| Titel: | Ueber die fabrikmäßige Darstellung der Cyanverbindungen; von Richard Brunnquell, früher technischem Dirigenten der Blutlaugensalz-Fabrik Hohenkamp bei Bremen. | 
| Autor: | Richard Brunnquell | 
| Fundstelle: | Band 141, Jahrgang 1856, Nr. X., S. 47 | 
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                        X.
                        Ueber die fabrikmäßige Darstellung der
                           Cyanverbindungen; von Richard
                              Brunnquell, früher technischem Dirigenten der
                           Blutlaugensalz-Fabrik Hohenkamp bei Bremen.
                        (Schluß von S. 460 des vorhergehenden
                           Bandes.)
                        Mit einer Abbildung auf Tab. I.
                        Brunnquell, über die fabrikmäßige Darstellung der
                           Cyanverbindungen.
                        
                     
                        
                           III. Neues und eigenthümliches Verfahren
                                 zur Bereitung des Blutlaugensalzes im Großen.
                           Es ist dieß dasselbe Verfahren, welches mir im Februar 1854 von dem Ministerium für
                              Handel und Gewerbe auf fünf Jahre patentirt wurde. Seit November 1854 bin ich
                              beschäftigt gewesen, dasselbe versuchsweise im Großen auszuführen, wobei es mir
                              leider mit den geringen mir zu Gebote stehenden Mitteln nicht gelungen ist, die
                              Schwierigkeiten in der Ausführung dieser (wie jeder neuen) Fabrication vollständig
                              zu beseitigen. Ich war nämlich nicht im Stande feuerfeste Thonröhren zu beschaffen,
                              die bei einem geringen Drucke (8 Zoll Wasser) gasdicht gewesen wären; die
                              verschiedenen von mir angewandten Röhren zersprangen schon beim Anfeuern, ohne daß
                              es mir gelungen wäre die Risse wieder zu dichten, so daß die Ausführung im Großen
                              bis jetzt ganz allein hieran scheiterte. Da jedoch derartige Röhren jetzt vielfach
                              in den Gasanstalten unter ganz analogen Verhältnissen angewendet werden und sich
                              bereits praktisch bewährt haben, so kann ich nicht zweifeln, daß diese Schwierigkeit
                              noch zu beseitigen seyn muß. Indem ich jetzt mein Verfahren der Oeffentlichkeit
                              übergebe, hoffe ich dadurch die Veranlassung zu geben, daß dasselbe mit besseren
                              Mitteln und von verschiedenen Seiten versucht werden möge, und ich zweifle nicht,
                              daß derartige vereinte Anstrengungen, sey es auch erst nach manchen Verbesserungen
                              und Aenderungen, schließlich noch vom besten Erfolge gekrönt werden. Daß es
                              derartiger Anstrengungen werth sey, daß es sich hier nicht um kleine Verbesserungen,
                              sondern um eine Umgestaltung der ganzen Fabrication handelt, wird sich aus der
                              näheren Betrachtung desselben von selbst ergeben.
                           Ich habe noch zu erwähnen, daß ich die vorliegende Erfindung und die auf dieselbe
                              Bezug habenden Versuche gemeinschaftlich mit dem Chemiker Hrn. Webers aus Münster, früher Zögling des königl. Gewerbeinstituts in Berlin,
                              anstellte.
                           
                           Das Verfahren beruht auf der Umwandlung des Ammoniaks in
                                 Cyanammonium durch Glühen mit Kohle oder kohlenstoffhaltenden Substanzen und,
                                 was die Haupteigenthümlichkeit desselben ist, Umwandlung des so entstandenen
                                 Cyanammoniums in Cyankalium, resp. Ferrocyankalium auf nassem Wege. Es
                              würde also darin bestehen, daß die Ammoniak haltenden Verkohlungsgase durch mit
                              Kohle gefüllte glühende Röhren geleitet, ihr Ammoniak dadurch in Cyanammonium und
                              dieses dann durch Berührung mit wässeriger Auflösung von Potasche und geeigneten
                              Eisenverbindungen in Blutlaugensalz übergeführt würde.Dieselbe Idee hat allerdings auch Binks in einer
                                    ganz kurzen Notiz (Polytechn. Journal Bd.
                                       CIII S. 424) angedeutet, was ich erst, nachdem ich bereits
                                    zahlreiche Versuche hierüber angestellt hatte, durch einen Dritten erfuhr.
                                    Es ist jedoch zweifelhaft, ob derselbe dieser Idee weitere Folge gegeben,
                                    und versucht hat dieselbe praktisch ausführbar zu machen; wenigstens ist
                                    nichts weiter hierüber bekannt geworden. Die von Binks vorgeschlagene Umwandlung des Cyanammoniums in Cyankalium
                                    durch directe Einwirkung einer Potaschelösung ist übrigens, wie wir weiter
                                    hinten sehen werden, unmöglich.
                              
