| Titel: | Ueber die Wirkung des Wassers auf das Glas; von Prof. J. Pelouze. | 
| Fundstelle: | Band 142, Jahrgang 1856, Nr. XXXI., S. 122 | 
| Download: | XML | 
                     
                        XXXI.
                        Ueber die Wirkung des Wassers auf das Glas; von
                           								Prof. J.
                              								Pelouze.
                        Aus den Comptes rendus, Juli 1856, Nr.
                              								3.
                        Pelouze, über die Wirkung des Wassers auf das Glas.
                        
                     
                        
                           Ueber die Zersetzung des Glases durch Wasser besitzen wir Beobachtungen von Scheele, Lavoisier, Chevreul und anderen Chemikern; aber
                              									keiner derselben hat ermittelt, wie weit diese Zersetzung geht. Meine Versuche
                              									betreffen hauptsächlich die Wirkung des Wassers auf das pulverisirte Glas.
                           Während Wasser, welches man in gläsernen Gefäßen kochen läßt, dieselben nur äußerst
                              									langsam angreift und in kaltem Zustande noch viel weniger auf sie wirkt, zersetzt es
                              									das pulverisirte Glas mit außerordentlicher Leichtigkeit. So verliert z.B. ein
                              									Glaskolben von beiläufig 1/2 Liter Inhalt kaum 1 Decigramm an Gewicht, wenn man Wasser
                              									fünf Tage lang darin kochen läßt; wenn man aber den Hals dieses Kolbens abschlägt
                              									und pulverisirt und das so erhaltene Pulver in demselben Gefäße dieselbe Zeit lang
                              									mit Wasser kocht, so erleidet es eine Zersetzung welche bis ein Drittel seines
                              									Gewichts repräsentiren kann. Wenn man anderseits dasselbe Gefäß, welches Jahre lang
                              									Wasser hätte enthalten können, ohne eine merkliche Gewichtsverminderung zu erleiden,
                              									pulverisirt und das Glaspulver nur einige Minuten lang mit kaltem Wasser in
                              									Berührung bringt, so erleidet es eine Zersetzung welche 2 bis 3 Proc. seines
                              									Gewichts entspricht.
                           Ich lasse nun einige meiner Resultate folgen:
                           1) Ein Stück weißen Glases schönster Qualität wurde analysirt; es enthielt:
                           
                              
                                 Kieselerde
                                 72,1
                                 
                              
                                 Natron
                                 12,4
                                 
                              
                                 Kalk
                                 15,5
                                 
                              
                                 Thonerde und
                                    											Eisenoxyd     
                                 Spuren.
                                 
                              
                           Dasselbe wurde pulverisirt und auf einer Achatplatte höchst
                              									fein zerrieben. 5,51 Grm. dieses Glaspulvers wurden in einer Porzellanschale mit
                              									destillirtem Wasser, welches man oft erneuerte, gekocht.
                           Die bei dieser Behandlung erhaltene klare Flüssigkeit wurde abgedampft; der Rückstand
                              									wurde geglüht und wog dann 0,175 Grm.
                           Der in Wasser unauflösliche Theil wurde mit salzsäurehaltigem Wasser behandelt, wobei
                              									er lebhaft aufbrauste. Die salzsaure Lösung, mit Ammoniak gesättigt, gab einen
                              									geringen Niederschlag von Thonerde und wurde dann mit oxalsaurem Ammoniak gefällt;
                              									der gesammelte oxalsaure Kalk wurde gewaschen, getrocknet und mit Schwefelsäure
                              									zersetzt; man erhielt 0,190 Grm. schwefelsauren Kalk, entsprechend 0,078 Grm. reinem
                              									Kalk, also 1,5 Proc. vom Gewichte des angewendeten Glases.
                           Da letzteres 15 Proc. Kalk enthielt, so kann man aus diesem Versuche schließen, daß
                              									das Wasser beiläufig 10 Procent des Glases zersetzt hat.
                           2) Ein anderes weißes Glas, ebenfalls schönster Qualität, bestand aus:
                           
                              
                                 Kieselerde
                                 77,3
                                 
                              
                                 Natron
                                 16,3
                                 
                              
                                 Kalk
                                   6,4
                                 
                              
                                 Thonerde und
                                    											Eisenoxyd     
                                 Spuren.
                                 
