| Titel: | Die Bereitung von Leuchtgas aus Holz und Torf. | 
| Fundstelle: | Band 141, Jahrgang 1856, Nr. XXXIV., S. 137 | 
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                        XXXIV.
                        Die Bereitung von Leuchtgas aus Holz und
                           Torf.Wir verweisen hinsichtlich des Leuchtgases aus Holz
                                 auf die Abhandlungen im polytechn. Journal Bd.
                                    CXXI S. 141; Bd. CXXVII S. 154
                                 und Bd. CXXXV S. 47. Ueber Leuchtgas aus
                                 Torf siehe man Bd. CXXXVI S. 50.A. d. Red.
                           
                        Ueber die Bereitung von Leuchtgas aus Holz und Torf.
                        
                     
                        
                           Das den HHrn. Professor Pettenkofer und Ingenieur Ruland zu München für Württemberg ertheilte Patent auf
                              die Darstellung von Leuchtgas aus Pflanzenfasern (Holz, Torf etc.) ist abgelaufen;
                              das von der k. württ. Centralstelle für Gewerbe und Handel herausgegebene
                              Gewerbeblatt (1856, Nr. 24) entnimmt der Beschreibung des Verfahrens Folgendes:
                           
                              „Das Princip, worauf die Darstellung eines leuchtenden Gases aus
                                 Pflanzenfaser beruht, besteht darin, daß die durch die trockene Destillation
                                 primitiv entwickelnden Dämpfe einer noch höheren Temperatur ausgesetzt werden,
                                 als diejenige ist, bei welcher sie entstehen. Solches geschieht am füglichsten
                                 auf die Weise, daß man die aus der Pflanzenfaser bereits bei 150 bis 200 Graden
                                 Celsius entstehenden Dämpfe über glühende Flächen führt, wo sie sich noch höher
                                 erhitzen und in einer Art und Weise zersetzen, daß die Gase, die auch nach der
                                 Abkühlung permanent bleiben, so viel an Wasserstoff
                                 gebundenen Kohlenstoff enthalten, daß die Flamme des Gases eine ausreichende
                                 Leuchtkraft besitzt. Es wäre längst gelungen, aus Holz, Torf u.s.w. ein
                                 leuchtendes Gas zu destilliren, wenn man bedacht hätte daß die Dämpfe aus
                                 denselben schon bei sehr niedriger Temperatur (aus Holz schon bei 150°C.)
                                 entstehen. Bei dieser Temperatur entwickeln sich aus Steinkohlen, Oel, Harz
                                 u.s.f. noch gar keine Gase und entsteht somit auch aus diesen kein
                                 Leuchtgas.
                              
                           
                              Wir zuerst unterschieden mit Schärfe und Bestimmtheit zwischen jener Temperatur,
                                 bei welcher Holz oder Torf in Kohle und Dämpfe zerlegt werden (Temperatur der
                                 Verkohlung), und zwischen derjenigen Temperatur, bei welcher die entstandenen
                                 Dämpfe zu permanentem Leuchtgas zersetzt werden.
                              
                           
                              Aus Steinkohlen, Harz etc. wurde in den bisherigen Vorrichtungen der Fabriken
                                 deßhalb ein brauchbares Leuchtgas erhalten, weil die Dämpfe bei ihrem Entstehen
                                 schon eine viel höhere Temperatur haben, als die Dämpfe aus Holz; mithin nur
                                 wenig noch höher erhitzt werden müssen, um zu brauchbarem Leuchtgas zersetzt zu
                                 werden, oder mit anderen Worten, weil die Temperaturen der Verkohlung und
                                 Leuchtgasbildung sich viel näher liegen als bei Holz und Torf. Die für diese
                                 Eigenschaften der Steinkohlen-, Oel- und Harzdämpfe bemessenen
                                 Apparate finden wir deßhalb auch bei weitem nicht ausreichend, um Leuchtgas aus
                                 Holz zu erhalten. Von den in dem Holztheer sich vorfindenden kohlen- und
                                 wasserstoffreichen Substanzen haben manche für sich einen viel höheren
                                 Siedepunkt (200–250° C.), bei dem sie sich, ohne chemische
                                 Zersetzung zu erleiden, destilliren lassen, als diejenige Temperatur ist, bei
                                 welcher sie aus dem Holze entstehen. Vorzüglich in ihnen ruht die Leuchtkraft,
                                 und es müssen dieselben durch noch höhere Temperatur zu kohlenstoffreichen
                                 permanenten Gasen zersetzt werden.
                              
