| Titel: | Ueber holländisches und französisches Bleiweiß; von Professor W. Stein in Dresden. | 
| Fundstelle: | Band 137, Jahrgang 1855, Nr. XXXVII., S. 129 | 
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                        XXXVII.
                        Ueber holländisches und französisches Bleiweiß;
                           								von Professor W. Stein in Dresden.
                        Aus dem polytechn. Centralblatt, 1855, S.
                              								513.
                        Stein, über holländisches und französisches Bleiweiß.
                        
                     
                        
                           Die holländische Fabricationsmethode liefert ein Product, welchem bezüglich seiner
                              									Deckkraft der Vorrang vor dem französischen von Niemanden bestritten wird; sie ist
                              									aber eben so unbestreitbar die unbequemste und kostspieligste, und zwar liegt dieß
                              									theils in der Anwendung des Pferdedüngers und der dadurch bedingten Töpfe, theils in
                              									dem gänzlichen Verluste aller Essigsäure. Der Pferdedünger, welcher nur zum Theil
                              									durch Lohe ersetzt werden kann, hat zwei Functionen zu erfüllen: er muß durch seine
                              									Fäulniß die zur Verdampfung des Essigs nöthige Wärme und zur Zersetzung des
                              									entstehenden Bleisalzes die Kohlensäure liefern. Er wird sonach entbehrlich seyn,
                              									wenn man seine Wirkungen auf entsprechende andere Weise ersetzt. Eine aus dieser
                              									Betrachtung hervorgegangene Fabricationsmethode, welche man die österreichische oder deutsche
                              									nennen könnte, hat den Gebrauch des Düngers gänzlich beseitigt und ist ein nicht
                              									unwesentlicher Fortschritt, da das erzielte Product alle guten Eigenschaften des
                              									holländischen Besitzt. Anstatt der Töpfe werten große Kammern benutzt, welche der
                              									Länge oder Quere nach, in mehrfachen Reihen über einander, von Latten durchzogen
                              									sind, die gewissermaßen die Stelle der Vorsprünge in den Töpfen versehen und über
                              									welche die Bleiplatten, dachförmig gebogen, gehängt werden. Die Stelle des Düngers
                              									vertritt eine directe Zuführung von Kohlensäure und Wärme. Die Erwärmung geschieht
                              									gewöhnlich mittelst tragbarer Windöfen, auf welchen Holzkohle verbrannt wird, um
                              									zugleich die nöthige Kohlensäure zu erzeugen, und damit möglichst wenig Wärme nach
                              									außen abgeleitet werde, sind die Kammern mit doppelten Wänden versehen und die
                              									Zwischenräume mit einem schlechten Wärmeleiter ausgefüllt; zur Beobachtung der
                              									Temperatur gehen an verschiedenen Stellen Thermometer luchtdicht durch die Wände der
                              									Kammern. Der Boden der Kammern stellt einen mit Dielen bedeckten wasserdichten
                              									Kasten dar, in welchem sich der zu verdampfende Essig befindet, den man dadurch
                              									erwärmt, daß man aus einem tiefer gelegenen Dampfkessel nicht Wasserdämpfe, sondern,
                              									indem man diesen mit Essig speist, Essigdämpfe in denselben leitet. Damit die Dämpfe
                              									in die Kammer gelangen können, sind die Dielen, nach Art der Malzdarren,
                              									durchlöchert oder auf irgend andere Weise zweckentsprechend mit Oeffnungen
                              									versehen.
                           Bei dieser Einrichtung fehlt es wegen Mangel an Luftwechsel häufig an Kohlensäure,
                              									wodurch große Mengen von neutralem essigsaurem Bleioxyd entstehen; auch ist man
                              									genöthigt, öfter zur Unterhaltung des Feuers in die Kammern zu gehen, was wiederum
                              									eine Abkühlung mit sich bringt. Besser ist es daher jedenfalls, die Heizung durch
                              									Dampf oder Wasser oder die heiße Kohlensäure und die Essigdämpfe selbst zu bewirken,
                              									indem man die erstere durch Verbrennen von Holzkohle erzeugt und durch die hierbei
                              									entstehende Wärme den Essig in Dampf verwandelt, Kohlensäure und Essigdämpfe aber in
                              									einer Esse zusammentreten läßt, die, mit einem kleinen Dache versehen, in die Kammer
