| Titel: | Das Telegraphiren auf demselben Drahte in entgegengesetzten Richtungen; von Dr. P. Wilhelm Brix in Berlin. | 
| Fundstelle: | Band 137, Jahrgang 1855, Nr. XLVII., S. 172 | 
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                        XLVII.
                        Das Telegraphiren auf demselben Drahte in
                           								entgegengesetzten Richtungen; von Dr. P. Wilhelm Brix in
                           								Berlin.
                        Aus der vom Verfasser redigirten Zeitschrift des
                                 								deutsch-österreichischen Telegraphen-Vereins, April 1855, S.
                              								81.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              									III.
                        Brix, über das Telegraphiren auf demselben Drahte in
                           								entgegengesetzten Richtungen.
                        
                     
                        
                           Wir lassen dem Aufsaß des k. k. Telegraphen-Director Dr. W. Gintl über das in der Ueberschrift
                              									genannte Thema, welches in der neuesten Zeit allgemeine Aufmerksamkeit erregt hat,
                              									eine allgemeine Darstellung des gegenwärtigen Standes der Frage und deren
                              									Entwicklungsganges nachfolgen.
                           Die Möglichkeit einer doppelten und entgegengesetzten Korrespondenz auf demselben
                              									Drahte wurde lange Zeit ziemlich allgemein bezweifelt. Es war natürlich, dieselbe
                              									auf die theoretische Frage zurückzuführen:
                           
                              „Sind in einem Leiter, der zweien galvanischen Ketten mit gleichen aber
                                 										entgegengesetzten Strömen gemeinschaftlich ist, beide entgegengesetzte Ströme
                                 										gegenseitig aufgehoben, oder sind beide daselbst noch vorhanden und gehen
                                 										ungehindert durch oder nebeneinander vorbei, und ist ihre Anwesenheit nur
                                 										deßhalb durch die bekannten galvanoskopischen Mittel nicht wahrzunehmen, weil
                                 										beide gleich stark, aber im entgegengesetzten Sinne auf dieselben
                                 										einwirken?“
                              
                           Letzteres wird von mehreren Gelehrten angenommen, von den meisten aber bestritten;
                              									und mit der Verwerfung dieser Annahme schien auch über die Möglichkeit einer
                              									gleichzeitigen Korrespondenz auf demselben Drahte in beiden Richtungen das Urtheil
                              									gesprochen. Daher mag es auch zu erklären seyn, daß die ersten Versuche der
                              									Doppelcorrespondenz in entgegengesetzten Richtungen im Allgemeinen so wenig
                              									Beachtung gefunden haben.
                           Allein in Wahrheit liegt die Entscheidung über die Möglichkeit unserer Aufgabe, so
                              									paradox dieß auch klingen mag, nicht in der oben
                              									formulirten Frage. In der That läßt sich die Wirksamkeit der verschiedenen zur
                              									Doppelcorrespondenz getroffenen Vorrichtungen, wie wir unten sehen werden, auch ohne
                              									die Annahme des gleichzeitigen Vorhandenseyns der entgegengesetzten Ströme im
                              									gemeinsamen Leiter, ungezwungen erklären. Wir werden daher diese rein theoretische
                              									Frage hier vor der Hand nicht weiter verfolgen.
                           
                           In technischer Hinsicht ist die Möglichkeit der gleichzeitigen Doppelcorrespondenz
                              									dadurch bedingt, daß der Apparat jederzeit, auch bei geschlossenem Schlüssel (wir
                              									haben es hier nur mit dem Morse- oder mit dem
                              									elektro-chemischen Schreibapparate zu thun) Schrift empfangen könne, was bei
                              									der gewöhnlichen Apparatverbindung bekanntlich nicht der Fall ist, indem hier beim
                              									Niederdrücken des Schlüssels das Relais aus der Kette ausgeschaltet wird –
                              									und daß ferner der Apparat nur die von der entfernten Station herkommende, nicht
                              									aber die von der eigenen Station abgesendete Schrift aufzeichnet.