                           Diese kurze Andeutung genügt schon, um einige wichtige Vortheile eines solchen
                              Verfahrens als feststehend erkennen zu lassen. Dieselben sind hauptsächlich
                              folgende:
                           1) Der bedeutende Verlust an Potasche und die mit ihrer
                                 Wiedergewinnung verbundenen Kosten fallen weg. Wenige Worte werden
                              hinreichen, dieß zu beweisen. Die Potasche wird zunächst in Wasser gelöst, wobei sie
                              vom größten Theile der fremden Salze befreit wird; die Lösung wird dann mit so viel
                              der betreffenden Cyanverbindung behandelt, daß sie zum größten Theile in
                              Ferrocyankalium umgewandelt wird; dasselbe läßt man auskrystallisiren und benutzt
                              dann die Mutterlauge ohne Weiteres wieder zu demselben Zwecke. Es fällt somit einmal
                              die Verunreinigung durch Kieselsäure etc. und sodann die Nothwendigkeit weg, die
                              gelöste Potasche wieder in feste Form zurückzuführen, wodurch eben Verlust bedingt
                              wird.
                           2) Es ist dadurch die Möglichkeit gegeben, die Potasche durch
                                 die bedeutend wohlfeilere Soda zu ersetzen. Bei dem alten Verfahren hat man
                              dieß vielfach ohne Erfolg versucht, weil die Bildung des Cyannatriums auf feurigem
                              Wege in Folge der schwierigen Reduction des Natrons viel schwerer von statten geht,
                              und außerdem das Ferrocyannatrium nicht leicht durch Krystallisation aus so unreinen
                              Lösungen, wie die Mutterlaugen, gewonnen werden kann. Der erste Uebelstand fällt bei
                              der Bildung auf nassem Wege ganz weg und auch der zweite ist zu überwinden, da man es mit viel
                              reinerer Lösung zu thun hat. Allerdings bildet das Ferrocyannatrium nicht eben so
                              schöne Krystalle, wenn es aber billiger hergestellt werden kann, wird es auch in die
                              Praxis eindringen, zumal man mit ungefähr 6 Theilen desselben eben so viel
                              ausrichtet, als mit 7 Theilen Ferrocyankalium (da das Natron ein kleineres
                              Aequivalent hat).
                           3) Es können bei diesem Verfahren auch Knochen angewendet
                              werden, deren Nebenproduct, die Knochenkohle, unter den meisten Verhältnissen die
                              Kosten der Knochen und der Verkohlung decken, die stickstoffhaltigen Gase also ganz
                              umsonst liefern würde. Die Gase der Knochenverkohlung sind relativ eben so reich an
                              Ammoniak, als die von den meisten anderen Rohstoffen; Knochen geben aber dem
                              Gewichte nach weniger Ammoniak und noch viel weniger Gase.
                           4) Ist es möglich denjenigen Theil des Ammoniaks, der der
                                 Umwandlung in Cyan entgeht, wieder in den Kreis der Fabrication
                                 zurückzuführen, also doch noch in Cyan umzuwandeln; man kann nämlich die
                              nebenbei gewonnenen Ammoniaksalze ebenfalls in Blutlaugensalz umwandeln, indem man
                              dieselben mit Kalk gemischt den Rohstoffen beimischt.
                           Zwei Fragen sind es, die sich uns hierbei unwillkürlich aufdrängen, nämlich:
                           
                              1. Geht diese Umwandlung ohne
                                    Schwierigkeiten und in genügendem Maaße vor sich, um hierauf eine Gewinnung
                                    der Cyanverbindungen begründen zu können?
                                 
                              Ich führe zunächst die Ansichten bekannter Chemiker über diesen Gegenstand
                                 an.
                              Nach Langlois entsteht Cyanammonium durch Berührung
                                 von Ammoniak mit glühender Kohle in bedeutender Menge und unter Entwickelung von
                                 H²C außer H. Dasselbe entsteht ferner, wenn man kohlensaures Ammoniak,
                                 oder überhaupt alle stickstoffhaltenden organischen Verbindungen mit
                                 Kohlenwasserstoffen oder, wenn jene Verbindungen schon Wasserstoff enthielten,
                                 nur mit Kohlenoxydgas durch eine glühende Röhre leitet. Kuhlmann bestätigt diese Angaben und wendete das so dargestellte
                                 Cyanammonium bereits zur Gewinnung von wasserfreier Cyanwasserstoffsäure an,
                                 indem er dasselbe durch erwärmte, etwas verdünnte Schwefelsäure leitete. Gmelin, der überhaupt sehr viele ähnliche
                                 Entstehungsweisen des Cyanammoniums angibt, sagt: man bereitet Cyanammonium
                                 auch, indem man Ammoniak über glühende Kohlen leitet; es entsteht ferner durch Glühen von
                                 Ammoniak mit organischen Verbindungen, mit Kohlenwasserstoffen, Kohlenoxydgas,
                                 selbst mit Graphit. Daß diese Bildung durchaus nicht schwierig von statten geht,
                                 beweist ferner die Entstehung des Cyanammoniums aus Kohlenoxydgas und Ammoniak,
                                 oder den gasförmigen Oxyden des Stickstoffes mit Alkoholdampf durch Einwirkung
                                 des Platinschwammes. Widerstreitende Angaben habe ich nirgends finden können.
                                 Directe Versuche hierüber werde ich unter 2. mit anführen.Vergleiche hierüber Gmelin's Handbuch der
                                       Chemie Bd. IV S. 303, wo zahlreiche derartige Entstehungsweisen des
                                       Cyanammoniums angeführt sind.
                                 
                              
                           
                              2. Sind die dem Ammoniak in den
                                    Verkohlungsgasen beigemengten anderen Gasarten diesem Processe
                                    hinderlich?
                                 
