| Titel: | Rechts und Links in naturwissenschaftlicher und technischer Hinsicht; von E. Romershausen. | 
| Autor: | Dr. theol. Elard Romershausen [GND] | 
| Fundstelle: | Band 137, Jahrgang 1855, Nr. XXIII., S. 87 | 
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                        XXIII.
                        Rechts und Links in naturwissenschaftlicher und
                           								technischer Hinsicht; von E. Romershausen.
                        Nachtrag zu den Abhandlungen im polytechn. Journal
                           								Bd. CXVII S. 321 und Bd. CXXVII S. 198.
                        Mit Abbildungen.
                        Romershausen, über Rechts und Links in naturwissenschaftlicher und
                           								technischer Hinsicht.
                        
                     
                        
                           So wichtig und einflußreich eine richtige und vergleichbare Bestimmung der Richtungen
                              										Rechts und Links in
                              									naturwissenschaftlicher und technischer Hinsicht ist, so wenig scheinen doch bis
                              									jetzt die Gelehrten darüber einverstanden zu seyn.
                           Hr. Prof. Braun sagt in dieser Beziehung in seiner
                              									neulichen interessanten akademischen Vorlesung „Ueber den schiefen Verlauf
                                 										der Holzfaser und die dadurch bedingte Drehung der Bäume:Monatsschrift der königl. preußischen Akademie der Wissenschaften zu
                                       												Berlin, August 1854, Nr. 10.
                                 									
                              								
                           
                              „Was die Bestimmung von Rechts und Links betrifft, so füge ich mich hier
                                 										demjenigen Sprachgebrauch, der sich aus der Natur der Objecte selbst ergibt und
                                 										den ich als den objectiven bezeichne, im Gegensatz
                                 											der subjectiven Bezeichnung, d.h. der Uebertragung des
                                 										Rechts und Links des Beobachters auf den Gegenstand. Ohne mich auf die fast
                                 										gränzenlose und unbegreifliche Begriffs- und Sprachverwirrung
                                 										einzulassen, die in dieser Beziehung bei den Autoren, besonders den Deutschen,
                                 										zu finden ist, will ich nur bemerken, daß wer die militärische Regel des Rechtsum und Linksum inne hat, sich auch in der Bestimmung des
                                 										Rechts und Links in der Natur, wenn er sich nur in den Gegenstand richtig
                                 										hineindenkt, leicht orientiren wird.“
                              
                           Aber auch diese militärische Regel scheint nicht alle Zweideutigkeiten in Bestimmung
                              									dieser Richtungsverhältnisse auszuschließen, wie sich dieses im Verfolg des
                              									Folgenden näher herausstellen wird. Ich will es daher versuchen, diese immer noch
                              									fortdauernden Differenzen durch einige naturgemäße und allgemeine Regeln zu
                              									beseitigen, um zugleich die in meinen oben bemerkten Aufsätzen gegebenen Ansichten
                              									zu ergänzen.
                           Rechts und Links sind subjective Begriffe und erhalten erst dann eine objective Gültigkeit, wenn wir sie in einem bestimmten Standpunkt an eine im Weltraum feststehende
                              									Richtung anknüpfen und uns über die Bewegungsrichtung der uns vorliegenden
                              									Spiralwindung verständigt haben.
                           Um demnach über diese Richtungsverhältnisse objectiv richtige und vergleichbare
                              									Bestimmungen zu erhalten, ist es unumgänglich nothwendig, daß wir über folgende
                              									Punkte allgemein einverstanden sind:
                           1) Daß eine gerade, von der linken zur rechten Hand vor uns gezogene Linie die
                              									Richtung „Rechts“ und eine solche, von der Rechten zur Linken
                              									hin gerichtete Linie, die Richtung „Links“ bezeichnet.
                           2) Daß die Drehungsrichtung eines jeden uns vorliegenden und aufrecht feststehenden
                              									Gegenstandes nach den unwandelbaren und allgemein bekannten Weltgegenden bestimmt
                              									werden muß, umsomehr, da die Vegetabilien, Bäume, Rankengewächse etc. in naher
                              									Beziehung zu denselben stehen.
                           3) Daß jeder Beobachter dieser nach den Weltgegenden zu bestimmenden Drehungsrichtung
                              									stets ein und dieselbe Stellung in Beziehung auf das vorliegende Object einnehmen
                              									muß. Am zweckmäßigsten scheint die allgemeine Annahme zu seyn, daß sich der Beobachter im Norden
                              									aufstellt, so daß er das Gesicht dem im Süden
                              									vorliegenden Object zuwendet, wo also seine Linke im Osten und die Rechte im Westen liegt, conform dem scheinbaren Sonnenlauf.
                           4) Daß er die von ihm angenommene Bewegungsrichtung der entweder von Unten nach Oben,
                              									oder umgekehrt von Oben nach Unten fortlaufenden Spiralwindung anzeigt.
                           
