| Titel: | Beschreibung einer Frictions-Aus- und Einrückung, welche sich sowohl für Transmissionswellen, als auch für isolirt stehende Maschinen eignet; von Hrn. H. Thierry-Köchlin. | 
| Fundstelle: | Band 136, Jahrgang 1855, Nr. LXXIV., S. 322 | 
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                        LXXIV.
                        Beschreibung einer Frictions-Aus-
                           und Einrückung, welche sich sowohl für Transmissionswellen, als auch für isolirt
                           stehende Maschinen eignet; von Hrn. H. Thierry-Köchlin.
                        Aus dem Bulletin de la Société industrielle de
                                 Mulhouse, 1854, Nr. 127.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              V.
                        Köchlin's Frictions-Aus- und Einrückung für
                           Transmissionswellen.
                        
                     
                        
                           Um Unglücksfällen vorzubeugen, ist es nothwendig, daß man den Motor oder die
                              treibende Welle zu allen Zeiten und plötzlich stille stellen kann. Hiezu bedient man
                              sich gewöhnlich der Ausrückungen. Je mehr solcher Ausrückungen an einer und
                              derselben Wellenleitung angebracht sind, desto schneller wird die Hülfe seyn, und
                              wenn auch Unfälle nie vollständig werden vermieden werden können, so muß man doch
                              bestrebt seyn, denselben so viel als möglich vorzubeugen und ihre Folgen nach
                              Kräften zu verringern.
                           Es ist anerkannt, daß der größte Theil der Unglücksfalle in Fabriken bisher dadurch
                              erfolgte, daß von den Scheiben abgefallene Riemen sich um die Achsen wickelten und
                              den Arbeiter mitnahmen, welcher mit dem Wiederauflegen des Riemens auf die
                              Riemenscheibe beschäftigt war. Kann in einem solchen Falle der Motor oder die Welle
                              noch rechtzeitig stillegestellt werden, so wird ein größeres Unglück vermieden, und
                              die Folgen des Unfalles sind vielleicht nur geringe Beschädigungen.
                              Unglücklicherweise verstreicht aber gewöhnlich zu viele Zeit zwischen dem
                              Augenblicke wo der Arbeiter von dem Riemen erfaßt wird, und demjenigen wo es gelingt
                              die Welle oder den Motor stille zu stellen. Brächte man an der Wellenleitung, die
                              durch einen Arbeitssaal geht, eine Ausrückvorrichtung an, welche plötzlich wirkt,
                              und die überall in dem Saale gehandhabt oder in Thätigkeit versetzt werden kann, so würde man in den
                              meisten Fällen die Welle noch rechtzeitig abstellen können.
                           Aehnliche Anordnungen bestehen nun zwar in sehr vielen Fabriken schon lange Zeit,
                              aber sie sind gewöhnlich der Art, daß sie nicht schnell genug wirken, und, während
                              der Hauptmotor im Gange ist, nicht wieder eingerückt werden können; überdieß sind
                              sie in der Regel am Ende des Saales angebracht, und es verstreicht daher bei einem
                              eintretenden Unfalle oft zu viel Zeit, ehe man zu ihnen gelangt und sie wirksam
                              gemacht werden können.
                           Die nun zu beschreibende Aus- und Einrückung hat diese Uebelstände nicht. Seit
                              sechs bis sieben Jahren, wo die HHrn. André Köchlin anfingen sie anzuwenden, wurde ihre Wirksamkeit in vielen Fabriken
                              und unter sehr verschiedenen Umständen erprobt, und ihre allgemeine Anwendung könnte
                              nur von gutem Erfolge seyn.
                           Diese Vorrichtung besteht in der Hauptsache aus einer Scheibe mit cylindrischem
                              Rande, der innen genau ausgedreht ist; diese Scheibe ist an der Seite eines
                              Zahnrades, oder auf dem Anfange der Wellenleitung befestigt, welche durch einen
                              Arbeitssaal geht. In dem cylindrischen Theile dieser Scheibe befindet sich eine
                              zweite, die außen auf ihrem Umfange abgedreht ist und welche aus drei Segmenten
                              besteht, die mit den Armen einer Nabe oder mit einer an dieselbe angegossene Platte
                              in Verbindung stehen. Letztere ist auf dem Anfange der zu kuppelnden Welle fest.
                              – Die Segmente dieser inneren Scheibe sind so auf der Platte befestigt, daß
                              sie sich auf derselben verschieben lassen, wodurch der Durchmesser der Scheibe
                              vergrößert oder verkleinert werden kann. Um diese expandirende Bewegung
                              hervorzubringen, befindet sich zwischen je zwei Segmenten eine Schraube, die zur
                              Hälfte mit einem rechten, zur Hälfte mit einem linken Gewinde versehen ist, und für
                              welche die Muttern in den Segmenten selbst liegen. Dreht man nun diese Schrauben
                              gleichzeitig links oder rechts, so nähern sich diese Segmente einander oder sie
                              entfernen sich von einander. Da nun im letzteren Falle ihr Durchmesser zunimmt, so
                              legen sie sich an die innere Seite des cylindrischen Randes an, der an der äußeren
                              Scheibe angebracht ist, welche sich an der treibenden Welle befindet. Durch ein
                              allmählich stärkeres Andrücken der Segmente an diesen Rand wächst nun die Reibung
                              zwischen beiden so, daß endlich die Platte, auf welcher die Segmente liegen,
                              mitgenommen wird, und folglich auch die Achse welche durch den Arbeitssaal geht.
                              – Um auszurücken, ist dasselbe zu thun, nur in umgekehrter Richtung; die
                              Drehung der Schrauben nähert die Segmente einander, ihr Durchmesser verringert sich,
                              die Berührung zwischen
                              den beiden Scheiben hört auf, und die Welle steht augenblicklich stille.
                           Die Bewegung oder Drehung der Schrauben geschieht durch einen Ausrückhebel, welcher
                              auf eine mit einer Nuth versehene Hülse (Muff) wirkt, die sich der Länge nach auf
