| Titel: | Die chemischen Bestandtheile der Kleie, nach Mouriès. | 
| Fundstelle: | Band 131, Jahrgang 1854, Nr. LXXXII., S. 302 | 
| Download: | XML | 
                     
                        LXXXII.
                        Die chemischen Bestandtheile der Kleie, nach
                           									Mouriès.
                        Aus dem württembergischen Wochenblatt für
                                 								Land- und Forstwissenschaft, 1854, Nr. 6.
                        Mouriès, über die chemischen Bestandtheile der
                           								Kleie.
                        
                     
                        
                           Es ist längst bekannt, daß die Kleie unserer Brodfrüchte Stärkmehl,
                              									Stickstoffverbindungen und das holzartige Oberhäutchen des Getreidekorns enthält,
                              									welches letztere man gewöhnlich als Holzfaser ansieht. Nach Versuchen von Magendie bleiben Hunde, wenn sie nur mit Brod aus
                              									ungebeuteltem Mehl gefüttert werden, vollkommen gesund, während sie mit Weißbrod aus
                              									gebeuteltem Mehl gefüttert nach einiger Zeit aus Mangel an vollständiger Ernährung
                              									sterben. Hiernach muß also ein besonderer eigenthümlicher Nahrungsstoff in der Kleie
                              									enthalten seyn, der in dem gebeutelten Mehl, also auch in dem daraus bereiteten
                              									Brod, fehlt. Dieser Stoff ist nach Mouriès
                              									Comptes rendus, November 1853, Nr. 21. mit mehreren anderen Stickstoffverbindungen gemengt auf der inneren
                              									Oberfläche des Oberhäutchens enthalten, er löst sich leicht in warmem Wasser und die
                              									wässerige Lösung hat, wie das im Malz enthaltene Diastas, die Fähigkeit, Stärkmehl
                              									löslich und also verdaulich zu machen.
                           Versetzt man 16 Theile Stärkekleister (aus 1 Theil Stärke und 15 Theilen Wasser
                              									bestehend) mit 16 Theilen Wasser, welches mit 3 Theilen Kleie vorher digerirt ist, so
                              									wird der Kleister bei einer Temperatur von 30 bis 32° R. (Körperwärme) schon
                              									in 10 bis 20 Minuten dünnflüssig und in 2 Stunden lösen sich mehr als 5/6 des
                              									Stärkmehls. Dieselbe lösende und verdauende Wirkung zeigt nun auch die im Kleienbrod
                              									enthaltene Kleie auf das Stärkmehl des Brodes.
                           Nimmt man etwa 1/2 Pfd. Kleienbrod (9 Loth trockenes Brod enthaltend), rührt es mit 1
                              									Pfd. 4 Loth Wasser zusammen und läßt es 3 Stunden bei 32° R. stehen, so hat
                              									das Gemenge ein milchiges Ansehen und ist dünnflüssig. Es enthält jetzt 46 bis 47
                              									Proc. löslicher und 53 bis 54 Proc. unlöslicher Stoffe. Wird feines weißes Brod in
                              									ähnlicher Weise 3 Stunden bei 32° R. digerirt, so bleibt die Masse sehr
                              									dickflüssig und von den Brodtheilen sind nur 7 Proc. gelöst und 93 Proc. bleiben
                              									ungelöst. Die lösende Einwirkung des Kleienbestandtheils auf das Stärkmehl scheint
                              									schon im Brodteig zu beginnen und durch das Backen nicht vernichtet zu werden, aber
                              									erst im Magen wird die Wirkung vollständig.
                           Diese Entdeckung von Mouriès verdient allseitige
                              									Beachtung, weil sie vielleicht dazu beitragen kann, das Vorurtheil gegen Kleienbrod
                              									bei Manchen zu heben. Man weiß, daß schon vielseitig, namentlich auf Liebig's Vorschlag, das Kleienbrod von den Aerzten
                              									manchen Personen verordnet wurde, besonders solchen, die zu Congestionen nach dem
                              									Gehirn geneigt sind, oder die an habitueller Leibesverstopfung leiden. Schon vor der
                              									Mittheilung von Mouriès war es mir aufgefallen,
                              									daß Kleie, wenn sie durch Zusatz von kochendem Wasser kleisterartig geworden war,
                              									nach kurzer Zeit dünnflüssig wurde und die Lösung jetzt Dextrin und Zucker enthielt.
                              									Diese Thatsache findet in der Angabe von Mouriès
                              									ihre Erklärung.
                           Wenn das mit Kleienauszug bereitete Brod auch etwas feuchter ausfällt, als
                              									gewöhnliches weißes, so kann man es dennoch wohl als gleich nahrhaft ansehen, weil
                              									es besser und vollständiger verdaut wird. Es wäre hier ein Mittel gegeben, ein
                              									leicht verdauliches reines Brod um ermäßigten Preis zu erhalten, ein Brod, welches
                              									einen sehr reinen unangenehmen Geschmack besitzt. Viele Personen, die solches Brod
                              									versuchten, zogen es dem weißen wie dem gewöhnlichen schwarzen Brod vor.
                           Dr. Fehling.