                              Daß diese Frage zu verneinen ist, dürfte schon aus dem unter 1. Gesagten
                                 hervorgehen. Wenn Kohlenoxydgas, Kohlenwasserstoffgase und Kohlensäure geradezu
                                 diesen Proceß einzuleiten und die Kohle ganz zu ersetzen vermögen, können sie
                                 doch unmöglich demselben hinderlich seyn. Der beste Beweis scheint mir der
                                 Gehalt des Leuchtgases an Cyanammonium zu seyn. Bedenkt man, daß bei der
                                 Gasbereitung ein großer Theil des Ammoniaks entweicht, ehe die Steinkohlen
                                 gehörig ins Glühen kommen, daß ein großer Theil des Gases (der in der Nähe der
                                 Ableitungsröhre entwickelt wurde) nur einen kurzen Weg durch die glühenden
                                 Kohlen zurückzulegen hat und daß endlich der Stickstoffgehalt der Steinkohlen
                                 sehr gering, der Ueberschuß an fremden Gasen sehr bedeutend ist, so muß man sich
                                 wundern, wie sich noch so viel Cyanammonium bilden konnte. Eine eigenthümliche
                                 Rolle könnte hierbei die Kohlensäure spielen. Nun enthalten zwar die
                                 Verkohlungsgase keine freie Kohlensäure (vielmehr freies Ammoniak), sondern nur
                                 kohlensaures Ammoniak, welches in Cyanammonium aufgeht 2 (N⁴
                                 ) = NH⁴C²N, 4, (2O). Wenn dieselben aber durch die
                                 glühende Röhre gegangen waren, so fand sich darin stets viel KohlensäureBei obiger Formel sind 2O überschüssig, welcher Umstand die Bildung der
                                       Kohlensäure bedingen mag. Schubarth.; die vorgelegte Kalilauge wurde stets kohlensauer. Ich kann dieselbe nur
                                 von der Zersetzung des Wasserdampfes ableiten, welcher bekanntlich mit glühender
                                 Kohle, außer Wasserstoff- und Kohlenoxydgas, auch Kohlensäure liefert
                                 (nach Clément-Deformes auf 28,96
                                 Kohlenoxyd 14,63 Kohlensäure; siehe das Handwörterbuch von Liebig und Wöhler Bd. IV S. 453). Die so
                                 oder anders entstandene Kohlensäure würde allerdings das Cyanammonium (ganz wie
                                 das Cyankalium) zersetzen, es entstände Cyanwasserstoffsäure und kohlensaures Ammoniak,
                                 welches aufs Neue Cyanammonium u.s.f. geben würde. Das ist aber eben, was wir
                                 wünschen müssen. Erhalten wir Cyanammonium als Product dieses Processes, so geht
                                 gerade die Hälfte des Stickstoffs zur Bildung des Ammoniums verloren, was nicht
                                 der Fall ist, wenn die Kohlensäure die eben besprochene Wirkung ausübt; die
                                 Wirkung derselben ist mithin nur eine günstige zu nennen.Liebig in seiner schon erwähnten Abhandlung
                                       sagt: leitet man Ammoniak über glühende Kohlen, so entsteht Cyanwasserstoffsäure; ich weiß nicht ob er es
                                       für selbstverständlich hält, daß sich dieselbe mit mehr Ammoniak zu
                                       Cyanammonium verbindet, bei Abwesenheit von Kohlensäure ist dieß
                                       jedenfalls anzunehmen. Uebrigens sagt er weiter: würde die Kohle vorher
                                       mit kohlensaurem Kali getränkt, so wird dieses durch
                                       Cyanwasserstoffsäure zersetzt, es entweicht Kohlensäure und Wasser,
                                       Cyankalium bleibt zurück. Auch dem kann ich nicht zustimmen; die
                                       Cyanwasserstoffsäure kann das kohlensaure Kali nicht zersetzen,
                                       umgekehrt zersetzt Kohlensäure das Cyankalium. Etwas anderes ist es bei
                                       Gegenwart von Kohle, es entsteht:Textabbildung Bd. 141, S. 51welches sich nun mit Cyanwasserstoffsäure
                                       verbindet.
                                 
                              Indem ich nun zu meinen directen Versuchen über diese Bildung, vorzüglich in
                                 Bezug auf die Quantität, übergehe, muß ich bemerken, daß dieselben allerdings
                                 nicht ganz das gewünschte Resultat gaben, was jedenfalls zum Theil mit in der
                                 angewendeten Methode liegt. Mit der eigenthümlichen Einwirkung der Kohlensäure
                                 noch nicht bekannt geworden, leitete ich nämlich die cyanammoniumhaltenden Gase
                                 in Kalilauge, welche Eisenoxydulhydrat suspendirt enthielt. Da nun schließlich
                                 das Kali immer viel Kohlensäure enthielt, so ist es möglich, daß durch dieselbe
                                 ein Theil der Cyanwasserstoffsäure wieder ausgetrieben wurde. Die Versuche
                                 variirten bedeutend in ihren Resultaten, als das Mittel der zuverlässigsten kann
                                 ich aus Blut 10 bis 12 Proc. Blutlaugensalz angeben; einzelne Versuche gaben ein
                                 bedeutend höheres Resultat. Obschon ich nun nicht zweifle, daß sich im Großen
                                 mit einer vollkommneren Einrichtung, bei besseren Erfahrungen über die
                                 zweckmäßigste Behandlung (die geeignetste Temperatur, Dauer etc.) ein ganz
                                 anderes Resultat ergeben würde, wie ja ein neues Verfahren nie gleich vollkommen
                                 dasteht, so will ich doch ganz davon abstrahiren und nachzuweisen suchen, daß,
                                 bei nur gleicher Ausbeute (also im Mittel 10 Proc.) die bereits genannten, davon
                                 ganz unabhängigen Vortheile allein schon dem neuen Verfahren ein besseres,
                                 ökonomisches Resultat sichern, ohne damit die Erwartung aufzugeben, daß es noch
                                 gelingen werbe, nahezu allen Stickstoff so in Cyanammonium überzuführen, also
                                 nahezu 30 Proc. Blutlaugensalz (nehmen wir die Bildung von Cyanwasserstoffsäure
                                 an), sogar 60
                                 Proc. zu erhalten; principiell steht dem, wie es beim alten Verfahren ist,
                                 nichts im Wege.
                              
