| Titel: | Ueber das für die Truppen der europäischen Staaten bestimmte Commißbrod und die chemische Zusammensetzung der Kleie; von Professor Poggiale in Paris. | 
| Fundstelle: | Band 131, Jahrgang 1854, Nr. LXXX., S. 287 | 
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                        LXXX.
                        Ueber das für die Truppen der europäischen
                           								Staaten bestimmte Commißbrod und die chemische Zusammensetzung der Kleie; von Professor
                           									Poggiale in Paris.Wegen der Wichtigkeit des Gegenstandes lassen wir dem im polytechn. Journal Bd. CXXIX S. 376 mitgetheilten kurzen
                                 										Auszug dieser Abhandlung den ausführlicheren Bericht nachfolgen.A. d. Red.
                           							
                        Aus dem Journal de Chimie médicale, Sept. 1853, S.
                              									529.
                        Poggiale, über das für die Truppen der europäischen Staaten
                           								bestimmte Commißbrod.
                        
                     
                        
                           Gegen Ende des Jahres 1850 wurde eine Commission, deren Mitglied der Verfasser war,
                              									mit der Untersuchung des Commißbrodes beauftragt, und war daher veranlaßt, Versuche
                              									über die Brodbildung anzustellen und sowohl das für die Truppen der verschiedenen
                              									europäischen Staaten bestimmte Commißbrod, als das Brod der Civilversorgungshäuser
                              									von Paris, das Commißmehl und die käuflichen Mehlsorten zu analysiren. Die Resultate
                              									dieser, seit zwei Jahren fortgesetzten und ergänzten Untersuchungen bilden den
                              									Gegenstand dieser Abhandlung.
                           Die ziemlich schwierige Analyse des Brodes wurde mit aller Sorgfalt auf folgende
                              									Weise ausgeführt.
                           Das Gewicht der anorganischen Bestandtheile wurde durch Verbrennen einer Quantität
                              									Brod im Platintiegel und Abwägen des Rückstandes bestimmt, welcher gewöhnlich aus
                              									kohlensaurem Kalk, kohlensaurer Talkerde, schwefelsaurem Kalk, kohlensaurem Kali,
                              									Kieselerde, Eisenoxyd, Thonerde und Chloriden bestand.
                           Die Menge des Wassers wurde durch Austrocknen von 50 Grammen Brod in einem auf
                              									120° C. (96° R.) erhitzten Luftstrom bestimmt; das Austrocknen wurde
                              									so lange fortgesetzt, bis der Rückstand ein constantes Gewicht zeigte. Das Gewicht
                              									der Fettsubstanzen wurde durch Behandlung des völlig ausgetrockneten Brods im
                              									Verdrängungsapparat mit rectificirtem Aether ermittelt.
                           Um das Mengenverhältniß des Klebers oder der stickstoffhaltigen Substanz zu
                              									bestimmen, digerirte man das im Wasserbad bei 60° C. (48° R.)
                              									ausgetrocknete Brod mit Diastas, bis alles Stärkmehl zerstört war; der Kleber wurde
                              									dann auf einem Tuche gesammelt und nach mehrmaligem Auswaschen getrocknet. Man
                              									erhielt so eine in Wasser unlösliche, etwas elastische, durchscheinende, spröde, in
                              									Aetzkali und in Salpetersäure lösliche Substanz. Der Kleber vom Weizenbrod hatte
                              									eine graulichweiße Farbe, während derjenige von Roggen- und Mangkornbrod eine
                              									braune Farbe und einen eigenthümlichen Geruch hatte. Manchmal wurde der Kleber vom
                              									Fibrin und dem Pflanzenalbumin mittelst Essigsäure getrennt; da diese Trennung aber
                              									kein praktisches Interesse darbot, so wurde sie nicht bei allen Analysen
                              									vorgenommen. Bei vielen Versuchen wurde das Mengenverhältniß der stickstoffhaltigen
                              									Substanzen nach ihrem Stickstoffgehalt berechnet.
                           Das Stärkmehl wurde im Zustand von Zucker mittelst weinsteinsauren Kupferoxydkalis
                              									bestimmt.
                           Bei einem andern Versuche bestimmte Hr. Poggiale die Menge
                              									des Traubenzuckers und des Dextrins dadurch, daß er das in Pulver verwandelte Brod
                              									in Wasser maceriren ließ; die so erhaltene Flüssigkeit enthielt nur Spuren von
                              									Albumin. Die Menge des Zuckers wurde durch weinsteinsaures Kupferoxydkali bestimmt.
                              									Die Kleie wurde auf einem dichten Sieb gesammelt.
                           