                              									mündet. In beiden Fällen legt man übrigens die Kammern und Dampfkessel über
                              									einander, jene im ersten Stock, diese zu ebener Erde an.
                           Es ist leicht zu erkennen, daß auch bei dieser Einrichtung noch alle Essigsäure
                              									verloren geht; gewöhnlich entweicht sie durch die Fugen der kleinen Fensterladen und
                              									der (doppelten) Thüren. Indessen, sollte man meinen, müßte es doch möglich seyn,
                              									durch zweckmäßige Einrichtungen wenigstens einen Theil derselben wieder zu gewinnen; man
                              									könnte z.B. in der Decke der Kammern Abzugsröhren anbringen, welche in ein durch
                              									Wasser abgekühltes geschlossenes Gefäß mündeten, was seinerseits mit einer Luftpumpe
                              									verbunden wäre. Der ökonomische Vortheil, welcher dadurch zu erreichen wäre, ist
                              									nicht gering; denn selbst unter der Voraussetzung, daß nur
                              									sechstel-essigsaures Bleioxyd gebildet würde, was thatsächlich nicht der Fall
                              									ist, gehen für jeden Centner Blei 9,6 Pfd. Essigsäurehydrat, d.h. 1 1/2 Ctr. Essig
                              									von der gewöhnlichen Stärke, verloren, dessen Preis wenigstens 2 1/2–3 Thlr.
                              									beträgt; bildet sich aber drittel-essigsaures Bleioxyd, so verdoppelt sich
                              									natürlich der Verlust.
                           Daß die französische Fabricationsmethode den Verlust an Essigsäure jedenfalls auf das
                              									Minimum bringt und überdieß den Vortheil des Fabrikanten noch durch Verringerung der
                              									Anlagekosten und schnellere Beendigung der Arbeit, also Verminderung der
                              									Capitalzinsen überhaupt erhöht, ist bekannt. Das Product hat aber die Meinung der
                              									Abnehmer gegen sich, es soll weniger decken. Obgleich es
                              									gewiß schwierig seyn wird, durch Versuche im Kleinen einen vollgütigen Beweis dafür
                              									zu liefern, so ist doch dem praktischen Urtheile der Anstreicher und Maler
                              									sicherlich seine Berechtigung nicht abzustreiten, und es fragt sich nur, worin diese
                              									Verschiedenheit ihren Grund haben könne.
                           In früherer Zeit wurde ohne Weiteres angenommen, daß dieselbe in der chemischen
                              									Zusammensetzung beruhe; das holländische Bleiweiß sey basisch, das französische
                              									neutral, und dieß bedinge wiederum, daß ersteres amorph, daher undurchsichtig, und
                              									letzteres krystallinisch, daher durchscheinend, sey. Spätere UntersuchungenS. Hochstetter, Gmelin's Handbuch der Chemie. 4.
                                    											Auflage, Bd. III S. 117, und polytechn. Journal, 1842, Bd. LXXXVI S.
                                    											204. haben gezeigt, daß der Niederschlag, welcher erhalten wird, wenn man durch
                              									Bleiessig Kohlensäure leitet, bis die Flüssigkeit nicht mehr basisch reagirt,
                              									zweidrittel-kohlensaures Bleioxyd ist, wie das holländische, und daß, unter
                              									dem Mikroskop betrachtet, die physischen Elementartheile von beiden sehr kleine
                              									sphärische Körper sind, deren Durchmesser Hochstetter er
                              									bei beiden Arten von Bleiweiß zu 0,00001 bis 0,00003 und 0,00004 Zoll gefunden hat;
                              									die Kügelchen des französischen Bleiweißes sollen nach ihm etwas größer und
                              									durchsichtiger seyn. Bei einer mikroskopischen Untersuchung, welche ich mit
                              									Kremserweiß, französischem, fabrikmäßig dargestelltem und im Kleinen erzeugten,
                              									sowie mit österreichischem angestellt habe, fand ich die größten Kügelchen vom
                              									Kremserweiß = 0,0025 Millimeter und die des französischen = 0,0037 Millimeter, doch sind die
                              									Mehrzahl weit kleiner. Dieß stimmt, wie man sieht, mit den Messungen von Hochstetter so gut, als dieß bei einem solchen
                              									Gegenstande erwartet werden kann, überein; ich lege indessen auf diese
