| Titel: | Beitrag zur Geschichte der horizontalen Wasserräder, mit besonderer Beachtung der Turbinen von Henschel in Cassel, fälschlich Jonval-Turbinen genannt; von Prof. Dr. Rühlmann in Hannover. | 
| Fundstelle: | Band 141, Jahrgang 1856, Nr. LX., S. 248 | 
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                        LX.
                        Beitrag zur Geschichte der horizontalen
                           Wasserräder, mit besonderer Beachtung der Turbinen von Henschel in Cassel, fälschlich
                           Jonval-Turbinen genannt; von Prof. Dr. Rühlmann in Hannover.
                        Aus der Zeitschrift des hannoverschen Architekten- und
                                 Ingenieur-Vereins, 1855. Bd. I S. 227.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              IV.
                        Rühlmann, Beitrag zur Geschichte der horizontalen
                           Wasserräder.
                        
                     
                        
                           Wasserräder, welche sich um verticale Achsen drehen, wobei aber das Rad selbst
                              horizontal läuft (Kreiselräder, Turbinen), die durch den Stoß des Wassers gegen eben
                              oder löffelförmig gestaltete Schaufeln in Bewegung gesetzt werden, gehören zu den
                              ältesten Motoren, welche der Mensch ersann, um die bewegende Kraft des Wassers zur
                              Verrichtung mechanischer Arbeiten geeignet zu machen. Noch vorhandene derartige
                              Räder in den gebirgigen Gegenden Nord-Afrika's (Umgegend von Constantine),
                              Italiens, Norwegens, den Pyrenäen, sowie Süd-Frankreichs (Provence,
                              Dauphiné), lassen insbesondere erkennen, daß man sie namentlich zum Umdrehen
                              von Mühlsteinen, zum Vermahlen des Getreides in der höchst einfachen Weise
                              verwendet, den Läuferstein der Mühle unmittelbar auf der Wasserradwelle
                              festzukeilen, die Uebertragung der Bewegung also auf die beste und directeste Art
                              und Weise zu bewirken.Belidor, Architecture. Première Partie. Liv. II. Chap. I. Pl. I. und
                                    Pl. IV.
                              
                           Einfachheit und große Umdrehzahl zeichnen diese Räder überhaupt vor der anderen
                              Gattung mit verticalen Radebenen und horizontalen Wellen aus, allein in dem
                              vorhergedachten Zustande war ihr Nutzeffect so gering und ihre Bewegung so wenig
                              gleichförmig, daß selbst trefflich theoretisch begründete Verbesserungsbemühungen,
                              wie die von Borda
                              Borda, Sur les
                                       roues hydrauliques. Memoires de l'acad. royale des sciences.
                                       Année 1767. Paris 1770. und Anderen, nicht im Stande waren, ihnen einen rechten Rang neben den
                              verticalen Wasserrädern zu erwerben.
                           Mit dem Entstehen einer größeren Fabrikindustrie am Anfange dieses Jahrhunderts und
                              insbesondere als nach den Napoleonischen Kriegen friedliche Zustände wieder festen
                              Fuß gefaßt hatten, begann man auch auf die bessere Benutzung natürlich vorhandener Wasserkräfte mehr
                              Werth zu legen, erkannte man die Vortheile horizontaler Wasserräder immer mehr
                              (große Umdrehungsgeschwindigkeit, geringere Mengen von Transmissionszeug, schwächere
                              Triebwellen, hoher Effect bei geringem Wassergefälle etc.) und wandte alle Mittel
                              der rationellen und Erfahrungs-Hydraulik an, um die dabei vorliegende Aufgabe
                              in rechter Weise zu lösen. Vor Allem war die Construction so anzuordnen, daß der
                              Stoß beim Eintritte des Wassers in das Rad beseitigt, die Verluste bei der Bewegung
                              innerhalb der Radzellen die kleinmöglichsten wurden und der Ausfluß des Wassers aus
                              dem Rade ohne jede absolute Geschwindigkeit erfolgte.
                           Zur baldigen Erreichung der fraglichen Lösung trugen ganz besonders die Preise bei,
                              welche die Pariser Gesellschaft zur Beförderung der französischen Nationalindustrie
                              eine Reihe von Jahren hinter einander bis zu 6000 Franken Höhe auf die Verbesserung
                              und gleichzeitig erprobte Ausführung für industrielle Zwecke aussetzte.Prix pour l'application en grand des turbines
                                       hydrauliques. Bulletin de la Société d'Encouragement pour
                                       l'industrie nationale. (1826) 25 Année p. 5 (Programmes.)