                           
                              3. Geht die Umwandlung des
                                    Cyanammoniums in Ferrocyankalium ohne Verlust vor sich, und wie geschieht
                                    dieselbe am besten?
                                 
                              Das Einfachste wäre es natürlich (wie Binks
                                 vorschlägt), diese Umwandlung durch eine wässerige Lösung von Potasche zu
                                 bewirken, was aber unmöglich ist, da kohlensaures Kali weder durch
                                 Cyanwasserstoffsäure, noch durch Cyanammonium zersetzt wirdIch habe nachträglich noch directe Versuche hierüber angestellt, die mir
                                       das ganz sichere Resultat gegeben haben, daß doch das Cyanammonium das
                                       kohlensaure Kali sowohl trocken beim Erhitzen, als in wässeriger Lösung
                                       leicht und vollständig zersetzt. Da ich nun bei den unten anzuführenden
                                       Versuchen im Großen nie diese Umwandlung erreichen konnte, dagegen
                                       überall das Entweichen von Cyanwasserstoffsäure (vorzüglich beim Kochen
                                       der alkalischen Laugen) zu bemerken war, so ist dieß ein sicherer
                                       Beweis, daß die vorstehend besprochene Wirkung der Kohlensäure wirklich
                                       eingetroffen ist. mithin man nicht Cyanammonium, sondern
                                       Cyanwasserstoffsäure (neben etwas unzersetztem kohlensauren Ammoniak)
                                       erhält, mithin theoretisch die Möglichkeit gegeben ist, allen Stickstoff
                                       mit einem Male in Cyan umzuwandeln.; auch ätzendes Kali kann, der überschüssigen Kohlensäure der Gase wegen,
                                 nicht angewendet werden. Es bedarf daher zu dieser Umsetzung eines Vermittlers,
                                 wozu ich den Eisenvitriol gewählt habe. Leitet man Cyanammonium oder
                                 Cyanwasserstoffsäure und kohlensaures Ammoniak in überschüssige
                                 Eisenvitriollösung, so entsteht stets schwefelsaures Ammoniak und Eisencyanür.
                                 Dadurch erreiche ich zweierlei: 1) gewinne ich alles Ammoniak als schwefelsaures
                                 Salz, wodurch der Eisenvitriol reichlich bezahlt gemacht wird; 2) wird das
                                 Cyanammonium augenblicklich in eine unlösliche und unzersetzliche Verbindung
                                 übergeführt, aus der nun durch Behandlung mit kohlensaurem Kali, resp. Natron,
                                 Blutlaugensalz dargestellt werden kann.
                              Ich gehe nun zur Beschreibung des Verfahrens für die Ausführung im Großen über,
                                 wobei es mir weniger um detaillirte Vorschriften und Beschreibungen der
                                 einzelnen Manipulationen zu thun ist, wozu ja doch die praktischen Erfahrungen
                                 unerläßlich sind; ich will vielmehr bei den verschiedenen Operationen nur die
                                 Gesichtspunkte andeuten, die hauptsächlich im Auge zu behalten sind und dem
                                 Praktiker zur Richtschnur zu dienen haben.
                              Die Verkohlung unterscheidet sich von der jetzt zum
                                 Theil üblichen natürlich schon dadurch, daß man zu dem vorliegenden Zweck allen
                                 Stickstoff möglichst in Gasform auszutreiben, dort aber eine möglichst
                                 stickstoffreiche Kohle zu erhalten suchen muß. Wendet man Knochen an, so ist
                                 natürlich die Qualität der zu erzeugenden Knochenkohle ganz allein maaßgebend,
                                 und es ist dann
                                 in der That unwesentlich, ob dabei einige Procente Stickstoff zurückbleiben oder
                                 nicht, da die Knochenkohle denselben zum wenigsten bezahlt machen wird, wenn man
                                 auch bei Production sehr großer Massen keinen directen Gewinn dadurch erzielen
                                 wird. Es hängt bekanntlich die Güte der Knochenkohle davon ab, daß man 1) den
                                 Knochen ihr Fett läßt, 2) die Verkohlung vollständig vollendet und 3) einen
                                 hohen Gasdruck dabei vermeidet. Bei Anwendung anderer Rohmaterialien wird man,
                                 um die Austreibung des Stickstoffs nach Möglichkeit zu erreichen, Kalk zu Hülfe
                                 nehmen müssen, und zwar so, daß man dieselben zuerst für sich verkohlt, so daß
                                 man eine leicht zerreibliche Kohle erhält, die man innig mit zu Staub gelöschtem
                                 Kalkhydrate mischt und nochmals destillirt. Der Rückstand würde ein treffliches
                                 Düngemittel geben.