                              									Uebereinstimmung nur einen geringen Werth, weil ich in vielen Fällen in der Größe
                              									der verschiedenen Bleiweißsorten gar keinen Unterschied wahr, zunehmen im Stande
                              									war.
                           Ist nun aber der morphoidische Zustand des Bleiweißes als amorph zu bezeichnen? Ich glaube nicht. Der amorphe Zustand ist der der
                              									vollständigsten Homogeneität, der gänzlichen Structurlosigkeit; der des Bleiweißes
                              									zeigt eine sphärische Gestaltung, welche offenbar zwischen dem amorphen und
                              									krystallinischen Zustande in der Mitte steht, mindestens ein Gestaltungszustand genannt werden muß. Darin findet auch das Verhältniß
                              									der verschiedenen morphoidischen Zustände zum Lichte seine Erklärung. Der vollkommen
                              									amorphe und der vollkommen krystallinische (oder besser krystallisirte) Zustand ist
                              									mit Durchsichtigkeit verbunden, weil das Licht bei seinem Durchgange nicht genöthigt
                              									ist von einem Mittel in ein anderes überzutreten, daher kein Hinderniß seiner
                              									Bewegung findet und keine ungewöhnlich starke Zurückwerfung erleidet. Einen amorphen
                              									Niederschlag bemerkt man daher kaum unter dem Mikroskop; erst wenn der
                              									Gestaltungsproceß, die Theilung in mehrere Individuen, eintritt, kann man denselben
                              									beobachten, weil sich nun Gränzen zweier Mittel bilden, die das Licht verschieden
                              									brechen. Bei einer Gummilösung tritt die Kugelbildung und die Undurchsichtigkeit
                              									ein, wenn man sie mit absolutem Alkohol vermischt; sie verschwindet wieder in dem
                              									Maaße, als der Alkohol verdunstet; die Individuen verlieren ihre Selbstständigkeit
                              									und fließen wieder in einander. Man könnte daher den amorphen auch als den
                              									festgewordenen Flüssigkeitszustand oder als den Flüssigkeitszustand der Atome
                              									bezeichnen. Was bei der Gummilösung der Zusatz von Alkohol, das bewirkt bei
                              									Krystallen die Theilung in viele kleine einzelne Individuen, daher ist der verworren
                              									krystallinische Zustand stets von einem größeren oder geringeren Grade von
                              									Undurchsichtigkeit begleitet, und jeder durchsichtige Körper überhaupt wird
                              									undurchsichtig durch mechanische Zertheilung (Diamant, Glas u.s.w. fein gepulvert).
                              									Wenn man einen Tropfen Lösung von essigsaurem Bleioxyd oder Chlorcalcium unter dem
                              									zuvor genau eingestellten Mikroskop mit einem Tropfen kohlensaurer Ammoniaklösung
                              									vermischt, so bemerkt man den entstehenden Niederschlag anfänglich nur da, wo er mit
                              									der einen oder anderen im Ueberschuß vorhandenen Lösung zusammengränzt, in Form
                              									einer structurlosen Membran. Nach einiger Zeit beginnt der Gestaltungsproceß durch
                              									eine Contraction der Materie um einzelne Mittelpunkte herum, wodurch inselartig, und
                              									zwar zuerst an eben diesen Berührungsstellen, sphärische Körper auftreten, deren Entstehung und
                              									Zusammenlagerung zu Krystallen ich indessen nie durch eine Bewegung zu verfolgen
                              									vermochte. Der amorphe Zustand wird, so wie ich ihn eben beschrieben habe, nur
                              									beobachtet, wenn man concentrirte Lösungen von essigsaurem Bleioxyd oder
                              									kohlensaurem Kalk anwendet, und läßt sich am schönsten beobachten, wenn man Lösungen
                              									von arseniksaurem Natron und schwefelsaurem Kupferoxyd benutzt, weil er hier länger
                              									andauert und wegen der Färbung des Niederschlags besser sichtbar ist; in diesem
                              									Falle wird nicht einmal eine concentrirte Lösung erfordert. In manchen Fällen
                              									scheint nun der Gestaltungsproceß mit der Bildung der sphärischen Körper (der
                              									sichtbaren Atome) sein Ende erreicht zu haben, so beim Bleiweiß, wo ich die
                              									Niederschläge beobachtete, welche durch Vermischen von neutralem essigsaurem
