| Titel: | Sich selbst stellender Schutz für Ueberfälle, vom Ingenieur Emil Anceaux zu Reims. | 
| Fundstelle: | Band 131, Jahrgang 1854, Nr. LXXXV., S. 323 | 
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                        LXXXV.
                        Sich selbst stellender Schutz für Ueberfälle, vom
                           								Ingenieur Emil Anceaux zu
                           								Reims.
                        Aus Armengaud's Génie
                                 									industriel, Novbr. 1853, S. 243.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              									V.
                        Anceaux's sich selbst stellender Schutz für Ueberfälle.
                        
                     
                        
                           Bekanntlich haben die Ueberfallschütze bei Hütten und Fabriken, welche durch
                              									Wasserkraft betrieben werden, den Zweck, dem Wasser beim Stillstande der Räder, oder
                              									wenn der Zufluß zu stark ist, Abfluß zu verschaffen.
                           Die Schütze bestehen aus mehr oder minder dicken Brettern, stehen senkrecht und
                              									werden entweder mit der Hand oder mittelst einer Zahnstange und eines Getriebes,
                              									oder mittelst einer Schraube, deren Mutter durch ein Kreuz gedreht wird, in Bewegung
                              									gesetzt.
                           Eben weil sie durch Menschenkräfte bewegt werden müssen, die nicht stets bereit sind,
                              									wirken sie nicht immer zu rechter Zeit, und es entstehen deßhalb oft Mißhelligkeiten
                              									zwischen den Fabrikanten und den Grundbesitzern am Oberwasser, indem nicht selten
                              									Ueberschwemmungen dadurch veranlaßt werden, daß die Ueberfallschütze nicht zu
                              									rechter Zeit gezogen wurden. Besonders entstehen in der Nacht, wenn in Folge von
                              									Gewittern oder des Aufgangs von Schnee die Zuflüsse plötzlich anschwellen, durch
                              									Nachlässigkeit der Wächter Ueberschwemmungen und Schäden. Um dem Uebel so viel als
                              									möglich zu steuern, haben die Behörden in den meisten Staaten die Anordnung
                              									getroffen, daß in der Nähe der Wasserräder Ueberfälle angebracht werden, deren
                              									Schütze eine gewisse Höhe nicht übersteigen dürfen.
                           
                           Die Länge dieser Ueberfälle ist natürlich nach der Größe der Wasserläufe verschieden;
                              									auch stehen sie im Verhältniß zu dem Steigen des Wassers in gewissen Jahreszeiten.
                              									Aber unerachtet der großen Dimensionen, die diese Ueberfälle haben, sind sie unter
                              									gewissen Umständen ungenügend, wenn ein plötzliches Steigen des Wassers
                              									eintritt.
                           Sich selbst stellende Schütze sind daher sehr wünschenswerth, und nur solche
                              									entsprechen den jetzigen Fortschritten der Technik. Hr. Anceaux, der eine bedeutende Fabrik dirigirt, die durch ein Wasserrad
                              									getrieben wird, welches in der Secunde 2000 Liter (etwa 650 Kubikfuß) Wasser
                              									verbraucht, hat einen solchen sich selbst stellenden Ueberfallschütz construirt,
                              									welcher überall eingeführt werden sollte, wo die Wasserläufe einen sehr ungleichen
                              									Stand darbieten. Sein System wirkt mit so großer Leichtigkeit, daß eine
                              									Wasserschicht von 5 Millimetern (2 1/5 Linien) über dem gewöhnlichen Wasserstand
                              									hinreicht, um den Schutz sofort zu heben. Das Wasser kann daher nie mehr als 5
                              									Millimeter über die obere Kante des Ueberfalls steigen.
                           
