| Titel: | Untersuchung der Seife auf ihren mercantilen Werth, für Nichtchemiker; von Hrn. Professor Dr. Heeren. | 
| Fundstelle: | Band 137, Jahrgang 1855, Nr. LXXXII., S. 311 | 
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                        LXXXII.
                        Untersuchung der Seife auf ihren mercantilen
                           								Werth, für Nichtchemiker; von Hrn. Professor Dr. Heeren.
                        Aus den Mittheilungen des hannoverschen
                                 								Gewerbevereins, 1855, Heft 5.
                        Heeren, über Untersuchung der Seife auf ihren mercantilen
                           								Werth.
                        
                     
                        
                           Wohl wenige dem gemeinen Leben unentbehrliche Artikel unterliegen so häufiger
                              									Verfälschung wie die Seife, und bei wenigen ist die Verfälschung so schwer äußerlich
                              									zu erkennen wie eben hier. Wer sollte glauben, daß so manche sehr harte Seife vom
                              									schönsten Ansehen wohl die Hälfte ihres Gewichts, ja selbst noch mehr Wasser enthält, dessen Gegenwart sich zwar durch den
                              									bedeutenden Gewichtsverlust beim scharfen Austrocknen zu erkennen gibt, in der
                              									frischen oder halb trockenen Seife aber schlechterdings nicht zu bemerken ist.
                           Die Möglichkeit, der Seife eine beträchtliche Menge Wasser einzuverleiben, ohne sie
                              									äußerlich zu verschlechtern, so wie das Bestreben des Publicums, trotz der von Jahr
                              									zu Jahr steigenden Talgpreise, den Bedarf an Seife so wohlfeil wie irgend möglich
                              									sich zu verschaffen, ist Ursache geworden, daß die meisten Seifenfabriken nur noch
                              									mit der Anfertigung solcher gefüllten Seifen sich
                              									abgeben, und auf die Herstellung richtig beschaffener Kernseife, welche unmöglich zu den gängigen Preisen verkauft werden kann,
                              									geradezu verzichten. Wie könnte man es auch dem Seifenfabrikanten verdenken, wenn
                              									er, um mit der Mehrzahl seiner Collegen zu concurriren, vielleicht selbst mit
                              									Widerstreben zu demselben Mittel greift, dessen sich die Anderen bedienen, um durch
                              									niedrige Preise sich Absatz zu verschaffen.
                           Eine ganz natürliche Folge von diesem Verhältniß zwischen Publicum und
                              									Seifenfabrikanten ist nun eine stets zunehmende Verschlechterung der Seife, wobei
                              									das Erstere, in der Unmöglichkeit, den wahren Gehalt einer käuflichen Seife zu
                              									erkennen, stets der Gefahr der Uebervortheilung preisgegeben ist.
                           Weit entfernt von dem Glauben, daß die alten Kernseifen das einmal verlorene Terrain
                              									wieder gewinnen werden, meine ich doch, daß es an der Zeit wäre, dem Unfug mit
                              									übertrieben stark gefüllter Seife ein Ziel zu setzen; und so gut wie die meisten civilisirten
                              									Länder zum Schutz des Publicums gesetzliche Bestimmungen über erlaubte und nicht
                              									erlaubte Zusätze zu den edlen Metallen und zum Zinn besitzen, würden ähnliche
                              									Bestimmungen über den erforderlichen Gehalt der Kernseife
                              									einerseits, und der gefüllten Seifen andererseits, sich
                              									aus dem Grunde rechtfertigen, weil die Beurtheilung der Seifen nach dem äußeren
                              									Ansehen so ungemein schwer ist, daß schon die Unterscheidung der beiden
                              									Hauptcategorien, nämlich der Kern- und der gefüllten Seife, große Uebung und
                              									Kenntniß voraussetzt.