                              
                           Mit einigem Erfolge wurde zuerst diese Aufgabe von dem französischen
                              Bergwerk-Ingenieur Burdin gelöst, der auch für
                              dieselbe den Namen „Turbinen“ (vom Latein. turbo, der Kreisel) einführte.Burdin, Turbine
                                       hydraulique à axe vertical et à évacuation
                                       alternative etc. Annales des Mines 1838, 3. p. 517. Pl. VIII und ebendaselbst
                                    1853, 3 p. 85 Pl.
                                    I.
                              Burdin's Räder bildeten cylindrische, um ihre
                              geometrische, verticale Achse drehbare Trommeln, wobei das Wasser oberhalb von
                              Canälen aufgenommen wurde, die röhrenförmig um den Trommelmantel liefen und aus
                              deren unteren Oeffnungen das Wasser entsprechend abfloß. Die Enden der Ausflußcanäle
                              waren horizontal und tangential zum Umfange gerichtet, und der Ausfluß erfolgte in
                              entgegengesetzter Richtung zur Umdrehbewegung. Unmittelbar über dem Rade befand sich
                              für das Aufschlagwasser ein Behälter (Leitapparat) mit mehreren Oeffnungen am Boden
                              desselben, vor welchen Oeffnungen sich derartige Ansätze befanden, daß die
                              Ausflußmündungen horizontal und der Richtung des Kreisumfanges entsprechend gestellt
                              waren. Ueberhaupt hatte Burdin Alles so anzuordnen
                              versucht, daß das Wasser das Rad ohne relative Geschwindigkeit erreichen und ohne
                              absolute Geschwindigkeit verlassen sollte.
                           Ungeachtet aller Bemühungen vermochte Burdin weder den
                              Nutzeffect dieser Räder höher als etwa 60 Proc. zu bringen, noch alle Bedingungen
                              zu erfüllen, welche
                              das bemerkte Programm der Société
                                 d'Encouragement vorschrieb, wohin namentlich gehörte, daß die Turbine unter
                              Wasser arbeiten und ihr Wirkungsgrad bei jeder Art von Wasserstand, bei Eisgang
                              u.s.w. nicht merklich verändert werden sollte.
                           Burdin's Schüler, der Civilingenieur Fourneyron zu Besançon, war glücklicher mit der
                              Auflösung der Aufgabe als sein Lehrer, indem es ihm gelang, alle Bedingungen des
                              Preisprogrammes, auch die der Ausführung und Bewährtheit im Großen, vollständig zu
                              erfüllen) es wurde ihm daher auch die Summe von 6000 Franken ohne irgend Vorbehalt
                              von der erwähnten Pariser Gesellschaft ausgezahlt.Fourneyron, Mémoire sur l'application en grand, dans les usines et
                                       manufactures, des turbines hydrauliques ou roues à palettes
                                       courbes deBelidor. Bulletin
                                       de la Société d'Encouragement, 33. Année (Janvier 1834) und daraus im polytechn. Journal
                                    Bd. LIII S. 241.
                              
                           Fourneyron's Turbinen bestehen aus zwei concentrischen in
                              derselben Ebene ineinander (nicht übereinander) liegenden Rädern, mit entsprechend
                              gekrümmten Leitcurven und Schaufeln, wovon das Leitrad feststeht, das Triebrad aber
                              sich mit der verticalen Welle, als ein Ganzes, dreht. Die glückliche Idee bei dieser
                              Anordnung, abgesehen von der verhältnißmäßigen
                              Einfachheit und Leichtigkeit, liegt unstreitig darin, daß das Wasser in allen Punkten des inneren Radumfanges gleichmäßig
                              eintreten und ebenso ohne wesentliche Hindernisse an allen Punkten des äußeren
                              Umfanges austreten kann, nachdem es (ziemlich) die ganze ihm inwohnende lebendige
                              Kraft an das sich drehende Rad abgegeben hat.
