| Titel: | Vergleichende Versuche über den Werth des Torfes und der Torfkohle für landwirthschaftliche Zwecke (zur Düngerbereitung); von Edm. Davy. | 
| Fundstelle: | Band 141, Jahrgang 1856, Nr. LVII., S. 229 | 
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                        LVII.
                        Vergleichende Versuche über den Werth des Torfes
                           und der Torfkohle für landwirthschaftliche Zwecke (zur Düngerbereitung); von Edm. Davy.
                        Aus dem Philosophical Magazine, März 1856, S.
                              172.
                        Davy's vergleichende Versuche über den Werth des Torfes und der
                           Torfkohle für landwirthschaftliche Zwecke.
                        
                     
                        
                           Es gibt viele Körper, wie Chlor, Chlorkalk etc., welche die Eigenschaft besitzen,
                              faulenden Substanzen ihren Geruch zu benehmen und daher in gewissen Fällen mit
                              Nutzen zu gesundheitlichen Zwecken verwendet werden können, während sie sich ganz
                              und gar nicht zur Düngerbereitung aus thierischen Excrementen eignen, weil sie
                              entweder einige der werthvollsten Bestandtheile dieser letzteren zersetzen, oder für
                              das Wachsthum schädlich sind.
                           Die wichtigsten Körper, welche zum Geruchlosmachen (Desinficiren) faulender
                              Substanzen und zur Bereitung von Dünger aus denselben bisher empfohlen wurden, sind
                              der Torf und die Torfkohle.
                           Das desinficirende Vermögen der Pflanzenkohle jedweder Art ist längst bekannt;
                              dasjenige des unverkohlten Torfes wurde aber erst in der neuesten Zeit entdeckt.
                              Sowohl Torf als Torfkohle können also zum Geruchlosmachen für Gesundheitszwecke
                              dienen, und über die Wahl entscheidet bloß deren Preis.
                           Die Meinungen sind jedoch darüber getheilt, ob man zum Geruchlosmachen thierischer
                              Excremente etc., wenn es sich um Düngerbereitung handelt, den Torf oder seine Kohle
                              anwenden soll. Die Vertheidiger letzterer Ansicht geben als Hauptgrund an, daß die
                              Torfkohle, mit in Zersetzung begriffenen thierischen Excrementen vermengt, das aus
                              denselben sich entwickelnde Ammoniak absorbirt und
                              zurückhält, dessen Wichtigkeit als Nahrungsmittel der Pflanzen und
                              Befruchtungsmittel des Bodens außer Zweifel steht.
                           
                           Um über diesen Gegenstand ins Reine zu kommen, stellte ich vergleichende Versuche mit
                              Torf und Torfkohle an Harn aus einem Viehstalle an, welcher durch Zersetzung stark
                              ammoniakalisch geworden war. Dieser Harn wurde in einer gut verschlossenen Flasche
                              zu den Versuchen aufbewahrt. Da der Torf von verschiedenen Lagern in manchen
                              Beziehungen abweicht, so wurde von einem und demselben Brocken stets ein Theil
                              verkohlt und der andere unverkohlt gelassen. Der in verschlossenem Tiegel verkohlte
                              Torf wurde nach dem Erkalten sogleich in eine trockene Flasche gebracht und gut
                              verkorkt aufbewahrt. Der unverkohlte Torf wurde in Stücke gebrochen und in eine
                              ähnliche Flasche gebracht; beide wurden vor der Verwendung in ein gleichartiges,
                              gröbliches Pulver verwandelt. Ich wog nun gleiche Gewichte von dem Torf und der
                              Torfkohle ab, gab sie in zwei gleiche Abdampfschalen, mischte sie innig mit der
                              gleichen Menge ammoniakalischen Harns und ließ das Gemenge einige Tage an einem
                              offenen, bedeckten Platz an der Luft stehen. Es wurden zum Versuche 500 Gran Torf
                              oder Torfkohle auf 6 Drachmen-Maaße (oder beiläufig 355 Gran) Harn genommen.
                              Beim Mischen des Harns mit der Torfkohle entwickelte sich sogleich ein starker
                              Ammoniakgeruch und die mehrere Tage fortdauernde Ammoniak-Entbindung konnte
                              durch befeuchtetes Curcuma-Papier leicht erkannt werden, während sich beim
                              Torf nicht die geringste Ammoniak-Entwickelung entdecken ließ.
                           Nachdem ich vorher die Menge des im angewandten Harn enthaltenen Ammoniaks bestimmt
                              hatte, und die erwähnten Gemenge vier Tage lang der Luft ausgesetzt worden waren,
                              theilte ich jedes in zwei gleiche Theile und untersuchte wie viel Ammoniak in jedem
                              solchen Theil, welcher drei Drachmen-Maaße des Harns enthielt, noch vorhanden
                              war.
                           Menge des Ammoniaks in drei Drachmen-Maaßen.
                           
