| Titel: | Ueber die Vervollkommnungen der unterseeischen und unterirdischen Telegraphenleitungen; von C. F. Varley. | 
| Fundstelle: | Band 134, Jahrgang 1854, Nr. CXXIII., S. 418 | 
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                        CXXIII.
                        Ueber die Vervollkommnungen der unterseeischen
                           und unterirdischen Telegraphenleitungen; von C. F. Varley.
                        Aus dem Cosmos, Revue encyclopédique, October 1854,
                              S. 505.
                        Varley, über die Vervollkommnungen der unterseeischen und
                           unterirdischen Telegraphenleitungen.
                        
                     
                        
                           Der junge Erfinder hat der British Association for the
                                 advancement of science die Versuche mitgetheilt, welche er mit Drähten
                              angestellt hat, die mit Gutta-percha überzogen waren, und deren Länge von 30
                              bis 1500 engl. Meilen (45 bis 2250 Kilom.) wechselte. Die Resultate dieser Versuche
                              sind auf einer vergrößerten Zeichnung dargestellt, deren Original durch den Strom
                              selbst gezeichnet wurde, indem derselbe die Auflösungen von Kaliumeisencyanür und
                              salpetersaurem Ammoniak, womit das Papier getränkt war, zersetzte. Sie zeigen, daß
                              der elektrische Strom nicht augenblicklich an dem Ende des Leitungsdrahtes anlangt,
                              sondern daß er sich, wenn der Draht durch Induction, wie eine Leidner Flasche
                              geladen ist, sich fortpflanzt und stufenweise an Intensität zunimmt. Er erreicht das
                              Maximum seiner Kraft am Ende des 1500 Meilen langen Leitungsdrahtes erst nach 7
                              Secunden, und circulirt noch 7 Secunden lang, nachdem seine Verbindung mit der
                              Batterie aufgehoben worden ist. Bei dem jetzigen System der Telegraphie wären mit
                              einem solchen Draht zur Erzeugung eines Signals 50 Secunden nöthig, und die
                              Transmission eines Wortes würde durchschnittlich 3 Minuten erfordern. Hr. Varley zeigt, daß bei den
                              unterseeischen und unterirdischen Leitungen zwischen Holland, London, Liverpool und
                              andern Orten die Apparate von Bain und Morse mit einer Geschwindigkeit arbeiten würden, welche
                              für die Bedürfnisse des Handels viel zu gering wäre, daß aber mit Hülfe eines von
                              ihm selbst erfundenen Apparates diese Drähte seit sechs Monaten zu einer mehr als
                              genügenden Transmission, nämlich von 25 Wörtern per
                              Minute sich qualificiren, was 300 Umkehrungen des Stroms per Minute veraussetzt. Wenn die Telegraphen von Bain und Morse mit diesen Drähten rasch
                              arbeiten wollten, so würden die Signale sich verwirren, weil der ein solches Signal
                              erzeugende Impuls noch nicht aufgehört hat, wenn bereits der zweite Impuls gegeben
                              wird.
                           Mit Varley's Apparat dagegen erzeugt man durch Umkehrung
                              des Stroms bei jeder Bewegung des Schlüssels äußerst rasch wechselnde Ströme,
                              welche, obgleich an dem Ende des Drahtes sehr schwach, doch hinreichen den
                              Galvanometer, welcher die Function des Relais vertritt, in Thätigkeit zu setzen. Dieses
                              Relais setzt eine locale Batterie in Wirksamkeit, welche die telegraphischen Signale
                              erzeugt. Der kleine Arm der Relaisachse streift, anstatt gegen einen festen
                              Aufhälter zu treten, in schiefer Richtung gegen eine goldene Feder, indem er die
                              kleine Luftschicht verdrangt, welche den Schluß der localen Kette hindern würde. Bei
                              dieser Anordnung unterstützt auch das Gewicht die Herstellung des Contactes. Der
                              Apparat ist so empfindlich, daß vier Daniell'sche
