| Titel: | Ueber den hydraulischen Kalk, die künstlichen Steine und über verschiedene neue Anwendungen der auflöslichen kieselsauren Alkalien; von Hrn. Fr. Kuhlmann. | 
| Fundstelle: | Band 137, Jahrgang 1855, Nr. LXXV., S. 288 | 
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                        LXXV.
                        Ueber den hydraulischen Kalk, die künstlichen
                           								Steine und über verschiedene neue Anwendungen der auflöslichen kieselsauren Alkalien;
                           								von Hrn. Fr. Kuhlmann.
                        Aus den Comptes
                                 								rendus, Juni 1855, Nr. 26.
                        Kuhlmann, über den hydraulischen Kalk, die künstlichen Steine und
                           								über verschiedene neue Anwendungen der auflöslichen kieselsauren Alkalien.
                        
                     
                        
                           Erster Theil.
                           Gegen Ende 1840 erhielt ich den Auftrag, eine Untersuchung über die starken
                              									Auswitterungen bei einem ganz neuen Bau anzustellen, welche man einer
                              									Salpeterbildung zuschrieb; ich überzeugte mich aber bald, daß die ausgewitterten
                              									Salze großentheils aus kohlensaurem Natron bestanden, und daß der angewandte Kalk
                              									(hydraulischer Kalk aus der Umgegend von. Tournay) zu diesen Auswitterungen
                              									beigetragen hatte; durch weitere Versuche fand ich dann, daß alle Kalksteine,
                              									namentlich aber jene, welche natürlichen hydraulischen Kalk oder Cement geben
                              									können, nicht unbeträchtliche Quantitäten von Kali und Natron enthalten.
                           Theorie des hydraulischen Kalks. – In einer
                              									Abhandlung, welche ich der (französischen) Akademie der Wissenschaften im Jahr 1841
                              									einreichte, suchte ich die Rolle zu erklären, welche das Kali und Natron in den
                              									Cement liefernden Kalksteinen spielen; ich bemerkte, daß diese Alkalien dazu dienen,
                              									die Kieselerde auf den Kalk zu übertragen und so Silicate herzustellen, welche in
                              									Berührung mit Wasser, einen Theil von diesem durch Hydratbildung in festen Zustand
                              									überführen. Ich führte damals zahlreiche Thatsachen zur Unterstützung dieser Theorie
                              									auf, unter anderen die unmittelbare Verwandlung des fetten Kalks in hydraulischen
                              									Kalk durch bloße Berührung desselben mit einer Auflösung von kieselsaurem Kali. Wenn
                              									also beim Brennen eines Kalksteins Kali mit der Kieselerde in Berührung ist, so muß
                              									das sich bildende Kalisilicat nothwendig reagiren, und sollte es erst in dem
                              									Zeitpunkt seyn wo der gebrannte Kalk mit Wasser zusammengebracht wird.
                           Ich habe meine Versuche über diesen Punkt sehr ausgedehnt und nachgewiesen, daß man
                              									mit fettem Kalk und Alkali-Silicat, beide sehr fein pulverisirt und im
                              									Verhältnis von 10 bis 12 Th. Silicat auf 100 Th. fetten Kalk gemengt, einen Kalk
                              									erhalten kann, welcher alle Eigenschaften des hydraulischen besitzt. Würde man die
                              									Materialien nicht gut pulverisirt anwenden, so wäre die gegenseitige Einwirkung eine
                              									sehr unvollständige, und
                              									das Gemenge fiele nach dem Festwerden bald wieder auseinander.
                           Meine früheren Versuche ergaben somit die Möglichkeit, einen mit fettem Kalk
                              									dargestellten Mörtel in hydraulischen Mörtel umzuwandeln, indem man ihn mit einer
                              									Auflösung voll Alkali-Silicat begießt; bei meinen neueren Versuchen habe ich
                              									aber ein Mittel gefunden, unmittelbar hydraulische Cemente hervorzubringen, nämlich
                              									mittelst Wasserglas (silicate de potasse vitreux) und
                              									Kalk. Dadurch ist man in Stand gesetzt, ohne zu große Kosten hydraulische Bauten an
                              									Orten auszuführen, wo nur fette Kalksteine vorkommen. Das pulverisirte kieselsaure
                              									Kali wird also als hydraulisirendes Agens in die Praxis übergehen.
                           Verkieselung; künstliche Steine. – Die große
                              									Verwandtschaft des Kalks zu der in Kali aufgelösten Kieselerde veranlaßt mich die
                              									Wirkung der Alkali-Silicate auf die Kalksteine zu untersuchen; das Resultat
                              									war, daß von diesem Verhalten der Alkali-Silicate zahlreiche nützliche
                              									Anwendungen gemacht werden können. Ich hebe aus meiner Abhandlung vom J. 1841
                              									folgende bezügliche Stellen aus:
                           