                              Die Verkohlungsöfen würden ganz die Einrichtung der Gasöfen erhalten und die Zahl
                                 und Größe der Retorten von der Größe des Betriebes abhängen. Die
                                 Ableitungsröhren sämmtlicher Retorten münden zunächst, ebenfalls ganz wie bei
                                 den Gasöfen, in einen gemeinschaftlichen horizontal gelagerten Cylinder, in dem
                                 sie durch Theer (resp. das sich hier zum Theil verdichtende Thieröl) gesperrt
                                 werden, sich mischen und von da nach den Charmotte-Röhren geleitet
                                 werden. Es wird dadurch der wesentliche Vortheil erreicht, daß das Durchströmen
                                 der Gase durch die letzteren gleichmäßig erfolgt. Wollte man jede Retorte
                                 einzeln mit einem Charmotte-Rohre verbinden, so würde natürlich das
                                 Durchströmen der Gase zu Anfange einer neuen Beschickung viel zu heftig, gegen
                                 Ende zu langsam erfolgen. Hat man dagegen z.B. drei Retorten vereinigt und sind
                                 zum Abtreiben einer solchen sechs Stunden erforderlich, so wird man natürlich
                                 alle zwei Stunden eine frisch beschicken, niemals alle drei zu gleicher Zeit.
                                 Die von dem gemeinschaftlichen Absperrungs- oder Mischungscylinder weiter
                                 führenden Röhren sollen jede mit einem Hahne versehen seyn, um nach Belieben
                                 jede der Röhren absperren zu können, wenn etwa eine derselben gesprungen ist;
                                 diese Röhren sollen ferner nicht unter 2 Zoll im Lichten weit, möglichst kurz
                                 und von allen Seiten zugänglich seyn.
                              Die Umwandlung des Ammoniaks in Cyanammonium erfolgt
                                 also, indem die Gase durch stark glühende Charmotte-Röhren streichen, die
                                 mit nußgroßen Stücken Holzkohle angefüllt sind. Vielfache Versuche haben mich
                                 gelehrt, daß eiserne Röhren nicht anwendbar sind, indem das Cyanammonium, oder
                                 die Cyanwasserstoffsäure, ganz wie Cyangas in Berührung mit glühendem Eisen in
                                 ihre Elementarbestandtheile, unter Bildung von Kohlenstoffeisen, zerfallen) drei
                                 Versuche mit Flintenläufen gaben keine Spur Cyanammonium. Im Großen habe ich
                                 mich anhaltend bemüht, eiserne Cylinder dadurch brauchbar zu machen, daß ich sie mit einer
                                 indifferenten Substanz auszukleiden suchte, und zwar mit Kohle, indem ich sie
                                 wiederholt mit Theer ausstrich und Steinkohlen darin ausglühte. Das Resultat war
                                 jedoch ganz unzureichend (etwa 4 Proc.), wahrscheinlich aber bloß deßhalb, weil
                                 ich, damals noch nicht auf die in großer Menge vorhandene Kohlensäure aufmerksam
                                 gemacht, Aetzkalilauge zur Absorption des Cyanammoniums anwendete, welche aber
                                 nicht nur in einfach-sondern sogar in zweifach-kohlensaures Kali
                                 überging. Am besten gelang die Incrustirung der eisernen Röhren durch
                                 wiederholtes Auftragen eines Gemenges von Ochsenblut und Lehm und allmähliches
                                 Erhitzen einer jeden frischen Schicht. Beim ersten Versuche mit den so
                                 vorbereiteten Röhren, zugleich unter Anwendung von Eisenvitriol statt Kalilauge,
                                 brannten die ersteren leider durch. Obwohl mithin es nicht möglich ist, auch die
                                 Anwendung eiserner Röhren zu erreichen, möchten doch die von feuerfester
                                 Thonmasse, also Charmotte-Röhren, den Vorzug verdienen. Dieselben würden
                                 sich von den jetzt vielfach angefertigten Gasretorten nur durch ihren geringeren
                                 Durchmesser und dadurch unterscheiden, daß sie an beiden Enden zur Aufnahme
                                 eiserner Köpfe geeignet seyn müßten. Je enger und je länger dieselben
                                 angefertigt werden können, um so besser ist es; die von mir versuchten hatten 4
                                 Zoll im Lichten und 6 Fuß Länge. Die Einrichtung des Ofens würde auch hier ganz
                                 die eines Gasofens seyn; die Anforderung, die man an beide stellen muß, ist
                                 dieselbe: mit dem wenigsten Brennmateriale die größte Anzahl derartiger Röhren
                                 gleichmäßig auf ihrer ganzen Länge zu erhitzen. Sehr geeignet für den
                                 vorliegenden Zweck halte ich den von Croll
                                 (polytechn. Journal Bd. CXXXI S. 129)
                                 beschriebenen englischen Gasofen für combinirte Anwendung von eisernen und