                           Nach dem beschriebenen Verfahren wurden Proben des Commißbrodes von Belgien, den
                              									Niederlanden, Baden, Piemont, Preußen, Frankfurt a. M., Bayern, Württemberg,
                              									Spanien, Oesterreich und von Paris analysirt.
                           Wenn man die Resultate dieser Analysen vergleicht, so beträgt der größte Gehalt an
                              									stickstoffhaltigen Substanzen (Kleber und Eiweißstoff) 8,95 Procent, und der
                              									geringste 4,85. Das französische Brod enthält am meisten Kleber und das preußische
                              									am wenigsten. Das französische Brod übertrifft überdieß die andern im schönen
                              									Aussehen, im Geschmack und der Farbe. Da die zur Analyse verwendeten ausländischen
                              									Brode schon seit langer Zeit gebacken und daher großentheils ausgetrocknet waren, so
                              									berechnete Hr. Poggiale später die Nahrhaftigkeit dieser
                              									verschiedenen Brode mittelst ihres Stickstoffgehalts.
                           Bei mehreren Versuchen wurde das, vorher bei 120° C. (96° R.)
                              									getrocknete Brod in einer Röhre verbrannt und die Verbrennungsproducte in einer
                              									graduirten Glocke gesammelt, welche concentrirte Aetzkalilösung enthielt, um die
                              									Kohlensäure vom Stickstoff zu trennen. Statt einer Glasröhre benutzte der Verfasser
                              									eine lange kupferne Röhre, welche die Operation bequemer und sicherer macht. In die
                              									Röhre wurde eine hinreichende Menge doppelt-kohlensauren Natrons gebracht, um
                              									die im Apparat enthaltene Luft mitzureißen, und nach beendigter Verbrennung allen
                              									Stickstoff in die Glocke zu ziehen. Das Volum des Stickstoffs, auf 0°
                              									Temperatur und 760 Millimeter Luftdruck reducirt, gestattete sein Gewicht zu
                              									bestimmen.
                           Folgende Tabelle enthält das Resultat dieser Analysen; das Commißbrod der
                              									verschiedenen europäischen Staaten ist darin nach seinem Gehalt an
                              									stickstoffhaltigen Substanzen und an Stickstoff classificirt.
                           
                              
                                 
                                 100 Th. bei 96° R.  
                                    											ausgetrokneten  Brides
                                    											enthalten    an Stickstoff
                                 Stickstoffhaltige  Substanzen,  
                                    											berechnet
                                 
                              
                                 Commißbrod von Paris
                                           2,26
                                      14,69
                                 
                              
                                           „           
                                    											„   Baden
                                           2,24
                                      14,56
                                 
                              
                                           „             „  
                                    											Piemont
                                           2,19
                                      14,23
                                 
                              
                                           „             „  
                                    											Belgien
                                           2,08
                                      13,52
                                 
                              
                                           „             „  
                                    											Holland
                                           2,07
                                      13,45
                                 
                              
                                           „             „  
                                    											Württemberg
                                           2,06
                                      13,39
                                 
                              
                                           „             „  
                                    											Oesterreich
                                           1,58
                                      10,27
                                 
                              
                                           „             „  
                                    											Spanien
                                           1,57
                                      10,20
                                 
                              
                                           „             „  
                                    											Frankfurt a. M.
                                           1,44
                                       
                                    											9,36
                                 
                              
                                           „             „  
                                    											Bayern
                                           1,32
                                       
                                    											8,73
                                 
                              
                                           „             „  
                                    											Preußen
                                          
                                    											1,12
                                       
                                    											7,28
                                 
                              
                           
