| Titel: | Der hydrometrische Becher; von Prof. Julius Weisbach. | 
| Fundstelle: | Band 134, Jahrgang 1854, Nr. LIII., S. 180 | 
| Download: | XML | 
                     
                        LIII.
                        Der hydrometrische Becher; von Prof. Julius Weisbach.
                        Aus dem Civilingenieur, 1854, neue Folge, Bd. I S.
                              209.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              III.
                        Weisbach's hydrometrische Becher.
                        
                     
                        
                           Zur Ausmittelung kleiner fließender Wassermengen, wie sie bei Brunnen und Röhren
                              vorkommen, bedient man sich entweder der Methode des sogenannten Aichens, d. i. der directen cubischen Messung, oder der
                              Methode des Ausfließens, wobei man aus der Druckhöhe und
                              aus der Größe der Ausflußmündung auf das Wasserquantum schließt. Obgleich das Aichen
                              an und für sich sehr einfach ist, so wird seine Anwendung doch dadurch erschwert,
                              daß es 1) ein größeres und möglichst gesetzmäßig gestaltetes Gefäß und 2) den Besitz einer
                              Secundenuhr oder eines Pendels erfordert. Weit bequemer ist dagegen das Messen
                              fließender Wasser mittelst eines Ausflußgefäßes. Dasselbe fällt 1) weit kleiner aus
                              als ein Aichgefäß, ist also auch viel transportabler als dieses, weil sich das
                              Wasser in demselben nur auf eine kurze Zeit verweilt; es erfordert 2) bei seinem
                              Gebrauch nicht noch ein zweites Instrument, wie z.B. eine Uhr; und es führt 3) in
                              einer sehr kurzen Zeit zum Ziele.
                           Bei Anwendung des erwähnten hydrometrischen Ausflußgefäßes kommt es nur darauf an,
                              daß man das fließende Wasser durch dieses Gefäß hindurchfließen lasse, daß man
                              ferner den Moment abwarte, bei welchem der Durchfluß in Beharrung gekommen ist,
                              wobei eben so viel Wasser abfließt als zuströmt, und daß man endlich den constant
                              gewordenen Wasserstand im Gefäße an einer Scala beobachte. Eine für diese Messungen
                              besonders berechnete kleine Tabelle gibt zuletzt die dem beobachteten Wasserstande
                              entsprechende Wassermenge unmittelbar an. Das Ausmessen des Wassers durch den
                              sogenannten Wasserzoll ist nur eine unvollkommene
                              Anwendung dieser zweiten Methode. Die Einrichtung eines zweckmäßigen hydrometrischen
                              Ausflußgefäßes ist aus Fig. 44 und 45, wovon die
                              eine eine monodimetrische Seitenansicht, und die andere einen monodimetrischen
                              Durchschnitt zeigt, zu ersehen.
                           Das eigentliche Ausflußgefäß A, B, C, D besteht aus einer
                              2 bis 3 Zoll weiten und ungefähr 10 Zoll langen Messingröhre B, mit einem conischen Einmündungsstücke A und
                              aus einem 4 bis 6 Zoll weiten, und 4 bis 6 Zoll hohen cylindrischen Gefäße D, welches durch ein conisches Zwischenstück C mit der Röhre B in
                              Verbindung gesetzt ist. Das Ganze hat eine becherähnliche Gestalt, weßhalb ich auch
                              dieses Instrument einen hydrometrischen Becher nennen
                              möchte. In der ersten Figur sieht man noch bei R die
                              Röhre, aus welcher das zu messende Wasser ausfließt und bei S den durch das trichterförmige Kopfstück A
                              aufgefangenen Wasserstrahl. Um das Wasser vor seinem Ausflusse aus dem Fußstück D zu beruhigen, ist ein Sieb E mit feinen Löchern angebracht, durch welche das Wasser fließt, ehe es in
                              D eintritt, und um den Stand oder die Druckhöhe des
                              Wassers in D beobachten zu können, ist noch eine
                              Glasröhre F, F angebracht, welche in den Raum D einmündet, außen an der Röhre B aufsteigt und im Raume A ausmündet. Der
                              Stand des Wassers in dieser Röhre über der Mitte der Ausflußmündung L, L gibt die Druckhöhe des Wassers in D, D an, und um dieselbe bequem ablesen zu können, ist
                              eine Messingscala G, G zwischen A und C eingeklemmt, welche gleichsam eine
                              Rückenwand von der Glasröhre F, F bildet. Man ergreift
                              den Becher mittelst seiner zwei Henkel H, H, welche an
                              den Seiten der Röhre B, B angelöthet sind, und hält denselben so vor sich
                              hin, daß man die Glasröhre und ihre Scala vor Augen hat, während das Wasser bei S zu- und in entgegengesetzter Richtung bei L, L abfließt. Die Messung ist als beendigt anzusehen,
                              wenn das Wasser in der Glasröhre eine unveränderliche, an der Messingscala
                              abzulesende Höhe erreicht hat.
                           Um sehr verschiedene Wassermengen mit demselben Instrumente messen zu können, muß man
                              mehrere Mundstücke von verschiedenen Weiten haben. Wenn das zufließende Wasser durch