                           Für jetzt sind gesetzliche Bestimmungen der Art nicht vorhanden, und da dem
                              									Consumenten nicht immer ein Chemiker zu Gebote steht, welchem er in vorkommenden
                              									Fällen die Untersuchung von Seifenproben übertragen kann, so will ich im Folgenden
                              									eine für die gewöhnlichen Zwecke hinlänglich genaue, und doch so einfache
                              									Untersuchungsart, daß sie selbst von Nichtchemikern ohne Schwierigkeit ausgeführt
                              									werden kann, beschreiben, nachdem einige allgemeine Bemerkungen vorhergeschickt
                              									sind.
                           Bekanntlich werden die harten Seifen, auf welche sich vorzugsweise dieser Artikel
                              									bezieht, aus verschiedenen Fetten, besonders Talg, Palmöl und Kokosnußöl, seltener
                              									aus Baumöl und Oelsäure bereitet, indem man dieselben mit ätzender Soda- oder
                              									Natronlauge anhaltend kocht. Das Fett erleidet hierbei eine chemische Veränderung
                              									und verbindet sich mit dem Natron und einer gewissen Menge Wasser zu Seife. In
                              									dieser, so weit fertigen Seife befindet sich nun noch der nothwendig angewandte
                              									Ueberschuß von Lauge, nebst den in der Soda, sowie in dem Fett vorhanden gewesenen
                              									fremden Stoffen. Um die reine Seife von diesen fremden Stoffen befreit zu erhalten,
                              									benutzt man ihre Eigenschaft, in Salzwasser unauflöslich zu seyn; man fügt also der
                              									flüssigen Seifenmasse eine gewisse Menge Salz hinzu (das Aussalzen), wodurch nach
                              									einigem Kochen sich die reine Seife von der übrigen Flüssigkeit, der Unterlauge, trennt, und davon abgeschöpft werden
                              									kann.
                           Wird diese Operation richtig und kunstgemäß ausgeführt, so erhält man eine Seife, die
                              									sich von der Unterlauge vollständig absondert, beim langsamen Erkalten in der Form
                              									(einem sehr großen hölzernen Kasten) ein sehniges Gefüge annimmt, und ohne
                              									künstliches Zuthun eine Art Marmorirung, von den Seifensiedern Naturfluß genannt, besitzt. Bei diesem Verfahren erhält man von 100 Pfd.
                              									Talg 150 bis 155 Pfd. Seife, im ganz frischen Zustande gerechnet. Sie wird
                              									gewöhnlich Kernseife genannt. Die Zunahme des Gewichts
                              									rührt her von dem mit dem Fett in Verbindung getretenen Natron und dem zum Theil
                              									chemisch mit der Seife verbundenen, zum Theil noch mechanisch eingemengten
                              									Wasser.
                           
                           Da nun ein solcher Naturfluß, und die damit verbundene Marmorirung nur bei einem
                              									bestimmten geringen Wassergehalt entsteht, durch größeren Wassergehalt aber
                              									verhindert wird, so betrachtete man früher diese Marmorirung als ein sicheres
                              									Kennzeichen einer richtig beschaffenen Kernseife. Um jedoch in dieser Beziehung das
                              									Publicum zu tauschen, wurden schon früher, und werden noch jetzt schlechtere, d.h.
                              									wasserhaltigere Seifen durch geschicktes Einrühren färbender Substanzen künstlich marmorirt; und wenn auch ein geübtes Auge eine
                              									solche künstliche Marmorirung an dem mangelnden sehnigen Gefüge, dem Fluß, von der
                              									natürlichen leicht unterscheidet, so ist doch das consumirende Publicum nicht immer
                              									mit so geübtem Kennerblick begabt. Seitdem nun aber in der Neuzeit ein Verfahren
                              									entdeckt ist, vermittelst dessen man auch der gefüllten Seife einen ähnlichen
                              									Naturfluß ertheilen kann, hat dieses Kennzeichen so ziemlich seinen Werth
                              									verloren.