                           Wenn diese Anordnung allgemein als normal und feststehend angenommen wird, so kann
                              									nie eine Zweideutigkeit in der Bestimmung der Richtungsverhältnisse stattfinden.
                           ––––––––––
                           Die Richtung einer fortschreitenden Bewegung ist entweder geradlinig, wellenförmig
                              									oder krummlinig, und letztere entweder kreisförmig in sich selbst zurückkehrend,
                              									oder spiralförmig vorschreitend. Zu vorliegendem Zweck haben wir hier nur die erste
                              									und die letzte dieser Richtungen zu betrachten. Die verschiedenen, zum Theil
                              									verwickeltem Verhältnisse wollen wir durch einige allgemeine Schemata erläutern.
                           A. Die geradlinige Richtung.
                              										Fig. 1.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 137, S. 89
                              
                           Die gerade Linie OW (Fig.
                                 										1) bezeichnet diese gerade Richtung. Sie schreitet hier, wie dieses der
                              									Pfeil angibt, von Ost nach West vorwärts.
                           1) Steht der Beobachter im Norden (N) mit dem Gesicht
                              									nach Süd (S) gerichtet, so liegt seine Linke l im Osten und die Rechte r
                              									im Westen, mithin erblickt er die mit lr parallele
                              									Bewegungsrichtung OW von der Linken zur Rechten
                              									hin vorschreitend – also Rechts gerichtet. Diese, jedem in N stehenden Beobachter, in Beziehung auf die
                              									Weltgegenden gleichförmig vorliegende Richtung, wollen wir die objective (wirkliche)
                              									nennen, da keine Differenz dabei stattfinden kann.
                           2) Stände dagegen der Beobachter im Süden (S) mit dem
                              									Gesicht nach Nord (N) gerichtet, so liegt umgekehrt
                              									seine Linke l' im Westen und die Rechte r' im Osten. Da nun die zu beobachtende
                              									Bewegungsrichtung OW dieselbe bleibt, so erscheint
                              									sie dem Beobachter jetzt gerade entgegengesetzt, von der Rechten r' zur Linken l' hin
                              									vorschreitend, also scheinbar Links gerichtet.
                           Es geht hieraus hervor, daß die Angabe allgemein vergleichbarer Beobachtungen
                              									nothwendig denselben bestimmten Standpunkt erfordert.
                           
                           B. Die kreis- oder
                                 										spiralförmige Richtung. Fig. 2.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 137, S. 90
                              