                                 Charmotte-Retorten.
                              Bei dieser Einrichtung wäre man im Stande, mit einer einzigen Feuerung sieben
                                 Retorten und sechs Charmotte-Röhren zu erhitzen. Die Beschickung der
                                 Röhren mit Kohle ist zwar nicht absolut nöthig, da auch die dem Ammoniak
                                 beigemengten fremden Gase die zur Cyanbildung nöthige Kohle liefern können,
                                 dieselbe befördert aber schon durch ihre Wirkung als poröse Masse die
                                 Cyanbildung. Der Verbrauch an Holzkohle ist aus demselben Grunde höchst
                                 unbedeutend, es genügt von Zeit zu Zeit die Kohle etwas nachzustoßen und wenig
                                 frische zuzuthun. Vor die beiden Enden der Röhren bringt man durchlöcherte
                                 Thonscheiben, um das Verstopfen der Zu- und Ableitungsröhren in den
                                 eisernen Köpfen zu verhüten. Ehe das Durchleiten der Gase beginnt, ist natürlich
                                 darauf zu sehen, daß sich die Röhren in voller Gluth befinden; abgesehen von dem
                                 Verluste, gehen sonst Theerdämpfe unzersetzt hindurch und verunreinigen die
                                 nachfolgenden Flüssigkeiten; eine sehr lebhafte Rothglühhitze ist die zur Cyanbildung
                                 erforderliche Temperatur. Wie beim bisherigen Verfahren Alles vom
                                 Schmelzprocesse, so hängt hier Alles von der richtigen Leitung dieser Operation
                                 ab, und ich verhehle nicht, daß in dieser Beziehung noch manche Erfahrungen zu
                                 machen seyn werden.
                              Die Umwandlung des Cyanammoniums in Cyankalium resp.
                                    Ferrocyankalium erfolgt also durch Vermittelung des Eisenvitriols. Was
                                 die praktische Ausführung betrifft, so ist die Schwierigkeit dabei eine
                                 vollständige Absorption des Cyanammoniums, also eine möglichst lange Berührung
                                 der Gase mit der Eisenvitriollösung, ohne dadurch einen großen Gasdruck zu
                                 erzeugen, da einmal, wie die Erfahrung gelehrt hat, die Qualität der
                                 Knochenkohle dadurch verschlechtert wird, und sodann der Verlust durch
                                 Undichtheit der Apparate proportional mit dem Gasdrucke wächst.
                              Ich habe zu diesem Zwecke einen Apparat angewendet, welcher sich durch seine
                                 Einfachheit und fast beliebig zu vergrößernde Wirksamkeit für diesen und
                                 ähnliche Zwecke sehr empfehlen dürfte. Denken wir uns einen Kasten von etwa 6
                                 Fuß Länge, 2 Fuß Breite, 8 Zoll Höhe und in demselben vier flache Kästen von 2
                                 Zoll Randhöhe mit ihrer Oeffnung nach unten gekehrt, einer auf dem anderen
                                 aufgestellt, in dem Boden der letzteren abwechselnd auf dem einen, bei dem
                                 nächsten auf dem andern Ende der schmalen Seite Ausschnitte angebracht, den
                                 Kasten mit Flüssigkeit gefüllt, und lassen nun unter dem ersten dieser
                                 Scheidewände Gas eintreten, so wird sich dasselbe unter demselben zu einer immer
                                 größer werdenden Blase (ungefähr wie die Luftblasen unter dem Eise) ausbreiten,
                                 bis sie die Oeffnungen am Ende des Bodens erreicht haben, durch welche sodann
                                 die Gase in einzelnen Blasen aufsteigen, um unter dem zweiten, dritten und
                                 vierten Boden dasselbe Spiel zu beginnen. Theoretisch genommen ist fortwährend
                                 eine Gasschicht von 4mal 12 = 48 Quadratfuß in Berührung mit der Flüssigkeit,
                                 und es beträgt die Länge des von dem Gase zurückzulegenden Weges 4 . 6 = 24 Fuß,
                                 der Druck aber nicht mehr als eine entsprechende Flüssigkeitssäule von nicht
                                 ganz 8 Zoll Höhe. An einem solchen Kasten wären außerdem noch anzubringen: 1)
                                 ein Hahn zum Ablassen der Flüssigkeit; 2) ein etwas unter den
                                 Flüssigkeitsspiegel reichender Trichter zum Füllen; 3) ein Ableitungsrohr für
                                 das Gas, welches dasselbe nach dem Ofen zur Verbrennung leitet und in welches
                                 man, um Explosionen zu vermeiden, eine mit feinen Drahtnetzen gefüllte Büchse
                                 einschaltet. In diesem speciellen Falle, wo sich in der Flüssigkeit ein
                                 Niederschlag bildet, ist es allerdings wünschenswerth, zwischen jedem Fache
                                 kleine Rührapparate, die durch Stopfbüchsen gehen, anzubringen.
                              
