| Titel: | Ueber die Explosionen der Dampfkessel und die Mittel sie zu verhüten; von Hrn. Andraud. | 
| Fundstelle: | Band 137, Jahrgang 1855, Nr. VIII., S. 24 | 
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                        VIII.
                        Ueber die Explosionen der Dampfkessel und die
                           								Mittel sie zu verhüten; von Hrn. Andraud.
                        Aus den Comptes
                                 								rendus, Mai 1855, Nr. 19.
                        Andraud, über die Explosionen der Dampfkessel und die Mittel sie zu
                           								verhüten.
                        
                     
                        
                           Die Arbeiten des Verfassers veranlaßten ihn häufig Luft von den niedrigsten bis zu
                              									den höchsten Pressionen zu comprimiren, wobei ihm der Umstand auffiel, daß gut
                              									construirte Metallgefäße in Folge der ruhigen und regelmäßigen Wirkung des
                              									Flüssigkeitsdruckes niemals explodiren. Wenn der wachsende Druck an der
                              									Widerstandsgränze des Gefäßes angelangt ist, reißt das Metall, und die Flüssigkeit
                              									dringt zischend heraus. In Gefäßen von nicht mehr als 2,05 Millimeter dickem Blech
                              									und 40 Centimeter Durchmesser konnte Luft bis zu 40 Atmosphären Druck comprimirt
                              									werden, ohne daß dieses explosionslose Zerreißen eintrat; um die Explosion
                              									hervorzurufen, mußte der Druck plötzlich von 20 bis zu 200 Atmosphären steigen. Zu
                              									diesem Resultate kam Hr. Andraud mittelst eines eigenen
                              									Apparats, den er Hebel der Flüssigkeitskräfte (levier des
                                 										forces fluides) nennt und der so eingerichtet ist, daß die verdichtete
                              									Luft, indem sie in zwei Cylinder von verschiedenem Durchmesser geht, auf sich selbst
                              									zurückdrücken und plötzlich ihre Kraft zu einer beliebigen Stärke erhöhen kann.
                              									Daraus hat der Verfasser die Ueberzeugung gewonnen, daß die Explosionen der
                              									Dampfkessel nicht einer bloßen Ueberschreitung des regelmäßigen und normalen Druckes
                              									der Flüssigkeit zuzuschreiben sind, sondern der plötzlichen Dazwischenkunft einer
                              									anderweitigen Gewalt, welche den Druck sogleich von einigen wenigen Atmosphären bis
                              									zu mehreren Hunderten von Atmosphären erhöht. Hundert (?) Gründe führen
                              									übereinstimmend darauf
                              									hin, daß diese neue Kraft keine andere seyn kann als die Elektricität, welche sich bei der Verdampfung entwickelt und unter
                              									gewissen Umständen die Fähigkeit erlangt zu explodiren. Es ist nämlich gewiß, daß
                              									bei der Dampfbildung sich Elektricität entwickelt, wie Seguier, Pouillet, Despretz und andere französische und englische Physiker
                              									nachgewiesen haben; nach Becquerel ist diese
                              									Elektricitäts-Erzeugung des Dampfs sogar bei den einem geringen Drucke
                              									entsprechenden Temperaturen am stärksten, was merkwürdigerweise damit
                              									zusammentrifft, daß die Explosionen allemal bei geringer Dampfspannung auftreten. So
                              									zersprangen Locomotiven meines Wissens fast nie mit großartigen Zerstörungen;
                              									bisweilen reißen einige Röhren bei zu starker Dampfspannung ohne weitere
                              									nachtheilige Folgen, und in den seltenen Fällen einer wirklichen Explosion enthielt
                              									der Kessel jedesmal zur Zeit derselben nur Dampf von geringer Spannkraft. Dieß
                              									stimmt wieder damit überein, daß die im Dampfe selbst entwickelte Elektricität unter
                              									gewissen Umständen, nämlich im Zustande der Explodirbarkeit, die einzige Ursache der
                              									knallenden Entzündungen ist, welche die Kessel zerschmettern.