                           Die Aufgabe war also:
                           
                              „solche Einrichtungen zu treffen, daß das Relais, respective der
                                 										elektrochemische Schreibapparat, stets in der Leitung eingeschaltet bleibt,
                                 										gleichwohl aber durch den von der eigenen Station ausgehenden Strom nicht
                                 										afficirt wird.“
                              
                           Das Verdienst, sich zuerst mit dieser Aufgabe beschäftigt und eine Lösung derselben
                              									gegeben zu haben, gebührt ohne Frage dem k. k. österreichischen
                              									Telegraphen-Director Dr. W. Gintl in Wien. Eine kurze Notiz in der zweiten Ausgabe von Moigno's
                              									Traité de télégraphie
                                 										électrique über ähnliche, schon im Jahre 1847 angestellte Versuche
                              									der HHrn. Gounelle und Bréguet, ist vom Abbé Moigno
                              									selbst später als irrig bezeichnet worden.
                           Die Einrichtung zur Doppelcorrespondenz, mit der Hr. Gintl
                              									im Junius 1853 auftrat, basirte sich auf den Morse-Apparat; die Hauptschwierigkeit: das Relais gegen den abgehenden
                              									Strom passiv zu machen, wird bei derselben in sehr geistreicher Weise durch
                              									Anwendung einer eigenen Ausgleichungsbatterie gelöst, deren Strom stets gleichzeitig
                              									mit dem Linienstrome durch das Relais geleitet wird, aber in entgegengesetztem Sinne
                              									wie dieser auf den Elektromagnet einwirkt. Das Relais Besitzt zu dem Ende zwei von
                              									einander vollkommen unabhängige Drahtumwickelungen, von denen die innere wie
                              									gewöhnlich in die Linienleitung, die darüber gewickelte, aus stärkerem Drahte
                              									bestehende, zweite in die Kette der Ausgleichungsbatterie eingeschaltet ist. Um die
                              									Linien- und die Ausgleichungsbatterie stets gleichzeitig zu schließen und zu
                              									öffnen, wird ein Doppeltaster angewendet, bestehend aus zwei gewöhnlichen auf
                              									demselben Fußgestell stehenden Tastern, deren Hebel isolirend, aber fest mit
                              									einander verbunden sind, so daß sie gleichzeitig ihre respectiven, ebenfalls von
                              									einander isolirten Ambosse und Ruhecontacte berühren. Fig. 7 gibt eine Skizze
                              									der Anordnung auf zwei mit einander correspondirenden Stationen.
                           
                           In den Grundrissen der Doppeltaster führen b und b' zu den Körpern der beiden Tasterhebel, a und a' sind deren Ambosse,
                              									und c, c' deren Ruhelager; die übrigen Gegenstände
                              									werden für sich verständlich seyn.
                           Wird jetzt nur auf einer von beiden Stationen, z.B. in A
                              									der Doppeltaster niedergedrückt, so werden die Linien und die Ausgleichungsbatterie
                              									gleichzeitig geschlossen. Der Strom der Linienbatterie geht durch den Amboß a' und den Tasterkörper b',
                              									durch die innere Umwindung des eigenen Relais in die Leitung, dann auf der
                              									entfernten Station B durch die inneren Umwindungen des
                              									dortigen Relais, den Tasterkörper b und dessen Ruhelager
                              										c, zur Erde, und endlich zur Erdplatte der Station
                              										A zurück. Da aber auf der Station A gleichzeitig der Strom der Ausgleichungsbatterie in
                              									entgegengesetzter Richtung durch die äußere Umwindung des Relais geleitet wird, so
                              									kann in dessen Elektromagnet, wenn beide Ströme gehörig gegen einander ausgeglichen
                              									sind, kein Magnetismus erregt werden, und sein Anker bleibt in Ruhe. Auf der
                              									entfernten Station B dagegen findet der ankommende
                              									Linienstrom beim Durchgange durch das dortige Relais keine derartige Compensation,
                              									und setzt dasselbe in ganz gewöhnlicher Weise in Thätigkeit.
                           Wenn aber auch in B der Taster niedergedrückt wird,
                              									während der in A ebenfalls geschlossen bleibt, so hat
                              									man nach der einen, namentlich auch vom Hrn. Dr. Gintl vertretenen Ansicht anzunehmen, daß in der
                              									Linienleitung und den in dieselbe eingeschalteten Apparaten zwei Ströme in
                              									entgegengesetzter Richtung circuliren, jeder der Relais-Elektromagnete also
                              									von drei verschiedenen Strömen umkreist wird. Und zwar wird bei jedem Relais der
                              									abgehende Strom der eigenen Linienbatterie in oben angedeuteter Weise von dem
                              									Ausgleichungsstrome compensirt, so daß der ankommende Fernstrom frei zur Wirksamkeit
                              									gelangen kann. Man erhält also auf beiden Apparaten Schrift.