                              „Rührt man gepulverte Kreide in eine Lösung von kieselsaurem Kali, so
                                 										erhält man einen Kitt, welcher an der Luft langsam erhärtet und hart genug wird,
                                 										um in manchen Fällen zur Restauration öffentlicher Monumente und zur Darstellung
                                 										von geformten Ornamenten u.s.w. gebraucht werden zu können.“
                              
                           
                              „Die Kreide, als künstliche Masse oder als natürlicher Stein, absorbirt,
                                 										wenn sie in eine Lösung von kieselsaurem Kali getaucht wird, selbst in der Kälte
                                 										eine Quantität Kieselerde, welche, wenn man den Stein wechselsweise und zu
                                 										wiederholtenmalen der Einwirkung der kieselerdehaltigen Lösung und der Luft
                                 										aussetzt, beträchtlich werden kann; die Kreide erhält ein glattes Ansehen, ein
                                 										dichtes Korn und eine mehr oder weniger gelbliche Farbe, je nachdem sie mehr
                                 										oder weniger eisenhaltig war. Die so präparirten Steine nehmen eine schöne
                                 										Politur an; die anfangs nur oberflächliche Erhärtung setzt sich nach und nach
                                 										bis in die Mitte fort, sogar wenn der Stein ziemlich dick ist; so präparirte
                                 										Steine scheinen für Bildhauerarbeiten und verschiedene, selbst sehr zarte
                                 										Ornamente, von sehr großem Nutzen werden zu können; denn wenn die Verkieselung
                                 										auf sehr trockner Kreide statt findet (was zu einem guten Resultat nothwendig
                                 										ist), so werden die Oberflächen gar nicht verändert. Versuche, welche
                                 										hinsichtlich der Anwendung dieser Steine zum lithographischen Druck angestellt
                                 										wurden, versprechen den besten Erfolg.“
                              
                           
                           
                              „Diese Methode, die weichen Kalksteine in kieselige Kalksteine
                                 										umzuwandeln, kann für die Baukunst eine schätzbare Requisition werden; von der
                                 										Nässe nicht leidende und sehr harte Ornamente können dadurch billig hergestellt
                                 										werden, und in vielen Fällen kann ein Anstrich mit einer Lösung von kieselsaurem
                                 										Kali zum Schuhe alter, in weichem Kalkstein ausgeführter Monumente dieselben
                                 										gegen späteres Verderben schützen; derselbe Anstrich könnte in den Gegenden wo,
                                 										wie in der Champagne, die Kreide beinahe das einzige Baumaterial bildet, in
                                 										allgemeine Anwendung kommen.“
                              