                           Welches sind nun die Umstände, unter denen die Elektricität die Explodirfähigkeit
                              									erlangt? Hr. Andraud glaubt aus gewissen Anzeichen, die
                              									ihm seine Versuche über Verwendung der erhitzten Luft als bewegende Kraft geliefert
                              									haben, schließen zu können, daß das elektrische Fluidum explodirend werden kann,
                              									wenn der eingesperrte Dampf mit Flächen in Berührung ist, welche aus verschiedenen
                              									Metallen zusammengesetzt sind. Was aber immer die Ursache seyn mag, welche die
                              									Elektricität in diesen Zustand versetzt, so sollte man zur Verhinderung von
                              									Explosionen wie hinsichtlich des Blitzes Ableiter errichten, nämlich in dem Kessel
                              									eine oder mehrere Spitzen von nicht oxydirbarem Metall anbringen, welche die
                              									Elektricität in dem Maaße, wie sie sich bildet, ableiten.Man muß sich in der That wundern, daß die HHrn. Morin und Combes die Aufnahme
                                    											vorstehender Notiz in den Comptes rendus der
                                    											französischen Akademie der Wissenschaften begutachteten, da sie so sehr
                                    											gegen die Lehren der Physik verstößt. Es ist allerdings richtig, daß, wenn
                                    											Wasserdampf durch enge Röhren dringt, an denen er sich reibt, die beiden
                                    											Elektricitäten getrennt werden; der austretende Dampf ist dann positiv, der
                                    											Kessel negativ und mit ihm alles Wasser und aller Dampf, den er noch
                                    											enthält. Da nun der Kessel, wenn nicht eigens eine
                                    											Hydro-Elektrisirmaschine gebaut wird, immer mit der Erde in leitender
                                    											Verbindung steht, so muß diese negative Elektricität auch ohne den Andraud'schen Blitzableiter im Augenblicke des
                                    											Entstehens wieder verschwinden. Es ist gar nicht möglich, einen Kessel voll
                                    											von beiden Elektricitäten, und zwar jede getrennt, zu bekommen, damit sie
                                    											bei ihrer Vereinigung explodiren könnten, wie der Verfasser vorauszusetzen
                                    											scheint. Wenn ein elektrischer Funke eine Explosion veranlaßt, so entsteht
                                    											diese nicht direct, sondern indirect nur dann, wenn durch den Funken andere
                                    											Stoffe zu einer Raumvergrößerung gezwungen werden. Bei dem Sprengen
                                    											vermittelst des elektrischen Funkens explodirt nicht der Funke, sondern das
                                    											von ihm angezündete Pulver. Ein solcher Stoff, der sich plötzlich so stark
                                    											ausdehnen könnte, um eine Spannkraft von mehreren 100 Atmosphären zu
                                    											bekommen, ist im Dampfkessel nicht vorhanden. Im Gegentheil, wenn durch die
                                    											Dampfbildung die beiden Elektricitäten getrennt werden, so müßte bei dem
                                    											elektrischen Funken, also der Vereinigung derselben, mithin dem dem vorigen
                                    											Falle entgegengesetzten, auch wieder das Entgegengesetzte von der
                                    											Dampfbildung, nämlich die Bildung tropfbarer Flüssigkeit, also
                                    											Raumverminderung eintreten.Das Springen eines Dampfkessels bietet ganz dieselben Erscheinungen dar,
                                    											welche man bei dem Explodiren einer Compressionspumpe, der Windbüchse, der
                                    											flüssigen Kohlensäure u.s.w. wahrnimmt, und doch hat man in diesen Fällen
                                    											mit der Elektricität nichts zu thun; warum soll also gerade bei dem Wasser
                                    											die Elektricität Schuld seyn? Warum die aus verschiedenen Metallen
                                    											zusammengesetzten Oberflächen der Gefäße die Vereinigung der beiden
                                    											Elektricitäten hervorbringen sollen, ist gar nicht einzusehen; denn
                                    											bekanntlich werden diese getrennt, wenn zwei heterogene Metalle sich
                                    											berühren, wie ja die galvanische Batterie lehrt. Wie kann denn Hr. Andraud auf diesen Schluß kommen, da er ja bei
                                    											seinen Versuchen über die Verwendung der erhitzten Luft als bewegende Kraft,
                                    											die ihn hierauf brachten, wie er angibt, mit der
                                    											Verdunstungs-Elektricität, überhaupt mit der Elektricität gar nichts
                                    											zu thun hatte?W.