                           Das Mengenverhältniß der stickstoffhaltigen Substanz wurde berechnet, indem man das
                              									Gewicht des gefundenen Stickstoffs mit 6,5 multiplicirte.
                           Wie man sieht, hat Hr. Poggiale bei seinen Analysen
                              									hauptsächlich das Mengenverhältniß des Klebers und des Stickstoffs bestimmt; es wird
                              									nämlich heutzutage von den Chemikern und Physiologen angenommen, daß dem Gehalt an
                              									stickstoffhaltiger Substanz die Nahrhaftigkeit des Brods und des Mehls entspreche.
                              									Indessen muß man beim Brod auch die Art seiner Bereitung berücksichtigen; gewiß ist,
                              									daß die kleberreichsten Mehle zur Nahrung des Menschen die geeignetsten sind. Der
                              									Unterschied zwischen den Mehlen aus Weizen, Roggen, Hafer etc. erklärt sich durch
                              									das Mengenverhältniß, vielleicht auch durch die Natur des Klebers, der in seiner
                              									Zusammensetzung und in dem Verhältniß seiner Elemente bedeutende Verschiedenheiten
                              									darbietet.
                           Nach obigen Versuchen war es von Interesse, das Verhältniß des Klebers und
                              									Stickstoffs im Brod erster und zweiter Qualität der Civilbäckerei und der Pariser
                              									Versorgungshäuser, sowie in den käuflichen Mehlsorten zu ermitteln. Aus der von Hrn.
                              										Poggiale deßhalb angestellten zweiten Reihe von
                              									Versuchen geht hervor, daß das Commißbrod und Commißmehl an stickstoffhaltigen
                              									Substanzen weniger enthält, als das Brod und Mehl erster Qualität, hingegen mehr als
                              									das Brod und Mehl zweiter Qualität. Dieselben Resultate hatte übrigens Hr. Payen mit den Mehlen allein erhalten und daraus
                              									geschlossen, daß das Commißmehl nahrhafter sey, als die Mehle zweiter Qualität. In
                              									der That enthalten letztere nicht, wie das Commißmehl, alle Bestandtheile des
                              									Getreides, denn sie sind die geringeren Sorten welche man nach Absonderung der
                              									Grütze und des feinsten Mehls erhält. Diese, auf unbestreitbaren chemischen Analysen
                              									beruhende Ansicht, theilen auch erfahrene Bäcker. Wir müssen jedoch beifügen, daß
                              									das Commißbrod eine kleine Menge stickstoffhaltiger Substanz enthält, welche nach
                              									den Versuchen des Verfassers nicht assimilirbar ist.
                           Mehrere Commissionen überzeugten sich, daß das mit Commißmehl bereitete Brod
                              									nahrhafter ist, als das Brod zweiter Qualität der Civilbäckerei. Die Gegner des
                              									Commißbrodes werfen ihm mit Unrecht vor, daß es minder nahrhaft sey als das Weißbrod
                              									zweiter Qualität. Diese irrige Ansicht wurde besonders von der im Jahr 1850
                              									ernannten Commission unterstützt.
                           Chemische Zusammensetzung der Kleie. – Schon seit
                              									mehreren Jahren haben sich die Chemiker und Praktiker viel mit der Zusammensetzung, dem
                              									Nahrungswerth der Kleie und mit der Rolle beschäftigt, welche sie bei der
                              									Brodbildung spielt. Bekanntlich wird dieses Product von den einen als eine besonders
                              									nahrhafte Substanz betrachtet, weil es mehr Kleber enthält als der Weizen, von den
                              									andern hingegen als ein schädlicher Bestandtheil des Brods. Von den letztern wird
                              									der Kleie hauptsächlich vorgeworfen, daß sie ein beträchtliches Verhältniß von
                              									Wasser verschluckt und zurückhält, daß sie sehr starke Sauerteige erheischt, daß sie
                              									dem Brod eine braune Farbe und einen sauren Geschmack ertheilt, daß sie dessen
                              									Conservirung verhindert, die Bildung der Keimkörner verschiedener Pilzarten
                              									begünstigt, endlich für die Ernährung des Menschen ohne Nutzen ist.
                           Hr. Poggiale unternahm es, diese Widersprüche durch
                              									Versuche aufzuhellen.
                           Ist der Kleber- und Stärkmehlgehalt der Kleie so groß, wie in der neuesten
                              									Zeit angenommen wurde? Darf man alles als Nahrungsstoff betrachten, was durch die
                              									Säuren, die Alkalien und die Auflösungsmittel, welche man zur Darstellung der reinen
                              									Cellulose anwendet, der Kleie entzogen wird? Kann man alle im Mehl enthaltene Kleie
                              									ohne Anstand im Brod lassen? Dieß waren die Fragen, welche der Verfasser studiren
                              									mußte, um die verlangten Aufschlüsse liefern zu können.
                           Die Analyse der Kleie von dem zu 15 Proc. gebeutelten Commißmehl ergab folgende
                              									Resultate:
                           