                              
                                 Im Harn
                                 für sich
                                 
                                 0,947
                                 Theil eines Grans
                                 
                              
                                 
                                 mit Torfkohle
                                 
                                 0,233
                                           
                                    „
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 –––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 also Verlust
                                 0,714
                                           
                                    „
                                 
                              
                                 
                                 mit Torf
                                 
                                 1,105
                                           
                                    „
                                 
                              
                           Daraus ersteht man, daß der Harn, mit Torfkohle vermengt und nur vier Tage der Luft
                              ausgesetzt, 0,714 Gran, also über 3/4 seines ganzen Gehalts an Ammoniak verlor;
                              wogegen sich bei Anwendung von Torf anstatt eines Ammoniakverlusts ein kleiner
                              Ueberschuß über den Gehalt des bloßen Harns ergab, was sich dadurch erklärt, daß der
                              Torf selbst stets eine kleine Menge Ammoniak enthält.
                           Das Ammoniak wurde bei diesen Versuchen dadurch bestimmt, daß man den Harn und die
                              Gemenge einige Zeit in einer Retorte mit starker Aetzkalilösung kochte und das
                              sich entwickelnde Ammoniak in einer gewogenen Menge verdünnter Schwefelsäure von
                              bekanntem Gehalt auffing.
                           Folgende weitere Versuche bestätigen die obigen. Es wurden 300 Gr. Torf und
                              andererseits eben so viel Torfkohle mit je einem halben Unzenmaaß desselben Harns
                              gut gemischt, jedes Gemenge in einem kleinen Schälchen auf einen großen, etwas
                              Quecksilber enthaltenden Teller gesetzt, über jedes Schälchen ein kleiner Dreifuß
                              gestellt, der eine Abdampfschale trug, worin sich etwas verdünnte Schwefelsäure von
                              bekanntem Gehalt befand, und über jeden Apparat eine Glasglocke gestürzt; das
                              Quecksilber diente zum Ausschließen der Luft. Nachdem die so bedeckten Gemenge fünf
                              Tage lang gestanden hatten, entfernte ich die Glasglocken und untersuchte die Säure
                              in den Abdampfschalen. In derjenigen über dem Torf konnte ich kein Ammoniak
                              entdecken, es war also keines entwickelt worden, und der Torf hatte wirklich das im
                              Harn enthaltene flüchtige kohlensaure Ammoniak vollständig zurückgehalten und
                              fixirt. Ueber der Torfkohle hingegen hatte die Säure 0,288 Gran Ammoniak absorbirt,
                              also viel mehr als 1/5 des im Gemenge enthaltenen und daraus entwickelten
                              Ammoniaks.
                           Dieser Versuch wurde, mit Anwendung von verdünnter Salzsäure statt Schwefelsäure,
                              wiederholt, wobei die Gemenge aus 500 Gran Torf oder Torfkohle und 1 Unzenmaaß
                              desselben Harns bestanden. Nach 16tägigem Stehen war das Ergebniß in der Hauptsache
                              dasselbe. Beim Abdampfen der Säure zur Trockne gab die über der Torfkohle angewandte
                              5,7 Gran Salmiak, entsprechend 1,812 Gr. Ammoniak oder 3/4 des ganzen
                              Ammoniakgehalts des Harns; die Säure über dem Torf hingegen gab nur einen
                              unerheblichen Rückstand, der, in Wasser aufgelöst, mit Aetzkalk nur eine sehr
                              geringe Menge Ammoniak entwickelte.
                           Daß der Verlust der Torfkohle an Ammoniak bezüglich der verwendeten Zeit bei diesen
                              letzteren Versuchen geringer war als beim ersten oben besprochenen Versuche, erklärt
                              sich dadurch, daß die exponirte Oberfläche nicht so groß war und die Versuche unter
                              Glasglocken angestellt wurden, wobei sich das Ammoniak nicht so leicht entwickeln
                              konnte, wie an freier Luft. Wären jedoch die Versuche länger fortgesetzt worden, so
                              würde der Verlust an Ammoniak sich viel größer herausgestellt haben, denn beim
                              Abheben der Glocke entwickelte das Torfkohle-Gemenge stets noch Ammoniak.
                           Der Torf besitzt also in hohem Grade das Vermögen das Ammoniak zu fixiren, eine
                              Eigenschaft, welche wenigstens zum Theil einer in demselben enthaltenen Substanz
                              zuzuschreiben ist, welche die Rolle einer Säure spielt und die Basis des flüchtigen
                              kohlensauren Ammoniaks neutralisirt; als ich nämlich Torf mit stark alkalischem Harn vermengte
                              und nach einiger Zeit das Gemenge filtrirte, fand ich daß das Filtrat, obwohl es
                              Ammoniak enthielt, gegen Reagenzpapier sich doch ganz neutral verhielt, woraus
