| Titel: | Einiges über die Anwendung des gebrannten Gypses, um trübe Weine klar zu machen, ihr Sauerwerden zu verhüten und etwaigen Essigsäuregehalt zu beseitigen; von Professor Dr. Hessel zu Marburg. | 
| Fundstelle: | Band 141, Jahrgang 1856, Nr. XXXIX., S. 149 | 
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                        XXXIX.
                        Einiges über die Anwendung des gebrannten Gypses,
                           um trübe Weine klar zu machen, ihr Sauerwerden zu verhüten und etwaigen Essigsäuregehalt
                           zu beseitigen; von Professor Dr. Hessel zu Marburg.
                        Aus den Annalen der Chemie und Pharmacie, Juni 1856, S.
                              334.
                        Hessel, über die Anwendung des gebrannten Gypses zur Verbesserung
                           der Weine.
                        
                     
                        
                           Der gebrannte Gyps hat bekanntlich die Eigenschaft, Wasser in beträchtlicher Menge in
                              sich aufzunehmen, um aus dem Zustande des fast wasserfreien schwefelsauren Kalkes in
                              seinen ursprünglichen Gypszustand überzugehen, in welchem er neben
                              einfach-schwefelsaurem Kalke noch ungefähr 21 Procent Wasser enthält.
                           Der gebrannte Gyps gehört daher unter die Mittel, welche wir anwenden können, um
                              manchen wasserhaltigen Körpern, die ihren Wassergehalt leicht genug abgeben, ihren
                              Wassergehalt ganz oder zum Theil zu entziehen. Er hat dabei die Eigenschaft, in den
                              meisten Flüssigkeiten in hohem Grade unauflöslich zu seyn, so daß er keine
                              erhebliche Verunreinigung derselben verursacht. Seine Wirkung ist dabei schwächer,
                              als die gewisser anderer ähnlicher Mittel, und man wird ihn schon aus diesem Grunde
                              zu manchem Zwecke anwenden können, wo die stärker wirkenden Mittel (Chlorcalcium,
                              concentrirte Schwefelsaure etc.) nicht brauchbar sind, indem sie zugleich auch
                              solche Stoffe zersetzen, deren Zersetzung man nicht beabsichtigt.
                           Bei dem Ausarbeiten einer nächstens erscheinenden kleinen Schrift über die im
                              Alterthum und in den neuesten Zeiten üblichen Methoden zur Weinveredelung bin ich
                              unter andern auch zu Versuchen über den Gyps veranlaßt worden, deren Resultate für
                              technische Zwecke Berücksichtigung zu verdienen scheinen, so daß ich mich veranlaßt
                              finde, hier schon Einiges über dieselben mitzutheilen.
                           1. Wässeriger Weingeist wird durch Zusatz von gebranntem Gyps concentrirter,
                              ähnliches gilt von wässeriger Zuckerlösung.
                           2. Setzt man gebranntem Gyps von einem nicht allzuschwachen Weingeiste so viel zu,
                              als ob man einen Gypskitt machen wollte und statt des Wassers dabei Weingeist
                              angewendet hätte, so beobachtet man, daß zwar das Gypspulver weit schneller seiner
                              ganzen Masse nach befeuchtet wird, als es dann der Fall ist, wenn man Wasser statt
                              des Weingeistes
                              anwendet, aber der so befeuchtete Gyps erhärtet nicht zu einer festen Masse, sondern
                              bleibt pulverförmig.
                           3. Uebergießt man Pulver von gebranntem Gyps mit so viel starkem Essig, als ob man
                              einen Gypskitt machen wollte und statt des Wassers Essig genommen hätte, so erhält
                              man ebenso, als wenn man wirklich Wasser angewendet hatte, eine schnell erhärtende
                              Gypsmasse, die ebenso wie eine mit Wasser bereitete, so lang sie noch frisch ist,
                              durch Reiben in einer Reibschale oder durch Drücken und Reiben zwischen festen
                              Körpern, wieder plastisch gemacht werden kann, um dann sofort abermals zu erhärten.