                              
                                 Wasser
                                   12,65
                                 
                              
                                 in kochendem Wasser auflösliche
                                    											Substanzen
                                   30,82
                                 
                              
                                 in mit ihrem 20fachen Gewicht Wasser
                                    											verdünnter   Salzsäure lösliche Substanzen
                                   34,37
                                 
                              
                                 in Aetzkalilösung von 10 Proc. Kaligehalt
                                    											lösliche   Substanzen
                                   12,74
                                 
                              
                                 unlösliche Cellulose
                                     9,42
                                 
                              
                                 
                                 –––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           Als man die Kleie mehrmals mit den Säuren und den Alkalien behandelte, betrug die
                              									widerstehende Cellulose nur 5,73 statt 9,42 Proc., und bei Anwendung concentrirter
                              									Lösungen betrug der Rückstand nur noch 4,53; dann schien aber die Cellulose
                              									angegriffen zu seyn.
                           Da die Kleie nach Einwirkung dieser Auflösungsmittel nur 5,73 Procent Cellulose
                              									zurückläßt, so nimmt man an, daß sie sehr reich an nahrhaften und brodbildenden
                              									Substanzen ist, und daß die aufgelösten Stoffe ihren Gehalt an nahrhafter Substanz
                              									repräsentiren.
                           Diese Folgerung, sagt der Verfasser, scheint mir nicht gegründet zu seyn, weil die
                              									wenig zusammenhängende Cellulose, wie diejenige im Innern des Korns, wie ich mich
                              									überzeugt habe, von den Alkalien und den Säuren aufgelöst wird, und, wenn ihre Organisation noch
                              									nicht vorgeschritten ist, sogar das Wasser sie zertheilt. Ueberdieß enthält der
                              									Holzstoff der Kleie noch andere, nicht nahrhafte Substanzen, z.B. Farbstoffe,
                              									extractive, harzige, schleimige Substanzen etc., welche aber beim Abscheiden der
                              									Cellulose aufgelöst werden.
                           Der Verfasser kann in Folge seiner Untersuchungen behaupten, daß das Verhältniß der
                              									nicht assimilirbaren Stoffe in der Kleie ein sehr bedeutendes ist.
                           20 Gramme Kleie von dem zu 15 Procent gebeutelten Commißmehl wurden in einen
                              									Glaskolben von 2 Liter Inhalt gebracht, 1000 Gramme Wasser zugesetzt und die
                              									Mischung einige Minuten lang gekocht. Nach ihrem Erkalten wurde 1 Gramm Diastas
                              									zugesetzt und bei einer Temperatur von 60° C. (48° R.) damit in
                              									Berührung gelassen, bis die Flüssigkeit von einer wässerigen Jodlösung nicht mehr
                              									blau oder violett gefärbt wurde. Der Rückstand zeigte unter dem Mikroskop nur noch
                              									Zellen, theils weiße, theils mehr oder weniger braune, und eine ziemliche Anzahl
                              									fettichter, runder, durchscheinender Kügelchen mit dunkelm Rande, von verschiedener
                              									Größe, welche in Aether löslich sind. Die Stärkmehlkörnchen waren vollständig
                              									verschwunden.
                           20 Gramme Kleie gaben bei dieser Behandlung mit Diastas folgende Resultate:
                           
                              
                                 Wasser
                                   2,55
                                 
                              
                                 Traubenzucker
                                   6,26
                                 
                              
                                 unlöslicher
                                    											Rückstand    
                                 11,19
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 20,00
                                 
                              
                           Die Quantität Traubenzucker, welche durch diese Behandlung mit Diastas erhalten wird,
                              									gibt genau das Verhältniß von Dextrin, sowie den in der Kleie enthaltenen
                              									Traubenzucker. Der Rückstand besteht offenbar aus Holzstoff, Fettsubstanz und
                              									Salzen, deren Gewicht durch directe Versuche bestimmt wurde. Man findet, daß die
                              									Kleie ungefähr 35 Procent Holzstoff enthält.
                           Die stickstoffhaltige Substanz in derselben Kleie wurde quantitativ bestimmt und drei
                              									Analysen gaben durchschnittlich:
                           
                              
                                 Stickstoff
                                   2,062 in 100 Kleie
                                 
                              
                                 stickstoffhaltige
                                    											Substanz    
                                 13,403      –
                                 