                              das eingesetzte Mundstück nicht abgetragen wird, und folglich in der Glasröhre zu
                              hoch steigt, so muß man ein anderes weiteres Mundstück einsetzen, und wenn dagegen
                              das Mundstück so viel Passer abträgt, daß der Wasserstand in der Glasröhre zu klein
                              wird, um ihn ablesen zu können, so ist es nöthig, das Mundstück durch ein engeres zu
                              ersetzen. Ein Satz von 6 bis 7 Mundstücken von verschiedenen Weiten möchte in den
                              meisten Fällen vollkommen ausreichen. Die Art und Weise, wie diese Mundstücke
                              einzusetzen sind, ist aus Fig. 46 zu ersehen. Es
                              ist K, K ein in das Gefäß eingesetzter und inwendig
                              schraubenmutterförmig ausgeschnittener Messingring, und L, M,
                                 L das ebenfalls ringförmig gestaltete Mundstück, in dessen Umfang
                              Schraubengänge eingeschnitten sind, welche in die Windungen von K, K passen. Die Mündung M
                              ist in der ebenen Hinterwand des Ringes kreisförmig ausgedreht und nach außen zu
                              abgeschrägt, damit sie den bekannten Ausfluß durch eine Mündung in der dünnen ebenen
                              Wand gibt.
                           Die Scala G, G hat eine Länge von 10 Zoll, beginnt aber
                              erst mit einer Druckhöhe von 3 Zoll und endigt sich folglich bei der Höhe von 13
                              Zoll; es lassen sich also an derselben nur Druckhöhen von 3 bis 13 Zoll beobachten.
                              Jeder Zoll der Scala ist in 10 gleiche Theile getheilt, es lassen sich aber mit
                              Sicherheit recht gut noch Viertel der Eintheilung oder Vierzigstel Zolle abschätzen.
                              Damit die Capillarität so wenig wie möglich Einfluß auf den Stand des Wassers in der
                              Glasröhre ausübe, ist es nöthig, dieselbe mindestens 1/4 Zoll weit anzuwenden.
                           Um den Beharrungszustand des Wassers in der Röhre schnell herbeizuführen, muß man die
                              Ausflußmündung M anfangs verschließen, wozu man sich
                              eines außen abgedrehten Stöpsels bedienen kann., der sich genau an den inneren
                              Umfang des ringförmigen Mundstückes L, L anschließt. Da
                              sich bei gleicher Mündung die Ausflußmenge nahe wie die Quadratwurzel aus der
                              Druckhöhe verhält, so muß die letztere um das Vierfache wachsen, wenn sich die
                              erstere verdoppeln soll. Wenn man daher die Druckhöhe mit 3 Zoll anfängt, so wird
                              dieselbe auf circa 12 Zoll steigen müssen, um ein
                              doppelt so großes Ausflußquantum zu erhalten als bei 3 Zoll Druckhöhe. Aus diesem
                              Grunde habe ich auch der Wasserstandsröhre und der Scala eine solche Länge gegeben, daß man
                              Druckhöhen von 3 bis 13 Zoll beobachten kann. Da ferner bei gleicher Druckhöhe die
                              Ausflußmenge nahe wie die Querschnittsgröße der Ausflußmündung wächst, und sich
                              diese wie das Quadrat ihres Durchmessers verhält, so hat man der nächst größeren
                              Mündung einen doppelt so großen Querschnitt oder einen √2 = 1,4142, d. i. circa 17/12 mal so großen Durchmesser zu geben, als der
                              ersteren Mündung, damit das Ausflußquantum ein doppeltes werde und die Wassermengen,
                              welche bei den verschiedenen Druckhöhen von 3 bis 12 Zoll ausfließen, mit den
                              Wassermengen der ersteren Mündung eine zusammenhängende Reihe bilden. Das
                              Ausflußquantum dieser Mündung bei 12 Zoll Druckhöhe ist folglich viermal so groß als
                              dasjenige, von welchem wir mit der nächst kleineren Mündung bei 3 Zoll Druckhöhe
                              ausgegangen sind; schrauben wir nun aber ein Mundstück ein, dessen Mündung wieder
                              doppelt so groß als die letzte, also viermal so groß als die erste ist, deren
                              Durchmesser also auch zweimal so groß ist als der Durchmesser der ersten Mündung, so
                              wird das Wasserquantum von Neuem verdoppelt, so daß dasselbe unter 3 Zoll Druck
                              viermal und unter 12 Zoll. Druck achtmal so groß ausfällt, als die anfängliche
                              Wassermenge. Ein viertes Mundstück von dem achtfachen Gehalte oder dem √8 =
                              2,828, d. i. circa 17/6 fachen Durchmesser verdoppelt
                              die Wassermenge von Neuem; folglich lassen sich mittelst dieser vier Mundstücke
                              allein Wassermengen von 1 bis 16facher Größe ausmessen.
                           Ein sehr brauchbares Instrument erhält man, wenn man dem Einsatzstücke mit der
                              engsten Mündung einen Durchmesser von 1/8 Zoll gibt, und mm in einer geometrischen
                              Reihe mit den Durchmessern der übrigen 5 bis 6 Mundstücke aufsteigt, wie folgende
                              Tabelle vor Augen führt.
                           