                              Man könnte hier vielleicht glauben, daß bloß ein Theil des Wassergehalts des Essigs
                              zur Bildung der festen Gypsmasse verwendet werde und daß eine concentrirte
                              Essigsäure übrig bliebe, die dann dem erhärteten Gyps mechanisch anhängen würde. Es
                              ist aber zu bemerken, daß der gewonnene feste Gyps sehr schnell ganz trocken wird.
                              Ist dieser Gypskitt scheinbar ganz trocken geworden, aber erst kürzlich bereitet, so
                              ist bei einer Probe davon, die man in einem Glaskölbchen über der Weingeistlampe
                              erhitzt, die Flüssigkeit, welche durch Verdichtung der Dämpfe an dem kälteren Theile
                              der inneren Fläche des Glaskölbchens sich niederschlägt, essigsäurehaltig. War
                              dieser Gypskitt dagegen in dünneren Stücken bereits längere Zeit aufbewahrt worden,
                              so gibt er bei dieser Probe keine Essigdampfe mehr aus, weil er durch die
                              Verdunstung die in ihm enthalten gewesene Essigsäure verloren hat.
                           4. Von einer vorzüglichen Sorte Johannisbeerwein, den ich vor sechs Jahren bereitet
                              habe, war die letzte Flasche, die ich noch besaß, überaus trüb, und die den Wein
                              trübenden Theile zeigten, wie dieß überhaupt bei trübem Wein oft der Fall zu seyn
                              pflegt, keine Neigung, sich zu Boden setzen zu wollen. Der Wein war übrigens nicht
                              sauer, hatte aber in Folge der beigemengten trüben Theile einen unangenehmen
                              Geschmack angenommen. Ich kann nicht angeben, ob die Trübung des Weines in dieser
                              Flasche erst im Inneren der Flasche selbst entstanden ist, oder ob vielleicht gerade
                              sie beim Abzapfen die letzte war und trübe Theile aus dem Fasse mit aufgenommen
                              hatte.
                           Ich setzte Anfangs zu einer kleinen Probe von einigen Unzen eine angemessene Menge
                              von gebranntem Gyps, verschloß das Gefäß mit einem Kork und beförderte durch
                              Schütteln die Berührung des Gypspulvers mit dem Weine und den darin enthaltenen
                              trüben Theilen, stellte dann das Gefäß einige Stunden lang an einen kühlen Ort, um
                              dem Gypse Zeit zu lassen sich abzusetzen. Was ich erwartet hatte, war eingetreten.
                              Es waren mit dem Gyps auch die trüben Theile aus dem' Weine schon größtentheils zu
                              Boden gefallen und die noch darin befindlichen setzten sich nach weiteren zwölf Stunden
                              gleichfalls zu Boden. Der Wein war klar geworden und hatte dabei feine ursprüngliche
                              röthliche Farbe und seinen ursprünglichen Wohlgeschmack wieder erhalten.
                           Ich bin dann mit dem übrigen Inhalt der Flasche in ähnlicher Art verfahren und auch
                              hier war der Erfolg derselbe.
                           Vielleicht geben diese Versuche einen Fingerzeig über die Gründe, weßhalb die Alten
                              den (gebrannten) Gyps anwandten, um ihren Wein milder und haltbarer zu machen etc.,
                              und über die Gründe, weßhalb man ihn in Griechenland noch heut zu Tage, theils zur
                              Verhütung des Sauerwerdens des Weines als Zusatz zum Moste, theils bei schon
                              begonnener Säuerung des Weines als Zusatz zum Weine anwendet.