                              der Nabe der Scheibe verschieben läßt, auf welcher sich die Segmente befinden und
                              welche auf die zu kuppelnde Achse aufgekeilt ist. An der Hülse (dem Muff) sind
                              außerdem noch drei Ansätze oder Ohren angebracht, welche drei Gelenke aufnehmen;
                              deren zweites Ende mit einem Hebel in Verbindung steht, welcher rechtwinkelig auf
                              die Schrauben aufgesteckt ist. Es folgt hieraus, daß wenn man den Muff der Länge
                              nach und mittelst des Ausrückhebels auf der Achse verschiebt, diese Bewegung in
                              Bezug auf die Schrauben in eine drehende verwandelt wird, die dann dazu dient, die
                              Segmente aus einander zu schieben oder zusammenzuziehen.
                           Die Vortheile, welche diese Aus- und Einrückung gewährt, sind folgende: die
                              erforderliche Kraft um sie in oder außer Thätigkeit zu setzen, ist nur unbedeutend,
                              was bei den gewöhnlichen Ausrückungen mit Klauen oder Zahnen nicht der Fall ist, da
                              bei letzteren die zum Ausrücken nöthige Kraft mit der Belastung oder dem Widerstande
                              der Welle wächst. Für eine Sicherheits-Ausrückung ist aber leichte
                              Beweglichkeit unstreitig eine Hauptbedingung. Ein zweiter Vorzug dieses Systemes
                              besteht darin, daß die Wellen eingerückt werden können, während der Hauptmotor im
                              Gange ist, so daß es nicht nöthig ist, jedesmal die ganze Fabrik stille zu stellen,
                              wenn man in den Fall gekommen war einen Wellenast auszurücken. Eine Folge dieser
                              Leichtigkeit in der Handhabung ist, daß man, sobald es sich darum handelt, irgend
                              eine Reparatur vorzunehmen, einen Riemen wieder aufzulegen oder irgend eine Arbeit
                              zu verrichten, die während das Triebwerk im Gange ist, gefährlich werden kann, sich
                              leicht entschließt einen einzelnen Wellenast auszurücken, da der übrige Theil der
                              Fabrik ohne Unterbrechung fortgehen kann. Man würde diese Ausrückung vielleicht aber
                              nicht vorgenommen haben, wenn sie einen allgemeinen Stillstand veranlaßt hätte, und
                              in diesem Falle sich lieber den Folgen ausgesetzt haben, welche die genannte Arbeit
                              mit sich bringen kann, wenn sie während des Ganges vorgenommen wird.
                           Dieses Aus- und Einrücksystem kann mit anderen, allgemein bekannten, combinirt
                              werden, so daß es sich nach Bedürfniß jedem Industriezweige anpassen läßt, und es
                              mag zum Schlüsse nur noch angeführt werden, daß man mittelst desselben die
                              Transmission der Bewegung für eine ganze Schnellbleicherei so anordnen konnte, daß
                              man, sobald ein aus den Kufen, der Waschmaschine etc. kommendes Stück sich verwirrte oder
                              einen Knoten bekam, die ganze Transmission augenblicklich stille zu stellen vermag,
                              indem man einfach an einer der Schnüre zieht, welche an verschiedenen Stellen des
                              Arbeitslocales von der Decke wie Glockenzüge herabhängen. Wenn es nun möglich war,
                              eine großartige Bleicherei, bei welcher so verschiedene Operationen vorkommen, so
                              einzurichten, daß dem Zerreißen und Verderben einzelner Zeugstücke vorgebeugt werden
                              kann, so wird es gewiß noch viel leichter seyn, ähnliche Sicherheitsvorrichtungen
                              für andere. Industriezweige auszuführen.
                           Fig. 1 Ansicht
                              des Apparates in der Richtung der Achse, wobei die äußere Scheibe mit cylindrischem
                              Rande abgehoben ist.
                           Fig. 2
                              Seitenansicht desselben.
                           Fig. 3
                              Durchschnitt nach der Linie 1–4 in Fig. 1.
                           A und B sind die zwei
                              Wellenenden, welche beim Einrücken mit einander gekuppelt, beim Ausrücken dagegen
                              von einander unabhängig gemacht werden sollen. So nahe als möglich an der
                              Aus- und Einrückung angebracht, erhalten zwei gewöhnliche Lager die beiden
                              Achsenenden in ihrer richtigen Lage. C, C Scheibe mit
                              cylindrischem ausgedrehtem Rande, welche auf das Ende der Achse A aufgekeilt ist. Ebenso ist die Scheibe D, D auf der Achse B
                              befestigt. Die Hülse oder der Muff E, welcher durch den
                              Ausrückhebel F auf der Nabe von D verschoben werden kann, versetzt nach dem Willen des den Hebel
                              handhabenden Arbeiters die Schrauben G, G mittelst der
                              Gelenke und Hebel M, N in Umdrehung, und zwar nach der
                              einen oder andern Richtung, und nähert auf diese Weise die drei Segmente H der inneren Oberfläche des cylindrischen Randes an der
                              Scheibe C, oder entfernt sie von derselben. Im ersten
                              Falle wird die Welle, von welcher die Bewegung ausgeht, die zweite mitnehmen, im
                              zweiten Falle wird ausgerückt seyn, oder eine Welle plötzlich stehen bleiben, und
                              zwar beides ohne den geringsten Stoß. Jedes von den gußeisernen Segmenten H ist mittelst zweier Schrauben K, K mit der Platte oder Scheibe D verbunden,
                              und läßt sich auf dem eben abgedrehten Theile I, I
                              dieser Platte verschieben. Die Oberfläche der Segmente, welche sich an dem Rande der
                              Scheibe C, C reibt, besteht aus einem Messingstreifen,
                              der auf das gußeiserne Segment aufgenietet ist. Die Muttern für die Schrauben G, G sind ebenfalls von Messing, und können durch die
                              Stellschrauben L, L regulirt werden, welche in seichte
                              Vertiefungen auf ihrer Oberfläche eintreten.
                           