                           Alle diese Verbesserungen in der Baukunst und im Verzieren unserer Bauten, welche ich
                              									im Jahr 1841 beschrieb, haben in der Praxis bereits ausgedehnte Anwendung
                              									gefunden.
                           Ich habe auch schon damals die wichtige Frage aufzuklären gesucht: wie wirkt die Luft
                              									beim Erhärten der kieseligen oder künstlichen Kalksteine? Ich habe nämlich durch
                              									Versuche gezeigt, daß aus dem Alkali-Silicat durch die Kohlensäure der Luft
                              									ein Theil der Kieselerde abgeschieden wird, daß aber die Theile des
                              									Alkali-Silicats, welche mit einer hinreichenden Menge von kohlensaurem Kalk
                              									in Berührung waren, in kieselsauren Kalk übergehen.Die Abhandlung, welche Hr. Fr. Kuhlmann im J. 1841
                                    											der französischen Akademie der Wissenschaften einreichte, erschien damals im
                                    											Auszug in den Comptes rendus und wurde aus
                                    											diesen im polytechn. Journal Bd. LXXXI S. 133 mitgetheilt; erst im J. 1847
                                    											wurde diese Abhandlung in den Annales de Chimie et de
                                       												Physique vollständig veröffentlicht, woraus sie in das polytechn.
                                    											Journal Bd. CVI. S. 425 überging. Beiden Uebersetzungen wurden Bemerkungen
                                    											der Redaction dieses Journals beigefügt, worin genügend auseinandergesetzt
                                    											ist, daß Hr. Kuhlmann den Abhandlungen des Hrn.
                                    											Professor Dr. J. N. v. Fuchs in München „über das Wasserglas:“ und
                                    												„über die hydraulischen Mörtel“ , wovon jene im
                                    											Jahr 1825, diese im Jahr 1833 erschien, nichts wesentlich Neues beigefügt
                                    											hat; es wurde insbesondere hervorgehoben, daß Fuchs zuerst das Kali im hydraulischen Kalk ausfindig gemacht und
                                    											nachgewiesen hat, daß beim Erhärten des hydraulischen Kalks die Alkalien
                                    											gegen den vorhandenen freien Kalk ausgetauscht werden, welcher sich mit dem
                                    											Thonerde-Silicat verbindet; ferner wurde bemerkt, daß Hr. Kuhlmann in einem großen Irrthum befangen ist,
                                    											indem er annimmt daß die Kreide bei der Behandlung mit Wasserglas sich in
                                    											Kalksilicat umwandelt. Wenn man einen Kalkstein oder sonstigen Baustein mit
                                    											Wasserglaslösung tränkt, so macht die Kohlensäure der Atmosphäre die
                                    											Kieselerde aus dem Wasserglas frei, welche sich also in den Poren des Steins
                                    											und um dessen Theilchen herum ablagert; dadurch werden die Berührungspunkte
                                    											dieser Theilchen vergrößert und es entsteht gewissermaßen eine Glasur von
                                    											unauflöslicher Kieselerde, welche den Stein gegen die Wirkungen der
                                    											Feuchtigkeit etc. schützt. Gerade diese von Fuchs entdeckte Thatsache bildet
                                    											die Grundlage seiner Stereochromie. worüber wir auf die Abhandlung des Hrn.
                                    											J. Barlow im polytechn. Journal Bd. CXXXIII S.
                                       											290 verweisen.A. d. Red.
                              								