                        
                           Beschreibung des sich selbst stellenden Schutzes.
                           Dieser Apparat wirkt als wahrhafter Regulator, indem der höchste Wasserstand
                              									erreicht, aber nie überschritten werden kann; bei seiner Anwendung werden folglich
                              									alle bisherigen Nachtheile vermieden, ohne daß eine Hand zur Bewegung desselben
                              									erforderlich ist.
                           Fig. 1 ist
                              									eine Vorderansicht dieses Apparats; Fig. 2 ein Grundriß
                              									desselben; Fig.
                                 										3 und 4 sind Längendurchschnitte nach den Linien 1–2 und 3–4 der
                              										Fig. 2.
                              									Die Figuren 5
                              									und 6 stellen
                              									einzelne Theile des Apparates dar.
                           Mit dem Graben A, in welchem das Ueberfallwehr T mit dem Schutz B
                              									angebracht ist, steht ein daneben angebrachter kleiner Canal C in Verbindung, der in ein breiteres Bassin D
                              									ausläuft. In letzterem ist die selbstthätige Vorrichtung angebracht; sie besteht in
                              									zwei auf derselben Welle G sitzenden und entgegengesetzt
                              									geschaufelten Rädern E und F
                              										(Fig. 3
                              									und 4); das
                              									Rad E ist weit breiter als F. Am Ende des Bassins D sind zwei Gerinne H und I, welche, wenn es
                              									erforderlich ist, das Wasser auf die Räder E und F leiten und mit ihren entsprechenden Rädern gleiche
                              									Breiten haben. Ihre Höhen sind verschieden; das Gerinne H (Fig.
                                 										4) liegt in gleicher Höhe mit dem Wehr T,
                              									während das kleinere I ziemlich tiefer liegt; jenes reicht bis zum Scheitel des
                              									Rades E, dieses nur bis etwas über das Mittel des Rades
                              										F. Der Eintritt des Wassers in das große Gerinne ist
                              									vollkommen frei; der Eintritt in das kleine dagegen wird durch einen kleinen Schutz
                              										K (Fig. 5) regulirt. Dieser
                              									Schutz ist am Ende eines um J drehbaren und in M aufgelagerten Hebels L
                              									aufgehängt, an dessen anderem Ende ein Schwimmer U
                              									hängt.
                           Die Wirkungsweise des Apparates ist nachstehende: wenn das Wasser bis über die obere
                              									Kante des Gerinnes H steigt, so fließt natürlich das
                              									darüber stehende Wasser durch dasselbe ab und fällt auf das Rad E, welches sich dadurch in Bewegung setzt und die
                              									Bewegung durch die Zwischengeschirre g, n, N, o, p, p, q, Q,
                                 										r auf die Zahnstange S und den mit ihr fest
                              									verbundenen Schutz B überträgt. Diese Bewegung dauert so
                              									lange, bis das Wasser mit der Kante des Gerinnes H
                              									wieder in gleichem Niveau steht; dann hört das Wasser auf dem Rade E zuzulaufen, und der Schuh B bleibt auf der Höhe stehen, welche er durch die Bewegung erlangt
                              									hat.
                           Sinkt das Wasser um mehr als 1 Centimeter (4 1/2 Linien), so zieht der mit demselben
                              									sinkende Schwimmer U den Hebel L nieder, und hebt folglich den Schutz K. Von
                              									jetzt an läuft das Wasser durch das kleine Gerinne I auf
                              									das Rad F ab, welches vermöge seiner entgegengesetzten
                              									Schaufelung eine der vorigen entgegengesetzte Bewegung erzeugt. Nun geht der Schutz
                              									so lange nieder, bis der Schwimmer U wieder so viel
                              									gehoben ist, daß der Schuh K völlig geschlossen wird.
                              									Der Schutz B bleibt bis zu einer neuen Veränderung des
                              									Wasserstandes in der angenommenen Lage.
                           Wenn der Wasserstand nur ein wenig zu hoch war, so kann es geschehen, daß der Schutz
                              										B sich schon vollständig geschlossen hat, bevor noch
                              									das Wasser auf das Niveau des Wehrs gestiegen ist. Um nun zu verhindern, daß das
                              									Wasser weiter durch den Schuh K abfließt, ist folgender
                              									Mechanismus angebracht. Auf dem Schutz B ist ein kleines
                              									Winkeleisen t mit einem Stifte u befestigt, welcher sich gegen einen Arm v an
                              									dem Ende der Welle V anlegt. Auf dieser Welle ist ein
                              									Winkelhebel w befestigt, der an dem einen Arme ein
                              									Gegengewicht a trägt, und durch den andern mittelst des Bolzens b mit einer horizontalen Stange W in Verbindung gesetzt ist. Durch letztere werden die beiden Theile k und K des Schutzes
                              									zusammengehalten, indem sie einfach durch Oeffnungen hindurchgeht, die in denselben
                              									angebracht sind, und daher als Riegel dient. Wird der Schutz B gehoben, so hält dieser Riegel W die beiden
                              									Hälften des Schutzes K fest zusammen. Ist hingegen der
                              									Schutz B bis zum tiefsten Punkte niedergegangen, so
                              									wirkt der Stift u gegen den Arm v und löst den Riegel W aus. Der Schutz K fällt nunmehr durch sein eigenes Gewicht nieder, und
                              									der Ausfluß des Wassers wird unterbrochen, wenn auch der Schwimmer U noch nicht hoch genug gestiegen ist.
                           
                        
                     
                  
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