissen, daß die an den Küsten vorkommenden Schiffbrüche häufig durch
                              									Zerbrechen der Anker veranlaßt werden, welche den Anstrengungen nicht zu widerstehen
                              									vermochten.
                           Der gewöhnliche Anker besteht aus der Ankerruthe oder dem Schaft und aus den beiden Händen, Flügeln oder
                              										Schaufeln, welche in gleicher Ebene mit der Ruthe
                              									liegen. Um den einen Flügel so zu drehen, daß er in den Meeresboden eingreifen kann,
                              									ist der Schaft mit dem sogenannten Ankerstock, d.h. mit
                              									einem aus zwei Theilen gebildeten, durch herumgelegte eiserne Bänder
                              									zusammengehaltenen Querstück von Eichenholz versehen, welcher gewöhnlich eben so
                              									lang ist als die Ankerruthe, und der den Zweck hat, den Anker stets so zu legen, daß
                              									die eine Schaufel eingreifen kann.
                           Die auf diese Weise construirten Anker haben sehr bedeutende Mängel, welche allen
                              									Seeleuten wohl bekannt sind. So ist der Anker stets nur mit einer Schaufel
                              									befestigt, da beide nicht zu gleicher Zeit in den Ankergrund eingreifen können, und
                              									er vermag daher das Schiff nicht in allen Fällen hinreichend zu halten. Auch kommt
                              									es häufig vor, daß beim Werfen des Ankers die Kette an dem Ankerstock hängen bleibt,
                              									der alsdann wie ein Hebel wirkt, so daß der Anker eine schlechte Lage annimmt; man
                              									sagt alsdann, daß der Anker triftig sey oder schleppe, wodurch häufig Schiffe verloren gehen. Auch ist
                              									es oft sehr mühsam den Anker aus dem Meeresgrunde zu heben, wodurch häufig sehr viel
                              									Zeit verloren geht; in Häfen und auf Rheden kommt auch der Fall vor, daß der Anker von den Ketten eines
                              									anderen Schiffes bedeckt wird und dann so schwierig zu lösen ist, daß man es
                              									vorzieht, ihn mit einer Ankerboje zu verlassen.
                           Bei dem neuen Anker, welcher in Frankreich etc. patentirt ist, sind die Mängel der
                              									gewöhnlichen größtentheils vermieden; er ist in Fig. 44 von vorn, in Fig. 45 von
                              									der Seite dargestellt, und in Fig. 46 in der Lage
                              									welche er auf dem Meeresgrunde annimmt.
                           Die Ruthe A besteht aus zwei Stücken, welche sehr fest
                              									durch Bolzen mit einander verbunden sind; das Ende A',
                              									welches die Schaufeln trägt, ist gabelförmig; in der Nähe dieses gabelförmigen
                              									Theils hat die Ruthe eine Verstärkung a und auf diese
                              									folgt eine Art Kehle.
                           Am Ende A² der Ruthe wird mittelst eines Bolzens
                              										b ein ovaler Ring B
                              									befestigt, der seinerseits mit der Kette C verbunden
                              									ist.
                           Die Schaufeln D befinden sich an einem krummen Arm E, welcher durch die beiden Hälften des gabelförmigen
                              									Theils A' geht und frei um seinen Verbindungspunkt
                              									schwingen kann, bis er eine Stellung von beiläufig 45° in Beziehung zur Ruthe
                              									annimmt.
                           Zwischen den beiden Hälften der Gabel A ist ein
                              									Schlamm-Anhäufer F angebracht, welcher aus dem
                              									mittleren Theil f, aus dem Bogen g und aus den Bahnen h besteht; diese Bahnen
                              									(zwei Platten) haben den Zweck, den Sand oder den Schlamm, in welchen die
                              									Ankerschaufeln eingreifen, festzuhalten. An dem mittleren Theil ist ein massiver
                              									Ring G befestigt, welcher mit einem Tau, dem sogenannten
                              									Bojeseil H verbunden ist, welches minder stark ist als
                              									das eigentliche Ankertau C.
                           Der mittlere Theil des Bogens E, welcher die Schaufeln
                              									bildet, hat an der Stelle, wo er durch den Anhäufer geht, einen quadratischen
                              									Querschnitt, so daß letzterer, da er mit den Schaufeln fest verbunden ist, allen
                              									ihren Bewegungen folgt.
                           Dieser Sicherheitsanker functionirt folgendermaßen: das Bojeseil H, welches an dem Ringe G
                              									befestigt ist, wird längs der Ruthe gespannt, damit es nicht an den Schaufeln hängen
                              									bleibt, und ist mit dem Ringe B mittelst eines Bindseils
                              									verbunden, welches jedoch nur so lange hält, als keine Kraft auf das Bojeseil
                              									einwirkt, aber zerreißt, sobald man seitwärts an dem Seil zieht.
                           Wenn man den Anker wirft, so kann er verschiedene Lagen annehmen. Die in Fig. 46
                              									dargestellte ist die richtige, d.h. eine solche, wo die beiden Schaufeln nach unten
                              									gekehrt und bereit sind in den Ankergrund zu dringen; in diesem Fall greift der
                              									Anker doppelt und bietet daher einen ungeheuren Widerstand dar. Wenn der Anker auf
                              									diese Weise fällt, so
                              									hat der Bogen des Schlamm-Anhäufers nichts weiter zu thun, als das Greifen
                              									der Schaufeln zu veranlassen.