                           Fourneyron's Radconstruction verbreitete sich bald über
                              ganz Europa und diente insbesondere bei niedrigen Gefällen zum Ersatze der kaum 20
                              Proc. Nutzeffect liefernden verticalen Wasserräder, sowie als trefflicher Motor bei
                              den höchsten Gefällen, welche früher für industrielle Zwecke, wo es sich vorzüglich
                              um Drehbewegungen handelte, fast gar nicht nutzbar gemacht werden konnten. In
                              letzterer Beziehung wird unter Andern Fourneyron's Rad in
                              St. Blassen (Badischer Schwarzwald) bei 108 Meter Gefälle, 2200 Umläufe pro Minute bei nur 0,55 Meter Durchmesser, wohl für alle
                              Zeiten als ein Meisterwerk der Hydraulik in Erinnerung bleiben müssen, wenn auch
                              eifersüchtige Zeitgenossen derartige Leistungen als minder erheblich und weniger
                              verdienstvoll zu bezeichnen bemüht sind. Wie dem auch seyn mag, so viel ist gewiß,
                              daß Fourneyron in der Geschichte der hydraulischen
                              Motoren stets als der Erfinder der heutigen Turbinen wird genannt werden müssen,
                              welche Modificationen dieselben auch bereits erfahren haben und noch erfahren mögen. Zu
                              den wesentlich modificirten Fourneyron'schen Turbinen
                              gehören aber die, wo beide Räder, Leitcurven- und Triebrad, nicht ineinander,
                              sondern übereinander in parallelen Ebenen liegen und das Triebwasser beide Räder von
                              Oben nach Unten, nicht aber horizontal von Innen nach Außen durchströmt.
                           Diese Anordnung bietet vor Allem den Vortheil, daß man das Rad in jeder beliebigen
                              Höhe über dem Unterwasser anbringen kann, sobald diese Höhe nur nicht die dem
                              Atmosphärendrucke das Gleichgewicht haltende Wassersäule von etwas über 10 Meter
                              erreicht. Weitere Vortheile liegen in der weniger ungünstigen Richtungsveränderung
                              des Wassers bei seiner Bewegung vom Oberwasserspiegel bis zum Unterwasser durch das
                              Rad, sowie darin, daß die Wasserfäden, beim Einführen derselben aus dem
                              Leitcurvenapparate in das Rad, nicht convergiren, sondern mehr parallel bleiben, im
                              Wasser befindliche gewichtige Körper leichter durch das Rad hindurchgehen, dasselbe
                              nicht verstopfen etc. Nachtheile dieser Räder, wie störender Einfluß der Fliehkraft
                              auf das Wasser und ganz besonders die Schwierigkeit, recht zweckmäßige
                              Schützenvorrichtungen anzubringen, sowie m. A., mögen vorerst hier unberührt
                              bleiben. Das, worauf vor Allem hier die Aufmerksamkeit der Leser gerichtet werden
                              soll, ist die Prioritätsfrage der Erfindung dieser
                                 Turbinengattung und die daraus hergeleitete Benennung derselben.
                           Wie aus den nachstehenden Mittheilungen erhellen wird, läßt sich mit fast
                              mathematischer Bestimmtheit behaupten, daß diese Turbinen nicht zuerst von Jonval, sondern von dem deutschen
                                 Mechaniker Henschel in Cassel 1837 angegeben und 1841 auf der herzogl.
                              Steinschleifern zu Holzminden (Braunschweig) zuerst ausgeführt und in Gang gebracht
                              worden, dort aber von Köchlin aus Mülhausen und dessen
                              Ingenieur Jonval gesehen und studirt und sodann
                              nachgebaut worden sind. Gedachte Herren ließen sich 1843 diese Räder in Frankreich
                              patentiren, welcher Patentertheilung bald die Beschreibungen und Leistungsangaben
                              folgten, wie solche im Bulletin de la Société
                                 industrielle de Mulhausen, Tome XVIII. p. 227
                              (1844) (und daraus im polytechn. Journal Bd. XCIV
                                 S. 118) enthalten sind, wobei jedoch Henschel
                              mit keiner Sylbe erwähnt wird.
                           Bemerkter Thatbestand war mir bereits nach mehrseitigen mündlichen Mittheilungen zur
                              Kenntniß gelangt, als mir durch die persönliche Bekanntschaft mit Hrn.
                              Kreisbaumeister Haarmann in Holzminden bestimmtere
                              Angaben über die ganze Angelegenheit gemacht wurden, welche die Richtigkeit des
                              vorher Ausgesprochenen außer allen Zweifel setzten.