                           K sey die Durchschnittsfläche eines Objects, dessen
                              									kreis- oder spiralförmige Drehungsrichtung durch die Pfeilspitzen ab bezeichnet ist.
                           1) Steht der Beobachter seitwärts in N mit dem Gesicht
                              									nach S gerichtet, so liegt, wie oben, seine Linke im
                              									Osten und die Rechte im Westen. Der ihm zunächst vorliegende Pfeil ab ist daher von der Linken zur Rechten hin, also
                              									Rechtsum gerichtet. Dieselbe Rechtswindung findet er auch in den Standpunkten W, S und O, ringsum in der
                              									Peripherie von K.
                           2) Versetzt sich der Beobachter (wie Hr. B) in das Innere des Objects, in den
                              									Mittelpunkt K mit dem Gesicht zur Peripherie nach S hin gerichtet, so liegt seine Rechte in W und die Linke in O, der
                              									ihm vorstehende Pfeil ab zeigt ihm also umgekehrt
                              									die Drehungsrichtung linksum – während der in seinem Rücken liegende, die
                              									fortschreitende Spiraldrehung anzeigende Pfeil, in Beziehung auf seine Person,
                              									Rechtsum gerichtet ist. (Vergl. A. 1 und 2.) Dieses
                              									möchte nun wohl bei verschiedenen Beobachtern Differenzen veranlassen. Es scheint
                              									mir daher die oben angegebene äußere Ansicht in dem normalen Standpunkt N angemessener zu seyn, da sie Jedem, ohne Beihülfe der
                              									Einbildungskraft, sogleich ins Auge fällt und auch bei der von mir angenommenen
                              									peripherisch motivirten Drehung, sicherere objective Resultate liefert.
                           3) Da nämlich die specielle Spiraldrehung bei den Vegetabilien nicht zufällig seyn
                              									kann, sondern jeden Falles von einer darauf einwirkenden Kraft abhängig seyn muß
                              									– so ist es zu richtiger Unterscheidung der objectiv-wirklichen
                              									Drehung von der subjectiv-scheinbarenMan vergl. polytechn. Journal Bd. CXVII S. 321 „die
                                       												Richtungs- und Drehungsverhältnisse der Agentien.“
                                    										 erforderlich, daß wir uns sowohl über die Bewegungsrichtung dieser
                              									motivirenden Kraft, als
                              									auch darüber verständigen, ob dieselbe von Oben oder von Unten in das vorliegende
                              									Object eingreift, da beides entgegengesetzte Richtungen der vorschreitenden
                              									Spiralwindung zeigt.
                           Um uns diese oft verwickeltern Verhältnisse anschaulich zu machen, wählen wir eine
                              									gewöhnliche, wirklich und unzweifelhaft rechtsgewundene Schraubenspindel nebst der
                              									ihren Windungen entsprechenden, also gleichfalls rechten Schraubenmutter.
                           Stellen wir diese rechte Schraube senkrecht vor uns auf, so finden wir, daß eine
                              									Fortbewegung der in dieselbe eingreifenden Mutter sowohl von Oben nach Unten, als
                              									auch umgehrt, von Unten nach Oben, nur dann stattfindet, wenn wir dieselbe rechtsum
                              									drehen. Ebenso wie auch ein rechter Bohrer nur bei einer rechtsumdrehenden Kraft
                              									allenthalben eindringen kann, während ein linker Bohrer eine Linksdrehung fordert.
                              									Die drehende Kraft entspricht also in allen diesen Fällen der uns bekannten
                              									objectiven Spiralrichtung einer solchen Schraube.
                           Dennoch zeigt uns die nähere Betrachtung der vor uns stehenden rechten
                              									Schraubenspindel einen entgegengesetzten Verlauf ihrer Spiralwindung, je nachdem wir
                              									die Mutter von Unten nach Oben hinauf, oder von Oben nach Unten herabschrauben. Bei
                              									dem Eingriff und der von Unten nach Oben vorschreitenden Bewegung laufen die
                              									Spiralwindungen von unserer Linken zur Rechten hin – also der Wirklichkeit
                              									entsprechend – rechtsum. Bei dem Eingriff und der Fortbewegung der Mutter von
                              									Oben herab nach Unten erscheinen dagegen die herabsteigenden Spiralen dieser rechten
                              									Schraube von unserer Rechten zur Linken hin, also linksum gerichtet. Ersteres ist
                              									demnach die objectiv wirkliche und letzteres die scheinbare Spiralrichtung dieser
                              									rechten Schraubenspindel; denn wir wissen, daß die Rechtswindung derselben unter
                              									allen Verhältnissen immer dieselbe bleibt, und daß dieses eben so bei einer wirklich
                              									linksgewundenen Schraube in umgekehrter Richtung stattfindet.
                           Diese oft verwickeltern Verhältnisse veranlaßten bereits mehrfache Verwechslungen der
                              									scheinbaren Drehungsrichtung mit der wirklichen in physikalischen Untersuchungen. Es
                              									ist daher namentlich bei Bestimmung der Spiralwindung der Bäume und Rankengewächse
                              									nothwendig, daß wir uns zuvor darüber verständigen, ob die motivirende Kraft von
                              									Oben oder von Unten eintritt und dieselbe leitet. Wenn alsdann die verschiedenen
                              									Beobachter den von mir als normal vorgeschlagenen Standpunkt einnehmen, so wird nie
                              									eine Zweideutigkeit eintreten und die Beobachtungen werden vollkommen
                              									übereinstimmend und vergleichbar seyn.
                           Weniger sicher möchte wohl die militärische Regel zur Bestimmung des Rechts und Links
                              									seyn und hinsichtlich der verschiedenen Beobachter leicht differente Ansichten
                              									veranlassen. Ihr fehlt der feste Anhaltspunkt, und sie zeigt uns entgegengesetzte
                              									Richtungen, je nachdem wir den sich schwenkenden Soldaten von Vorn oder von Hinten
                              									ins Auge fassen – vergl. Fig. 1. Dieser
                              									Umstand erklärt nun auch mehrere von B. bemerkte Widersprüche verschiedener
                              									Beobachter der Spiraldrehung derselben Baumarten. Er sagt z.B. S. 454 von der
                              									Drehung der Birke hinsichtlich der entgegengesetzten Bestimmungen der HHrn. Truchseß und Wichmann:
                           
                              „Die von mir beobachtete Richtung (Links) stimmt mit der von Goethe angegebenen (von der Linken zur Rechten,
                                 										nämlich des Beobachters) überein.“
                              
                           Diese Drehungsrichtung ist aber nach Obigem offenbar nicht links-, sondern
                              									rechtsum (vergl. Fig. 2
                              									lr # ab).
                           S. 455 heißt es von den Beobachtungen des Forstmannes Dormeier:
                           