                              									Ammoniak, durch Fällung desselben Salzes mittelst gasförmiger Kohlensäure, des
                              									Bleiessigs mit Kohlensäure bei gewöhnlicher Temperatur und kochend, erhalten werden.
                              									Alle diese Niederschläge bestehen aus sphärischen Körpern, in keinem derselben läßt
                              									sich etwas Krystallinisches erkennen, und doch Besitzt namentlich der letztere die
                              									pulverige Beschaffenheit, die man als krystallinisch bei den Niederschlägen zu
                              									bezeichnen gewöhnt ist. Dem Bleiweiß ähnlich verhält sich das arsenigsaure
                              									Kupferoxyd, dessen schleimiger, amorpher Niederschlag nach und nach in einen
                              									pulverigen übergeht, der nur aus sphärischen Elementen besteht. Bei anderen Körpern
                              									dagegen entstehen aus den letzteren endlich die Krystalle, so beim kohlensauren
                              									Kalk. Wenn man eine verdünnte Lösung von Chlorcalcium mit
                              									kohlensaurem Ammoniak vermischt, so tritt eine Art Zwischenzustand zwischen dem
                              									amorphen und sphärischen zuerst ein, es zeigen sich unter
                              									dem MikroskopDie Beobachtung wurde mit einem Oberhäuser und bei 55facher
                                    											Linearvergrößerung gemacht. Flocken von scharfen und zackigen Umrissen, denen mancher Gewitterwolken
                              									vergleichbar, an welchen die einzelnen Elementartheile noch nicht erkennbar sind.
                              									Nach einiger Zeit ziehen sich diese Flocken zusammen und gestalten sich zu gegliederten Zweigen, welche auf der Oberfläche der
                              									Flüssigkeit sich bewegen. Unterdessen sind aber an der Oberfläche des Glasplättchens
                              									die mehrgenannten sphärischen Körper als dunkle Punkte entstanden, und haben sich,
                              									ohne daß eine Bewegung derselben bemerkbar gewesen wäre, in Reihen geordnet, die
                              									theils einander parallel laufen, theils sich unter spitzen Winkeln schneiden. Es ist
                              									kaum anders möglich, als daß diese Reihen entstanden sind durch Niedersinken der
                              									einzelnen Glieder der schwimmenden Zweige, welche den Anfang der gänzlichen
                              									Absonderung der sphärischen Elemente bezeichnen. Die Reihen scheinen nun keine
                              									weitere Veränderung zu erleiden, außer daß die dunkeln Punkte in der Mitte
                              									durchsichtiger werden, bis die Flüssigkeit eintrocknet, wo man plötzlich
                              									farrenkrautwedelartige Zeichnungen gewahrt, die aus an einander gelagerten
                              									prismatischen Körpern bestehen, deren Flächen durchsichtig sind, und, wie es scheint, entstehen durch Ineinanderfließen
                              									der sphärischen Körper. Hierdurch hat dieser Zustand mit dem amorphen die größte
                              									Aehnlichkeit; unerklärlich ist es mir aber, daß die sphärischen Körper sofort, wie
                              									vorher, wieder zum Vorschein kommen, sobald man den vertrockneten Niederschlag
                              									wieder mit einem Tropfen Wasser befeuchtet.
                           Im Vorstehenden ist nun zwar nachgewiesen, daß keine Art von Bleiweiß amorph genannt
                              									werden kann, und angedeutet, welches der Grund der Undurchsichtigkeit im Allgemeinen
                              									ist, nicht aber, warum Bleiweiß rücksichtlich seiner Undurchsichtigkeit von anderen
                              									Stoffen und die beiden in Rede stehenden Bleiweißsorten von einander sich
                              									unterscheiden. Was den Unterschied des Bleiweißes und einiger ihm nahe stehenden
                              									Körper, wie Schwerspath und schwefelsaures Bleioxyd, von anderen Stoffen betrifft,
                              									so beruht er in erster Stelle wohl auf einer specifisch verschiedenen
                              									Durchsichtigkeit der „sichtbaren Atome.“ Außerdem scheint
                              									hierbei eine wichtige Rolle das Brechungsverhältniß zwischen den sich berührenden
                              									Medien, also allgemein die Dichtheit derselben, zu
                              									spielen. Je größer die Differenz der beiden Exponenten, je größer mithin der