                              Beschreibung des in Fig. 18 dargestellten
                                 Apparats: a, a das Gaszuleitungsrohr, A der Kasten von Eisenblech, b, b flache Kästen, ebenfalls von Eisenblech, die Oeffnungen nach
                                 unten gekehrt; c, c Handgriffe zum Herausnehmen
                                 derselben, d Fülltrichter, e Abzugshahn, f Ableitungsrohr, x, x Flüssigkeitsspiegel. – Da wo die Röhren
                                 a, f in e einmünden,
                                 haben die Seitenwände der Kasten b, b natürlich
                                 entsprechende Ausschnitte.
                              Endlich würde man statt eines großen, besser zwei kleinere Apparate der Art
                                 anwenden und zwar so, daß man die Flüssigkeit von dem zweiten auf den ersten
                                 brächte, wodurch es möglich würde, den Eisenvitriolgehalt der Flüssigkeit, ohne
                                 Cyanammonium zu verlieren, vollständig auszufällen. Die von dem ersten Kasten
                                 abfließende Flüssigkeit besteht also eigentlich nur aus schwefelsaurem Ammoniak
                                 und suspendirtem Eisencyanür + Eisenoxydulhydrat, mit etwas Schwefeleisen.Zur Darstellung von 300 Ctr. Blutlaugensalz sind erforderlich 187,3 Ctr.
                                       Cyanammonium; diese verlangen zu ihrer Umbildung gegen 600 Ctr.
                                       Eisenvitriol und geben dabei 243 Ctr. schwefelsaures Ammoniak. Durch Absetzen und Filtriren werden beide getrennt; die ziemlich
                                 concentrirte Lösung von schwefelsaurem Ammoniak (man muß natürlich keine zu
                                 verdünnte Eisenvitriollösung nehmen) wird eingedampft und entweder das Salz an
                                 Alaunwerke verkauft, oder mit Kalk gemischt den thierischen Stoffen beigemengt,
                                 um ebenfalls noch in Cyan umgebildet zu werden; die Waschwasser dienen zur
                                 Auflösung neuer Mengen Eisenvitriol. Der ausgewaschene Niederschlag wird mit
                                 Potaschelösung gekocht und so in Blutlaugensalz übergeführt; der Rückstand
                                 endlich wird weggeworfen, oder, wenn man rohe Salzsäure zur Verfügung hat, darin
                                 gelöst, um anstatt des Eisenvitriols zu dienen.
                              Die Krystallisation und Darstellung des Blutlaugensalzes
                                    in verkäuflicher Form hat nun gar keine Schwierigkeiten, da wir es mit
                                 weit reineren Materialien zu thun haben. Wurde der Eisenschlamm gehörig
                                 ausgewaschen, so erhalten wir beim Kochen desselben mit einer gleich beim
                                 Auflösen gereinigten Potaschelösung eine Lösung, die neben dem Ferrocyankalium
                                 nur etwas überschüssiges kohlensaures Kali enthält, aus der man in einer
                                 Krystallisation verkäufliches Salz darzustellen vermag. Ich zweifle daher auch
                                 nicht, daß die Anwendung der Soda hierdurch ermöglicht ist; Versuche hierüber in
                                 ziemlich großem Maaßstabe gaben ein citronengelbes, reines, wenn auch etwas
                                 klein krystallisirtes Salz. – Der beim Kochen mit der alkalischen Lauge
                                 unlöslich bleibende Eisenschlamm muß natürlich abfiltrirt und ausgewaschen
                                 werden. Die Waschwasser dienen zum Verdünnen neuer Potaschelösungen; die Mutterlaugen werden
                                 ohne Weiteres wieder zu demselben Zwecke angewendet.
                              Stellen wir nun zum Schlüsse noch einmal das alte und das neue Verfahren einander
                                 gegenüber, um sie mehr von rein praktischer Seite zu vergleichen, so finden
                                 wir:
                              1) Es wird dadurch an Arbeit erspart. Die stets zwei Arbeiter erfordernde
                                 Schmelzarbeit fällt weg, ein einziger Arbeiter kann zwei Oefen mit einer großen
                                 Anzahl Charmotte-Röhren versorgen, da er nur zu feuern und alle zwei bis
                                 drei Tage die Röhren zu öffnen und etwas Kohle nachzufüllen hat. Die mit der
                                 Behandlung mit Eisenvitriol verbundene Arbeit wird von dem Auslaugen der
                                 kohligen Rückstände, Abfiltriren und Auswaschen derselben reichlich aufgewogen;
                                 die ganze zur Wiedergewinnung der Mutterlaugensalze erforderliche Arbeit fällt
                                 dagegen weg.
                              2) Der Aufwand an Brennmaterial wird allerdings bedeutender seyn, da auf diesem
                                 Wege die Cyanbildung langsamer von statten geht; selbst das Doppelte angenommen,
                                 wird dieser Nachtheil doch weit von den Vortheilen überwogen werden.
                              Die eigentlichen Vortheile des Verfahrens wurden bereits früher abgehandelt,
                                 weßhalb ich sie nicht wiederholen will. Verkennen läßt sich nicht, daß das
                                 Verfahren Schwierigkeiten hat, sind dieselben aber überwunden, so wird schon das
                                 bedeutende Ersparniß an Potasche und die Möglichkeit, dieselbe durch Soda zu
                                 ersetzen, die Calculation zu Gunsten desselben gestalten. Es ist aber auch
                                 meiner Ansicht nach der einzige Weg, um principiell allen Stickstoff der
                                 thierischen Rohmaterialien in Cyan umzuwandeln, es möchte denn noch eine ganz
                                 neue Entstehungsweise des letzteren entdeckt werden.
                              Zum Schlusse möchte ich noch einen Gedanken aussprechen, dessen Verwirklichung
                                 zwar noch in weiter Ferne liegen mag, doch aber die Anregung zu weiteren
                                 Forschungen geben könnte, den Gedanken nämlich daß auf dem von mir
                                 eingeschlagenen Wege, nämlich Trennung der Cyanbildung von der Verbindung
                                 desselben mit den fixen Alkalien, doch noch die Benutzung des atmosphärischen
                                 Stickstoffs sich ermöglichen ließe.
                              Bei den Versuchen über Darstellung des Cyans aus atmosphärischem Stickstoffe
                                 machte zunächst Wöhler, so wie Erdmann und Marchand die Beobachtung, daß
                                 dieselbe nur bei Anwesenheit von Wasserdampf (oder Kalihydrat) gelang. Diese und
                                 ähnliche Beobachtungen veranlaßten viele Chemiker zu der Annahme, daß hierbei
                                 stets eine Ammoniakbildung vorhergehen müsse. Directe Versuche bestätigten nun
                                 auch die Bildung des Ammoniaks aus freiem Stickstoffe und Wasserdampfe durch
                                 glühende Kohle. Hr. Fleck theilte mir ebenfalls
                                 Versuche hierüber
                                 mit, nach denen er allerdings ziemliche Mengen Ammoniak auf diesem Wege erhielt,
                                 nur daß merkwürdiger Weise bei einigen Versuchen, ohne merklichen Grund, die
                                 Bildung desselben unterblieb. Wäre es nun nicht rationeller, diese Bildungsweise
                                 genauer zu studiren, sie dann direct einzuleiten, d.h. dem Stickstoffe
                                 absichtlich die geeignete Menge Wasserdampf beizumischen und das so erhaltene
                                 Ammoniak in der angegebenen Weise in Cyanammonium umzuwandeln? Man würde nämlich
                                 dadurch die größte praktische Schwierigkeit umgehen, welche bei der Darstellung
                                 des Cyankaliums aus atmosphärischem Stickstoffe nach dem bisher versuchten
                                 Verfahren sich gezeigt hat, die nämlich, daß die angewendeten
                                 Charmotte-Röhren oder gemauerten Schächte durch die Einwirkung der
                                 schmelzenden Potasche binnen Kurzem zerstört wurden.
                              Eine durchaus neue, praktisch anwendbare Bildungsweise des Cyans habe ich nicht
                                 auszufinden vermocht.
                              