                              
                           Es wird aber nicht aller Stickstoff von einer assimilirbaren stickstoffhaltigen
                              									Substanz geliefert, wie folgende Versuche beweisen:
                           A. Ein Hund wurde während mehrerer Tage mit einem
                              									Gemenge von Fleischbrühe und Kleie gefüttert; die gesammelten Excremente bestunden
                              										fast gänzlich aus
                              									Kleie, welche durch Auswaschen derselben auf einem Seidensieb leicht abgesondert
                              									werden konnte, worauf man dieselbe nacheinander mit Wasser, Alkohol und Aether
                              									auskochte, damit sie keine fremdartige Substanz zurückhielt, und sie zuletzt bei
                              									120° C. (96° R.) austrocknete.
                           Diese Kleie gab bei der Analyse:
                           
                              
                                 Stickstoff
                                 1,123 Procent
                                 
                              
                                 stickstoffhaltige
                                    											Substanzen    
                                 7,299    –
                                 
                              
                           B. Bei einem andern Versuche wurde Kleie analysirt,
                              									welche nacheinander zweien Hunden gegeben worden war, und die bei der Analyse
                              									erhaltenen Zahlen waren ganz identisch.
                           C. Dieselbe Kleie, welche schon durch die Verdauungswege
                              									zweier Hunde gegangen war, wurde einem Huhn gegeben, und der Stickstoffgehalt blieb
                              									unverändert.
                           Diese Versuche sind entscheidend und beweisen, daß die Kleie eine nicht assimilirbare
                              									stickstoffhaltige Substanz enthält, deren Mengenverhältniß 3,516 Proc. erreicht, und
                              									eine assimilirbare stickstoffhaltige Substanz, deren Gewicht 9,877 Proc.
                              									beträgt.
                           Dieses Resultat kann nicht befremden. Wenn nämlich der Nahrungswerth im allgemeinen
                              									mit dem Mengenverhältniß der in den Nahrungsmitteln enthaltenen stickstoffhaltigen
                              									Substanzen zunimmt, so muß man doch auch zugeben, daß nicht alle stickstoffhaltigen
                              									Substanzen als den Menschen nährend betrachtet werden können. So enthalten nach den
                              									Versuchen von Payen und Boussingault das Stroh des Weizens, des Roggens, der Gerste, des Hafers,
                              									der Erbsen, die Weizenbälge, das Holz etc. von 2 bis 17 Proc. Stickstoff, und doch
                              									hat noch niemand behauptet, daß diese Stoffe für den Menschen und für alle Thiere
                              									nahrhaft seyen. Sie widerstehen, wie der Holzstoff der Kleie, der Wirkung der
                              									Verdauungsorgane gewisser Thierspecies.
                           D. Wenn man die stärkmehlhaltigen Substanzen der Kleie
                              									mittelst Diastas abtrennt und den Rückstand nach dem Auswaschen mit verdünnter
                              									Salzsäure behandelt, so findet man daß 100 Theile Kleie durch ein lange genug
                              									dauerndes Kochen 59,563 Traubenzucker geben. Dieser Zucker kann aber nur durch die
                              									Umwandlung der Celluse mittelst Salzsäure entstanden seyn.
                           Es gelang dem Verfasser sogar, indem er immer concentrirteconcentrirtere saure Flüssigkeiten nacheinander anwandte, zuerst das Dextrin und das
                              									Stärkmehl ziemlich genau abzuscheiden und dann mit der in der Kleie enthaltenen
                              									Cellulose, welche allein Zucker geben kann, Traubenzucker zu bilden. Dagegen wird, wenn man 25 Gramme
                              									Kleie mit einer Mischung von 200 Grammen Wasser und 7 Grammen rauchender Salzsäure
                              									einige Minuten lang kochen läßt, die Cellulose kaum angegriffen, während das
                              									Stärkmehl und der Zucker in Traubenzucker umgewandelt werden.
                           E. Kleie, welche vorher die Verdauungsorgane von Hunden
                              									und Hühnern passirt hatte, ließ man einige Minuten lang mit destillirtem Wasser
                              									kochen, dem auf 15 Theile 1 Theil rauchender Salzsäure zugesetzt war; der Rückstand