                              „Nach den Bestimmungen desselben gehen die Windungen drehsüchtiger Bäume
                                 										stets von der Linken zur Rechten und folgen genau dem Gange des Sonnenlichtes.
                                 										Der Beobachter hat besonders Eichen in dieser Hinsicht untersucht, und es kann
                                 										aus dieser Behauptung als Factum nur so viel entnommen werden, daß die Eiche
                                 										links drehet.“
                              
                           Auch hier ist nach Ansicht des südlich vorliegenden Sonnenlaufs und der Fig. 2 die Spiralwindung von Ost durch Süd nach West
                              									jeden Falles rechtsum – u.s.w.
                           Ich setze nicht im Entferntesten einen Zweifel in die Richtigkeit der Bestimmungen
                              									des Hrn. B., im Gegentheil finde ich dieselben mit den wenigen von mir gemachten
                              									Beobachtungen vollkommen übereinstimmend, wenn ich die bei seinem Standpunkt im
                              									Innern mit links bezeichnete Spiraldrehung in meinem äußern Standpunkte umgekehrt
                              									rechtsum finde.
                           Sollte Hr. B. in Folge der angegebenen Gründe meiner als normal empfohlenen Stellung
                              									seine Zustimmung geben, so würde es zu endlicher sicherer Erledigung dieser
                              									wichtigen Untersuchung sehr verdienstvoll seyn, wenn er bei seiner umfassenden
                              									Pflanzenkenntniß das S. 470 aufgestellte reichhaltige Verzeichniß drehsüchtiger
                              									Bäume und Sträucher einer diesem Standpunkt entsprechenden Revision unterwerfen
                              									wollte. Er gibt daselbst 60 Arten als rechts- und eben so viel als
                              									linksdrehend an.
                           Ich kann hierüber keine nähere Bestimmung machen, halte mich aber aus weiter unten zu
                              									entwickelnden Gründen für überzeugt, daß alle Vegetabilien in rechtsgewundener
                              									wirklicher Spiraldrehung auftreten.
                           
                           Hr. B. sucht sodann S. 476 die Grundursache zu ermitteln, welche den gedrehten
                              									Verlauf der Baumstämme veranlaßt. Er findet dieselbe in dem nothwendigen Ausweichen
                              									der Holz- und Bastzellen nach Rechts oder Links, indem ihnen bei der
                              									ursprünglich senkrecht aufsteigenden Richtung des andringenden Wachsthums der Raum
                              									zu fernerer Entwicklung nach Oben gebricht. Sie schieben sich daher mit ihren
                              									zugespitzten Enden mehr oder weniger seitwärts zwischen einander und verfolgen
                              									alsdann die angenommene Richtung. Eine S. 187 beigefügte schematische Zeichnung
                              									macht diese naturgemäße und sehr beachtungswerthe Erklärung anschaulich.
                           Aber auch hier scheint aus oben bemerktem Grunde eine Differenz stattzufinden. B.
                              									sagt nämlich:
                           
                              „Nach Ansicht der Figur erheben sich die Verbindungswände hier in links
                                 										aufsteigender Richtung.“
                              
                           Diese Verbindungswände steigen aber in dieser Vorderansicht genau von der Linken zur
                              									Rechten hin aufwärts und zeigen die rechtsum sich windende Spiralform.
                              									Wahrscheinlich soll sich der Beschauer auch hier so in die Zeichnung hinein denken,
                              									daß sein Gesicht uns abgewendet ist.
                           Diese sinnreiche Darstellung des bei dem Mangel an Raum nach Oben nothwendigen
                              									Seitwärts-Ausweichens der Holz- und Bastzellen bei dem von Unten
                              									andringenden Wachsthum erklärt aber nicht die eigentliche Grundursache (motivirende
                              									Kraft) der in der vorliegenden Untersuchung zu ermittelnden und jeden Falles nicht
                              									zufälligen nach Rechts oder Links gerichteten Ausweichung und Drehung der
                              									verschiedenen Baumarten und Rankengewächse.
                           Ein Versuch diese Grundursache nachzuweisen, war der Gegenstand meiner obigen frühern
                              									Aufsätze in dieser Zeitschrift, und ich will zu besserm Verständniß derselben hier
                              									nachträglich noch Folgendes bemerken:
                           Nach meiner Ansicht ist es das elektrische Agens, welches die Spiraldrehung der
                              									Pflanzen motivirt.
                           Es ist nämlich durch vielseitige, sicher begründete Thatsachen bestätigt, daß die
                              									Agentien der Elektricität, der Wärme und des Lichtes etc. in Verbindung mit dem
                              									Magnetismus, gleichsam das geistige Princip der an sich todten Materie bilden, indem
                              									sie durch gegenseitige Reaction Leben und Regsamkeit in den materiellen Stoffen
                              									verbreiten und die mannichfachen mechanischen und chemischen Bewegungs- und
                              									Bildungsprocesse der unorganischen und organischen Welt veranlassen.Der dynamische Antagonismus, von Romershausen.
                                    											Halle 1846. Desselben Rotationsmaschine etc. die
                                    											dynamische Reaction der Naturkräfte. Halle 1847.
                              								