                              deutlich hervorgeht, daß das Ammoniak des kohlensauren Salzes sich mit einer andern
                              Säure zu einem neutralen Salz verbunden hatte.
                           Die Entwickelung von Ammoniak aus dem Gemenge von Torfkohle und zersetztem Harn
                              scheint zwei Ursachen zugeschrieben werden zu müssen: erstens ihrer Unfähigkeit, das
                              bei der Zersetzung thierischer Stoffe sich bildende kohlensaure Ammoniak
                              zurückzuhalten, und dann ihrer Eigenschaft, die in der thierischen Substanz
                              enthaltenen fixen Ammoniaksalze, nämlich schwefelsaures, phosphorsaures, salzsaures
                              und harnsaures Ammoniak, theilweise zu zersetzen und in flüchtiges kohlensaures
                              Ammoniak zu verwandeln, welches bald entweicht. Diese letztere Eigenschaft beruht
                              auf ihrem Gehalt an kohlensauren Alkalien und Erden, welche sich während der
                              Verkohlung bilden; denn wenn die Torfkohle eine Zeit lang in verdünnter Salzsäure
                              gekocht, dann mit destillirtem Wasser gut ausgewaschen und hierauf bei Rothglühhitze
                              wieder getrocknet wird, so ist ihr Vermögen die fixirten Ammoniaksalze zu zersetzen,
                              wenn auch nicht ganz verschwunden, doch sehr vermindert. Der Torf hingegen besitzt
                              diese Eigenschaft nicht im geringsten Grade. Diese Thatsachen beweisen, daß der Torf
                              zu landwirthschaftlichen Zwecken in Bezug auf das so wichtige Ammoniak der Torfkohle
                              weit vorzuziehen ist, denn bei Anwendung von Torf wird das Ammoniak mehr oder
                              weniger vollständig in dem Dünger zurückgehalten und kann also befruchtend Wirten,
                              während die Torfkohle demselben gestattet sich größtentheils zu zerstreuen, wodurch
                              es verloren geht.
                           Vorstehende Resultate und Schlüsse widersprechen, was die Torfkohle betrifft, den aus
                              den Versuchen v. Saussure's und anderer Chemiker
                              gezogenen, wornach die Holzkohle das Vermögen besitzt, verschiedene gasförmige
                              Substanzen und namentlich das Ammoniakgas in großer Menge zu absorbiren; die
                              Umstände, unter welchen sie ihre Versuche ausführten, sind aber von den obigen sehr
                              verschieden.
                           Saussure, welcher die umfassendsten Versuche hierüber
                              gemacht zu haben scheint und nach dessen Angabe die Holzkohle ihr 90faches Volum
                              Ammoniakgas absorbirt, verwendete vollkommen trockne und sehr dichte Buchsbaumkohle
                              (je dichter die Kohle, desto größer ist ihr Absorptionsvermögen), und damit dieselbe
                              möglichst luftleer sey, glühte er sie aus, tauchte sie rothglühend unter
                              Quecksilber, kühlte sie auf diese Weise bei ausgeschlossener Luft ab, und ließ sie
                              alsdann erst in das Gas aufsteigen. So vollkommen trockene und luftfreie Kohle kommt
                              aber in der Praxis niemals vor und die zum Geruchlosmachen thierischer Excremente
                              etc. verwendete Kohle
                              befindet sich niemals in diesem Zustande, denn einerseits zieht dieselbe ungeachtet
                              der sorgfältigsten Aufbewahrung viel Luft und Feuchtigkeit aus der Atmosphäre an,
                              andererseits wird sie durch die Vermengung mit den Excrementen mehr oder weniger
                              durchnäßt; Saussure's Versuche selbst zeigen aber, daß
                              das Absorptionsvermögen der Kohle für verschiedene Gase durch vorhandene
                              Feuchtigkeit bedeutend beeinträchtigt wird. Es schien mir jedoch interessant, zu
                              ermitteln wie groß bei der Torfkohle, beim sorgfältig getrockneten Torfund beim Torf
                              in seinem gewöhnlichen Trockenheitszustand das relative Absorptionsvermögen für
                              Ammoniakgas ist. Zu diesem Behufe wählte ich einen ziemlich dichten Brocken guten
                              Torfs aus und machte, nachdem ich einen Theil desselben in Kohle verwandelt hatte,
                              drei kleine Würfel von möglichst gleicher Größe, einen aus der Kohle und zwei aus
                              dem unverkohlten Theil; von den beiden letzteren trocknete ich einen vollständig
                              aus, indem ich ihn viele Stunden lang einer Temperatur von 80° R. aussetzte.
                              Den Kohlenwürfel ließ ich, um ihn möglichst in denselben Zustand der Trockne und des
                              Absorptionsvermögens zu versetzen wie den getrockneten Torfwürfel, einige Zeit der
                              Luft ausgesetzt und trocknete ihn dann bei 80° R. Der dritte Würfel wurde in
                              seinem gewöhnlichen Trockenheitszustand belassen, wo er 20 Procent Wasser enthielt.
                              Diese Würfel wurden dann in Glocken, welche mit Ammoniakgas gefüllt über Quecksilber
                              standen, gebracht und, das Volum der Torfkohle oder des Torfs als Einheit
                              angenommen, folgende Resultate bezüglich der Absorption erhalten:
                           Absorption von Ammoniakgas.
                           