                           
                           Das besondere Interesse, womit ich vom Anfange an die Fourneyron'sche Turbinen-Angelegenheit erfaßt hatte, auch bei
                              meiner amtlichen Stellung für das Industrie-Maschinenfach zu verfolgen ganz
                              bestimmte Veranlassung fand, war Ursache, daß ich es für nicht unpassend hielt, für
                              Hrn. Henschel öffentlich in die Schranken zu treten,
                              weßhalb ich auch Hrn. Kreisbaumeister Haarmann in
                              Holzminden wiederholt um Zustellung der betreffenden Actenstücke bat. Leider war
                              derselbe, seiner Vielbeschäftigung wegen, bisher nicht zur Ausführung des
                              Versprechens gelangt, bis er endlich bei Gelegenheit einiger Vorträge über neuere
                              Turbinen-Ausführungen in einer unserer Vereinsversammlungen den
                              Architekten- und Ingenieur-Verein durch diejenigen Mittheilungen
                              erfreute, die wir hier unverändert wiedergeben und die völlig hinreichen werden,
                              Hrn. Henschel's Prioritäts-Ansprüche zu begründen
                              und die Jonval'sche Turbine in die Henschel'sche umzutaufen.
                           
                        
                           Anlage 1.
                           An
                              den Vorstand des Architekten- und
                                 Ingenieur-Vereins in Hannover.
                           Auf die verehrlichen Schreiben vom 3ten des vorigen und 14ten dieses Monats habe ich
                              aus den hiesigen Acten der herzoglichen Steinfactorei die Data gezogen, welche auf
                              das von der Henschel'schen Maschinenfabrik nach der ganz
                              gehorsamst angeschlossenen Zeichnung (Tab. IV Fig. 12–18) im Jahre
                              1841 gefertigte Kreiselrad Bezug haben, und verfehle nicht, dieß dem geehrten
                              Vereine in der Anlage zu überreichen, und verharre mit vorzüglicher Hochachtung
                           Holzminden, 27. Januar 1855.
                           ganz gehorsamst     F. L. Haarmann, 
                              Kreisbaumeister.   
                           
                        
                           Anlage 2.
                           Das vom Oberbergrath Henschel zu Cassel in Holzminden
                              1840–1841 vorgerichtete Kreiselrad betreffend.
                           Nach den hiesigen Acten erhielt ich den 28. März 1839 den Auftrag, für die hiesige
                              Steinschleiferei am mittleren Eisenhüttenteiche, bei dem 5 1/2 bis 6 Kubikfuß Wasser
                              bald bei 10' bald bei 13' Gefälle disponibel waren, eine bessere Betriebskraft in
                              Vorschlag zu bringen. Im Sommer 1839 und 1840 reisete ich nach Herford und besah das dort von Carlitscheck
                               bei der Garnspinnerei
                              angelegte, in Stärkrad am Rhein gefertigte Fourneyron'sche Kreiselrad, und da dessen Wirkung nicht besonders ausgefallen
                              war, auch man in Stärkrad von mir ohne Gewährleistung für die Kraftwirkung eines für
                              obige Verhältnisse zu fertigenden Rades 950 Rthlr. forderte, besah ich auch das von
                              dem Mühlenbaumeister Nagel aus Hamburg in Neumünster bei einer Tuchwalkemühle
                              veränderte Kreiselrad, zu dem das Wasser von unten nach oben hin zugeleitet ward, um
                              den bei dem Fourneyron'schen Rade so nachtheilig auf den
                              Zapfen wirkenden Druck zu vermeiden, welcher Zweck indeß hier eben so wenig dadurch
                              vermieden wurde, als andere bei beiden hier und in Herford damit verbundene
                              Nachtheile, als: daß sie an den tiefsten Stellen des Gefälles im Wasser arbeiteten
                              und badeten, und daß das Wasser, was in die Schaufeln des Wasserrades mittelst eines
                              gewundenen, nicht natürlichen, sondern künstlichen, nicht immer leicht richtig zu
                              findenden Weges zur Seite treten und dieß auch ebenso in
                              Bewegung setzen mußte, und endlich, daß beide Räder sehr künstliche Schützstellungen
                              hatten.