                           Somit wird immer, mag nun von beiden oder nur von einer Seite her gesprochen werden,
                              									das Relais nur von dem von der anderen Station kommenden, nicht aber von dem
                              									abgehenden Strome der eigenen Linienbatterie in Thätigkeit gesetzt.
                           Wer jener Ansicht des gleichzeitigen Vorhandenseyns oder
                              									der „Uebereinanderlegung“ (superposition, wie die französischen Physiker sich
                              									ausdrücken), zweier entgegengesetzten Ströme in demselben Drahte nicht beipflichtet,
                              									hat sich den Vorgang so zu erklären, daß beim gleichzeitigen Niederdrücken der
                              									Taster auf beiden Stationen, in der Linienleitung überhaupt kein Strom entsteht, da
                              									durch sie die gleichnamigen Pole der Batterien verbunden, letztere also nicht
                              									geschlossen sind; so daß nun auf beiden Stationen die jetzt nicht mehr compensirten
                              									Ausgleichungsströme das Relais in Thätigkeit setzen. Es erscheint also auf beiden
                              									Stationen Schrift; aber dieselbe wird nicht durch zwei gleichzeitig durch die
                              									Leitung fließende entgegengesetzte Linienströme hervorgebracht, sondern dadurch, daß
                              									durch Schließung des Schlüssels in B der
                              									correspondirenden Station der Linienstrom abgeschnitten und so der dortige wie auch
                              									der eigene Ausgleichungsstrom gezwungen werden zu schreiben, so lange an beiden
                              									Stationen die Schlüssel niedergedrückt bleiben. Oeffnet A seinen Schlüssel, während der in B noch
                              									geschlossen ist, macht also etwa A Punkte, B aber Striche, so tritt nun sofort der ersterwähnte
                              									Fall ein: von B geht ein Strom nach A, der in dem Relais der Station B durch den dazugehörigen Ausgleichungsstrom compensirt wird, in dem
                              									Relais der Station A aber bewirkt, daß der Anker
                              									angezogen bleibt, der also das von dem dortigen Ausgleichungsstrome begonnene
                              									Zeichen fortsetzt. Es erscheint also in A stets das Zeichen, welches mit dem Taster in B angegeben worden, und umgekehrt.
                           Man hätte auch die Anordnung so treffen können, daß in beiden Stationen verschiedene
                              									Pole der Linienbatterien – etwa in A der
                              									positive, in B der negative – zur Erdplatte
                              									gehen; dann würde bei einseitigem Sprechen der Vorgang ganz wie oben seyn, beim
                              									gleichzeitigen Niederdrücken der Schlüssel auf beiden
                              									Stationen aber würden allerdings zwei Ströme in die Leitung treten, aber dieselben
                              									wirken dann in gleichem Sinne, summiren sich, und setzen beide Relais in Thätigkeit,
                              									weil sie, so verstärkt, durch die Gegenwirkung der Ausgleichungsströme auf den
                              									Elektromagnet nicht mehr compensirt werden.
                           Wie man sich also auch den Vorgang erklären will, der Erfolg bleibt derselbe: jede
                              									Station empfangt die vom Schlüssel der anderen Station gegebenen Zeichen, nicht aber
                              									die von dem eigenen Schlüssel herrührenden. Somit war durch diese Einrichtung das
                              									Problem des Gegensprechens (wie man sich jetzt in der Regel ausdrückt) thatsächlich
                              									gelöst.
                           Die Versuche, welche Hr. Dr. Gintl mit dieser Einrichtung im Julius 1853 auf der österreichischen
                              									Staats Telegraphen-Linie zwischen Prag und Wien anstellte – nachdem er bereits am 9. Junius
                              									dieses Jahres der mathematisch-physikalischen Classe der Wiener Akademie der
                              									Wissenschaften eine Mittheilung über diesen Gegenstand gemacht hatte – fielen
                              									in sofern durchaus befriedigend aus, als sie die Richtigkeit der Idee außer allen
                              									Zweifel setzten, obwohl sie auf der anderen Seite auch lehrten, daß die Sache noch
                              									nicht reif zur Einführung in den praktischen Dienst sey. Namentlich erwies sich bei
                              									den häufigen starken Schwankungen des Linienstromes die Regulirung des Ausgleichungsstromes auf
                              									die jedesmal zur (Kompensation nöthige Stärke sehr schwierig.