                           Wenn der Anker so fällt, daß die Schaufeln in die Höhe gerichtet sind, so ist der
                              									Bogen des Schlamm-Anhäufers umgekehrt und ruht auf dem Boden, gegen welchen
                              									sich eine von den Bahnen wie auf einen festen Punkt stützt, indem sie den Schlamm
                              									anhäuft. Zieht man nun an dem Bojeseil, welches auf die Mitte von f einwirkt, so verhält sich letzteres wie ein Hebel,
                              									kippt und dreht folglich die Schaufeln nach unten, so daß sie unvermeidlich die in
                              										Fig. 46
                              									dargestellte richtige Stellung annehmen.
                           Fällt der Anker mit seinen Schaufeln auf die Seite, so wird sich eine von den Bahnen
                              									des Schlamm-Anhäufers, in Folge des Gleichgewichts des ganzen Ankers, stets
                              									auf den Boden stützen, und in Folge der Bewegung, welche durch ein Ziehen an dem
                              									Bojeseil entsteht, wird man zu demselben Resultat gelangen wie vorher, indem der
                              									Anker die Stellung in Fig. 46 einnehmen
                              									muß.
                           Man sieht daher, daß, welche Lage auch der Anker beim Fallen annimmt, seine beiden
                              									Schaufeln unfehlbar in den Grund eingreifen müssen. Das Wesentliche der Verbesserung
                              									des Hrn. Martin besteht darin, den Punkt gefunden zu
                              									haben, um welchen sich der Kreisbogen, woran die beiden Schaufeln angebracht sind,
                              									drehen muß; er ermittelte, daß der Arm, an welchem die Schaufeln befestigt sind,
                              									genau die Lage vom Centrum des Bogens einnehmen muß, an welchem die Bahnen
                              									angebracht sind.
                           Die Einrichtung dieses Ankers gestattet ein leichtes und sicheres Lichten. Der
                              									einfachste und gewöhnlichste Fall ist der, wo das Schiff sich senkrecht über seinem
                              									Anker gestellt hat und das Aufziehen der Ankerkette C
                              									also hinreicht, um die Schaufeln los zu machen. Nun kann es aber vorkommen, daß die
                              									Schaufeln in Felsspalten oder überhaupt zu fest in den Ankergrund eingegriffen haben
                              									und durch das Aufwinden des Ankertaues der Anker nicht gehoben werden kann; alsdann
                              									bedient man sich des Bojeseils H, welches, indem es
                              									gespannt wird, das Bindeseil zerreißt, wodurch es an dem Ringe B gehalten wurde, und alsdann direct auf den Ring G wirkt; man läßt alsdann das Ankertau C nach, die Ruthe A legt
                              									sich auf den Grund und der auf den Ring G und folglich
                              									direct auf die Schaufeln ausgeübte Zug macht dieselben leicht frei, indem er sie in
                              									senkrechte Lage bringt.
                           Hr. Martin hat auch den Fall berücksichtigt, wo das
                              									Bojeseil zerreißt. Alsdann wirft man eine Schlinge über das Ankertau, wenn das
                              									Schiff direct über dem Anker steht; die Schlinge gleitet über der Ruthe hin, bis sie
                              									über die Verstärkung a hinausging; man spannt darauf das
                              										Seil worauf sie
                              									befestigt ist, die Schlinge fängt sich in der Kehle unter der Verstärkung, und man
                              									läßt das Ankertau fahren; die Ruthe des Ankers legt sich auf den Grund, man zieht
                              									nun das Seil der Schlinge und der Anker wird in der Nähe der Schaufeln, welche sich
                              									leicht frei machen, gehoben.
                           Die Hauptvortheile des Martin'schen Ankers sind also
                              									folgende:
                           1) größere Sicherheit beim Ankern, indem jedesmal zwei Schaufeln greifen, daher man
                              									auch nicht mehr genöthigt ist, bei stürmischem Wetter Kattanker zu werfen,
                              									bekanntlich eine sehr langwierige Arbeit, wodurch die Schiffe oft großen Gefahren
                              									ausgesetzt werden;
                           2) Sicherheit des Ankergrundes auch bei Untiefen, weil man bei diesem Anker nicht der
                              									Gefahr ausgesetzt ist, daß er schleppt und das Schiff alsdann scheitert;
                           3) weit leichteres Lichten des Ankers bei jedem Ankergrunde;
                           4) die Unmöglichkeit, daß das Ankertau hängen bleibt, da es keinen Ankerstock
                              									hat;
                           5) es läßt sich dieser Anker sehr bequem platt an Bord aufbewahren, wodurch häufig
                              									Unfälle vermieden werden können;
                           6) man kann sich dieses Ankers sehr sicher und sehr vortheilhaft für todte Körper
                              									bedienen.
                           Ueber den Martin'schen Anker sind sehr vortheilhafte
                              									Berichte von vielen Schiffcapitäns an das Marineministerium eingegangen, und es ist
                              									nicht zu zweifeln, daß er in der Folge allgemeine Anwendung finden wird.
                           (Die Anfertigung des Martin'schen Ankers bietet insofern
                              									geringere Schwierigkeiten dar, als das Anschweißen der Schaufeln an die Ruthe,
                              									welches besonders bei großen Ankern eine sehr schwierige Arbeit ist, wegfällt. Die
                              									größere Sorgfalt welche das Schmieden voraussetzt, ist bei der gegenwärtigen
                              									Verbreitung der Dampfhämmer auch nicht von großem Belang. H.)
                           
                        
                     
                  
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