| Titel: | Ueber die Verbesserung des Weins durch einen Zusatz von Zucker und Wasser; von Prof. Siemens in Hohenheim. | 
| Fundstelle: | Band 134, Jahrgang 1854, Nr. XLVII., S. 146 | 
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                        XLVII.
                        Ueber die Verbesserung des Weins durch einen
                           Zusatz von Zucker und Wasser; von Prof. Siemens in
                           Hohenheim.
                        Aus dem württembergischen Wochenblatt für Land- und
                                 Forstwissenschaft, 1854, Nr. 37 und 38.
                        Siemens, über die Verbesserung des Weins durch einen Zusatz von
                           Zucker und Wasser.
                        
                     
                        
                           Bei der sicheren Voraussicht einer an Quantität geringen Weinernte und dem fast
                              gänzlichen Mangel an Obst dürfte die Vermehrung und Verbesserung des Weins durch
                              einen Zusatz von Zucker und Wasser, wie diese bereits seit einigen Jahren in vielen
                              Weingegenden, namentlich an der Mosel, in der Pfalz und am Rhein, durch die
                              Bemühungen des Hrn. Dr. Gall
                              in Trier eine allgemeinere Verbreitung gefunden hat, auch in Württemberg eine
                              weitere Beachtung verdienen.
                           Der Zusatz von Zucker gehört zu den ältesten
                              Verbesserungen des Weins, da es nahe liegt, dem Moste das zu geben, was die Natur
                              bloß durch den Mangel an Wärme nicht in hinreichender Menge erzeugen konnte. Der
                              allgemeineren Anwendung dieser Verbesserung trat bis jetzt jedoch der Aufwand, den
                              dieselbe erforderte, entgegen. Sie lieferte zwar einen weit alkoholreicheren und
                              dadurch haltbareren Wein, allein diese Eigenschaften gehören doch weniger zu den
                              wünschenswerthesten, selbst wenn diese Vorzüge den erforderlichen Aufwand lohnen
                              sollten. Die größere Menge unseres Weinerzeugnisses zeigt außer dem Mangel an Zucker
                              einen Ueberfluß an
                              Säure, weil bei minder günstigen Jahrgängen diese Säure fast in demselben Maaße
                              vorhanden bleibt, als der Zucker in der Traube fehlt. Findet nun auch durch den
                              Zusatz von Zucker später eine vermehrte Absonderung des in dem Traubensafte
                              enthaltenen sauren Weinsteinsalzes statt, so enthalten doch die nicht völlig
                              gereiften Trauben neben der Weinsäure auch noch andere Säuren, die dadurch nicht zu
                              entfernen sind und deßhalb bei dem bloßen Zuckerzusatze dennoch den Geschmack des
                              Weins beeinträchtigen. Es sind dieß fast dieselben Säuren und Stoffe, welche in den
                              Johannisbeeren in noch größerer Menge gefunden werden. Diese Säuren, ohne
                              Beeinträchtigung der Güte des Weins zu vermindern oder unschädlich zu machen, blieb
                              bisher noch zu wünschen übrig. Hiezu hat nun Gall die
                              geeignetsten Vorschläge gemacht und diesen auch durch eine unermüdliche Thätigkeit
                              bereits eine weit verbreitete Anwendung verschafft.
                           Es ist nichts Neues, daß man selbst aus den sauren Johannisbeeren einen
                              vortrefflichen Wein gewinnen kann, wenn man dem Safte derselben zur Verdünnung der
                              vielen Säure, neben Zucker eine größere Menge Wasser
                              zusetzt. Unseren Hausfrauen, die eine kleine Mühe nicht scheuen, ist es daher wohl
                              bekannt, daß man durch diesen größeren Wasserzusatz ein nicht so theures Getränk
                              erhält, was dennoch so vortrefflich ist, daß sie es in der Regel zum Empfang eines
                              lieben Gastes aufsparen.