                           Bei dem für die hiesige Steinfactorei am mittleren Hüttenteiche anzulegenden
                              Wasserrade kam annoch ein besonderer Umstand zur Sprache, der, daß der darunter
                              liegende Sammelteich für die darunter liegenden Eisenwerke bei dem Beginn der Arbeit
                              1 1/2' höher im Spiegel gehalten wird, als am Schlusse einer Arbeitschicht, es kann
                              daher bei dem 1 1/2' niedrigeren Wasserspiegel mindestens 12 bis 16 Stunden täglich
                              die Wasserkraft für das Werk am mittleren Teiche um 1 1/2' höher ausgenutzt werden,
                              wenn bei der etwa zu machenden Einrichtung des Wasserrades hierauf Rücksicht
                              genommen würde.
                           Das vorhandene alte, höchst mangelhafte, oberschlächtige Wasserrad der alten
                              Steinschleiferei war und konnte auf diesen Gewinn nicht mit eingerichtet seyn, war
                              nur 8 3/4' im Durchmesser hoch und hätte schon bei dieser Höhe des Wassergefälles in
                              ein halbschlächtiges Rad umgewandelt werden müssen, allein auch hierbei hätte man
                              die zeitigen 1 1/2' Gefälle im Unterteiche nicht gewinnen können.
                           Im Frühjahre 1840 besprach ich mich auf der Henschel'schen
                              Maschinenfabrik wegen eines Kreiselrades, man kannte damals noch nicht das vom
                              Professor Rühlmann (damals in Chemnitz) zuerst über
                              Kreiselräder Veröffentlichte, der Oberbergrath Henschel
                              brachte in Betracht der von mir an den in Herford und Neumünster beobachteten
                              Uebelständen, um das Rad nicht im Wasser laufen lassen zu müssen, um den Lauf des
                              Wassers einfacher und damit kräftiger auf die Radschaufeln zu leiten, um die
                              Schützstellung einfacher einrichten zu können, um das 1 1/2füßige zeitige Gefälle zu
                              jeder Zeit ausnutzen zu können, um endlich die Kosten des Kreiselrades zu vermindern, in
                              Vorschlag, das Fourneyron'sche Rad in seiner Form ganz zu
                              verändern, die Radschaufeln lothrecht unter die Leitschaufeln zu legen, unter dem
                              Rade noch ein luftdichtes, vom Atmosphärendruck abgeschnittenes Wasserabfallrohr
                              anzubringen, worin die vor dem Gange des Rades durch Abschluß zu bildende
                              Wassersäule bei dem Gange des Rades mittelst ihres Gewichts eben so sehr von unten
                              durch Saugen das Rad in Bewegung setzen würde, als der Druck der Säule von oben auf
                              die Bewegung wirke. Hiermit einverstanden für die hiesige Anlage, wurde bei meiner
                              Abreise von der Henschel'schen Maschinenfabrik
                              versprochen, ein Modell in Blech vom Klempner fertigen zu lassen, um darnach die
                              berechnete Schaufelstellung praktisch zu richten.
                           Nachdem dieß in den nächsten Monaten geschehen und Versuche bei einer
                              Fournierschneidemühle auf der Henschel'schen
                              Maschinenfabrik günstige Resultate ergeben hatte, wurde unter dem 13. August 1840
                              mir nun eine Zeichnung für das hiesige Werk Hieher gesandt, der Contract zur
                              Anfertigung der Anlage auf meinen Bericht von der herzoglichen Regierung in
                              Braunschweig abgeschlossen, im März 1841 Alles in Betrieb gesetzt, und wurden statt
                              9 Steine, jetzt 23 Steine in der Stunde geschliffen. Am 4. Juli 1841 wurden von der
                              Henschel'schen Maschinenfabrik durch Ingenieur Fichtner Versuche mit einem Prony'schen Zaume ausgeführt; welche Resultate diese ergaben, ist mir
                              nicht bekannt geworden, da ich in dieser Zeit verreist war. Nach einer mündlichen
                              Mittheilung der Henschel'schen Maschinenfabrik, ob durch
                              Hrn. Henschel selbst, oder durch Hrn. Ingenieur Fichtner, hat die Maschinenfabrik Andrée Köchlin und Comp. in Mülhausen am
                              Rhein im Sommer 1841 in Cassel Kunde von dem Kreiselrade hier erhalten, und hat
                              durch einen Ingenieur, der auf Reisen nach oder von hier zurück in Cassel gewesen
                              ist, auch das Rad hier besehen und aufnehmen lassen. Da es Princip der
                              Braunschweigischen Regierung ist, die Besichtigung neuerer Werke jedem Techniker zu
                              erleichtern, so hat der Steinschleif-Aufseher auch eine solche Besichtigung
                              gern gestattet und erleichtert, und erinnert sich einer solchen von einem Fremden
                              vorgenommenen, genauen, mit Vermessungen versehenen Besichtigung.
