| Titel: | Verfahren direct positive Lichtbilder auf Glas zu erzeugen; von R. le Grice, Director der Gasanstalt in Aachen. | 
| Fundstelle: | Band 136, Jahrgang 1855, Nr. LXVI., S. 266 | 
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                        LXVI.
                        Verfahren direct positive Lichtbilder auf Glas zu
                           erzeugen; von R. le
                              Grice, Director der Gasanstalt in Aachen.
                        Aus Böttger's polytechnischem Notizblatt, 1855, Nr.
                              6.
                        Le Grice's Verfahren direct positive Lichtbilder auf Glas zu
                           erzeugen.
                        
                     
                        
                           Schon mehrfach von Photographen vom Fach, sowie von Dilettanten, um Mittheilung
                              meines Verfahrens zur directen Erzeugung positiver Bilder auf Glas ersucht, fühle
                              ich mich veranlaßt, dasselbe der Oeffentlichkeit zu übergeben. Die vielen
                              Abhandlungen über diesen Gegenstand lassen es zwar gewagt erscheinen, etwas Neues
                              darin anzugeben, aber man wird bei Vergleichung meines Verfahrens mit den
                              Verfahrungsweisen Anderer dennoch leicht erkennen, daß dasselbe wesentlich davon
                              abweicht, und glaube ich, daß keins bis jetzt bekannt seyn dürfte, welches so
                              einfach in seiner Ausführung ist und dabei so gute und sichere Resultate gibt.
                           Mein Bestreben ging dahin, direct positive Bilder auf Glas jederzeit und mit größerer
                              Sicherheit, als auf bisherigem Wege anzufertigen und dabei die Feinheit des
                              Daguerreotyps, die Klarheit der Papierbilder und den Künstlereffect einer
                              Miniaturzeichnung zu vereinigen. Ich kann die Versicherung geben, daß bei den
                              Bildern, die ich als Dilettant in oft längeren Zeitunterbrechungen für meine
                              Bekannten anfertigte, unter sechs Versuchen sicher immer fünf gelangen.
                              Voraussetzend, daß die Leser dieses Aufsatzes mit den zur Photographie
                              erforderlichen Handgriffen u.s.w. bekannt und vertraut sind, habe ich mich bloß auf
                              Mittheilung des Wesentlichsten meines Verfahrens hier beschränkt, und erkläre ich
                              mich mit Vergnügen zu jeder ferneren Angabe bereit.
                           1) Bereitung der Collodium-Baumwolle. 1
                              Gewichtstheil gepulverter reiner Salpeter (der unmittelbar vor dem Gebrauch auf einer heißen Platte aufs
                              vollkommenste ausgetrocknet seyn muß), und 2 Gewichtstheile reine englische
                              Schwefelsäure werden in einer Porzellanschale mittelst des Pistills, unter
                              Vermeidung von Klumpen und Knötchen, zu einem dünnflüssigen Brei vermischt. In
                              dieses Gemenge wird so viel, aufs schärfste getrocknete Baumwolle eingetragen, als
                              dasselbe zu durchtränken vermag. Während 4 bis 5 Minuten wird dem gleichförmigen
                              Aufsaugen durch Kneten mit dem Pistill aufs tüchtigste nachgeholfen. (Bei
                              vollkommener Trockenheit des Salpeters und der Baumwolle wird weder eine sehr
                              bemerkliche Temperaturerhöhung, noch eine starke Entwicklung von salpetrigsauren
                              Dämpfen eintreten.) Aus der Flüssigkeit genommen, wird die so behandelte Baumwolle
                              in einen Eimer voll Regenwasser geworfen. Wenn dieselbe nach einiger Zeit an die
                              Oberfläche des Wassers gestiegen ist, wäscht man sie so lange auf einem Siebe von
                              Weißblech unter einer Regenpumpe aus, bis in der ablaufenden Flüssigkeit durch
                              Lackmuspapier keine Säure mehr zu entdecken ist. Die Waschung wird durch Uebergießen
                              einer reichlichen Menge heißen Wassers beendigt, und das so erhaltene Präparat im
                              warmem Luftzuge getrocknet. Aeußerlich unterscheidet sich dasselbe von gewöhnlicher
                              Baumwolle nur dadurch, daß es sich etwas härter anfühlt und beim Auseinanderreißen
                              ein eigenthümliches knirschendes Geräusch gibt. Es löst sich 1 Gewichtstheil
                              desselben in einer Mischung von 100 Gewichtstheilen Schwefeläther und 18 bis 20
                              Gewichtstheilen absoluten Alkohols auf.
                           2) Collodium. In der eben genannten Mischung von 100
                              Gewichtstheilen Aether und 18 bis 20 Gewichtstheilen absoluten Alkohols wird so viel
                              Collodium-Wolle gelöst, als zur Consistenz erforderlich erscheint. Auf eine
                              Glasplatte gegossen, muß dieses flüssige Collodium nach dem Eintrocknen eine
                              vollkommen durchsichtige und feste Schicht bilden. Zeigt sich aber bei derselben im
                              reflectirten Lichte ein, wenn auch nur leichter bläulicher
                                 Schimmer, so ist das Collodium zu verwerfen, und
                              muß man eine neue Lösung mit mehr Sorgfalt zubereiten. Zu negativen Bildern ist indessen das mit diesem Fehler behaftete Präparat
                              sehr gut zu verwenden.
                           3) Photogenisches Collodium. 1 Gewichtstheil Brom wird in
                              5 Gewichtstheilen Schwefeläther aufgelöst. Mit dieser Flüssigkeit wird 1
                              Gewichtstheil trockenes Kalkhydrat in einer etwas weithalsigen Flasche übergossen.
                              Unter öfterem Umschütteln setzt man eine nicht zu große Quantität reiner Salzsäure
                              zu, und läßt die Mischung 12 bis 18 Stunden ruhig stehen. Ist dieselbe wasserhell
                              geworden, so ist sie zur Anwendung gut; andernfalls aber muß man mit dem Zusatz von
                              Salzsäure fortfahren.
                           Zu 100 Gewichtstheilen des in Nr. 2 angegebenen Collodiums, worin 1 Gewichtstheil
                              Jodammonium (besser aber ebensoviel Jodzink) aufgelöst ist, setzt man 10 bis 20
                              Tropfen der hier zuletzt angegebenen Flüssigkeit zu, und so viel Zimmetöl, als an
                              der Spitze einer gewöhnlichen Stricknadel haften kann. (Dieser letztere Zusatz ist
                              bloß für positive Bilder erforderlich).
                           4) Silbersalz-Bad. 8 Gewichtstheile salpetersaures
                              Silberoxyd löst man in 100 Gewichtstheilen destillirten Wassers. Mit Vortheil kann
                              man dabei alte Silbersalzbäder, die zur Bereitung positiven Papiers gedient haben,
                              verwenden.
                           