                           In den nördlichen Ländern, wo die Traube keinen Wein mehr liefert, bereitet man aus
                              den Johannisbeeren und namentlich aus den Stachelbeeren durch den einfachen Zusatz
                              von Zucker und Wasser mit Beimischung von getrockneten Weinbeeren der südlichen
                              Länder die besten Liqueurweine. Zu Althaldensleben bei
                              Magdeburg fand ich im Jahr 1832 ganze Berge mit Stachelbeeren bepflanzt, von welchen
                              der bekannte Nathusius alle möglichen südlichen Weine
                              darstellen ließ.Wäre nicht die Erzeugung des einheimischen Zuckers mit einer so enormen
                                    Steuer belastet, die nördlichen Länder würden durch die Säure ihrer
                                    Beerenfrüchte und durch den Zucker aus ihren Rüben und Kartoffeln Getränke
                                    erzeugen können, die manche Vorzüge besitzen, welche in den südlichen
                                    Ländern nicht zu erreichen stehen. Das so beliebte Bouquet und das
                                    Erfrischende des Weins verdanken unsere. Weine nur der Säure, die dem Weine
                                    der südlichen Länder fehlt.
                              
                           Diese Erfahrungen hat Dr. Gall
                              benutzt, um aus solchen Trauben, welche ihre völlige Reife nicht erlangten und
                              deßhalb noch viel Säure und nur wenig Zucker enthalten, noch gute Mittelweine zu
                              erzeugen, welche, wie viele glaubwürdige Zeugnisse bestätigen, dadurch zu mehr als
                              dem doppelten Preis zu verwerthen waren. Gall hat sein
                              Verfahren in einer
                              eigenen SchriftUeber Darstellung sehr guter Mittelweine, selbst aus unreifen Trauben, und
                                    höchste Veredlung schon vergohrener geringer Weine durch nochmalige Gährung
                                    allenthalben und zu jeder Jahreszeit. Von Dr.
                                    Ludwig Gall. 1. und 2. Heft. Trier, 1851 und
                                    1852. Verlag von F. A. Gall. schon 1851 bekannt gemacht und seitdem sind eine Menge anderer Schriften und
                              Aufsätze über diesen Gegenstand erschienen. Obgleich die intelligentesten Männer
                              unter den Chemikern und Weinproducenten die Zweckmäßigkeit der von Gall empfohlenen Weinverbesserung anerkannt haben, so
                              sind auch Gegner aufgetreten, die das Gall'sche Verfahren
                              als eine Weinschmiererei bezeichnen, und ebenso sehr als die Einen die Sache als das
                              Rettungsmittel für die Weincultur solcher Gegenden bezeichnen, wo die Natur den
                              Zucker oft nicht in hinreichender Menge in der Traube erzeugt, ebenso sehr wird die
                              Sache von Andern als der Ruin alles Renommée's der unverfälschten natürlichen
                              Weinerzeugung dargestellt.
                           Wenn die Wärme und Heftigkeit, womit die Vertheidiger und Gegner die Sache behandeln,
                              auch für die Wichtigkeit derselben spricht, so wird man bei der Verfolgung des
                              Streits doch von den breit gedrückten Anpreisungen und ewigen Wiederholungen nicht
                              minder angeekelt, als von den sinnlosen Entgegnungen. Sicher schaden die von den
                              Vertheidigern der Sacke gemachten Versprechungen einer localen Abhülfe aller Noth
                              der armen Weinbauern mehr, als sie nützen, denn sie tragen zu sehr das Gepräge der
                              Uebertreibung, obgleich der Gegenstand alle Beachtung auch aus dieser Rücksicht
                              verdient. Wer wird es glauben, daß, wenn auch in vielen Fällen durch die Gall'sche Weinverbesserung mehr als der doppelte Preis
                              für dasselbe Gewächs gelöst wurde, nach einer allgemeineren Einführung gleiche
                              Vortheile zu erlangen wären? Wenn auch alle Weinconsumenten befähigt sind, einen
                              besseren Wein zu trinken, so steigt mit dieser Befähigung nicht die des besseren
                              Bezahlens. Ebenso thöricht erscheint die Hoffnung, durch die Production eines
                              besseren Weins dem immer allgemeineren Biertrinken entgegentreten zu können und
                              dadurch wieder billigere Brodpreise für den Armen zu erlangen. Das Bier ist und
                              bleibt ein billigeres Getränk, als der Wein, und wird deßhalb von diesem nicht
                              wieder verdrängt werden. Wenn seine Konsumtion immer mehr zunimmt, so ist dieß eine
                              Folge davon, daß die Bierbrauer nicht bei dem Althergebrachten stehen geblieben sind
                              und dadurch ein besseres Product um billigern Preis herstellen können, als früher.
