| Titel: | Ueber den Gußstahl von Uchatius. | 
| Fundstelle: | Band 141, Jahrgang 1856, Nr. LXXXIII., S. 369 | 
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                        LXXXIII.
                        Ueber den Gußstahl von Uchatius.
                        Ueber den Gußstahl von Uchatius.
                        
                     
                        
                           Wir haben über den neuen Gußstahl des k. k. österreichischen Artilleriehauptmanns
                              Franz Uchatius nach Armengaud's Génie industriel in diesem Bande des polytechn. Journals S. 43 berichtet.
                              Nach der Beschreibung der Darstellungsweise dieses Stahls ist daselbst über dessen
                              Qualität das Urtheil von Vissocq, Ingenieur der
                              französischen Nordbahngesellschaft, mitgetheilt, bei welcher der Erfinder seinen
                              Stahl im November vorigen Jahres prüfen ließ. In letzterer Hinsicht theilt ein
                              Wiener Korrespondent der „Allgemeinen Zeitung“ in deren Beilage
                              vom 29. August d. J. ergänzende Bemerkungen mit. Er sagt:
                           
                              „Vissocq's Bericht erkennt die Vorzüglichkeit
                                 des neuen Materials an, und macht nur zwei Einwendungen: daß 1) der neue Stahl
                                 dem Stoße nicht widerstehe, und daß derselbe 2) nicht schweißbar sey. Die
                                 erstere Einwendung war damals theilweise begründet, ist aber jetzt von dem Erfinder durch Vervollkommnung seines
                                 Materials gründlich gehoben; die zweite war von Haus aus nichtig, denn die
                                 Theilbarkeit zweier geschweißter Stücke durch den Meißel traf damals ebensogut
                                 den besten englischen wie den Jackson-Stahl. Wir haben nun aber von der
                                 neuen Probe Schweißungen gesehen, darunter Stücke, wo das eine Ende des Stabs
                                 völlig umgebogen und so vollkommen angeschweißt war, daß man einzig aus der
                                 verdickten Form auf den vorangegangenen Proceß schließen konnte. – Dabei
                                 hat der Erfinder bei Bereitung seines Stahls jede feinste Nüancirung der
                                 Qualität ganz sicher in der Hand. Die Festigkeit des neuen Stahls ist eine
                                 außerordentliche. – Aber nicht allein die ausgezeichnete Qualität dieses
                                 neuen Materials, sondern auch die Wohlfeilheit seiner Herstellung fällt bei
                                 seiner praktischen Verwerthung entscheidend ins Gewicht. Bedenkt man den Einfluß
                                 dieser Erfindung auf alle Werkzeuge und Maschinenbestandtheile des
                                 Eisenbahnwesens, seine Verwendung zu Eisenarchitekturen jeder Art, bei
                                 welchen 3/5 des Gußstahls nicht höher kommen als 5/5 des seitherigen Eisens, und
                                 1 1/2mal größere Festigkeit gewähren, so wird man zugeben daß dieser Erfindung
                                 eine große Zukunft bevorsteht. Die einzige Schwierigkeit der Erzeugung in
                                 Massen, besteht bis jetzt noch in dem Mangel genügender Schmelztiegel; zur Zeit
                                 sind die besten die nordamerikanischen, die englischen, die französischen, die
                                 belgischen, in der hier gegebenen Reihenfolge, die aus österreichischem Material
                                 verfertigten genügten bis jetzt nicht; der Erfinder verschaffte sich den besten
                                 Graphit, den von Ceylon, und sein Bestreben geht nun dahin, die Fabrication der
                                 Schmelztiegel in dem für seinen Stahl erforderlichen Grade zu
                                 vervollkommnen.“
                              
                           Der Moniteur industriel Nr. 2076 vom 24 Juli enthält die
                              Schlußsätze des Berichts, welchen eine mit der Untersuchung des Verfahrens von Uchatius beauftragte Commission dem kaiserl.
                              französischen Minister für Handel und Staatsbauten erstattet hat; wir theilen sie
                              vollständig mit.
                           
                              „Aus den in Gegenwart der Commission gemachten
                                    Versuchen geht hervor:
                              
                           
                              „Daß das Verfahren des Hrn. Uchatius –
                                 zur directen Umwandlung des Roheisens in Gußstahl – einfacher Art ist und
                                 ohne große Kosten ausgeführt werden kann;
                              
                           
                              „daß es für Brennmaterial und Handarbeit nicht mehr Kosten verursacht, als
                                 die Umwandlung des Cementstahls in Gußstahl;
                              
                           
                              „daß die Umwandlung des Roheisens in Gußstahl leichter bewerkstelligt
                                 wird, als die Umwandlung des Roheisens in Stabeisen;
                              
                           
                              „daß man nach Belieben mehr oder weniger harten Gußstahl erhalten kann,
                                 indem man die Verhältnisse der angewendeten Materialien abändert;
                              
                           
                              „daß, da diese Materialien in Roheisen und anderen wohlfeilen Substanzen
                                 bestehen, der nach dem neuen Verfahren erzeugte Stahl billiger zu stehen kommt,
                                 als jeder andere Gußstahl;
                              
                           
                              „daß das zur Fabrication im Großen erforderliche Material das nämlich wäre
                                 wie das zur Erzeugung von Gußstahl mittelst Cementstahls gebräuchliche;
                              