                           Bald darauf wurden diese Kreiselräder in Mülhausen in Menge gemacht und erschien 1844
                              auch in Dingler's polytechn. Journal Bd. XCIV S. 118 die Beschreibung solcher
                              Kreiselräder.
                           Holzminden, den 27. Januar 1855.
                           F. L. Haarmann,
                              Kreisbaumeister.
                           
                        
                           
                           Anlage 3.
                           An
                              den Architekten- und Ingenieur-Verein für das
                                 Königreich Hannover.
                           Der Hr. Kreisbaumeister Haarmann theilte mir unterm 27. v.
                              M. mit, wie verehrlicher Verein meine Autorschaft des Kreises mit verticalem
                              Wasserdurchfluß und theilweise hängender Wassersäule (jetzt Jonval-Turbinen
                              genannt) zu vertheidigen gesonnen sey, und gibt mir zugleich Abschrift von seinem
                              eigenen Berichte in dieser Sache, die sich denn auch ganz so verhält, bis auf den
                              Punkt, daß es die erste Ausführung nicht war, die in
                              Holzminden zu Stande kam. Schon im Jahre 1837, nachdem mehrere kleine Ausführungen
                              und Modelle von verzinntem Eisenblech vorausgegangen waren, reichten wir das
                              beikommende Patentgesuch dem kurfürstlichen Ministerium des Innern dahier ein,
                              während wir Tabellen für die verschiedensten Fälle der Ausführung berechneten und,
                              nebst mehreren Hülfsvorrichtungen, unter anderen einen Prägestock zur
                              gleichförmigen, schraubenförmigen Biegung der blechernen Schaufeln anfertigten. Die
                              kurze abschlägige Resolution auf besagtes Gesuch aber
                              verdarb uns die Freude, wir verkauften die Schaufelgänge an einen
                              Striegelfabrikanten nach Schmalkalden und gaben alle weiteren Bemühungen auf, da wir
                              einsehen mußten, daß ein Patent in unserm kleinen, damals noch sehr industriearmen Lande doch keinen ersprießlichen Nutzen gewähren
                              konnte. Später hat uns dieses natürlich sehr gereut.
                           Dennoch kamen Fälle vor, wo wir nicht umhin konnten, Kreiselräder zu bauen, wie z.B.
                              zwei solcher Räder nach Holzminden, eins für die v. Buttlar'sche Glashütte zu Ziegenhagen (12'' Durchmesser, 100' Fallhöhe, 6 Pferdekraft) und etwa 10 andere solcher Räder.
                           Was Hr. Kreisbaumeister Haarmann Ihnen berichtet hat,
                              stimmt mit unseren Erinnerungen ganz überein.
                           Den Namen möchte ich gern gerettet sehen und werde daher Weiteres gern und bald
                              thunlichst berichten.
                           Nachträglich bemerke ich noch, daß Hr. Köchlin
                              jun. auf einer Rückreise von Braunschweig über
                              Holzminden uns mit seinem Werkmeister (Jonval) dahier
                              besuchte und, wenn er den Wunsch geäußert hätte, über unsere Kreisel Näheres zu
                              erfahren, wir gern alle weiteren Notizen gegeben haben würden, da wir in Frankreich
                              Geschäfte damit zu machen, keine Aussicht hatten.
                           
                           Im Juli 1846 war unser Werkmeister Oestermann in Mülhausen
                              und sah zu seiner Verwunderung ovale Kreiselräder unseres Princips bei Hrn. Köchlin in Ausführung.
                           Mit vorzüglichster Hochachtung und Dankbarkeit bin ich eines
                              verehrlichen Vereins
                           Cassel, den 6. Februar 1855.
                           ergebenster  
                              Henschel.
                           
                        
                           Anlage 4.
                           An
                              kurfürstlich hessisches Ministerium des Innern in
                                 Cassel.
                           Die Maschinen-Fabrikanten
                              Henschel und Sohn bitten
                              unterthänigst um Verleihung eines Erfindungs-Patents auf eine ganz
                              neue Construction des sogenannten Kreiselrades.