                              Auch der bessere Wein wird einen größeren Markt finden, denn es gibt noch viele
                              Gegenden, wo man unsere Weine kaum dem Namen nach kennt und wo sie fremden Wein verdrängen würden,
                              wenn sie besser und um billigeren Preis dorthin zu liefern wären. Einen Zusatz von
                              Zucker und Wasser aber für eine unnatürliche Verbesserung des Weins zu halten, ist
                              eine sonderbare Behauptung, denn wo bereitet uns die Natur einen trinkbaren Wein
                              oder ein genießbares Brod ohne künstliche Bereitung?
                           Das Wesentliche von Gall's Traubenweinverbesserung besteht
                              nun darin, daß er zunächst dringend empfiehlt, die besseren Trauben von den
                              geringeren abzusondern, um davon einen besseren Bouquetwein darzustellen, statt sie
                              mit der meist größern Menge der geringeren Trauben zu vermischen, in deren Saft die
                              Vorzüge der wenigen, völlig reifen Trauben ganz verschwinden. Den Most der
                              geringeren Sorte soll man aber gleich nach dem Pressen oder Keltern mit so viel
                              Wasser und Zucker vermischen, daß sein Gehalt an Säure, Wasser und Zucker dem
                              Gehalte an diesen Bestandtheilen in einem guten Traubenmoste gleichkomme.
                           Diese einfache und natürliche Behandlung des Traubensafts bedarf kaum einer
                              specielleren Vorschrift, sie wird von jedem mit der Weinbereitung Vertrauten
                              auszuführen seyn. Nur die Bestimmung der vorhandenen Säure und des fehlenden Zuckers
                              macht eine nähere Prüfung des Mostes nöthig, wenn das Verhältniß zwischen Wasser,
                              Zucker und Säure, was in jedem Jahrgange, in jeder Traubensorte und bei
                              verschiedenen Boden und Lagen wechselt, in dem darzustellenden Weine ein genau
                              bestimmtes seyn soll. Da aber in den besten Weinen dieses Verhältniß der
                              Bestandtheile nicht immer dasselbe ist, so scheint die Prüfung des Mostes durch die
                              Weinwaage und das bekannte Verhalten der verschiedenen
                                 Traubensorten sowohl in Betreff ihres Säuregehalts, als der besonderen
                              Eigenschaften des daraus zu erwartenden Weins allein schon für alle Fälle genügende
                              und in besonderen Fällen die sichersten Anhaltspunkte über das zuzusetzende Quantum
                              an Wasser und Zucker zu geben.
                           Als allgemeine Regel kann dabei wohl dienen, daß wir in dem besseren Traubenmoste
                              gegen 20 Procent Zucker und 0,5 bis 0,6 Procent Säure
                              finden, während der Most unserer geringeren Weine, wenn er nicht über 70 Grad an der
                              Weinwaage zeigt, selten über 15 Procent Zucker und oft mehr als 1 Procent Säure
                              enthält. Es fehlen demnach in 1000 Pfunden (etwa 1 1/2 württ. Eimer oder 3 bad. Ohm)
                              Weinmost, die bei gutem Wein 200 Pfund Zucker enthalten sollen, mindestens 50 Pfund
                              Zucker. Die fast doppelte Menge der vorhandenen Säure macht aber einen größeren
                              Wasserzusatz nöthig, für welchen noch ein entsprechender Zusatz von Zucker
                              erforderlich ist. Bei so geringem Moste sind auf obige 1000 Pfund reichlich die
                              Hälfte oder 550 Pfund einer Lösung aus 150 Pfund Zucker in 100 Maaß oder 400 Pfund Wasser
                              zuzusetzen. Man wird dann von 1 1/2 Eimern Most durch diesen Zusatz reichlich 2 1/4
                              Eimer guten Weinmost bekommen, dessen Gewicht in der Regel dann auch dem eines guten
                              Mostes gleichkommt. Ein wenig Zucker mehr oder weniger, wird auch wenig Unterschied
                              machen.