                           Unter gefüllten Seifen im Allgemeinen versteht man solche,
                              									die nicht so weit ausgesalzen worden, daß sich die Unterlauge von der Seife
                              									abgeschieden hätte, wo also der ganze Inhalt des Kessels zusammenbleibt, um als
                              									Seife verkauft zu werden. Beim Erkalten nämlich erstarrt das Ganze zu einer festen,
                              									seifenartigen Masse, ohne den bedeutenden Wassergehalt durch sein Ansehen zu
                              									verrathen. Diese sonderbare Eigenschaft, selbst bei großem Wassergehalt ganz hart
                              									und trocken zu erscheinen, besitzt im höchsten Grade die aus Kokosnußöl gesottene
                              									Seife, weßhalb denn auch seit der allgemeinen Verbreitung dieses Oels die
                              									Anfertigung der gefüllten Seifen einen um so größeren Aufschwung gewinnen mußte, als
                              									schon ein mäßiger Zusatz desselben zu anderen Fetten seinen günstigen Einfluß
                              									geltend macht. Man kann auf diesem Wege aus 100 Theilen Fett über 300 Theile
                              									anscheinend guter harter Seife erzielen; ein ungeheurer Vortheil für den
                              									Fabrikanten!
                           Wenn hiermit auch nicht gesagt seyn soll, daß die gewöhnlichen Seifen dieser Art so
                              									stark gefüllt sind, so ist doch eine Production von 200 bis 220 Pfd. frischer Seife
                              									aus 100 Pfd. Fett etwas ganz Gewöhnliches.
                           Daß unter so bewandten Umständen, besonders bei größeren Ankäufen, die chemische
                              									Untersuchung der Seifen ein Gegenstand von Wichtigkeit sey, liegt auf der Hand, und
                              									es wird keiner weiteren Rechtfertigung bedürfen, wenn ich im Folgenden ein, den
                              									Seifenfabrikanten nicht unbekanntes, jedoch noch nicht zur allgemeineren Kenntniß
                              									gekommenes, selbst von Nichtchemikern leicht ausführbares Verfahren der
                              									Seifen-Untersuchung mittheile, wobei übrigens bevorwortet werden muß, daß es
                              									nur dahin zielt, den Fettgehalt, also auch die Menge der
                              									reinen Seifensubstanz zu ermitteln, welche ja den mercantilen Werth einer Seife
                              									bestimmt. Welches Fett
                              									aber, ob Talg, Palmöl oder Kokosnußöl, oder ob mehrere derselben zusammen zu der
                              									Seife verwendet worden, zeigt diese Untersuchung eben so wenig, wie diese Frage
                              									selbst durch eine chemische Analyse mit einiger Sicherheit beantwortet werden
                              									kann.
                           Die scheinbar einfachste und leichteste Untersuchung besteht jedenfalls darin, eine
                              									gewogene Menge der in feine Späne zerschnittenen Seife auf einem warmen Ofen zu
                              									trocknen und den Gewichtsverlust zu bestimmen; sie ist aber nicht nur langwierig,
                              									sondern auch unsicher, weil es dem, in chemischen Arbeiten Ungeübten schwer fallen
                              									dürfte die Trocknung so zu leiten, daß ohne ein Anbrennen der Seife das Wasser
                              									vollständig entweicht: auch können fremdartige Unreinigkeiten vorhanden seyn, welche
                              									neben der überschüssig vorhandenen Soda und anderen Salzen beim Trocknen in der
                              									Seife verbleiben und fälschlich als Seife in Rechnung kommen.
                           Diesen Uebelständen beugt das jetzt zu beschreibende Verfahren vor.