                              
                                 
                                 Volume.
                                 
                              
                                 Torfkohle
                                    18,4
                                 
                              
                                 Bei 80° R. getrockneter Torf
                                    33,2
                                 
                              
                                 Torf in seinem gewöhnlichen
                                    Trockenheitszustand, wo er    20 Procent Wasser
                                    enthält
                                    50,0
                                 
                              
                           Da das Gewicht des Torfkohle-Würfels zu demjenigen des Würfels von
                              getrocknetem Torf bei diesem Versuche im Verhältniß von 13 : 16,6 stand, so verhält
                              sich das Volum des von gleichen Gewichten Torfkohle und getrocknetem Torf
                              absorbirten Ammoniakgases wie 23,4 : 33,2.
                           Aus diesen Resultaten erhellt, daß das Absorptionsvermögen der Torfkohle für
                              Ammoniakgas selbst in ihrem trockenen Zustande sehr überschätzt wird, indem es viel
                              geringer ist als dasjenige eines gleichen Volums oder Gewichts getrockneten Torfes,
                              und bei weitem geringer als dasjenige des Torfs in seinem gewöhnlichen
                              Trockenheitszustand.
                           Was die Kohlensäure, dieses große Nahrungsmittel der Pflanzen, anbelangt, so besitzt
                              der Torf einen großen Vorzug vor der Torfkohle, da er im Boden sich sehr bald
                              zersetzt, namentlich in Berührung mit faulenden Stoffen (z.B. Excrementen) und bei
                              seiner Zersetzung Kohlensäure erzeugt, welche nicht nur der jungen Pflanze (wenn
                              deren Blätter noch nicht hinlänglich entwickelt sind, um solche aus der Atmosphäre
                              zu erhalten) ihren Bedarf liefert, sondern auch gewisse, zum Wachsthum erforderliche
                              Salze etc. auflöslich macht. Die Torfkohle dagegen würde, da sie bei gewöhnlicher
                              Temperatur so schwer sich oxydirt, unter gleichen Umständen selbst nach langer Zeit
                              nur sehr wenig Kohlensäure liefern.
                           Auch wegen seiner größern Elasticität ist der Torf besser als die Torfkohle geeignet
                              um schweren Thonboden, dem es an vegetabilischen Bestandtheilen fehlt, lockerer und
                              der Luft zugänglicher zu machen. Ueberdieß kommt der Torf im halbgetrockneten und
                              gröblich gepulverten Zustand,Der zu allen diesen Versuchen, mit Ausnahme jener über die Absorption von
                                    Ammoniakgas, angewendete Torf enthielt 28 Procent Wasser. in welchem er anzuwenden wäre, auch nur etwa auf den fünften Theil des
                              Preises der Torfkohle zu stehen. Wie man sieht, ist also der Torf zur Düngerbereitung der Torfkohle weit vorzuziehen.