                           So gut wir ohne solche Zusätze den Most nach seinem durch die Waage zu erkennenden
                              specifischen Gewichte, nach seinem Geschmacke, nach der Art der Trauben etc. zu
                              beurtheilen im Stande sind, ebenso sichere Merkmale gewahren diese Proben auch für
                              die Beurtheilung eines mit Zucker und Wasser vermischten Weins oder Mostes. Wünscht
                              man jedoch eine genauere Bestimmung des nöthigen Zuckers und Wassers, so wird eine
                              nähere Untersuchung des Mostes auf seinen Zucker- und Säuregehalt nach der
                              von Prof. Fehling im Jahre
                              1850 (polytechn. Journal Bd. CXVII S. 276)
                              angegebenen Methode zu empfehlen seyn, da die von Gall
                              angegebene Untersuchung des Zuckergehalts durch Gährung, bei einer kleinen Probe des
                              Mostes, in der Hand eines mit solchen Untersuchungen nicht Geübten viel unsicherere Resultate liefert, als die oben angegebene
                              einfache Prüfung. Nicht minder unzuverlässig wird auch unter gleichen Umständen die
                              Untersuchung des Mostes auf seinen Säuregehalt, so
                              einfach und sicher dieselbe auch von jedem Apotheker auszuführen ist.
                           Eine weitere Frage ist die, woher der Traubenzucker zu beziehen sey und wie sich die
                              Kosten einer solchen Weinverbesserung berechnen? Bis jetzt haben wir keine
                              Trauben- oder Stärkezuckerfabriken im Lande, deren in der Pfalz und am Rhein
                              seit Einführung dieser neuen Weinverbesserung eine Menge neu gegründet wurden.
                              Unsere Rübenzuckerfabriken besitzen aber alle dazu nöthigen Apparate, und die kleine
                              Zuckerfabrik der technischen Werkstätte in Hohenheim
                              könnte täglich allein 10–12 Centner Traubenzucker liefern, sobald nur eine
                              Nachfrage oder ein Verbrauch desselben stattfinden sollte. Bei der Aussicht, die
                              Kartoffeln in diesem Herbste um den Preis von etwa 30 kr. kaufen zu können, wäre es
                              möglich, den Centner von diesem Zucker um 12–14 fl. zu gewinnen, so daß die
                              Darstellung von mehr als zwei Eimern jenes verbesserten Weins aus 1 1/2 Eimern Most
                              und 1 1/2 Centnern Zucker, im Fall der dazu zu verwendende geringere Wein mit 40 fl.
                              per Eimer zu bezahlen wäre, auf circa 80 fl. kommen würde, wofür man später leicht das
                              Doppelte lösen könnte.
                           Es steht dieß nach den bereits gemachten Erfahrungen um so weniger zu bezweifeln, als
                              der so behandelte Wein wirklich ganz entschiedene Vorzüge besitzt. Unter diesen sind
                              vor Allem die Reinheit seines Geschmacks und seine
                              größere Haltbarkeit hervorzuheben. Sein Geschmack ist
                              nicht nur durch die Verminderung der Säure angenehmer und für die Gesundheit zuträglicher,
                              sondern auch reiner durch die regelmäßigere Gährung und durch die vollständigere
                              Abscheidung seiner schleimigen und hefigen Theile. Die Abscheidung dieser
                              stickstoffhaltigen Stoffe erfolgt bei der Gährung in gleichem Maaße mit der
                              Zersetzung des Zuckers und Bildung des Alkohols oder des Geistes im Weine.
                           Ein Most, welcher im Verhältniß seiner schleimigen Beimischungen nur wenig Zucker
                              enthält, behält auch von jenen nach der Gährung noch einen Theil in löslichem
                              Zustande zurück. Diese stickstoffhaltigen Bestandtheile des Weins, die durch den
                              Mangel an Zucker während der Gährung nicht vollständig abgeschieden wurden, erleiden
                              aber eine ganz andere Veränderung, als bei der Gegenwart von Zucker, indem sie nach
                              und nach in eine Art Fäulniß übergehen, die sich durch den Geschmack des Weins kund
                              gibt und ein Verderben desselben herbeiführt. Man kann zwar dieses Verderben, wie
                              das so häufig geschieht, durch einen Zusatz von Alkohol verzögern, aber jene
                              faulenden Stoffe greifen nach und nach den Alkohol selbst an und veranlassen, daß
                              sich aus diesem Essig erzeugt. Aus demselben Grunde mischen die Essigfabrikanten,
                              welche ihren Essig aus Alkohol erzeugen, diesen mit solchen Flüssigkeiten, welche
                              jene schleimigen Substanzen in größerer Menge enthalten, wie z.B. das Weißbier und
                              der Obstmost, und erlangen dadurch eine schnellere Zersetzung des Alkohols. In dem
                              Weine muß man aber eine solche Zersetzung des Alkohols verhüten und deßhalb jene
                              schleimigen Stoffe möglichst entfernen, was durch den Zusatz von Zucker erreicht
                              wird. Bei der Gegenwaet von Zucker werden jene schleimigen Bestandtheile des Mostes
                              vollständiger abgeschieden, indem sie die unlösliche Hefe bilden, die zur Zersetzung
                              des Zuckers in Alkohol und Kohlensäure dient. Dadurch erhält denn dieser Wein eine
                              größere Haltbarkeit und einen reineren Geschmack.