                              									Exponent für den in das dichtere Medium übergehenden Strahl, um so leichter wird der
                              									Fall der totalen Reflexion beim Wiederaustritt desselben aus dem dichteren in das
                              									weniger dichte Medium eintreten können. Eine Bestätigung dieser Ansicht finde ich in
                              									dem Umstande, daß gepulvertes Glas (und wie dieses verhalten sich viele andere
                              									Körper), wenn seine Theilchen von Luft umgeben sind, undurchsichtig erscheint, seine
                              									Durchsichtigkeit aber zum großen Theile wieder erhält, sobald man es mit Wasser,
                              									oder noch besser mit Terpentinöl, befeuchtet. Nächst diesem kommt jedenfalls die
                              									Größe der „sichtbaren Atome“ in Betracht; einmal darum, weil
                              									ein um so öfter wiederholter Wechsel des Lichtüberganges stattfinden muß, je kleiner
                              									diese Atome sind, je mehr deren also auf gleichem Raume sich beisammen befinden;
                              									sodann aber auch, weil ihre Durchsichtigkeit absolut durch Verschluckung des Lichts
                              									vermindert wird. Als Beweis dafür kann ich anführen, daß diese Atome beim Bleiweiß,
                              									schwefelsauren Bleioxyd und Schwerspath, auch beim kohlensauren Kalk, sehr klein sind. Die Gestalt der Atome scheint von
                              									weniger wesentlichem Einfluß zu seyn, denn während die des Bleiweißes und
                              									kohlensauren Kalks sphärisch, sind die des Schwerspaths und schwefelsauren
                              									Bleioxyds, wenn auch undeutlich, prismatisch. Das Gesetz, was diesen Verhältnissen
                              									zu Grunde liegt, läßt sich vielleicht auffinden, wenn es gelingt, Form und Größe der sichtbaren
                              									Atome, sowie die Lichtmengen genau zu bestimmen, welche gleich dicke Schichten
                              									derselben durch sich hindurchlassen. Es werden sich dann überhaupt erst
                              									Verschiedenheiten in der Deckkraft einander sehr nahe stehender Körper, wie die
                              									verschiedenen Bleiweißsorten, mit Bestimmtheit nachweisen
                              									lassen, die jetzt noch, streng genommen, auf nichts weiter als unvollständig
                              									begründeten Meinungen beruhen. Wenn sie zwischen dem holländischen und französischen
                              									Bleiweiß thatsächlich vorhanden sind, so beruhen sie weder in der Form und Größe der
                              									Atome denn die erstere ist bei beiden Bleiweißarten gleich und die letztere in der
                              									Hauptsache nicht verschieden – noch in der chemischen Zusammensetzung, denn
                              									die Abweichungen, welche bezüglich der letzteren zwischen beiden Arten vorkommen,
                              									sind kaum größer als die, welche sich zwischen holländischen Sorten von
                              									verschiedener Bereitung finden.
                           Läßt sich aber der verschiedene Grad von Deckkraft, unmittelbar wenigstens, weder
                              									durch die chemische Zusammensetzung, noch durch die Form und Größe der Atome
                              									erklären, so liegt sie am wahrscheinlichsten in der verschiedenen Dichtheit derselben, welche allerdings wohl in Beziehung zur
                              									chemischen Beschaffenheit stehen kann; denn in diesem Falle kommt beim Anstreichen
                              									auf eine gleich große Fläche eine verschiedene, im Verhältniß zur größeren Dichtheit
                              									größere Menge Materie, welche das Licht vollständiger zurückwirft. Um darüber
                              									Aufschluß zu erhalten, habe ich verschiedene Bleiweißarten und Bleiweißsorten auf
                              									doppelte Weise unters sucht. Ich füllte nämlich einestheils in ein Maaßgläschen mit
                              									abgeschliffenem Rande die feingepulverte Probe, unter vorsichtigem Aufstoßen des
                              									Röhrchens auf eine möglichst unelastische Unterlage ein, schob alsdann eine
                              									aufgeschliffene Glasplatte darüber, um den Ueberschuß von Bleiweiß hinwegzuschieben,
                              									und wog. Dabei erhielt ich folgende Resultate:
                           das Maaßgläschen faßte:
                           