                              Elemente aus Kupfer und Zink hingereicht haben, Depeschen von London nach Manchester
                              zu befördern. Die Vortheile dieser chemisch-telegraphischen Methode bestehen
                              dem Nadeltelegraphen gegenüber darin, daß sie nur einen Draht erfordert, daß sie
                              eine gedruckte Copie sämmtlicher Depeschen gibt, daß sie bei einer viermal so
                              schwachen Kraft wirksam ist, endlich daß sie durch einen Fehler an der Isolirung der
                              Drähte keine Unterbrechung erleidet. Diese Vortheile werden dadurch erreicht: 1) daß
                              man den Leitungsdraht bei jeder Bewegung des Schlüssels entladet; 2) daß man zur
                              Herstellung des Contactes die Elektricität durch die Schwere unterstützen läßt, und
                              auf diese Weise die Summe der beiden Kräfte anstatt ihrer Differenz benützt; 3) daß
                              man den Contact des Relais durch eine gleitende Bewegung bewerkstelligt – ein
                              Umstand, welcher die Schließung der Kette mit einem sehr geringen Theile der Kraft
                              der Batterie gestattet. Der Apparat würde selbst dann noch wirksam seyn, wenn eine
                              Ableitung der Elektricität zwischen beiden Drähten stattfinden würde; und in Folge
                              dieser Eigenschaft qualificirt sich der neue Telegraph vollkommen für den Fall, wo
                              die Leitungsdrähte durch die Luft geführt sind, und wo sich der Strom von einem
                              Draht in den andern verliert, namentlich bei nasser Witterung, wo die feuchten
                              Pfähle nur unvollkommen isoliren.
                           Nach Erörterung der mechanischen Schwierigkeiten, welche die Herstellung einer
                              telegraphischen Leitung zwischen England und Amerika darbieten würde, theilt Varley
                              als Resultat seiner Erfahrungen noch folgende Notizen mit: 1) Wenn ein Draht in
                              einer nicht leitenden Atmosphäre oder einem sonstigen isolirenden Medium aufgehängt
                              werden könnte, ohne daß ein Leiter in der Nähe wäre, so würde die Transmission des
                              elektrischen Stroms beinahe momentan seyn, wie groß auch die Länge des
                              Leitungsdrahtes wäre; 2) ein dem Drahte genäherter Leiter würde durch Induction die
                              Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Stromes vermindern, wovon man sich durch einen
                              Versuch, der mit einem 1500 Meilen langen Draht angestellt wurde, überzeugt hat. 3)
                              Ist der Draht mit einer nicht leitenden Substanz, z.B. Gutta-percha,
                              überzogen, so vermindert sich die Induktion in dem Maaße, als die Dicke der
                              isolirenden Schicht
                              zunimmt. 4) Das Leitungsvermögen eines Drahtes ist seiner Masse, die Induction
                              dagegen seiner Oberfläche proportional.
                           Varley schließt seine Abhandlung mit der Berechnung der
                              Dimensionen eines 3000 Meilen langen Taues, welches die Transmission von 25 Wörtern
                              per Minute zuläßt. „Ein Kupferdraht, sagt
                                 er, von 1/6 Zoll Durchmesser mit einer ungefähr 1/2 Zoll dicken
                                 Gutta-percha-Schicht überzogen, könnte mit einem Apparate 25
                                 Wörter per Minute auf eine Entfernung von 3000
                                 Meilen befördern. Mit dem gewöhnlichen Telegraphen müßte der Draht 3/8 Zoll
                                 Durchmesser haben, und in eine 3/4 Zoll dicke Gutta-percha-Schicht
                                 gehüllt seyn, was einen Totaldurchmesser von ungefähr 2 Zoll gibt.“
                              
                           Mit Varley's Apparat sind von Seiten der Gesellschaften
                              des internationalen elektrischen Telegraphen sechs Monate lang Versuche angestellt
                              worden.