| Titel: | Ueber Salières' sogenannte Diaphan-Radirung. | 
| Fundstelle: | Band 131, Jahrgang 1854, Nr. XCVI., S. 349 | 
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                        XCVI.
                        Ueber Salières'
                           								sogenannte Diaphan-Radirung.
                        Aus Moigno's Cosmos, Bd. III S. 131, durch Böttger's polytechn. Notizblatt, 1853, Nr.
                              								18.
                        Ueber Salières' Diaphan-Radirung.
                        
                     
                        
                           In der Sitzung der Pariser Akademie der Wissenschaften vom 11. Julius 1853 hat der
                              									Maler Narcisse Salières eine Abhandlung über ein
                              									neues, von jedem Zeichner und Maler leicht ausführbares Verfahren, welches er Diaphan-Radirung (Diaphan-Gravure) nennt, und dessen nähere Beschreibung wir unten
                              									folgen lassen, überreicht.
                           
                              „Wenn man, sagt der Verfasser im Eingange dieser Abhandlung, ein sehr
                                 										einfaches Verfahren auffinden könnte, welches ohne Zeitverlust, ohne
                                 										Vorbereitung und Studium sogleich aus jedem Maler, Bildner, Zeichner oder selbst
                                 										Dilettanten einen im Verhältnisse seines Talentes vollendeten Kupferstecher
                                 										machte; wenn mittelst dieses Verfahrens der Maler so radiren könnte wie er
                                 										zeichnet, mit gleicher Leichtigkeit seinen Grabstichel handhaben könnte wie
                                 										seinen Zeichenstift; wenn er zudem den Vortheil hätte, mit jedem Zug eine Linie
                                 										von der gänzendsten Schwärze zu erzeugen; wenn er ferner während des Verlaufs
                                 										seiner Arbeit genau die Wirkung, die Uebereinstimmung und Tiefe der Schattentöne
                                 										beurtheilen könnte, so leicht wie er es gewohnt ist, wenn er auf einen Bogen
                                 										weißen Papiers zeichnet; wenn endlich durch ein solches Verfahren der Stich eine
                                 										Ursprünglichkeit bewahrte, wie die Leinwand, da wo sie die ersten künstlerischen
                                 										Inspirationen, den ersten Funken der Conception aufnimmt – wenn man ein
                                 										dieß Alles leistendes Verfahren auffinden könnte, so würde dieß offenbar ein
                                 										großer Vortheil für die Kupferstecherkunst, ja gleichsam eine ganz neue Kunst
                                 										seyn. Ein solches Verfahren glaube ich aber wirklich aufgefunden zu
                                 										haben.“
                              
                           Hr. Salières beschreibt nun, unter der bescheidenen
                              									Bezeichnung von Versuchen, die folgenden drei verschiedenen Verfahrungsweisen.
                           Erste Art. Man setzt einen Ofen mit drei Etagen über ein
                              									breites Kohlenfeuer, legt auf die oberste Etage desselben eine Glasplatte, um sie
                              									vorzuwärmen, dann bringt man sie auf die zweite und zuletzt auf die unterste Etage,
                              									wobei sie allmählich eine solche Hitze erhält, daß gewöhnlicher Kupferstecherfirniß
                              									auf ihrer Oberfläche leicht schmilzt. Mittelst eines Bällchens mit Taffetüberzug
                              									breitet man dann über das Glas eine dünne Lage dieses Firnisses aus und bringt die
                              									Platte wieder auf die oberste Etage des Ofens zurück. Ist sie hier wieder etwas
                              									abgekühlt, so zündet man eine stark rußende Oellampe an, setzt sie in einen
                              									blechernen, mit einem gekrümmten Schnabel versehenen Mantel, und führt die mit
                              									Firniß bedeckte Seite des Glases dann über dem aufsteigenden Oelruße hin und her,
                              									bis sie gleichmäßig geschwärzt und undurchsichtig geworden ist. Nun läßt man die
                              									Platte vollkommen erkalten und überzieht sie auf der berußten Seite mit in schwachem
                              									Leimwasser abgeriebenem Bleiweiß. Auf der so erhaltenen, wie ein Bogen Papier weiß
                              									erscheinenden Oberfläche entwirft man nunmehr die Zeichnung oder paust eine
                              									vorhandene Bleistift- oder Röthelzeichnung durch und ritzt dieselbe endlich
                              									mit einer in einem Halter gesteckten Nadel so tief ein, daß die Striche die
                              									Firnißschicht durchschneiden.