                           
                           Daß namentlich der Vegetationsproceß stets von elektrischen Strömungen begleitet ist,
                              									ist durch die sorgfältigsten Versuche älterer und neuerer Naturforscher
                              									unzweifelhaft nachgewiesen.Romershausen's galvano-elektrischer
                                    											Apparat zur Förderung der Vegetation und Fruchtbarkeit des Bodens etc.
                                    											(verbesserte Einrichtung) Marburg 1851.
                              								
                           Eben so bekannt ist es, daß die Wärme und das Licht einen wesentlichen Einfluß auf
                              									das vegetative Leben äußern.
                           Da nun diese Agentien offenbar den Wachsthum der Pflanzen leiten, so ist es auch
                              									höchst wahrscheinlich, daß sie die verschiedene Spiraldrehung der ausweichenden
                              									Holz- und Bastzellen derselben motiviren. Wir wollen uns hierüber näher
                              									verständigen.
                           I. Die Elektricität. Außer der in allen Körpern nach
                              									Verhältniß ihrer Capacität latenten Elektricität ist in den Vegetabilien sowohl die
                              									allgemeine Erdelektricität, als auch die atmosphärische Elektricität in
                              									entgegengesetzter Bewegungsrichtung vom + zum – hin thätig. Sie treten bei
                              									erhöhter Spannung, wie bei allen Leitern, peripherisch an der Oberfläche auf und
                              									streben, zur Gleichgewichtsherstellung, zu entweichen.Ueber Beobachtung der atmosphärischen und terrestrischen Elektricität etc. im
                                    											polytechn. Journal Bd. CXXX S. 193.Naturhistorische und chemisch-technische Notizen. IIte Abtheilung, S.
                                    											70 Berlin 1854.
                              								
                           Die vom Boden aus aufsteigende terrestrische Elektricität condensirt sich sowohl an
                              									Berggipfeln und Felsecken, als auch an den Gipfeln und Blattspitzen der Bäume etc.,
                              									um in den minder gespannten Luftraum überzugehen.
                           Die atmosphärische Elektricität wird dagegen bei eintretender vorwaltender Spannung
                              									von diesen Spitzen eingesaugt und entweicht umgekehrt von Oben herab in den
                              									Boden.
                           Daß die Elektricität bei den Vegetabilien überhaupt aber nach Außen hin auftritt, hat
                              									Prof. Buff in Gießen neuerdings näher nachgewiesen.
                           II. Die Wärme und das Licht.
                              									Der wesentliche Einfluß der Wärme auf das Wachsthum und das Gedeihen der
                              									Pflanzenwelt bedarf keines nähern Nachweises. Auch sehen wir, daß sich die Pflanzen
                              									überall dem Lichte zuwenden und daß einige bestimmt dem Gange des Sonnenlichtes
                              									folgen. Der Stand der Bäume in Beziehung auf die Weltgegenden macht sich schon durch
                              									die äußere Ansicht und durch die verschiedene Beschaffenheit der Süd- und
                              									Nordseite bemerklich.
                           