                              
                                    1) von einem kalt
                                    											gefällten Niederschlage
                                 4,3720 bis   
                                 5,0715 Grm.,
                                 
                              
                                    2)  
                                    											„      
                                    											„     heiß gefällten
                                    											Niederschlage   
                                 6,2825  „
                                 6,3145 „
                                 
                              
                           Um zu erfahren, in welcher Weise diese Resultate sich ändern würden, wenn die
                              									zwischen den einzelnen Bleiweißtheilchen befindliche Luft durch Leinöl verdrängt
                              									wird, rührte ich beide Proben mit gleichen Volumen Leinöl an. Nr. 1 lieferte einen
                              									ziemlich dünnflüssigen Brei, der mit Nr. 2 erhaltene war dicker;
                           das Maaßgläschen faßte nun:
                           
                              
                                    von Nr. 1
                                    											    
                                 5,3725 Grm.,
                                 
                              
                                      „
                                    											   „   
                                    											2       
                                 6,0605   „
                                 
                              
                           
                           Hieraus folgt zunächst, daß man durch kochende Fällung ein französisches Bleiweiß von
                              									größerer Dichtheit erzeugen kann, als durch kalte Fällung, und daß eine größere
                              									Menge davon in einen gleich großen Raum eingeht, wenn es mit Leinöl angerieben, als
                              									wenn es mit Luft untermengt ist.
                           3) Von französischem Bleiweiß, im trockenen Zustande, aus Heilbronn, faßte das
                              									Gläschen 7,403 bis 7,405 Grm.
                           Wenn man diese Zahlen mit den vorher angeführten vergleicht, so ist man, um die
                              									bedeutenden Verschiedenheiten zu erklären, genöthigt anzunehmen, daß auf die
                              									Dichtheit der Niederschläge die entstehenden Quantitäten nicht ohne Einfluß
                              									sind.
                           
                        
                           
                              Das Maaßgläschen faßte ferner:
                              
                           4) von Kremserweiß unbekannten Ursprungs 8,035 bis 8,045 Grm.,
                           5) von deutschem Bleiweiß aus Schönebeck 8,160 bis 8,172 Grm.
                           Andererseits bestimmte ich die Dichtheit durch Wägungen in Aether, wobei sich
                              									folgende Verhältnißzahlen mit Rücksicht auf die verdrängten Aethermengen
                              									ergaben:
                           
                              
                                    Nr. 3
                                    											    
                                 7,274 Grm.,
                                 
                              
                                     „  
                                    											4    
                                 7,418    „
                                 
                              
                                     „  
                                    											5     
                                 7,466    „
                                 
                              
                           Verglichen mit dem Bleiweiß von Heilbronn, ist das Verhältniß der Dichtheit zwischen
                              									Nr. 3, 4 und 5:
                           
                              
                                    a) nach den Versuchen der ersten Reihe,
                                    											wie
                                 1 : 1,086 : 1,103,
                                 
                              
                                    b)  
                                    											„      „            „      
                                    											der zweiten Reihe, wie   
                                 1 : 1,019 : 1,026.
                                 