                           Zweite Art. In Terpenthinöl aufgelösten
                              									Kupferstecherfirniß trägt man kalt mittelst eines Tampons möglichst dünn und
                              									gleichmäßig auf eine Glasplatte und läßt sie dann gut trocknen. Auf diese erste Lage
                              									bringt man mit einem sehr feinen Dachshaarpinsel eine zweite Lage von mit Kienruß versetztem Firniß,
                              									läßt wieder trocknen, überzieht dann, wie bei der ersten Art, mit Bleiweiß, und
                              									zeichnet und radirt nach gehöriger Abtrocknung.
                           Dritte Art. Man bereitet eine Spiegelglasplatte mit
                              									Collodium so vor, als wollte man eine Photographie machen. Sie wird darauf mit einer
                              									Auflösung von salpetersaurem Silberoxyd behandelt, einen Augenblick der Sonne
                              									ausgesetzt, hierauf in eine Auflösung von Eisenvitriol getaucht und darin einige
                              									Secunden belassen, dann aufs neue in eine Auflösung von unterschwefligsaurem Natron
                              									eingetaucht und darin einige Minuten gelassen. Nun bringt man über die Platte eine
                              									stark verdünnte Gummilösung, um die präparirte Fläche vor Beschädigung zu schützen;
                              									und ist die Gummischicht getrocknet, so zeichnet und radirt man in der bereits
                              									erwähnten Weise. Die schwarze Lage hat man dießmal nicht mechanisch, sondern
                              									chemisch durch die Einwirkung des Lichts erhalten.
                           Gewinnung der Abdrücke. Hr. Salières hat diese nicht erfunden, sondern bloß die glückliche Idee
                              									gehabt, das photographische Verfahren zu seinem Diaphan-Stich in Anwendung zu
                              									bringen. Zu dem Ende bereitet man ein Papier ganz so, als wollte man nach einem
                              									negativen einen positiven Abdruck anfertigen. Dieses Papier legt man auf die
                              									diaphanradirte Platte und zwar auf deren präparirte Seite, so daß es überall genau
                              									anliegt. Nun läßt man das Licht einige Minuten lang darauf einwirken und findet dann
                              									die Zeichnung der Platte auf das Papier übertragen. Das so erhaltene Bild erscheint
                              									verkehrt; wollte man es rechtseitig erhalten, so müßte man das positive Papier auf
                              									die Rückseite der Glasplatte bringen, wobei indeß die Linien verbreitert und das
                              									Bild von einem weichen, stumpfen Effect ausfallen würde, welcher jedoch bei manchen
                              									Darstellungen vielleicht gerade erwünscht seyn könnte.
                           Man sieht, der Künstler hat hierbei nichts weiter zu thun, als den Zügen der
                              									Zeichnung mit der Spitze eines harten Instrumentes auf der vorbereiteten Glasplatte
                              									nachzufolgen, gerade als wenn er in gewöhnlicher Weise auf Papier zeichnete. Ist
                              									sein Werk vollendet, so nimmt er so viel Abdrücke davon, als er wünscht.
                           Bei Ueberreichung seiner gedruckten Abhandlung (Montpellier bei Böhm) an die Akademie der Wissenschaften und an die Société d'Encouragement hat Hr. Salières derselben verschiedene Probearbeiten beigelegt, welche als
                              									von sehr schönem Effect in hohem Grade bewundernswerth sind, wir erwähnen unter
                              									anderen den Kopf eines alten Mannes, eine ihr Kind stillende Mutter, einen
                              									Quacksalber u.s.w.