                           Der Gang der Wärme ist sodann ebenso vom + zum – hin, vom wärmern Punkte zu
                              									dem kältern, also bei dem Baum, sowohl dem Sonnenlauf conform, von Ost durch Süd und
                              									West nach Nord, als auch von den wärmern Hervorragungen des Stammes im Luftraum
                              									herab zu den im feuchtkältern Boden ruhenden Wurzeln. Dergleichen einseitig
                              									gerichtete und reagirende Wärmeströmungen regen aber immer thermo-elektrische
                              									Ströme auf, welche alsdann dieselbe Richtung verfolgen. Denn wenn auch bei einer in
                              									sich geschlossenen Metallkette durch Erwärmung eines Punktes die Wirkung nach beiden
                              									Seiten hin im Gleichgewicht steht und keine bestimmte thermo-elektrische
                              									Erscheinung darbietet, so ist doch hier bei dem Baum kein solcher Kreisschluß,
                              									sondern eine von + zum – fortlaufende Leitung vorhanden.
                           Wir haben also hier zwei in abwechselnder Thätigkeit auftretende elektrische
                              									Strömungen etc. von entgegengesetzter Richtung, nämlich den von Unten nach Oben
                              									gerichteten Erdstrom, und den von Oben nach Unten herablaufenden atmosphärischen und
                              									thermo-elektrischen Strom, wobei, wie immer, der überwiegende den schwächern
                              									in sich aufnimmt und mit sich führt.
                           Da sich nun überall die Capacität und das Leitungsvermögen der Körper hinsichtlich
                              									der Agentien auf die verschiedenartigste Weise herausstellt, so ist es bei der
                              									großen Mannichfaltigkeit der Structur und Bildungsformen der Pflanzen nicht
                              									unwahrscheinlich, daß auch diese in dieser Beziehung indifferente Eigenschaften
                              									Besitzen. Zur Ausgleichung der wechselnden elektrischen Spannung mögen einige
                              									derselben vorwaltend zu Aufnahme und Leitung der terrestrischen Elektricität, und
                              									andere mehr zur Einsaugung und Leitung der atmosphärischen Elektricität geeignet
                              									seyn. Schon der Umstand scheint darauf hinzudeuten, daß einige Baumarten
                              									vorzugsweise vom Blitzstrahl getroffen werden und denselben ableiten.
                           Wenn nun auch diese Voraussetzung noch einer nähern Untersuchung und Bestätigung
                              									bedürftig ist, so erklärt sie doch einstweilen die noch völlig dunkle Erscheinung
                              									des eigenthümlichen Rechts- und Linksausweichens der Holz- und
                              									Bastzellen bestimmter Pflanzenarten.
                           Es ist demnach nur zu ermitteln: ob diese im Vegetationsproceß dynamisch wirksamen
                              									elektrischen Strömungen eine der spiralförmigen Drehung des Pflanzenwuchses
                              									entsprechende Richtung verfolgen?
                           Zur Beantwortung dieser Frage glaube ich in den bemerkten frühern Aufsätzen dieser
                              									Zeitschrift thatsächlich nachgewiesen zu haben, daß die strömende Elektricität ihre
                              									Leiter stets vom + zum – hin in einer nach Verhältnis ihrer Spannung mehr
                              									oder weniger gestreckten Spirale vorschreitend rechtsum umwallet. Dieses erklärt sowohl die vorliegende
                              									und viele andere Naturerscheinungen, als auch alle elektromagnetischen Experimente
                              									auf das einfachste und naturgewisseste.Als offenbare Thatsache zeigt sich diese elektrische Spiraldrehung in der
                                    											dadurch bewirkten enormen Tragkraft meines vor einigen Jahren construirten
                                    											elektromagnetischen Stabes (polytechn. Journal Bd. CXVII S. 321), welchen
                                    											ich Hrn. J. Dub bitte, nicht mit seinen
                                    											wahrscheinlich dadurch veranlaßten neulichen Glockenversuchen zu vermischen
                                    											etc. (Poggendorff's Annalen, 1855, Nr. 4.)
                              								
                           Wir wollen also hiernach das reizende, belebende und chemisch zersetzende elektrische
                              									Agens als die wahrscheinlichste Grundursache der überhaupt in der Natur
                              									vorherrschenden Rechtsrichtung annehmen und hinsichtlich der Spiraldrehung der
                              									Vegetabilien an beigefügter Zeichnung nachweisen, daß auch diese in objectiver
                              									Wirklichkeit stets rechtsum gerichtet ist.
                           