                           Wie außerordentlich haltbar ein solcher mit Wasser und Zucker versetzter Wein sich
                              zeigt, davon liefert die hier mitzutheilende Erfahrung wohl den sichersten Beweis.
                              Im Herbst 1852 wurde ein kleiner Rest Trauben aus dem in der Nähe von Hohenheim liegenden Weinberge des Instituts mit Zucker
                              und Wasser in der Art vermischt, daß man dem Safte der je nach der Reife (oder
                              vielmehr größeren oder geringeren Härte, denn reif oder genießbar war nicht eine
                              einzige dieser Trauben) in vier Sorten getheilten Trauben um so mehr Wasser und
                              Zucker zusetzte, je geringer sein specifisches Gewicht war, wodurch alle vier Sorten
                              auf ein und dasselbe specifische Gewicht gebracht wurden. Die Quantität dieser vier
                              Weinproben war so gering (sie betrug mit dem Wasser zusammen etwa 3 Imi), und die
                              Qualität der Trauben versprach so wenig, daß sie bis im August vorigen Jahres
                              unbeachtet liegen blieben. Erst dann wurden sie untersucht, und da ihre Qualität sie
                              verkäuflich zeigte, so fanden die drei geringeren Sorten sogleich eine Verwerthung,
                              während die bessere aus dem Kruge, worin sie sich befand, auf Flaschen gezogen
                              wurde. Bei der Abgabe jenes geringeren Weins blieb nun ein kleiner Rest, der von der
                              Hefe getrübt war, in einer Flasche zurück, die seit jener Zeit im technischen
                              Laboratorium, wo Winters geheizt wird, steht, ohne bis jetzt eine Kahnhaut zu
                              zeigen, was doch wohl den sichersten Beweis von der unzerstörbaren Haltbarkeit eines
                              solchen Weins liefert.
                           Welch einen Werth solche Zusätze von schleimfreiem Zucker für alle unsere geistigen
                              Getränke haben, davon zeugt auch die Haltbarkeit, welche man dem Biere durch den Zusatz von Syrup oder durch die
                              Verwendung von Kartoffeln, aus dessen Stärkmehl durch den Maischproceß Zucker zu
                              erzeugen ist, ertheilen kann. Im letzten Winter wurden in der hiesigen Bierbrauerei
                              aus Veranlassung der Verdächtigung mehrerer Bierbrauer, solche Zusätze zur Umgehung
                              der Steuer verwendet zu haben, Proben mit der Verwendung von Syrup angestellt. Diese
                              lieferten die Ueberzeugung, daß ein geringer Zusatz von Syrup dem Viere nicht nur
                              neben einer schönen Farbe einen erhöhten Glanz, sondern namentlich auch eine weit
                              größere Haltbarkeit verleiht. Es wurde aus dem sonst nur zur Gewinnung von etwas
                              Branntwein brauchbaren Glattwasser durch den Zusatz von
                              Syrup noch ein gutes Nachbier gewonnen, das bei einem Gehalte von kaum 2/3 (8
                              Procent) eines besseren Biers, in einem schlechten Keller (der im Mai schon
                              8–9 Grad R. Wärme zeigte) ganz gesund blieb und durch die erwähnten Vorzüge
                              eine schnelle und lohnende Verwerthung fand.