                           Am Wichtigsten in technischer Beziehung scheint mir der zuletzt erwähnte Versuch zu
                              seyn, weil es wohl keinem Zweifel unterliegt, daß auch bei trübem Traubenwein durch
                              Anwendung des Gypses die vollständige Klärung, sowie die Wiederherstellung seines
                              ursprünglichen Wohlgeschmackes möglich ist, und daß daher auch in unseren Gegenden
                              der gebrannte Gyps in dieser Richtung eine nicht unwichtige Anwendung finden
                              wird.
                           
                        
                           Nachträge.
                           1. Ein reiner leichter Tischwein (Rheinwein) wurde mit gebranntem Gyps versetzt,
                              verkorkt, umgeschüttelt und dann an einen kühlen Ort gestellt. Der Gyps setzte sich
                              bald ab, der über dem Gyps stehende Wein wurde wieder klar und seine gelbe Farbe
                              hatte nur wenig an ihrer Intensität verloren. Beim Herausgießen dieses Weines zeigte
                              sich, daß der auf dem Boden des Gefäßes befindliche Gyps fest genug geworden war, um
                              keine Trübung zu veranlassen. Man mußte ihn nach dem Ausgießen des Weines sogar mit
                              meißelartigen Werkzeugen erst loslösen.Nimmt man zu viel Gyps, so tritt der Fall ein, daß die am Boden des Gefäßes
                                    befindliche Gypslage in ihrem unteren Theile nur mehr oder weniger fest ist,
                                    und daß dann auch in dem oberen Theile lockeres, bewegliches Gypspulver sich
                                    vorfindet, welches bei dem unvorsichtigen Herausgießen des Weines Trübungen
                                    verursacht
                              
                           Das Volumen des Weines hatte sich vermindert, der Wein selbst aber war dafür stärker
                              geworden und hatte einen angenehmen Geschmack.
                           2. Ordinäres obergähriges Bier, so wie es in den Schenkwirthschaften verzapft wird,
                              ist oft nicht ganz klar. Ich versuchte es daher, eine Probe von solchem Biere durch
                              Anwendung von gebranntem Gyps klar zu machen und etwas zu concentriren. Das Bier
                              wurde auf diese Weise
                              schnell klar und seine Farbe etwas Heller, aber neben der Concentration des geringen
                              Weingeistgehaltes erfolgte auch eine widerwärtige Concentration des darin
                              enthaltenen Bitterstoffs.
                           3. Eine Probe von untergährigem Vier, die bald nach dem Eintritte der lebhaften
                              Gährung genommen war, wurde mit gebranntem Gyps versetzt, um die Einwirkung des
                              Gypses auf die in ihrer Wirkung befindliche Unterhefe zu beobachten. Es trat bei dem
                              Niederfallen des Gypses keine Klärung ein, die GährungGährnng dauerte fort, und zwar, wie es schien, eben so lebhaft, als es bei einer
                              mit Gyps nicht versetzten Probe desselben Bieres der Fall war, die in einem eben so
                              großen und eben so gestalteten Glasgefäße daneben stand.
                           4. Eine zweite Probe von untergährigem Vier, die so gewählt war, daß das Bier die
                              rasche Gährung vollendet, also nur noch die Nachgährung zu bestehen hatte, erlitt
                              gleichfalls bei dem Niederfallen des zugesetzten Gypses keine Klärung, doch war die
                              Zeit bis zum völligen Klarwerden des mit Gyps behandelten Bieres etwas, wenn auch
                              wenig, kürzer, als bei einem danebenstehenden, ohne Gypszusatz gebliebenen eben
                              solchen Biere.
                           Die zur weinigen Gährung taugliche Hefe scheint daher nicht so reich an Wasser zu
                              seyn, wie die s. g. Essigmutter und ähnliche Gebilde. Ihr kleinerer Wassergehalt ist
                              daher vielleicht fester gebunden, als daß durch Anwendung des gebrannten Gypses ihre
                              Zersetzung, beziehungsweise Fällung, bewirkt werden könnte.