                           Da das nach meiner Vorschrift bereitete Collodium für sich schon sauer reagirt, so
                              bedarf das Silbersalzbad keines Zusatzes einer Säure.
                           5) Hervorrufungs-Flüssigkeit für positive Bilder.
                              250 Gewichtstheile destillirtes Wasser, 2 Theile schwefelsaures Eisenoxydul, 1 1/2
                              Theile schwefelsaures Zinkoxyd, 2 Theile Borsäure, 5 Tropfen Schwefeläther. Diese
                              Flüssigkeit wird (wie Pyrogallussäure zur Erzielung negativer Bilder) über die dem
                              Lichte exponirt gewesene Glasplatte gegossen. Die Entwickelung des Bildes tritt
                              langsam und ungemein gleichförmig ein.
                           6) Fixirungs-Flüssigkeit. Eine concentrirte Lösung
                              von unterschwefligsaurem Natron, oder die folgende Auflösung: 100 Gewichtstheile
                              Wasser, 5 Gewichtstheile Cyankalium, 2 Gewichtstheile salpetersaure Silberoxydlösung
                              (bestehend aus 8 Gewichtstheilen Silbersalz und 100 Gewichtstheilen destillirtem
                              Wasser).
                           Wie schon oben bemerkt, zeigt sich das nach meiner Angabe bereitete Collodium, trotz
                              seiner etwas dunkelorange Färbung, ungemein empfindlich gegen Licht. Bei Aufnahme
                              von Landschaften genügt ein Bruchtheil einer Secunde, um,
                              ohne sogenanntes Verbrennen der stärksten Lichtpartien, alle Einzelnheiten des
                              Vordergrundes so wie des Baumschlags zu erzielen; Vorzüge, die ich bei anders
                              bereitetem Collodium nie gefunden habe. Zur Aufnahme von Porträts genügen 2 bis 20
                              Secunden, je nach der Stärke und Eigenschaft der Beleuchtung. Zu positiven Bildern
                              ist es gut, das Collodium etwas dickflüssig anzuwenden. Bei guter Behandlung darf es
                              nach dem Trocknen keine Streifen zeigen. Beim Herausnehmen aus dem Silbersalzbade
                              muß die Schicht ziemlich weiß aussehen. – Die präparirte Platte kann, ohne an
                              Empfindlichkeit zu verlieren, mehrere Stunden aufbewahrt werden. Es scheint sogar,
                              daß frisch aus dem Silbersalzbad angewandte Platten weniger empfindlich sind, als
                              solche, die man 5 bis 6 Minuten hat stehen lassen. – Platten, die mit
                              destillirtem Wasser aufs beste abgewaschen sind, können bis 24 Stunden aufbewahrt
                              bleiben und geben noch immer in 2 bis 3 Secunden ein sehr kräftiges Bild
                              (Landschaft). Solche Platten müssen nach der Exposition, und ehe man zur
                              Hervorrufung des Bildes schreitet, in ein schwaches, etwas säuerliches Silbersalzbad
                              (aus 100 Theilen Wasser, 2 Theilen Silbernitrat und ein paar Tropfen Salpetersäure
                              oder Essigsäure bestehend) getaucht werden. Ohne diese Silbersalzlösung abzuspülen,
                              gießt man die Hervorrufungs-Flüssigkeit auf. Das Bild kommt, wie schon
                              bemerkt, sehr langsam, aber mit einer außerordentlichen Reinheit und Schärfe zum
                              Vorschein.
                           
                           Daß die präparirte Platte vor der Exposition sorgfältigst vor Lichteinwirkung (selbst
                              starkem Kerzenlicht) bewahrt werden muß, ist unumgänglich nöthig, da sonst ein
                              Hauptvortheil meines Verfahrens, die vollkommene
                                 Durchsichtigkeit der tiefen Schatten, wegfallen und eine sogenannte
                              Verschleierung eintreten würde.