                           
                        
                           Bericht über vorstehende Abhandlung; erstattet von der
                                 Abtheilung für Chemie und Physik des Vereins für Gewerbfleiß in
                                 Preußen.
                           Von dem Chemiker Hrn. R. Brunnquell ist im Jahr 1854 eine
                              Abhandlung eingegangen, in welcher er versucht hat, die achte Preisaufgabe,
                              betreffend die Darstellung des Blutlaugensalzes, zu lösen. Derselbe hat
                              nachgewiesen, daß bei der üblichen Bereitungsweise nicht wesentlich an Potasche
                              gespart werden könne, indem eine bedeutende Menge überschüssigen kohlensauren Kalis
                              beim Schmelzen mit Thierkohle zugegen seyn muß, weil sonst das Gemisch nicht zum
                              Schmelzen zu bringen ist und die Bildung des Cyankaliums erschwert, selbst
                              verhindert wird. Um das beim Schmelzen der Masse entweichende Ammoniak, wodurch die
                              Ausbeute an Blutlaugensalz wesentlich verringert wird, zu verwerthen, schlägt
                              derselbe vor, die entweichenden Gase durch ein schmelzendes Gemisch von Potasche und
                              Thier- oder Holzkohle streichen zu lassen, wodurch das Ammoniak in Cyan
                              verwandelt werden soll.
                           Hr. Brunnquell beschreibt noch ein eigenthümliches
                              Verfahren, Blutlaugensalz darzustellen. Er leitet kohlensaures Ammoniak, durch
                              trockene Destillation thierischer Stoffe (Knochen) erzeugt, durch glühende, mit
                              Holzkohlen erfüllte Röhren, wodurch Cyanammonium gebildet werden soll, und läßt das
                              letztere mit einer Lösung von Eisenvitriol in Berührung treten, wobei schwefelsaures
                              Ammoniak und Eisencyanür sich bilden, welches letztere mit kohlensaurem Kali
                              Blutlaugensalz liefert. – Gegen dieses Verfahren läßt sich vom wissenschaftlichen
                              Standpunkte nichts einwenden, allein eine andere Frage ist, ob dasselbe auch
                              günstige Resultate darbietet.
                           Nach dem Urtheile der Abtheilung verdient die Abhandlung des Preisbewerbers, die mit
                              vieler Sachkenntniß verfaßt ist, alle Anerkennung, obschon sie die von der
                              Preisaufgabe verlangte Angabe, auf welchem Wege die größte Ausbeute erhalten werden
                              könne, nicht enthält. Derselbe hat den Beweis nicht geliefert, daß durch die von ihm
                              vorgeschlagene Benutzung des beim Schmelzen entweichenden Ammoniaks mehr
                              Blutlaugensalz gewonnen werde. Es ist aber nicht einzusehen, weßhalb das Ammoniak,
                              wenn es beim Durchgange durch ein glühendes Gemisch von Potasche und Kohle sich in
                              Cyan umwandelt, diese Veränderung nicht schon bei der ersten Schmelzung erleidet, wo
                              dieselben Stoffe vorhanden und eine geeignete Temperatur die Einwirkung
                              begünstigt.
                           Hinsichtlich des von dem Verfasser der Abhandlung angegebenen Verfahrens der
                              Darstellung von Blutlaugensalz bemerken wir, daß eine positive Nachweisung fehlt, ob
                              die von demselben angestellten Versuche ein genügendes Resultat gegeben haben; es
                              scheint dieß vielmehr bezweifelt werden zu müssen. Da jedoch ein jedes neue
                              Verfahren bei der ersten Ausführung mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat, so würde man
                              dem Hrn. Brunnquell wohl zu nahe treten, wollte man seine
                              Vorschläge ohne Weiteres als unpraktisch bei Seite legen.
                           Nach dem Vorgetragenen kann der Preisbewerber keinen Anspruch auf Zuerkennung des
                              ausgesetzten Preises machen; allein seine Mühe und sein Fleiß verdienen eine
                              Anerkennung.
                           Die Abtheilung erlaubt sich daher den Vorschlag, dem Bewerber von der für die Lösung
                              der Aufgabe ausgesetzten Summe von 500 Thalern den größern Theil, 300 Thaler, zu
                              bewilligen, unter der Bedingung, daß er in die Beschränkung des ihm unterm 5.
                              Februar 1854 verliehenen fünfjährigen Patents willige, ohne welche eine freie
                              Benutzung des durch die Verhandlungen zu veröffentlichenden Verfahrens nicht möglich
                              ist.
                           Endlich glaubt die Abtheilung noch vorschlagen zu müssen, falls Hr. Brunnquell durch fortgesetzte Versuche dahin gelangen
                              sollte, durch die Praxis bekundete genügende Resultate mit seinem Verfahren binnen
                              eines Zeitraumes von zwei Jahren, d.h. bis 1. October 1857, zu erzielen, um den
                              Beweis liefern zu können, daß durch seine Methode die größte Ausbeute gewonnen
                              werde, demselben den Rest der Summe – 200 Thaler – und die silberne
                              Denkmünze zu ertheilen.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