                              
                              Fig. 3–4., Bd. 137, S. 96
                              
                           Das Rechteck Fig. 3 sey die Ansicht der uns
                              									zugekehrten Seite der Cylinderfläche eines rechtsdrehenden und Fig. 4 eines linksdrehenden Baumes, wie uns beide in
                              									demselben oben als normal angenommenen Standpunkt N ins
                              									Auge fallen.
                           In Fig. 3 zeigt uns der den Lauf der Spiralwindung
                              									angebende Pfeil LR die Drehung derselben von der
                              									Linken zur Rechten aufwärts (von Ost nach West) rechtsum. Das die Drehung
                              									motivirende und stets rechts gerichtete elektrische Agens muß daher nothwendig vom
                              									Boden (+) aus nach Oben (–) hin aufsteigen, der Baum also vorwaltend zur
                              									Aufnahme und Leitung der terrestrischen Elektricität disponirt seyn. Mithin zeigt
                              									hier die objectiv wirkliche Spiraldrehung – rechtsum.
                           Der Baum Fig. 4 erscheint uns dagegen in derselben
                              									Seitenansicht linksdrehend – denn die als aufsteigend betrachtete
                              									Spiraldrehung ist entgegengesetzt von West nach Ost, von der Rechten zur Linken hin
                              									gerichtet. Da wir aber wissen, daß das motivirende elektrische Agens überall, also
                              									auch hier rechts drehet, so finden wir sofort, daß es hier in entgegengesetzter
                              									Richtung von Oben eintritt und in dem Boden entweicht, wie dieses der Pfeil (+ L – R) anzeigt. Der
                              									Baum ist also vorwaltend zur Aufnahme und Leitung der atmosphärischen Elektricität etc. organisirt, und die
                              									von Oben herablaufende Spiraldrehung ist auch hier objectiv wirklich –
                              									Rechtsum und von der scheinbaren – Linksum – leicht zu unterscheiden.
                              									(Vergl. oben B. 3: die rechtsgewundene
                              									Schraubenspindel.)
                           Wenn auch bis jetzt diese Darstellung des Hergangs nichts weniger als thatsächlich
                              									begründet ist, sondern nur auf Wahrscheinlichkeit beruht, so erklärt sie doch
                              									einstweilen die noch verschleierte Grundursache der vegetabilischen Spiraldrehung.
                              									Daß dieselbe jeden Falles sehr energisch und beharrlich in ihrer Richtung auftritt,
                              									zeigen uns vorzüglich die Rankengewächse. Winden wir eine solche Ranke in einer
                              									ihrer Natur widersprechenden Richtung und binden sie fest, so kehrt sie doch bei dem
                              									fernem Wachsthum immer wieder zu der ihr eigenthümlichen Spiralrichtung zurück.
                              									letzteres zeigt sich auch häufig, wenn die ursprüngliche Spiralwindung auf mehrere
                              									ihre Längenfaser und die Leitung unterbrechende Aeste trifft; sie weicht alsdann oft
                              									in entgegengesetzter Richtung ab, kehrt aber nach Beseitigung des Hindernisses immer
                              									wieder zur normalen Windung zurück. Dieser Hergang macht sich vorzüglich bei alten,
                              									mit starken Aesten versehenen Bäumen anschaulich.Augenfällige Beispiele liefern uns die vielen sehr alten rechtsdrehenden
                                    											Kastanienbäume der langen Allee vor dem Barfüßer-Thore zu
                                    											Marburg.
                              								