                              
                           Die Dichtheit der verschiedenen Bleiweißarten und Bleiweißsorten ist daher offenbar
                              									verschieden, und nach den Ergebnissen der ersten Versuchsreihe, die den in der
                              									Praxis zu erlangenden Resultaten jedenfalls am nächsten stehen, auch groß genug, um
                              									eine Verschiedenheit in der Deckkraft als möglich erscheinen zu lassen. Die
                              									Deckkraft eines Bleiweißes ließe sich demgemäß (relativ) wohl am einfachsten dadurch
                              									ermitteln, daß man dessen Dichtheit, mit seinem gleichen Volumen Leinöl angerieben,
                              									in der oben angegebenen Weise bestimmte.
                           Gehaltsprüfung des Bleiweißes. Wenn man weiß, wie eifrig
                              									und unablässig die Chemiker bemüht sind, für Fabricanten und Käufer Methoden zu
                              									ersinnen und vorzuschlagen, um Güte und Reinheit der Fabricate und Waaren zu prüfen,
                              									so ist es kaum glaublich, daß davon kein Gebrauch gemacht, daß damit kein Nutzen
                              									geschafft werden sollte. Nichtsdestoweniger kann man sehr leicht die Erfahrung
                              									machen, daß Fabrikanten und Käufer nur selten und mit Widerstreben chemische Prüfungsmethoden in Anwendung
                              									bringen, sich vielmehr mit der nur zu oft unzureichenden Beobachtung gewisser
                              									physikalischen Merkmale begnügen. Sucht man nach dem Grunde dieser Erscheinung, so
                              									findet man dafür mehrere Ursachen. Zuerst und vor allen Dingen ist der Mangel an
                              									theoretischchemischen Kenntnissen und praktisch-chemischer Fertigkeit dem
                              									Verständniß und der Anwendung sehr vieler Prüfungsmethoden seitens der Betheiligten
                              									am meisten hinderlich. Diese Ursache wird nur so lange dauern, bis eine technische
                              									Durchbildung in alle Schichten der industriellen und gewerblichen Thätigkeit zum
                              									Heile Aller eingedrungen seyn wird. Eine andere Ursache liegt aber darin, daß sehr
                              									viele Methoden zu umständlich, also zeitraubend, sind, und Apparate erfordern, die
                              									nicht Jedem zu Gebote stehen. Zeit ist aber Geld für jeden Geschäftsmann, Apparate
                              										kosten Geld, und daher kommt es, daß man sich lieber
                              									wissentlich einem Verluste aussetzt, indem man die Prüfung unterläßt, weil man,
                              									gewiß mit Unrecht, befürchtet, einen größeren zu erleiden, wenn man sie unternimmt.
                              									Wenn es aber nicht zweifelhaft ist, daß gute Prüfungsmethoden das einzige Mittel
                              									sind, den Fabrikanten wie den Käufer vor Uebervortheilungen zu sichern und das
                              									domoralisirende System der Verfälschung und Verringerung der Waaren zu beschränken,
                              									wenn nicht unmöglich zu machen, so kann nicht dringend genug die Anwendung derselben
                              									empfohlen und zugleich den Chemikern ans Herz gelegt werden, nur möglichst einfache,
                              									leicht ausführbare und nicht kostspielige Apparate erfordernde Methoden in Vorschlag
                              									zu bringen, weil nicht sowohl absolute Genauigkeit, sondern leichte Anwendbarkeit
                              									als oberster Grundsatz hierbei zu betrachten ist.
                           Die Vermischung des Bleiweißes mit Schwerspath ist bekannt, und gehört, obgleich sie
                              									nicht gerechtfertigt werden kann, streng genommen, nicht zu den Verfälschungen, weil
                              									sie von den Fabrikanten offen zugestanden wird. In Osterreich und Belgien geschieht
                              									sie sogar in bestimmten Verhältnissen, welche für gewisse Sorten unveränderlich und
                              									bekannt sind; dessenungeachtet darf eine Prüfung seitens der Käufer nicht für
                              									überflüssig erachtet werden. Für die einfachste halte ich nach meinen Versuchen die
                              									Bestimmung des Glühverlustes, welcher in directem Verhältniß zur vorhandenen Menge
                              									des kohlensauren Bleioxyds steht. Nach vielen Versuchen mit verschiedenen
                              									Bleiweißproben variirt derselbe bei unvermischten Proben zwischen 13 und 16 Procent
                              									und beträgt im Mittel 14,5 Procent. Absichtlich hergestellte, wohlgetrocknete
                              									Mischungen von Bleiweiß mit: 1) 66 2/3 Proc., 2) 50 Proc., 3) 33 1/3 Proc. und 4) 20
                              									Proc. Schwerspath verloren durch Glühen: 1) 4,5 bis 5 Proc., 2) 6,5 bis 7 Proc., 3)
                              									10 bis 10,44 Proc. und 4) 13 Proc.
                           
                           Die Prüfung kann in einem tarnten Porzellantiegel, oder in jedem kleinen thönernen
                              									Gefäße, auch in einer kleinen eisernen Schale ausgeführt werden. Die Probe muß zuvor
                              									gut ausgetrocknet seyn und wird nach dem Abwägen in einem Kohlenfeuer oder über
                              									einer Spirituslampe mit doppeltem Luftzuge zuerst
                                 									schwach, zuletzt aber bis zum Schmelzen des Rückstandes erhißt. Man bedarf zum
                              									Abwägen nur eine Handwaage, wie sie in den Apotheken gebräuchlich sind, muß aber
                              									jedenfalls Apothekergewicht bis zu einem Gran haben. Wenn man dann 1 1/2 Unzen (3
                              									Loth) zu jedem Versuche verwendet, so drückt der Gewichtsverlust in Granen nahezu
                              									den Gehalt an Bleiweiß in Procenten aus;1,5 Unze = 720 Gran; (14,5 . 720)/100=104,4. verwendet man dagegen nur 1/2 Unze (1 Loth), so braucht man den
                              									Gewichtsverlust in Granen nur mit 2,9 zu multipliciren, um den Procentgehalt an
                              									Bleiweiß zu finden.