                              
                                 Mundstücksnummer.
                                       I
                                       II
                                    III
                                      IV
                                    V
                                      VI
                                    VII
                                 
                              
                                    Durchmesser der
                                    Mündung in      
                                    Zollen
                                     1/8=
                                    0,125  
                                    1/8 √2=
                                    0,1768  
                                   2/80,250  
                                    2/8 √2=
                                    0,3535  
                                   4/80,500  
                                   4/8 √2=
                                    0,7070  
                                     8/8=
                                    1,000
                                 
                              
                           Die Tabelle, welche die Messungen des Wassers mit dem hydrometrischen Becher
                              erfordert, ist auf folgende Weise zu entwerfen.
                           
                           Ist F der Querschnitt der Mündung, h die Druckhöhe, g die Beschleunigung der
                              Schwere und μ der sogenannte Ausflußcoefficient,
                              so hat man die Ausflußmenge in der Secunde:
                           Q = μF √2gh,
                              
                           oder stündlich, wenn man h in
                              Zollen gibt:
                           V = 60 . 60 . Q = 3600 Q
                              
                           = 3600 μ√(g/6) F√h Kubikfuß.
                           Nun ist aber g = 31,25 Fuß, daher folgt einfacher
                           V = 8215,8 μF
                              √h Kubikfuß.
                           Für eine Mündung von 1 Zoll Durchmesser ist der Inhalt
                           F = π/4 = 0,7854
                              Quadratzoll = 0,0054542 Quadratfuß,
                           daher hat man für diese
                           
                              
                                 
                                    V
                                    
                                 = 8215,8 . 0,0054542 μ√h
                                 
                              
                                 
                                 = 44,81 μ√h Kubikfuß.
                                 
                              
                           Setzt man für h die Druckhöhen 3, 4... 13 Zoll ein, so
                              erhält man folgende Reihe von Werthen für V, welche
                              jedoch noch mit dem Ausflußcoefficienten μ zu
                              multipliciren sind.
                           
                              
                                   Druckhöhe h in Zollen
                                    3
                                    4
                                     5
                                     6
                                     7
                                     8
                                 
                              
                                 Stündliche
                                    Ausflußmenge  
                                            in
                                    Kubikfußen
                                 77,61  
                                 89,62  
                                 100,20  
                                 109,76  
                                 118,56  
                                 126,74  
                                 
                              
                           
                           
                              
                                   Druckhöhe h in Zollen
                                     9
                                   10
                                   11
                                   12
                                   13
                                 
                              
                                 Stündliche
                                    Ausflußmenge  
                                            in
                                    Kubikfußen
                                 134,43  
                                 141,70  
                                 148,62  
                                 155,23  
                                 161,57
                                 