                           Eine Beschreibung dieser ersten Gintl'schen
                              									Doppelcorrespondenzmethode durch einen ungenannten Verfasser findet sich im
                              									polytechnischen Centralblatte für 1833 S. 1473 (daraus im polytechn. Journal Bd.
                                 									CXXXI. S. 191).
                           Die oben berührte Schwierigkeit hat Hrn. Dr. Gintl bewogen bei seinen weiteren Versuchen einen anderen
                              									Weg einzuschlagen, indem er statt des Morse'schen seinen
                              									elektro-chemischen Schreibapparat anwendete; und er ist so schließlich zu der
                              									in vorstehender Abhandlung beschriebenen Einrichtung gelangt. Mit dieser wurden im
                              									October des vorigen Jahres auf der Linie zwischen Wien
                              									und Linz Versuche angestellt, über deren günstigen
                              									Ausfall die Zeitungen und technischen Journale zu jener Zeit mehrfach
                              									berichteten.
                           Im Julius des vergangenen Jahres wurde uns mündlich mitgetheilt, daß der
                              									Telegraphen-Ingenieur Hr. Frischen in Hannover mit
                              									einer neuen von ihm erfundenen Einrichtung zum Gegensprechen, welche er indeß geheim
                              									halte, gelungene Versuche angestellt habe. Nach einer in der Zeitschrift des
                              									Architekten- und Ingenieur-VereinsIngenier-Vereins für das Königreich Hannover Bd. I S. 142 (polytechn. Journal Bd. CXXXVI S.
                                 									151) enthaltenen Notiz, welche jedoch nur die Thatsache constatirt, ohne über deren
                              									Wesen etwas mitzutheilen, hat Hr. Frischen seine
                              									Erfindung im März 1854 gemacht, und deren Brauchbarkeit am 26. Mai durch Versuche
                              									auf der Linie zwischen Hannover und Göttingen nachgewiesen. Ebenso befriedigend sollen Versuche ausgefallen
                              									seyn, welche Hr. Frischen im Januar des gegenwärtigen
                              									Jahres in Sunderland in England mit seiner Vorrichtung,
                              									deren Ausbeutung er im October vorigen Jahres einem englischen Unternehmer
                              									überlassen hatte, anstellte. Dem Vernehmen nach hat derselbe seine Erfindung auch
                              									den Regierungen des deutsch-österreichischen Telegraphen-Vereins zur
                              									Verfügung gestellt, lieber die Einrichtung seines Apparates ist unseres Wissens auf
                              									directem Wege nichts zur Oeffentlichkeit gelangt; doch wird von verschiedenen Seiten
                              									in verläßlicher Weise mitgetheilt, daß dieselbe nur in weniger wesentlichen Punkten
                              									von derjenigen verschieden ist, welche die HHrn. Siemens
                              									und Halske mehrere Monate später selbstständig erfunden
                              									haben, und daß deßhalb diese drei Herren dem Vernehmen nach ihre Interessen in
                              									dieser Angelegenheit verschmolzen haben.
                           Die HHrn. Siemens und Halske
                              									wurden, wenn wir recht berichtet sind, durch die Zeitungsberichte über die von Dr. Gintl zwischen 
                              									Linz und Wien am 15. October
                              									1854 angestellten Versuche veranlaßt, sich mit der Aufsuchung einer brauchbaren
                              									Doppelcorrespondenz-Vorrichtung für den Morse-Apparat zu beschäftigen.
                              									Sie, so wie auch Hr. Frischen, hatten die glückliche
                              									Idee, zur Kompensation des abgehenden Linienstromes im eigenen Relais statt der
                              									besonderen Ausgleichungsbatterie einen Zweig des Linienstromes selbst anzuwenden, so
                              									daß die Schwierigkeit der Regulirung beider Ströme von selbst fortfiel, und sie
                              									setzten diese Idee bei der von ihnen schon länger angewendeten Construction des
                              									Relais in sinnreicher und einfacher Weise durch bloße Abänderung der Drahtverbindung
                              									und Einschaltung eines Widerstandes ins Werk.