                        
                           
                           Nachtrag.
                           Die in Vorstehendem beschriebene äußerst zweckmäßige Frictions-Aus- und
                              Einrückung ist dem Principe nach einer englischen ganz gleich, welche schon vor mehr
                              als 13 Jahren ziemlich bekannt war und in der mechanischen Werkstätte der
                              polytechnischen Schule zu Augsburg schon im J. 1843 ausgeführt wurde. Beide
                              unterscheiden sich nur durch die Art und Weise, wie die Segmente verschoben werden;
                              denn während bei der einen zu diesem Zweck Kniehebel oder Kniegelenke angewandt
                              sind, bewirkt Hr. Köchlin diese Verschiebung durch
                              Schrauben mit linkem und rechtem Gewinde.
                           Um den Vergleich beider Aus- und Einrückungen möglich zu machen, folgt hier
                              eine kurze Beschreibung der englischen.
                           Fig. 4 ist
                              eine Ansicht derselben in der Richtung der Achsen, und Fig. 5 ein Durchschnitt
                              rechtwinkelig zu Fig. 4 genommen. A und B sind die beiden Achsenenden, welche so nahe als möglich bei der
                              Kuppelstelle in Lagern liegen. Auf die Achse A ist eine
                              Scheibe C aufgekeilt, die zugleich als Riemenscheibe
                              oder Riemenconus benutzt werden kann, und deren größter Lauf innen cylindrisch
                              ausgedreht ist. Auf der Achse B ist ein Querstück D oder auch ein drei- oder vierarmiges Kreuz
                              mittelst einer Clavette befestigt; in den rinnenförmigen Armen desselben liegen
                              zwei, drei oder vier Prismen F, welche sich radial
                              verschieben lassen, und deren äußere Enden die Segmente bilden, welche sich beim
                              Auswärtsschieben der Prismen an die innere Fläche des cylindrisch ausgedrehten
                              Randes an der Scheibe C anlegen, um die zum Mitnehmen
                              des Querstückes D und der Achse B nöthige Reibung hervorzubringen. Die Verschiebung der Segmente mit ihren
                              prismatischen Stielen geschieht durch eine Hülse oder einen Muff G, welcher sich auf der Achse B verschieben läßt und durch einen gabelförmigen Ausrückhebel bewegt wird.
                              An der Seite des Muffs befinden sich je nach der Zahl der Arme die das Kreuz hat,
                              zwei, drei oder vier Ohren oder Scharnierhälften, an welche die Gelenke H angehängt sind, deren äußere Enden mit den Prismen
                              oder Riegeln F in Verbindung stehen. Es ist nun leicht
                              einzusehen, daß durch die Verschiebung des Muffes in der einen oder anderen Richtung
                              die Segmente einwärts gezogen oder auswärts gedrückt werden, und zwar letzteres mit
                              großer Kraft, da je zwei einander gegenüberliegende Gelenke ein Knie bilden. Daß die
                              Segmente auf der Oberfläche mit Messing bekleidet oder auch mit Vertiefungen
                              versehen seyn können, in welche Sohlleder oder Hirnholz gelegt wird, das leicht wieder
                              zu erneuern ist und große Reibung verursacht, versteht sich von selbst.
                           
                              C. W.
                              
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