                           Ueberhaupt ist die Untersuchung der vegetabilischen Spiraldrehung oft mit
                              									mannichfachen Schwierigkeiten verknüpft, namentlich bei jungen, im lebhaften
                              									Wachsthum und Safttrieb befindlichen Bäumen, deren Spiralwindung oft so gestreckt
                              									ist, daß sie schwer von der geraden Richtung zu unterscheiden ist. In vielen Fällen
                              									kann nur eine genaue Untersuchung der innern Holzfaser hierüber entscheiden.
                           Vorzüglich mag aber wohl die Verwechslung der scheinbaren mit der wirklichen
                              									Bewegungsrichtung sowohl bei dem Pflanzenwuchs, als auch bei mehreren andern
                              									naturwissenschaftlichen Untersuchungen mannichfache Differenzen veranlassen.
                              									Dergleichen irrthümlich aufgefaßte Thatsachen werden aber um so nachtheiliger, wenn
                              									sie durch den darauf gegründeten mathematischen Calcul das Gepräge der Unfehlbarkeit
                              									erhalten.
                           Dieses trifft auch meine der obigen Darstellung zum Grunde liegende heterodor
                              									antagonistische Ansicht des Wesens und der Bewegungs- und
                              									Richtungsverhältnisse der Agentien. Die Untersuchung der dynamischen Wirksamkeit
                              									dieser Agentien ist unstreitig die Grundlage der gesammten Naturwissenschaft. Da
                              									dieselbe nur insofern für die Sinne erkennbar ist, als sich ihr Product durch
                              									Veränderung räumlicher Erscheinungen darstellt, welche die verschiedenartigsten Ansichten gestatten, so
                              									dürfen wir dieses immer noch dunkle Feld der Forschung nie für völlig abgeschlossen
                              									halten, wenn es auch die berühmtesten Autoritäten bewachen. – In Folge dieser
                              									Ueberzeugung theilte ich nun auch meine subjectiven Bedenken über die mit dem
                              									scharfsinnigsten Calcul belegte und von vielen noch als unantastbar betrachtete Ampère'sche Theorie mitMagnetismus und Elektricität in Beziehung auf Ampère's Theorie, von E. Romershausen, im polytechn. Journal Bd. CXXVII S. 198., und suchte dieselbe durch einige thatsächlich begründete Berichtigungen zu
                              									ergänzen.
                           Ampère, der verdienstvolle Entdecker des
                              									Elektromagnetismus, bedurfte nämlich zur Ausführung seiner Theorie eines drehenden
                              									Factors, und wählte dazu die willkürlich von ihm ersonnenen, aber allen bekannten
                              									Eigenschaften der Elektricität widersprechenden elektrischen Kreisströmchen eines
                              									wunderbaren Magnets. Auf diese Weise ist seine Theorie allerdings mathematisch
                              									begründet und erklärt auch fast alle elektromagnetischen Erscheinungen. Die
                              									mathematische Entwicklung derselben behält aber auch ihre vollkommne Gültigkeit,
                              									wenn wir nur bei der unläugbaren Selbstständigkeit des Magnetismus und seiner
                              									geradlinigen Süd-Nordrichtung, die thatsächlich nachgewiesene Spiraldrehung
                              									des elektrischen Stromes als drehenden Factor suppliren.
                           Es ist überhaupt nicht zu läugnen, daß eine Theorie auch dann für die Wissenschaft
                              									sehr schätzbar seyn kann, wenn sie auch von dem wahren Zustand der Dinge falsche
                              									Ansichten aufstellt und ganz unnöthige Verwickelungen in sich aufgenommen hat. Die
                              									rationelle Naturforschung ermüdet aber nicht, die einer jeden solchen Theorie zum
                              									Grunde liegenden Thatsachen immer weiterhin zu untersuchen und zu berichtigen
                              									– sie prüft mit Sorgfalt alle differenten Ansichten und sucht sie nie ohne
                              									Angabe vollgültiger Gründe vornehm zu ignoriren oder durch ein leichtfertiges
                              									Absprechen zu beseitigen.Die Fortschritte der Physik in den Jahren 1846–51. Berlin. Jahrgang VI
                                    											– VIII. Sie erfindet nie neue Kräfte und Eigenschaften der Dinge, so lange die
                              									naturgemäß einfachen, bekannten und wichtig erkannten zur Erklärung vollkommen
                              									zureichen – noch weniger unterwirft sie einen Gegenstand der Untersuchung der
                              									mathematischen Begründung, ehe sie sich überzeugt hat, daß er factisch vollkommen
                              									begründet ist.
                           Die Mathematik ist unstreitig die unentbehrlichste Hülfswissenschaft der
                              									Naturforschung, indem sie durch die absolute Konsequenz ihrer Schlüsse zu immer
                              									lichtem Entdeckungen und Folgerungen in dem verhüllten Gebiete der Schöpfung führt.
                              									Sie ist gleichsam die Wissenschaft des Weltenbaumeisters und der sicherste Beweis seines
                              									Daseyns und seiner WirksamkeitLichtblicke des Naturforschers in die Wunder und Geheimnisse der Schöpfung,
                                    											zur Begründung fester religiöser Ueberzeugungen, von G. Romershausen. Zerbst, 1837.; denn sie mußte nothwendig als theoretisch abgeschlossenes System in einem
                              									höchsten denkenden Geiste zuvor vollkommen ausgebildet seyn, ehe die praktische
                              									Anwendung ihrer Gesetze in dem unendlich mannichfaltigen Weltenbau mit so
                              									allgemeiner und absoluter Consequenz stattfinden konnte. Die materiellen Stoffe mit
                              									ihren besondern Eigenschaften mußten aber doch eben so nothwendig zuvor bereit seyn,
                              									ehe der Bauplan mathematisch geordnet und ausgeführt werden konnte.
                           Die Mathematik ist demnach die hülfreichste Dienerin der Naturforschung, darf sich
                              									aber nie zur Beherrscherin derselben erheben, und so ist der, welcher bloß Rechnen
                              									gelernt hat, eben so wenig ein wirklicher Naturforscher, wie der, welchem die
                              									mathematischen Wissenschaften fremd sind. Indem ich nun meine obigen Erörterungen
                              									für nichts weniger als unfehlbar halte, unterwerfe ich sie gern jeder gründlichen
                              									Prüfung und Beurtheilung – und schließe diese gelegentliche Abschweifung mit
                              									den Worten eines unserer bewährtesten Forscher, des Hrn. Professor Bunsen:Annalen der Chemie und Pharmacie, Januarheft 1854, S. 103.
                              								
                           
                              „Wer in bloßer Uebereinstimmung von Zahlen die Bürgschaft für den Werth
                                 										einer physikalischen Theorie zu finden glaubt, der verkennt die Bedeutung einer
                                 										mathematischen Behandlung naturwissenschaftlicher Fragen. Denn der Naturforscher
                                 										benützt nur Formeln, deren Prämissen in der Natur, und nicht auf menschlicher
                                 										Willkür fußen. Wo diese an die Stelle erfahrungsmäßiger Nothwendigkeit tritt,
                                 										wird die mathematische Formel zu einem Spiel, mit dem sich eine um so größere
                                 										Zahlenübereinstimmung erreichen läßt, je willkürlicher die gemachten
                                 										Voraussetzungen waren.“
                              
                           
                              Πάѵгα
                                 										δέ
                                 										δοκιμαζετε,
                                 										τό καλόѵ
                                 										κατέχετε!
                              
                           Marburg, im Juni 1855.