                           Im November vorigen Jahres sahen wir ihren Doppelcorrespondenz-Apparat im
                              									Zimmer in Thätigkeit; und am 15. December erläuterte Hr. Lieut. Siemens denselben in einem in der Berliner physikalischen
                              									Gesellschaft gehaltenen Vortrage. Seitdem ist eine Beschreibung dieses Apparates
                              									auch in dem kürzlich erschienenen „Katechismus der elektrischen
                                 										Telegraphie“ von Galle veröffentlicht
                              									worden.
                           Das Relais der gedachten Herren ist so construirt, daß der Anker durch einen zweiten,
                              									um eine Welle leicht beweglichen Elektromagneten ersetzt ist, dessen Schenkel denen
                              									des festen Elektromagnets nahe gegenüberstehen. Der ankommende Strom durchläuft nach
                              									einander die Drahtumwindungen beider Elektromagnete, ertheilt ihnen aber
                              									entgegengesetzte Pole, so daß die gegenüberstehenden Schenkel beider sich anziehen.
                              									Für die Doppelcorrespondenz wird nun aus der Mitte der Drahtwindungen der
                              									Elektromagnete, also zwischen den beiden Elektromagneten, die wir der Kürze wegen
                              									die Schenkel des Relais nennen wollen, eine Zweigleitung zur Erde oder zur Batterie
                              									abgezweigt, so daß einer der Schenkel in diese Zweigkette, der andere aber in die
                              									Kette des abgehenden Linienstromes eingeschaltet ist; in jene Zweigkette ist endlich
                              									noch ein Widerstand eingeschaltet, welcher dem der Linienleitung ungefähr gleich
                              									ist.
                           Fig. 8 zeigt
                              									eine solche Einrichtung.
                           Hier ist wie gewöhnlich der Amboß des Schlüssels mit der Batterie, die Ruhelage mit
                              									der Erde verbunden; von dem Schlüsselkörper geht ein Draht ab, welcher sich an den
                              									Umwindungsdraht des Relais in dessen Mitte, zwischen beiden Schenkeln, anschließt,
                              									und die freien Enden des Relaisdrahtes endlich sind auf der einen Seite mit der
                              									Linie, auf der andern Seite mit der Erdplatte verbunden, und in letzterer Verbindung
                              									ist ein Widerstand eingeschaltet, der dem der Linienleitung, wie schon erwähnt,
                              									ungefähr gleich ist.
                           
                           Der Vorgang beim Telegraphiren ist leicht zu übersehen. Wird auf der einen Station,
                              									etwa in A, der Schlüssel niedergedrückt, so tritt ein
                              									Strom aus der Batterie durch den Schlüsselkörper bei m
                              									in das Relais. Hier theilt er sich in zwei wegen des eingeschalteten Widerstandes
                              									gleiche Zweige; der eine Zweig geht durch den linken Schenkel des Relais zur Erde
                              									und zum anderen Pole der Batterie; der andere geht durch den rechten Schenkel des
                              									Relais in die Leitung an deren Ende durch das dortige Relais zur Erde, und endlich
                              									zum anderen Pole der Batterie. Da diese beiden Zweigströme die Umwindungen der
                              									Relaiselektromagnete in A von der Mitte aus in
                              									entgegengesetzten Richtungen durchlaufen, so ertheilen sie diesen jetzt einen
                              									gleichartigen und nahe gleich starken Magnetismus, die einander gegenüberstehenden
                              									Arme derselben ziehen sich also nicht an, sondern streben im Gegentheil sich
                              									abzustoßen; das Relais bleibt hier somit in Ruhe. Auf der Station B dagegen geht der dorthin gelangende Zweigstrom
                              									zunächst durch den an die Linienleitung sich schließenden Schenkel des Relais,
                              									theilt sich dann bei m und geht zum größeren Theile
                              									durch den Schlüssel, zum geringeren Theile durch den anderen Schenkel des Relais und
                              									den eingeschalteten Widerstand zur Erde; er wirkt also hier zwar ungleich stark,
                              									aber in demselben Sinne auf beide Relaisschenkel und setzt dieselben also in
                              									gewöhnlicher Weise in Thätigkeit.