                           Die Verbesserung des Kreiselrades durch den französischen Mechaniker Fourneyron hat im nördlichen Frankreich, wie auch in
                              Preußen – worüber das Neueste in den Berliner General-Verhandlungen
                              1837, 2te Lieferung, enthalten ist – schon so gelungene Ausführungen zur
                              Folge gehabt, daß es aller Anstrengung werth ist, auf diesem Wege weitere
                              Fortschritte zu versuchen.
                           Es ist den unterthänig Unterzeichneten geglückt, die in beiliegender Beschreibung
                              näher detaillirte neue Construction des Kreiselrades zu Stande zu bringen, und damit
                              in Vergleich der bekannten französischen Einrichtung (stehe polytechn. Journal Bd. LIII S. 241) folgende weitere Vortheile
                              zu erhalten, nämlich:
                           1) Der Eintritt des Wassers geschieht dabei ohne alle Hindernisse aus dem weiten
                              Zuflußgerinne über dem Rade, während bei dem französischen Kreisel das Wasser den
                              beengten Raum des Schützenringes nicht ohne Contraction Passiren und dann noch seine
                              senkrechte Richtung in die waagerechte ändern muß.
                           2) Der im Rade wirkende Wasserstrahl ist hier stets in seine gehörige Gränze
                              eingeschlossen und äußert seine Kräfte ungeändert, das Rad mag über oder unter
                              Wasser gehen. Man behält daher die Wirkung der vollen Druckhöhe, während bei dem
                              französischen Kreisel ein Theil derselben – vom Schwerpunkt der
                              Ausströmöffnung bis auf den Unterwasserspiegel – offenbar verloren geht, da
                              man das Rad nicht tauchen lassen darf. Die Form der Zelle zwischen je zwei Schaufeln
                              des Fourneyron'schen Rades ist nämlich nur auf einer
                              Seite zweckmäßig gestaltet, im Ganzen aber weit entfernt, sich der natürlichen Form
                              des Wasserstrahls überall anzuschmiegen. Läuft nun das Rad über dem Wasser, so verfolgt der Strahl
                              die Curve der Schaufel, ohne von dem überflüssigen Raume Notiz zu nehmen. Geht aber
                              das Rad getaucht, so füllt sich aller überflüssiger Raum mit todtem Wasser, der
                              Strahl vermischt sich damit, wird verlangsamt, und indem dieß geschieht, verwendet
                              er sein Beharrungsvermögen zu einer Saugung (negativen Rückwirkung), womit er die
                              Rückwand nach sich zieht und so den Effect vermindert, wie nicht nur aus unsern
                              directen Versuchen hervorgeht, sondern auch schon aus Venturi's Versuchen über die vortheilhafte Erweiterung der Ausmündung der
                              Wasserröhren gefolgert werden kann.
                           Es geht also auch hieraus ein Vorzug unseres Kreisels hervor, der noch dadurch erhöht
                              wird, daß der nach unten wirkende Wasserstrahl den Umfang des Schaufelkranzes und
                              somit den Widerstand im Wasser nicht vergrößert.
                           3) Aus demselben Grunde hat auch das oft eintretende Stauwasser hier keinen, bei der
                              früheren Einrichtung dagegen einen nachtheiligen Einfluß.
                           4) Dieser Kreisel läuft nicht – wie es bei seiner Einschließung zu seyn
                              scheint – im Wasser, sondern ohne an der Fallhöhe etwas zu verlieren, in
                              einem gerade so viel als nöthig mit Luft gefüllten Raume.
                           5) Die Schützenvorrichtung ist bei unserem Rade zwar doppelt, dagegen aber auch die
                              Rollschütze zur Bedeckung eines Theils der Einflußschaufeln so sehr leicht
                              beweglich, daß man sie leichter, als bei irgend einem andern Wasserrade mit einem
                              Regulator verbinden kann, was in Fällen, wo eine ununterbrochene Gleichförmigkeit
                              der Bewegung erforderlich ist, willkommen seyn wird.
                           Aber auch ohne Regulator gewährt diese Rollschütze denselben Vortheil, wie die des
                              Hrn. Fourneyron – daß nämlich zur Ingangsetzung
                              der Maschine oder zur Verhütung augenblicklicher Stockungen bei zufälligen
                              Hindernissen die einströmende Wassermenge für den Augenblick vergrößert werden
                              kann.