                              
                           Diese Tabelle gilt natürlich nur für Mündungen von 1 Zoll Durchmesser; um die
                              Wassermengen für die kleineren Mündungen zu erhalten, ist es daher noch nöthig, die
                              Werthe in dieser Tabelle durch 2, 4, 8, 16, 32, 64 zu dividiren.
                           Was den Ausflußcoefficienten μ anlangt, so ist
                              dieser weder bei verschiedenen Druckhöhen, noch bei verschiedenen
                              Mündungsdurchmessern genau derselbe, sondern er nimmt etwas zu, wenn die Druckhöhe
                              und die Mündungsweite eine kleinere wird. Da jedoch die Druckhöhen nur von 3 bis 13 Zoll variiren, und
                              folglich auch niemals ganz klein ausfallen, so kann man für eine und dieselbe
                              Mündung einen mittleren Coefficienten einführen, und hiernach die effective
                              Ausflußmenge berechnen.
                           1) Für die Mündung von 1 Zoll Durchmesser hat man erfahrungsmäßig im Mittel:
                           μ = 0,620;
                           2) für die Mündung von 1/2 Zoll Durchmesser ist dagegen
                           μ = 0,635, ferner
                           3) für die Mündung von 1/4 Zoll Durchmesser hat man
                           μ = 0,660 und endlich
                           4) für die Mündung von 1/8 Zoll Durchmesser
                           μ = 0,690 zu setzen.
                           Tabelle über die stündliche Wassermenge in
                              Kubikfußen für folgende Mündungen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 134, S. 185
                              Druckhöhe in Zollen; Mündung I von
                                 1/8 Zoll = 0,125'' Durchmesser; Mündung II von 0,1768'' Durchmesser; Mündung III
                                 1/4 = 0,250 Zoll Durchmesser; Mündung IV von 0,3535'' Durchmesser; Mündung V von
                                 1/2 = 0,500 Zoll Durchmesser; Mündung VI von 0,7071'' Durchmesser; Mündung VII
                                 von 1 Zoll Durchmesser.
                              
                           
                           Die Ausflußcoefficienten der zwischenliegenden Mündungen sind durch Interpolation zu
                              finden. Weit sicherer geht man allerdings, wenn man sich vor dem Gebrauche des
                              Instrumentes durch Versuche die Coefficienten für jede Mündung besonders bestimmt,
                              und mit Hülfe dieser Coefficienten eine Tabelle zum Gebrauche berechnet.
                           Durch Anwendung der angegebenen Coefficienten ist vorstehende Tabelle berechnet
                              worden, welche für die oben angegebenen sieben Mündungen und für jede von Zoll zu
                              Zoll steigende Druckhöhe zwischen 3 und 13 Zoll preuß. Maaß die stündliche
                              Ausflußmenge in Kubikfußen angibt. Es läßt sich dieselbe leicht durch Interpolation
                              so weit ausdehnen, daß sie direct die Wassermenge für jede in Zoll und Zehntelzoll
                              ausgedrückte Druckhöhe angibt.
                           In der Tabelle enthält die erste Columne die Druckhöhen und geben die übrigen
                              Columnen die entsprechenden stündlichen Wassermengen für sieben verschiedene
                              Mündungen. Durch die Zahlen zwischen den Zeilen werden die Differenzen der
                              benachbarten Zahlenwerthe ausgedrückt, wodurch dann leicht Zwischenwerthe
                              interpolirt werden können. Wie diese Tabelle zu gebrauchen ist, mögen folgende
                              Beispiele zeigen.
                           1) Die Wassermenge, welche unter einer Druckhöhe von 8 Zoll aus der Mündung Nr. III
                              von 1/4 Zoll Durchmesser stündlich fließt, ist 5,23 Kubikfuß.
                           2) Aus der Mündung Nr. V von 1/2 Zoll Durchmesser strömt unter 6 1/2 Zoll Druck ein
                              Wasserquantum von 17,42 + 1/2 . 1,40 = 18,12 Kubikfuß stündlich.
                           3) Fließt das Wasser einer Quelle unter der Druckhöhe von 4,7 Zoll aus der Mündung
                              Nr. VI von 0,7071 Zoll Durchmesser, so ist die Ergiebigkeit derselben
                           28,12 + 0,7 . 3,32 = 30,54 Kubikfuß in der Stunde.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