                           Werden aber beide Schlüssel gleichzeitig niedergedrückt, so entsteht in der Leitung
                              									und in den an dieselbe gränzenden Schenkeln der beiden Relais kein Strom; um so
                              									stärkere Ströme circuliren aber in den beiden Localzweigen; diese wirken auf die in
                              									diesen Zweigen liegenden Relaisschenkel und setzen dadurch auf beiden Stationen die
                              									Relais in Thätigkeit.
                           Auf eine absolute Gleichheit zwischen dem eingeschalteten Widerstande und dem
                              									Widerstande der Leitung kommt es hiebei nicht an; ebenso ist es gleichgültig, wo
                              									dieser Widerstand eingeschaltet wird; Bedingung ist nur, daß dieser Widerstand und
                              									der eine Relaisschenkel in der Kette des Localzweiges; der andere Schenkel des
                              									Relais und die Linienleitung aber in der Kette des anderen Zweigstromes liegen. In
                              										Fig. 9 ist
                              									beispielsweise eine andere Anordnung dargestellt, welche ebenfalls mit Erfolg zur
                              									Anwendung gekommen ist; der Widerstand ist hier zwischen dem Relais und der Leitung,
                              									und die Batterie zwischen dem Ambos und der Relaismitte eingeschaltet; die
                              									Wirkungsweise wird man nach dem Vorhergehenden leicht erklären.
                           Die Erfinder wenden ferner zur größeren Sicherheit jetzt auch eine doppelte
                              									Relaisumwindung an, obwohl dieselbe nicht absolut nothwendig ist; sie ist nach dem
                              									Schema Fig.
                                 										10 ausgeführt. Wie man sieht, umkreist hier der aus der Ferne kommende
                              									Strom auf dem Wege zur Erde, von l nach e, jeden Relaisschenkel immer in derselben Richtung; der
                              									durch s eintretende abgehende Strom aber theilt sich bei
                              										m in zwei gleiche Zweige, welche die Relaisschenkel
                              									stets in entgegengesetzten Richtungen umkreisen, sich also in der Einwirkung auf die
                              									Eisenkerne gegenseitig compensiren, so daß in diesen überhaupt kein Magnetismus zur
                              									Entstehung kommen kann. Diese Einrichtung ist, wie man sieht, auch bei der
                              									gewöhnlichen Construction des Relais anwendbar.
                           In englischen Zeitschriften (die übrigens von den oben besprochenen Versuchen seither
                              									keine Notiz genommen haben) findet sich endlich eine kurze Notiz, daß der
                              									schwedische Professor Edlund eine Vorrichtung zum
                              									gleichzeitigen Telegraphiren in entgegengesetzten Richtungen auf demselben Drahte
                              									erfunden habe, doch ist über seine Methode noch nichts Näheres bekannt geworden.
                           Mit Rücksicht auf das Vorstehende können wir wohl behaupten, daß das Problem der
                              									Doppelcorrespondenz auf demselben Drahte in theoretischer Hinsicht vollständig
                              									gelöst, daß seine Möglichkeit und Ausführbarkeit außer Zweifel gesetzt ist. Ueber
                              									die Tragweite dieser Erfindung für die Telegraphie, und über die praktische
                              									Brauchbarkeit der einen oder der anderen Methode können wir uns füglich eines
                              									Urtheiles enthalten, da dieselben an mehreren Orten bereits in Anwendung stehen, die
                              									Erfahrung also bald selbst sprechen wird. Allzu sanguinische Hoffnungen hegen wir,
                              									offen gestanden, nicht; es ist ein nicht zu übersehender Uebelstand, daß der die
                              									Depesche abnehmende Beamte seinen Correspondenten nicht unterbrechen kann um
                              									Zwischenbemerkungen zu machen, Correcturen zu erlangen etc., ohne gleichzeitig auch
                              									die eigene abgehende Depesche seiner Station zu unterbrechen; ein Uebelstand, der
                              									nicht in der Art der Ausführung, sondern in dem Wesen der Doppelcorrespondenz selbst
                              									begründet ist. Möchten nur nicht die durch diese Erfindung angeregten Hoffnungen die
                              									Vermehrung der Zahl der Leitungen auf den Linien verzögern; denn selbstredend muß
                              									die Unterbrechung einer Leitung eine um so empfindlichere Störung des Verkehrs
                              									herbeiführen, je größer die Zahl der Depeschen war, welche für gewöhnlich auf
                              									derselben befördert wurden.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