                           Neue Beobachtungen. – Die merkwürdige Umwandlung
                              									der weichen und porösen Kalksteine in kieselige und compacte Kalksteine, hatte ich
                              										Verkieselung (silicatisation) genannt. Da bei der Ausführung dieser Verkieselung von Bauten
                              									und Bildhauerarbeiten oft sehr deutliche Färbungen entstehen, wodurch die Fugen
                              									auffallender und die Adern markirter werden, so bemühte ich mich diesem Nachtheil
                              									abzuhelfen.
                           Die aus Kreide bestehenden Mauern bleiben oft zu weiß, während manche eisenhaltige
                              									Kalksteine zu dunkle Nüancen annehmen; um diesem Uebelstand abzuhelfen, benutze ich
                              									zur Verkieselung der zu weißen Kalksteine ein Doppelsilicat von Kali und Manganoxyd;
                              									es ist dieß eine dunkelviolette glasige Masse, welche eine braune Auflösung gibt,
                              									die in dem künstlichen kieselerdehaltigen Teig ein wenig Manganoxyd absetzt.
                           Das Kobaltoxyd verbindet sich ebenfalls, aber in kleinerer Menge, mit dem
                              									kieselsauren Kali; die aus demselben durch einen Kohlensäurestrom niedergeschlagene
                              									Kieselerde ist schön lasurblau; dieses Silicat wird sich bei der Behandlung weißen
                              									Marmors benutzen lassen.
                           Wenn die Nüancen der Kalksteine zu dunkel sind, was meistens der Fall ist, so erhalte
                              									ich vortreffliche Resultate, indem ich in der Auflösung des kieselsauren Kalis
                              									kleine Mengen von künstlichem schwefelsaurem Baryt vertheile, welcher dann in den
                              									porösen Stein eindringt und durch die entstehende kieselige Schicht darin fest
                              									zurückgehalten wird.
                           Die Fugen kann man mit gewöhnlichem Cement verstreichen, dessen Nüance durch Zusatz
                              									weißer Substanzen lichter gemacht wurde; um sie noch unkenntlicher zu machen, kann
                              									man Stücke des Kalksteins selbst anwenden, gemengt mit Kali-Wasserglas, indem
                              									man das Ganze vor der Benutzung sehr fein pulvert und als flüssigen Teig
                              									einstreicht.
                           Färben des Kalksteins. – Im Verlauf meiner
                              									Arbeiten erschien es mir wünschenswerth, die der Verkieselung unterzogenen Bausteine
                              									in Harmonie mit denjenigen bringen zu können, womit diese Operation nicht
                              									vorgenommen wurde; dadurch wurde ich veranlaßt, ein wirkliches Färben der Kalksteine
                              									vorzunehmen, indem ich sie zuerst mit gewissen Metallsalzen imprägnirte, um dann
                              									Niederschläge von gefärbten Verbindungen in denselben zu erzeugen. Indem ich z.B.
                              									die Steine mit Blei- oder Kupfersalz tränke und sie dann mit
                              									Schwefelwasserstoffgas oder einer Auflösung von Schwefelwasserstoff-Ammoniak
                              									in Berührung bringe, erhalte ich nach Belieben graue, schwarze oder braune Nüancen.
                              									Mit den Kupfersalzen und gelbem Blutlaugensalz erhalte ich rothbraune Farben etc.
                              									Bei dieser Gelegenheit habe ich eine in theoretischer und praktischer Hinsicht
                              									interessante Beobachtung gemacht: wenn man nämlich die porösen Kalksteine in
                              									Auflösungen von schwefelsauren Metallsalzen kochen läßt, so entbindet sich
                              									Kohlensäure und es werden die (unauflöslichen) Metalloxyde bis auf eine ziemlich große
                              									Tiefe in inniger Verbindung mit schwefelsaurem Kalk fixirt. Wenn die Basen der
                              									schwefelsauren Salze gefärbte Metalloxyde sind, so erhält man auf diese Weise sehr
                              									schöne Färbungen in sehr reinen Nuancen. So erhält man mit dem Eisenvitriol mehr
                              									oder weniger dunkle Rostfarben, je nach der Concentration seiner Lösung; durch
                              									Kupfervitriol wird der Kalkstein prächtig grün gefärbt; schwefelsaures Mangan gibt
                              									braune Nüancen; ein Gemisch von Eisen- und Kupfervitriol gibt eine
                              									Chocolate-Farbe. Die Metalloxyde der schwefelsauren Salze können von dem
                              									kohlensauren Kalk so vollständig absorbirt werden, daß von manchen, z.B. dem
                              									Kupferoxyd, nach dem Kochen mit einem Ueberschuß von Kreide, kaum wahrnehmbare
                              									Spuren in der Flüssigkeit zurückbleiben. Ich bemerke noch, daß wenn man Gemische von
                              									Kupfervitriol und Eisenvitriol, oder von Kupfervitriol und schwefelsaurem Mangan
                              									anwendet, das Eisenoxyd und Manganoxydul zuerst gefällt werden.
                           Wendet man schwefelsaure Salze mit farblosen Oxyden an, z.B. Zinkvitriol, Bittersalz
                              									oder schwefelsaure Thonerde, so werden die Oxyde ebenfalls gefällt und dringen mit
                              									Entwicklung von Kohlensäure bis auf eine gewisse Tiefe in den Stein ein. Der saure
                              									phosphorsaure Kalk gibt analoge Resultate.
                           Man mag die gefärbten Kalksteine zu Bauten oder für Mosaik benutzen, so ist es in der
                              									Regel zweckmäßig, sie mittelst Verkieselung härter zu machen. Aus Muscheln, weißen
                              									Korallen etc. verfertigte Gegenstände kann man nach den angegebenen Verfahrungsarten
                              									ebenfalls färben und sie nachher durch Verkieselung härter machen.
                           Manche schwefelsaure Metallsalze, z.B. der Zinkvitriol, ertheilen dem Kalkstein,
                              									welcher damit gekocht wurde, durch die gebildeten Producte schon eine größere Härte,
                              									so daß die nachherige Verkieselung nicht mehr so nothwendig ist.