                           Sie hat dabei den Vorzug nicht nur der leichteren Bewegung mittelst einer Schnur,
                              sondern besonders noch den, daß sie sich nicht festklemmen kann, wie die vielen
                              einzelnen, sich zwischen die Leitcurve passend einschiebenden Holzstücke der
                              französischen Schütze.
                           6) Das Gehäuse der Maschine steht fest auf dem Grunde, hängt nicht wie die
                              französische Maschine am Gerinnboden, und dieser bedarf daher auch nicht der
                              sorgfältigen Stützung durch Hängewerke etc.
                           
                           7) Aus denselben Gründen bleibt auch die Bewegung unseres Rades dauernder
                              concentrisch, während bei dem französischen Kreisel, wo der eine Theil am
                              Gerinnboden hängt, die Pfanne der stehenden Welle aber auf dem Fundamente steht,
                              leicht nachtheilige Verrückungen vorkommen können.
                           8) Ein und dasselbe Rad kann bloß durch Verlängerung des Gehäuses zu einem höheren
                              oder niedrigeren Wassergefälle gebraucht werden, ohne an der hier sehr kurzen und
                              leichten stehenden Welle oder an dem Schützwerk das Mindeste zu verändern; endlich
                              aber
                           9) dürfte ein sehr wesentlicher Vorzug des oberschlächtigen Kreisels darin bestehen,
                              daß die beweglichen Theile zu Tage liegen und folglich Revision, Reparatur und
                              Reinigung mit aller Bequemlichkeit im Trocknen und bei Tageslicht vollzogen werden
                              können, während ein geschickter Arbeiter davor schaudert, wenn er bei jeder kleinen
                              Correctur in den nassen und dunklen Raum unter dem Gerinnboden hinabkriechen oder
                              gar im Wasser selbst arbeiten muß, wie dieses bei der französischen Einrichtung zum
                              Nachtheil der sorgfältigen Erhaltung doch nicht zu vermeiden steht.
                           Besonders nachtheilig zeigen sich diese Schwierigkeiten bei hohen Wassergefällen,
                              wogegen unsere Construction selbst da noch alle Vortheile gewährt, wo der
                              atmosphärische Druck nicht mehr hinreicht, die hängende Wassersäule zu tragen, und
                              wo man daher nur einen Theil derselben hängend, den andern drückend anbringen muß.
                              Immer erzielt man dabei den nicht unwichtigen Vortheil, die Maschine höher und
                              zukommlicher aufzustellen, auch keiner langen Welle zu bedürfen, welche wegen ihrer
                              Schwingungen und ihres Gewichtes in vielen Fällen ganz unausführbar seyn würde.
                           Es geht aus dieser Vergleichung hervor, daß unsere Erfindung nicht in einer einzelnen
                              Verbesserung des Fourneyron'schen Kreisels (dessen Werth
                              für die Anregung der Sache wir übrigens nicht verkennen), sondern in einer ganz
                              neuen, die wichtigsten Vortheile vereinigenden, bereits von uns erprobten
                              Construction besteht, die nicht mehr kostet, als der französische Kreisel, und deren
                              Anwendung für alle solche Gewerbe, die jetzt mit schwerfälligen Wasserrädern
                              betrieben werden, den reichsten Gewinn darbietet.
                           In der Ueberzeugung daher, durch unsere kostspieligen Versuche ein nützliches
                              Resultat errungen zu haben, wagen wir es, kurfürstliches Ministerium des Innern
                              unterthänig zu bitten:
                           uns ein Patent auf 10 Jahre auf die Erfindung des oberschlächtigen
                              Kreiselrades gnädig,
                           
                           und wenn wir weiter unterthänig bitten dürfen:
                           so bald, als nur immer möglich, zu ertheilen,
                           da mehrere Ausführungen hierauf beruhen, die noch vor Winter
                              zu Stande kommen müssen, wenn nicht große Nachtheile für die Besteller und uns
                              entstehen sollen.
                           Mit größtem Vertrauen sehen wir der gnädigen Erfüllung unserer unterthänigen Bitte
                              entgegen und beharren in tiefster Verehrung
                           kurfürstlichem Ministerium des
                              Innernunterthänigste           Henschel und Sohn.
                           Im August 1837.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
