| Titel: | Ueber die natürliche und die künstliche Befruchtung der Fischeier; von Hrn. C. Millet. | 
| Fundstelle: | Band 134, Jahrgang 1854, Nr. LXVI., S. 230 | 
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                        LXVI.
                        Ueber die natürliche und die künstliche
                           Befruchtung der Fischeier; von Hrn. C. Millet.
                        Aus den Comptes rendus, Juli 1854, Nr.
                              2.
                        Millet, über die natürliche und die künstliche Befruchtung der
                           Fischeier.
                        
                     
                        
                           Fünf Jahre lang, vom Jahr 1848 bis zum Jahr 1854, stellte ich zahlreiche Versuche
                              über die künstliche Befruchtung behufs der Fischzucht an; zu den Abhandlungen,
                              welche ich über diesen Gegenstand bereits veröffentlicht habe, folgt hier ein
                              Nachtrag.
                           Unter den verschiedenen Fischspecies unterscheidet man: 1) die in laufendem Wasser
                              laichenden; 2) die in stillem, stehendem Wasser laichenden. Zu den erstem gehören
                              die Lachse, Forellen, Aeschen etc.; zu den letztem der Karpfen, die Schleihe
                              etc.
                           Die Forelle macht zur Zeit des Eierlegens ein wahrhaftes
                              Nest; sie wählt dazu ein Bett von grobem Kies oder Kieselsteinen welche durch
                              klares, laufendes Wasser bespült werden; sie rührt dieselben auf, damit alle darin
                              zurückgehaltenen und vom Wasser abgesetzten fremdartigen Körper weggeschwemmt
                              werden. Dann höhlt sie inmitten der Kieselsteine Löcher aus, in welche sie die Eier (den
                              Rogen) abfließen läßt, indem sie sich in geringer Entfernung von dem Loch gegen den
                              Strom stellt; in dem Maaße als die Eier vom Weibchen austreten, werden sie vom
                              Männchen durch einige Tropfen oder Strahlen von Milch befruchtet; die Forelle deckt
                              hierauf ihr Nest mit den vorher weggeschobenen Kieseln zu.
                           Man kann selbst in laufendem Wasser Laichplätze herstellen. Ist das Bett mit grobem
                              Kies oder Kieselsteinen versehen, so benutzt man dieses Material an Ort und Stelle;
                              man braucht dann nur diese Steine mittelst einer Schaufel oder eines Rechens so zu
                              bewegen, daß sie Haufen, Hügel oder kleine Dämme mit schwachem Abhange bilden. Die
                              Herstellung solcher Laichplätze ist mit gar keinen Schwierigkeiten verbunden und
                              verursacht wenig Kosten. Wenn sich auf dem Grund des Wassers die geeigneten
                              Materialien nicht vorfinden, schafft man Kies, Kieselsteine oder Steine hinein.
                           Die Herstellung solcher künstlichen Laichplätze gewährt außer vielen anderen
                              Vortheilen den, daß die Forellen in dem wieder zu bevölkernden laufenden Wasser
                              zurückgehalten werden. Sie sind so verläßlich, daß ich Forellen in Löchern und
                              Gräben ehemaliger Torfgruben zum Laichen brachte, in welche vor der gewöhnlichen
                              Laichzeit einige Schubkarren voll zerklopfter Steine, wie sie zum Straßenbau dienen,
                              geworfen worden waren.
                           Die Aesche (der Ritter aus dem Genfersee) laicht oft in
                              sehr beträchtlicher Tiefe (30–40 Meter). Ich ließ einige Kubikmeter von
                              zerschlagenen Steinen und Kieselsteinen in 8 bis 40 Meter (30 Fuß) tiefe Gruben
                              werfen; dieselben dienten den Aeschen als Laichplatz.
                           Für die Barbe, den Kaulkopf
                              (le chevenne), den Gründling (die Kresse) etc. bildet man an Stellen, wo das laufende Wasser
                              nur eine geringe Tiefe hat, schwach abhängige Ufer, Haufen oder kleine Hügel von
                              Steinen und Flußkies, welche Materialien man vorher mit der Schaufel oder dem Rechen
                              umkehrt und reinigt.
                           Der Dickkopf (Alant) und die Ellritze (vielfärbiger Gründling) laichen ganz gut in denselben Wässern,
                              wie die Forelle, namentlich in den Quellen oder den Bächen. Die Jungen beider
                              kriechen zur selben Zeit aus wie die Sälmlinge, die kleinen Forellen, Aeschen etc.,
                              und können sich schon recht gut mit sehr kleinen Fischen, die noch kein festes
                              Fleisch haben, ernähren.
                           Der Dickkopf sucht sich Steine aus, welche unterhalb
                              einige Höhlungen haben, in welchen er seine Eier in kleinen Gruppen vereinigt. Vorher richtet er aber
                              stets den Platz zurecht, wo er sein Nest machen will; er
                              höhlt sich nämlich einen Gang mit Ein- und Austritt aus. Das Weibchen
                              schlüpft unter den Stein, dreht sich rasch auf den Rücken um, so daß sein Bauch
                              gegen den Stein zu liegen kommt, an welchen es einen Theil seiner Eier absetzt, die
                              sogleich daran kleben bleiben; hierauf dringt das Männchen in das Nest und spritzt,
                              sich in gleicher Weise wie das Weibchen auf den Rücken wendend, einige Tropfen Milch
                              auf die eben erst gelegten Eier aus. Der Dickkopf bewacht sein
                                 Nest, und bleibt am Eintritt des Ganges, um die schädlichen Thiere zu
                              verjagen.
                           Für Brachsen, Karpfen, Schleihen etc. errichtet man die
                              Laichplätze in einem ruhigen Wasser, welches durch die Sonnenstrahlen auf eine
                              lauwarme Temperatur gebracht werden kann. Namentlich der Karpfen laicht vortrefflich
                              in Sümpfen mit vollkommen stehendem Wasser. Man kann auch
                              bewegliche Laichplätze mittelst Faschinen oder Flechtwert herstellen, die man dann
                              nahe am Ufer als schwach geneigte Fläche einsetzt und mit einigen Rasen- oder
                              Binsenschollen beschwert.
                           Der Barsch laicht auf ganz besondere Weise. Seine Eier,
                              gruppenweise zusammengeklebt, bilden ein breites Band, welches wie eine
                              Spitzenstickerei aussieht. Dieser Fisch hat einen einzigen Eierstock, den er auf
                              einmal ganz ausleert. In vielen Teichen, Seen und Weihern sammelt man Barscheneier
                              mit Reisbunden oder Faschinen, die man in das Wasser taucht. Zur Laichzeit verläßt
                              der Barsch das fließende Wasser und sucht ruhige Plätze. Um Laichplätze für ihn
                              herzustellen, bringt man Binsen- oder Grasschollen, Faschinen oder Astwerk in
                              das Wasser oder, besser noch, man steckt am Ufer auf 1 1/2 bis 3 Fuß Tiefe einige
                              mit kleinen Zweigchen versehene Aeste, z.B. von Weiden, ein. Das Einsammeln der Eier
                              ist stets sehr leicht, denn man braucht nur die Bänder mit einem Stab oder einer
                              kleinen Gabel abzuheben.
                           Künstliche Laichplätze für einige Karpfen- (Cyprinus-) Arten, namentlich Brachsen und Rothaugen, und für den
                              Barsch, wurden bereits an vielen Orten zur Wiederbesetzung der Wässer angewendet.
                              Schon im Jahr 1761 erhielt damit Lund sehr gute
                              Resultate; denn es gelang ihm, mehr als 10 Millionen junge Fische zu erzeugen.