                              									wurde ausgewaschen und der in der filtrirten Flüssigkeit enthaltene Traubenzucker
                              									durch weinsteinsaures Kupferoxydkali quantitativ bestimmt. 100 Theile dieser Kleie
                              									verloren 40,501 an Gewicht und lieferten 21,258 Traubenzucker.
                           Der Rückstand dieser Operation wurde mit Aetzkalilösung von 10 Procent Gehalt in der
                              									Wärme behandelt, und verlor dadurch 37,552 Procent an seinem Gewicht.
                           Nach diesen beiden Behandlungen erhielt man auf dem Filter eine gelblichweiße
                              									Substanz, die sich durch Aetzkali und durch Salzsäure noch färbte und welche 21,947
                              									Proc. betrug.
                           Aus diesem Versuch geht hervor, daß die nicht verdaute Kleie
                                 										noch 80 Procent nahrhafter Substanz enthalten
                                 										müßte, wenn man annehmen wollte daß die von den verdünnten Säuren und
                              									Alkalien aufgelösten Substanzen assimilirbar sind.
                           F. Einem Hunde wurde während vier Tagen ein Gemisch von
                              									Fleischbrühe und 56 Grammen Kleie gegeben, die ausgetrocknet und mittelst Diastas
                              									von stärkmehlartigen Substanzen befreit war; die Excremente wurden sorgfältig
                              									gesammelt und die Kleie durch wiederholtes Auswaschen auf einem Seidensiebe von
                              									einigen sie begleitenden Substanzen getrennt. Der Rückstand, hernach bei 120°
                              									C. (96° R.) getrocknet, wog 42,053; er hatte sonach durch den Verdauungsact
                              									nur ungefähr 13 Gramme verloren, welche aus Kleber und Fettsubstanz bestunden, und
                              									enthielt noch Stickstoff.
                           Dieser Versuch, mit 100 Grammen gewöhnlicher Kleie wiederholt, gab nahezu dieselben
                              									Resultate.
                           G. Man behandelte 10 Gramme, vorher durch die
                              									Verdauungswege gegangener Kleie, mit 15 Gr. concentrirter Schwefelsäure, welche, um
                              									Erhitzung zu vermeiden, in kleinen Portionen zugesetzt wurde. Nach Verlauf von 48
                              									Stunden setzte man dann viel Wasser zu und ließ das Gemisch mehrere Stunden kochen.
                              									Nachdem die saure Flüssigkeit mit Kreide gesättigt worden war, filtrirte man, und
                              									mittelst weinsteinsauren Kupferoxydkali's und des Saccharimeters fand man 4,15
                              									Traubenzucker. Ein
                              									ähnlicher Versuch, mit reiner Cellulose angestellt, gab 4,17 Traubenzucker für 10
                              									Gr. Cellulose.
                           H. Endlich hat der Verf. noch folgende physiologische
                              									Untersuchungen angestellt.
                           Er fütterte zwei Hunde, den einen mit einem Gemenge von Fleischbrühe und Weißbrod
                              									erster Qualität; den andern mit einem Gemenge von Fleischbrühe und Kleie. Die Menge
                              									der Fleischbrühe war genau dieselbe; hinsichtlich des Brods und der Kleie mußte aber
                              									deren Wassergehalt berücksichtigt werden. (Für 138 Theile Brod, welches 38 Procent
                              									Wasser enthält, gab man 125 Theile Kleie.) Der mit dem Kleienbrei gefütterte Hund,
                              									welcher 5 Kilogr. und 250 Gr. wog, verlor innerhalb acht Tagen 870 Gramme und war so
                              									geschwächt, daß dieser Versuch nicht ohne Gefahr hätte fortgesetzt werden
                              									können.
                           Der andere Hund wog 5 Kil. und 240 Gr., und nahm in derselben Zeit um 320 Gramme an
                              									Gewicht ab. Diese Gewichtabnahme wurde aber nicht durch die Art, sondern durch die
                              									Unzulänglichkeit des Futters veranlaßt; denn dieser Hund fraß mit Widerwillen das
                              									ihm gereichte Aequivalent von Fleischbrühe und Kleie.
                           Als hierauf dem anfangs mit Brod gefütterten Hund Fleischbrühe und Kleie gegeben
                              									wurde, war das Resultat dasselbe.
                           Bei einem dritten Versuch wurde einem Hunde beliebig Kleie und Fleischbrühe, einem