                           Bei dieser Veranlassung erinnern wir uns daran, daß Hr. Professor Böttger in Frankfurt a. M. uns im October 1845 herrliche
                              									Erzeugnisse einer von
                              									ihm „Hyalographie“ benannten Kunst
                              									mitgetheilt hat. In Gemeinschaft mit Hrn. Dr. Bromeis in Hanau hatte er eine einfache Methode entdeckt,
                              									um auf Glas oder Porzellan irgend einen Gegenstand vertieft darzustellen, ohne
                              									irgend in der Kupferstecherkunst geübt zu seyn, sondern lediglich nur eine gewisse
                              									Fertigkeit im Zeichnen zu besitzen, so etwa, wie wir sie bei unserer
                              									Diaphan-Radirung voraussetzen. Von der einmal gewonnenen geatzten
                              									Glas- oder Porzellanplatte soll man eine unbegränzte Anzahl von Abdrücken in
                              									gewöhnlicher Kupferdruckerweise abziehen können.
                           Die gedruckte Notiz, worin diese Erfindung sich erörtert findet, liegt vor uns.Man s. polytechn. Journal, 1844, Bd. XCIII S. 238. Das Eigenthümliche der Erfindung besteht lediglich in der Bereitung eineseiues neuen Aetzmittels für Glas, welchem die genannten Erfinder in der That
                              									folgende wunderbare Eigenschaften zuschreiben: „Eine und dieselbe Menge des
                              									Aetzmittels kann, ohne merklich an Kraft zu verlieren, zum Aetzen von hundert
                              									Glasstichen angewendet werden... dabei ist das Mittel, in der angewandten Form, der
                              									Gesundheit auch nicht im mindesten nachtheilig, so daß man sowohl die Bereitung
                              									desselben, als auch das Netzen der Platten ohne die allergeringste Besorgniß in
                              									einem jeden Zimmer vornehmen kann, denn es entwickeln sich dabei weder Dämpfe, noch
                              									Gasarten, noch bedarf es dazu eines Feuers oder einer sonstigen besonderen
                              									Vorrichtung. Das Aetzen in Glas und Porzellan gewährt eine solche Sicherheit, wie
                              									sie selbst bei vieljähriger Erfahrung bei Anwendung von Kupfer, Stahl und Stein nie
                              									zu erreichen ist; man hat für das Tief- und Breit-Aetzen ein ganz
                              									bestimmtes Maaß, so daß jeder Strich unter allen Umständen von jeder beliebigen
                              									Stärke sicher zu erhalten ist. Es findet bei Anwendung des neuen Aetzmittels weder
                              									eine Blasenbildung, noch eine Unterfressung des Deckgrundes statt, folglich fallen
                              									die Striche viel vollkommener aus, als bei einer Aetzung in Stahl, Kupfer und Stein.
                              									Eine Retouche der Zeichnung ist leicht möglich, ja man kann sogar, wenn ein Theil
                              									der Radirung verändert werden soll, diesen leicht erneuern, ohne die ganze Zeichnung
                              									deßhalb zerstören und von neuem wieder ausführen zu müssen. Die Platten nutzen sich
                              									durch den Gebrauch nicht ab, oxydiren sich nicht, sind verhältnißmäßig sehr leicht
                              									u.s.w.
                           Wir wären begierig, von den HHrn. Böttger und Bromeis zu erfahren, was aus dieser so merkwürdigen
                              									hyalographischen Kunst geworden ist, mit welcher sie so befriedigt und auf welche sie so
                              									stolz schienen.Hr. Prof. Böttger bemerkt dazu: „sie
                                       												wird seit mehreren Jahren von einer berühmten englischen Glasfabrik
                                       												lediglich zu technischen Zwecken benutzt, obwohl wir eine Anwendung
                                       												derselben für künstlerische Zwecke weit lieber
                                          													gewünscht hätten.“
                                    										 Worin besteht denn dieses Aetzmittel, so unschuldig und doch so wirksam, mit
                              									allen Eigenschaften der Fluorwasserstoffsäure, ohne deren Gefahren zu theilen?