                           Sobald nur das Material zur Gewinnung solcher, für unsere geistigen Getränke
                              geeigneten Zusätze preiswürdig zu haben ist, sollten dieselben eine weit
                              allgemeinere Anwendung finden. So könnte man z.B. in diesem Jahre aus den Weintrebern, bei dem Mangel an Obst, einen billigen Trunk
                              für unsere Arbeiter gewinnen. Zur Bereitung eines solchen Treber- oder
                              Nachweins sind die Kämme und Beeren unmittelbar nach dem Keltern in einer Stande mit
                              etwas erwärmtem Wasser zu übergießen, worin man gleich etwas Zucker oder Syrup lösen kann. Man darf die Treber aber nicht zuvor auf
                              Haufen an der Luft trocknen lassen, damit sie sich nicht erwärmen, was eine schnelle
                              Säuerung herbeiführt. Die Menge des zuzusetzenden Wassers darf Anfangs auch nicht zu
                              groß seyn, weil die Währung dadurch unterdrückt werden würde. Im Ganzen kann man je
                              nach der gewünschten Güte des Weins den sechsten bis vierten Theil von dem
                              Weinmoste, den die Trauben lieferten, an Wasser verwenden. Die Menge des nöthigen
                              Zuckers, statt dessen man auch guten Syrup verwenden kann, wird durch die verlangte
                              Güte des Weins ebenfalls bedingt. Auf 100 Maaß Wasser 30–40 Pfund Zucker oder
                              Syrup gibt schon ein Getränk, dessen Stärke dem gewöhnlichen Obstmoste gleich
                              kommt.
                           Man gibt also zunächst von dem je nach der äußeren Temperatur und nach der Menge der
                              Treber erwärmten Zuckerwasser nur so viel auf die Treber,
                              als diese bedürfen, um von der Flüssigkeit bedeckt zu werden. Zweckmäßig ist es, die
                              Treber in der Bütte mit einem Lattenroste zu bedecken und diesen mit einigen sauber
                              gereinigten Steinen zu beschweren, damit die Treber sich nicht heben und mit der
                              Luft in Berührung kommen, was ihre Säuerung beschleunigen würde. Nach dem Eintritt
                              der Gährung kann dann die übrige zuckerige Flüssigkeit oder nur ein Theil davon und
                              der Rest erst nach dem Keltern zugesetzt werden. Die Hauptgährung ist nach wenigen
                              Tagen vorüber, und man muß dann schnell zum Keltern schreiten, weil der Geschmack
                              des Getränks sonst zu herbe wird. Bei dem Pressen ist große Reinlichkeit dringend
                              nöthig, um jede Veranlassung zur Säuerung zu vermeiden. Die Fässer sind mit dem
                              Treberweine ganz zu füllen und die Luft abzuhalten. Ein Einbrennen mit Schwefel ist
                              aber hier nicht statthaft, weil die Gährung dadurch zu sehr unterdrückt wird und es
                              solchem Treberweine mehr an Hefe, als an Zucker fehlt. Die Fässer sind deßhalb nach
                              dem Einbrennen nochmals mit kaltem Wasser auszuschwenken. Der Treberwein ist später
                              nicht abzulassen, weil nicht zu befürchten steht, daß im Frühjahr eine nachtheilige
                              Gährung eintritt. Man lasse den Wein wo möglich bis zum Eintritt der wärmeren
                              Jahrszeit liegen, weil er im vollen Fasse länger gut bleibt und Anfangs für den
                              Geschmack der Mosttrinker zu viel Süße hat, die aber bis zum Frühjahr nach und nach
                              verschwindet. Setzt man zu einem solchen Weine auf den hiesigen Eimer nur eine
                              Handvoll getrocknete Schlehen, so bekommt der Wein dadurch einen viel kräftigern und
                              angenehmen Geschmack.
                           Schon Chaptal empfahl die Bereitung solcher Treberweine
                              durch Zusatz von Wasser und Zucker oder Honig. Statt des Honigs, der bei uns meist
                              sehr theuer ist, könnte man auch die beim Aussieden des Wachses gewonnene zuckerige
                              Flüssigkeit verwenden, die im Oberlande bis jetzt zur Gewinnung von Branntwein
                              benutzt wird, was kaum lohnend scheint. Chaptal empfiehlt
                              auch den Zusatz von Weinstein, auf 100 Maaß etwa 1/2 Pfund, weil dieser das
                              natürliche Salz des Weins sey, was dem Nachweine fehlen würde.
                           Auch die Obsttreber liefern, auf gleiche Weise wie die
                              Weintreber behandelt, einen noch trinkbaren Most. Bei dem hohen Preise des Obsts sollten in diesem Jahre
                              Alle, die eine kleine baare Auslage bestreiten können, ihren Most mit einem größeren
                              Zusatze von Wasser und Zucker oder Syrup darstellen. 10–12 Simri Aepfel und
                              50 Pfund Stärkezucker oder Syrup würden mit dem nöthigen Wasser einen Eimer sehr
                              guten Obstwein liefern.