                              									andern Hunde Brod und Fleischbrühe ebenfalls in beliebiger Menge gegeben. Die
                              									Fleischbrühe betrug für beide gleich viel. Der erste Hund, welcher 5 Kil. und 360
                              									Gr. wog, verlor in acht Tagen 455 Gr.; der andere, welcher 4 Kil. und 975 Gr. wog,
                              									nahm um 210 Gr. zu.
                           Dieselben Versuche wurden mit Hühnern wiederholt und die Resultate waren gleich; die
                              									mit Kleie gefütterten verloren constant an Gewicht.
                           Aus diesen Thatsachen erhellt, daß die Kleie viel von Cellulose und nicht
                              									assimilirbaren Substanzen enthält.
                           Es muß sonach zur Bestimmung des in der Kleie enthaltenen Antheils nahrhaften
                              									Substanz ein anderer Weg eingeschlagen werden.
                           Der Verf. schritt daher zu einer neuen Analyse, aus welcher hervorgeht, daß die Kleie
                              									44 Proc. assimilirbare Stoffe enthält und 56 Proc. Substanzen welche nicht zur
                              									Ernährung dienen können.
                           Dieses große Verhältniß von Substanzen welche der Wirkung der Verdauungsorgane
                              									widerstehen, rechtfertigt also die Ausscheidung der Kleie aus dem Mehle und den
                              									Verlust beim Beuteln des Mehls. Ueberdieß läßt sich nicht läugnen, daß das mit rohem
                              									Mehl bereitete Brod im Allgemeinen braun, schlecht gegangen, von nicht sehr
                              									appetitlichem Aussehen, saurem Geschmack und oft schwer verdaulich ist. Geschickte Bäcker haben
                              									beobachtet, daß das Mehl von rohem Weizen mehr Wasser verschluckt und mehr Brod
                              									liefert als das weiße Mehl. Man hat andererseits beobachtet, daß die Kleie 1,240
                              									ihres Gewichts Wasser absorbirt und das Kleienmehl nur 0,998.
                           Das zu 15 Proc. (d.h. mit Absonderung von 15 Proc. Kleie) gebeutelte Weizenmehl gibt
                              									ein sehr gutes und nahrhaftes Commißbrod. Die darin zurückgelassene Kleie ist
                              									vielleicht nützlich, insofern sie die assimilirbaren Stoffe länger in den
                              									Verdauungsorganen zurückhält. Nach der Annahme vieler Physiologen steigt nämlich die
                              									Nahrhaftigkeit nicht in geradem Verhältniß mit dem Gehalt der Nahrungsmittel an
                              									assimilirbaren Bestandtheilen, und die nährenden Stoffe müssen, um gut verdaut zu
                              									werden, mit solchen die einen größern Widerstand leisten, gemengt seyn. Dieses wäre
                              									die Rolle der Kleie, wenn sie in geeignetem Verhältniß im Commißbrod enthalten ist.
                              									Mit einem zu leichten, die Verdauungswege zu leicht passirenden Brode würden
                              									kräftige junge Leute der angestrengten Mannschaft nicht so gut genährt werden, wie
                              									mit dem Commißbrod. Doch wünscht Hr. Poggiale eine noch
                              									weitere Verminderung des Kleiengehalts.
                           Einige Praktiker haben vorgeschlagen, das Getreide zu mahlen, die Kleie abzusondern,
                              									letztere wieder zu mahlen und dann das Mehl auf den vorschriftsmäßigen Gehalt zu
                              									beuteln; sie behaupten, daß man durch dieses Mittel sehr schönes Brod erhalte. Seit
                              									einigen Jahren ließ die Kriegsverwaltung zahlreiche Versuche anstellen, um zu
                              									ermitteln ob es von Nutzen sey, die Kleie ein zweitesmal zu mahlen; dabei ergab
                              									sich, daß das Commißbrod welches mit Mehl bereitet ist, wovon ein Theil noch einmal
                              									gemahlen wurde und worin die Kleie mehr zertheilt ist, eine grauere Farbe hat, als
                              									das auf gewöhnliche Art bereitete Commißbrod. Der Vorschlag, die Kleie noch einmal
                              									zu mahlen, was überdieß kostspielig wäre, wurde auch von der Commission einstimmig
                              									verworfen.
                           Die gänzliche Absonderung der nahrhaften Substanz von der Kleie, ohne zu große
                              									Kosten, ist also ein noch zu lösendes Problem, und wohl nur auf mechanischem Wege
                              									durch Verbesserung der Mahlvorrichtungen zu erreichen.