                           
                              Wir haben deßhalb einen Raum für die Zersetzung der Pflanzenfasern (Holz, Torf
                                 etc.), eine Retorte von der Form der gewöhnlichen Gasretorten, und nebst diesem
                                 einen eigenen Raum für die Zersetzung der primitiv entstehenden Dämpfe zu
                                 Leuchtgas; letzterer, der Generator, befindet sich unmittelbar über und unter
                                 dem ersteren.
                              
                           
                              Nachdem die Holzdämpfe die Retorte verlassen haben, gehen sie noch siebenmal in
                                 den Gängen des Generators hin und her und machen hiebei noch einen Weg von 60
                                 Fuß im Feuer des Ofens. Die Form des Generators kann natürlich verschieden seyn.
                                 Es kann selbst die Retorte allein, wenn auch unvollkommen, die Function des
                                 Generators dann verrichten, wenn sie nur mit sehr wenig Holz beschickt wird, und
                                 dadurch eine hinlänglich große glühende Fläche von den Holz- oder
                                 Torfdämpfen bestrichen werden kann, wodurch leuchtendes Gas entsteht.
                              
                           
                           
                              Aus dem oben angeführten Princip der Destillation ist es auch erklärlich, wie aus
                                 einem Pfund Holz, anstatt früher 3 1/2 Kubikfuß,
                                 nun 6 und mehr Kubikfuß Gas erhalten werden können, und von einer Leuchtkraft,
                                 daß ein Brenner, der stündlich 5 Kubikfuß bayr. von diesem Gas verzehrt, die
                                 Helligkeit von 44 bis 18 Wachskerzen (5 = 1 Pfd.) je nach der Qualität des
                                 Holzes verbreitet.Das aus dem Generator tretende Gas enthält Kohlensäure in ziemlich
                                       bedeutendem Verhältniß, wovon es mittelst Kalkhydrat vollkommen befreit
                                       werden muß, damit seine Leuchtkraft nicht verringert wird. A. d.
                                       Red. Es ist übrigens kein großer Unterschied in der Quantität und Qualität
                                 des Gases, wenn man verschiedene Holzarten zur Destillation verwendet, z.B.
                                 zwischen 1 Pfd. Buchen- und 2 Pfd. Föhrenholz. Von harzhaltigem Holz
                                 erhält man jedoch stets etwas mehr Gas als von Laubholz.
                              
                           
                              Die Hauptvortheile der Holzgasfabrication dürften folgende seyn:
                              
                           
                              
                                 1) Das Holzgas verbreitet weder bei der Bereitung noch bei
                                    der Benützung einen Übeln, der Gesundheit nachtheiligen Geruch.
                                 
                              
                                 2) Es enthält selbst im ungereinigten Zustande weder
                                    Schwefelwasserstoff, noch Ammoniak, noch Schwefelkohlenstoff, kann mithin
                                    beim Verbrennen unter keinerlei Umständen schweflige. Säure erzeugen.
                                 
                              
                                 3) Es fällt eine bedeutende Nebennutzung an Holztheer,
                                    Holzessig und besonders Holzkohlen (circa 20
                                    Proc. vom Gewicht des Holzes) an.
                                 
                              
                           
                              Besonders dadurch, daß letztere gewonnen werden, erhöht sich der Werth der
                                 Holzgasfabrication bedeutend, ohne daß zu befürchten wäre, daß die Holzpreise
                                 durch den neuen Industriezweig gesteigert werden; denn in holzreichen Gegenden
                                 werden die Holzkohlen stets ein Bedürfniß bleiben. Nach unserem Verfahren werden
                                 die Nebenproducte, welche bei der Meilerverkohlung unbenutzt verloren gehen,
                                 gesammelt, und als Licht, Theer etc. verwerthet.
                              
                           
                              
                                 4) Die Retorten, welche durch den Schwefelgehalt der Stein
                                    – und Braunkohlen einer beständigen Zerstörung ausgesetzt sind,
                                    erleiden durch Holz keinen derartigen Schaden.
                                 
                              
                                 5) Unser Holzgas verliert durch achttägiges Aufbewahren über
                                    Wasser im Gasometer nicht merklich an Leuchtkraft, und leidet ebenso wenig
                                    durch Abkühlung auf 0° C.; die Leuchtkraft dieses neuen Holzgases ist
                                    mindestens so groß, wie die des Steinkohlengases. Das Torfgas steht dem
                                    Holzgase wohl nicht an Leuchtkraft, jedoch an Reinheit etwas nach.
                                 
                              
                                 6) Es wird dadurch eine neue und nachtheilige Quelle für
                                    Beleuchtung mit Gas geschaffen.“