                           
                              „daß der nach dem neuen Verfahren erhaltene Gußstahl sehr vortheilhaft das
                                 Schmiedeisen für viele Zwecke ersetzen zu können scheint, namentlich für
                                 Wagenachsen, Kolbenstangen, Lenkstangen etc., überhaupt alle Maschinentheile
                                 welche einem transversalen Druck und mäßigen Stößen widerstehen müssen;
                              
                           
                           
                              „daß solcher Stahl vielleicht zu denselben Zwecken angewendet werden
                                 könnte wie der Gußstahl zweiter Qualität, und namentlich zur Anfertigung
                                 gewisser Werkzeuge, von Kesselblech, Radbandagen, Federn für Wagen, Locomotiven
                                 etc.;
                              
                           
                              „endlich, daß es nicht wahrscheinlich ist daß er zu den besondern Zwecken
                                 verwendet werden kann, für welche der Gußstahl erster Qualität wegen seiner
                                 vollkommenen Gleichartigkeit gesucht ist.
                              
                           
                              „Obgleich der von der Commission geprüfte Gußstahl einzig mit Roheisen aus
                                 Algier dargestellt war, so ist es doch wahrscheinlich, daß sich auch mehrere
                                 andere französische Roheisensorten für diese Fabrication eignen werden.
                              
                           
                              „Die Commission muß bemerken, daß das Verfahren des Hrn. Uchatius auf Ideen beruht, welche längst
                                 ausgesprochen wurden, und auf Angaben die man in mehreren älteren
                                 Schriftstellern findet. Da man das Roheisen als eine Verbindung von Eisen mit
                                 einigen Procenten Kohlenstoff, und den Stahl als eine Verbindung von Eisen mit
                                 nur einigen Tausendtheilen Kohlenstoff betrachtet, so war es natürlich, den
                                 Stahl als Zwischenglied des Roheisens und des Stabeisens anzusehen und man mußte
                                 daher auf den Gedanken kommen, daß es möglich ist direct Gußstahl aus dem
                                 Roheisen herzustellen, indem man letzteres mit Zusatz von hämmerbarem Eisen,
                                 natürlichem oder künstlichem Eisenoxyd umschmilzt.
                              
                           
                              „Schon im J. 1772 bemerkte Reaumur, daß man
                                 Stahl durch Zusammenschmelzen von Roheisen mit alten Nägeln,
                                 Schmiedeisenstücken, erzeugen könne. – Im J. 1798 veröffentlichte Clouet, daß man durch Schmelzen des Roheisens mit
                                 Eisenoxyd Stabeisen erhält, wenn das Gewicht des Oxyds das Viertel von
                                 demjenigen des Roheisens beträgt; daß beim grauen Roheisen mehr erforderlich ist
                                 als beim weißen Roheisen, und daß, wenn man das Verhältniß des Oxyds um ein
                                 Drittel oder die Hälfte vermindert, man Stahl erhält. Später nahm Muschet in England ein Erfindungspatent (Bibliothèque britannique, t. XVIII) auf die
                                 Fabrication des Gußstahls mit Stabeisenabgängen, Brucheisen, reichem Eisenerz
                                 und Holzkohlenpulver. – Hassenfratz erwähnt in
                                 seiner Siderotechnik, daß ein Besucher der englischen Stahlfabriken ihm
                                 mitgetheilt habe, man erzeuge dort den Gußstahl durch Mischen von grauem und
                                 weißem Roheisen in einem bestimmten Verhältniß, und oft mit Zusatz von altem
                                 Eisen, Stabeisenabgängen, Eisenhammerschlag und selbst Stahlabschneidseln.
                              
                           
                              „Die Angaben von Reaumur und Hassenfratz, die Versuche von Clouet, von Muschet und Anderen, führten
                                 jedoch zu keinem industriellen Resultat, und bis jetzt gelang es nicht, durch
                                 directes Zusammenschmelzen des Roheisens mit weichem Eisen, natürlichem oder
                                 künstlichem Eisenoxyd, regelmäßig Stahl zu fabriciren.
                              
                           
                              „Wird es Hrn. Uchatius besser als seinen
                                 Vorgängern gelingen, sein Verfahren in die Praxis einzuführen? Die in unserem
                                 Bericht besprochenen Versuche gestatten es zu hoffen; ungeachtet der günstigen
                                 Resultate derselben, glaubt jedoch die Commission nicht, daß bezüglich der
                                 industriellen Anwendung über das neue Verfahren ein entscheidendes Urtheil
                                 gefällt werden kann, bevor man es im Großen angewendet hat. Solche Versuche
                                 ließen sich sehr leicht und ohne beträchtliche Kosten in den Gußstahlfabriken
                                 ausführen.
                              
                           
                              „Die Commission ist daher der Ansicht:
                              
                           1) „daß dem Ministerium nicht empfohlen werden kann, auf den Vorschlag des
                                 Hrn. Uchatius, welcher sein Patent an die Regierung
                                 verkaufen will, einzugehen;
                              
                           2) „daß die in Gegenwart der Commission angestellten Versuche hoffen
                                 lassen, daß sein Verfahren mit Vortheil im Großen wird angewendet werden
                                 können;
                              
                           3) „daß es zweckmäßig wäre die Resultate dieser Versuche durch
                                 Veröffentlichung dieses Berichts in den Annales des
                                    Mines zur Kenntniß des Publicums zu bringen.“