                           Außer einer kleinen, ziemlich empfindlichen Waage und zugehörigem Gewicht bedarf man
                              									nur eines recht großen Uhrglases und einer Porzellantasse. Das Gewicht des Uhrglases
                              									wird ein- für allemal bestimmt, damit man nicht nöthig habe, dasselbe
                              									jedesmal von Neuem abzuwägen. Die zu untersuchende Seife wird in Späne geschnitten,
                              									worauf man etwa 60 Gran (1/4 Loth) genau abwägt, in die Tasse schüttet und mit etwa
                              									vier Eßlöffeln voll Regenwasser übergießt. Man stellt nun die Tasse auf einen warmen
                              									Ofen oder eine heiße Platte, um die Seife vollständig aufzulösen, gibt sodann etwa
                              									20 Tropfen Salzsäure hinzu und läßt die Tasse so lange in der Wärme stehen (gelindes
                              									Kochen schadet nicht), bis sich das aus der Seife abgeschiedene Fett in Gestalt
                              									eines klaren Oeles auf der Oberfläche des Wassers zeigt. In der Zwischenzeit wägt
                              									man ebenfalls 60 Gran weißes Wachs so genau wie möglich ab, gibt es, nach erfolgter
                              									Klärung des Fettes in der Tasse, hinzu, und stellt das Ganze zum vollständigen
                              									Erkalten an einen recht kühlen Ort. Durch den Zusatz des Wachses wird das aus der
                              									Seife abgeschiedene Fett, welches allein für sich, seiner weichen Consistenz wegen,
                              									sehr schlecht zu handhaben und schwerlich mit einiger Genauigkeit abzuwägen seyn
                              									würde, in eine harte Masse verwandelt, welche nach vollständigem Erkalten sich von
                              									den Wänden der Tasse ganz leicht ablöst, sich ohne erheblichen Verlust aus der Tasse
                              									nehmen und durch gelindes Drücken zwischen Löschpapier von dem etwa anhängenden
                              									Wasser befreien läßt. Man bringt sie in das tarirte Uhrglas, fügt auch das, in
                              									höchst geringer Menge an den Seitenwänden der Tasse etwa sitzen gebliebene, mit
                              									einem Messer sorgfältig abgenommene Fett hinzu, und stellt das Uhrglas zum Schmelzen
                              									des Inhaltes auf die heiße Platte, die man zur Unterlage des Glases mit etwas Sand
                              									überdekt. Diese
                              									Schmelzung ist nöthig, weil die Fettmasse, trotz der Abtrocknung zwischen
                              									Löschpapier, zuweilen noch einige Tröpfchen Wasser im Innern beherbergt, welche die
                              									Wägung ungenau machen würden, und in dem durchsichtigen Uhrglase zum Vorschein
                              									kommen. Sollte nun dieses der Fall seyn, so treibt man die Hitze etwas höher, um das
                              									am Boden des Glases sitzende Wasser durch Kochen zu verjagen. Nachdem das Glas
                              									wieder abgekühlt ist, wägt man es, subtrahirt das Gewicht des Glases und des
                              									zugesetzten Wachses, und erhält so das Gewicht des aus der Seife abgeschiedenen
                              									Fettes.
                           Man würde einen kleinen Fehler begehen, wollte man aus der so gefundenen Fettmasse
                              									geradezu die Menge des zur Seife verwendeten Fettes berechnen; denn, wie wir oben
                              									sahen, erleidet das Fett beim Verseifen eine chemische Aenderung, die mit einem
                              									Gewichtsverlust verbunden ist, welcher 1/20 des Fettes beträgt. Man erhält daher die
                              									Menge des zur Seife verwendeten Fettes, wenn man zu der gefundenen Menge den
                              									neunzehnten Theil addirt.
                           Von guten, obwohl frischen Kernseifen ist daher zu
                              									verlangen, daß sie nach unserer Untersuchungsart
                           61 bis 63 Procent Fettmasse
                           geben.
                           Bei gefüllten Seifen würden, wenn man auf 100 Pfd. Fett
                              									200 bis 220 frische Seife rechnet,
                           43 1/5 bis 47 Procent Fettmasse
                           erfolgen; doch würde eine solche Seife schon als eine ziemlich
                              									schlechte zu betrachten seyn.
                           Bei Untersuchung einer guten, freilich schon ein wenig abgetrockneten gefüllten Seife
                              									wurden
                           54 Procent Fettmasse
                           gewonnen, welche Zahl meines Erachtens für käufliche, also
                              									schon etwas getrocknete gefüllte Seife als Norm angenommen werden dürfte.
                           Eine gute, aus ungebleichtem Palmöl und Colophonium dargestellte gelbe Palmölseife,
                              									in etwas getrocknetem käuflichen Zustande gab
                           52 Procent Fettmasse.