                              
                           5,18 Grm. dieses Glases wurden ebenso behandelt. Der Rückstand
                              									der wässerigen Lösung betrug in diesem Falle 0,945 Grm. und das mit Salzsäure angesäuerte Wasser
                              									hatte 0,103 Grm. Kalk ausgezogen, was 2 Proc. vom Gewicht des angewendeten Glases
                              									beträgt.
                           Da das Glas 6,4 Proc. Kalk enthält, so ergibt dieser Versuch eine Zersetzung von mehr
                              									als 31 Proc. des Glases.
                           Der Rückstand, welchen die wässerige Lösung hinterließ, wurde analysirt; er enthielt
                              									0,281 Grm. Natron = 5,6 Proc. des angewendeten Glases, das Uebrige war Kieselerde.
                              									Die angegebene Menge Natron entspricht einer Zersetzung von 33 Proc. des Glases.
                           Aus diesen Versuchen ergibt sich, daß vorherrschend die basischen Bestandtheile des
                              									Glases durch das Wasser aus demselben ausgezogen werden;Ueberdieß ergibt sich aus diesen Versuchen, daß ein Glas welches im
                                    											Verhältniß zum Natron mehr Kalk als eine andere
                                    											Glassorte enthält, vom Wasser weniger angegriffen wird; von dem Glase
                                    											welches 15,5 Proc. Kalk enthielt, wurden beiläufig 10 Proc. des Pulvers
                                    											durch Wasser zersetzt, hingegen von dem Glase welches nur 6,4 Proc. Kalk
                                    											enthielt, mehr als 31 Proc. Bekanntlich hat Fuchs, im Jahr 1825 in seiner Abhandlung über das Wasserglas
                                    											(polytechn. Journal Bd. XVII S. 465)
                                    											zuerst nachgewiesen, daß ohne Zusatz eines dritten basischen Körpers, d. i.
                                    											bloß mit Kieselerde und Kali oder Natron, kein dem Wasser wiederstehendes
                                    											Glas dargestellt werden kann, und daß der Kalk einen wesentlichen
                                    											Bestandtheil desselben ausmacht.A. d. Red. durch hinreichend lange Einwirkung des Wassers auf höchst feines Glaspulver
                              									würde man ohne Zweifel dahin gelangen, bloß Kieselerde unaufgelöst übrig zu
                              									behalten. – Das in dem Wasser gelöste kieselsaure Natron hatte die
                              									Zusammensetzung 2 NaO, 3 SiO³; es hält bei 150ºC. eine Quantität
                              									Wasser zurück, welche ziemlich 2 Aequivalenten entspricht.
                           3) Die beiden erwähnten pulverisirten Glassorten wurden einige Minuten lang mit
                              									kaltem Wasser geschüttelt; man fügte dem Gemisch einige Tropfen schwache Salzsäure
                              									hinzu und filtrirte dann sogleich. Der Gewichtsverlust des Glases einerseits, und
                              									anderseits das Gewicht des Kalks, welcher auf gewöhnliche Weise bestimmt wurde
                              									(indem man die Flüssigkeit mit Ammoniak sättigte und dann oxalsaures Ammoniak
                              									hineingoß), ergaben daß das Glas durch diese kurze Behandlung mit Wasser bei
                              									gewöhnlicher Temperatur eine Zersetzung erlitten hatte, welche 2 bis 3 Procent des
                              									angewendeten Pulvers entsprach. – Durch einige Minuten lang dauerndes Kochen
                              									derselben pulverisirten Glassorten mit Wasser wurden 5 bis 6 Proc. derselben
                              									zersetzt.
                           4) Alle im Handel vorkommenden Glassorten, Spiegelglas, Fensterglas, Bouteillenglas,
                              									Krystallglas, Flintglas und andere optische Gläser, zersetzen sich langsam, wenn man
                              									sie in fein pulverisirtem Zustande der Luft aussetzt. Sie absorbiren dabei nach und
                              									nach Kohlensäure und erlangen in kurzer Zeit die Eigenschaft, mit Säuren
                              									aufzubrausen, was zuweilen in solchem Maaße geschieht, daß man glauben könnte, man
                              									habe es mit Kreide zu thun. Das Aufbrausen mit Säuren zeigt sich auch bei einem
                              									Gemenge von Glaspulver und Wasser, welches man einige Tage der Luft ausgesetzt hat.
                              									Das saure Wasser enthält dann eine große Menge Natron und Kalk.
                           Ich bemerke bei dieser Gelegenheit, daß man in demselben fast immer auch
                              									Schwefelsäure findet, denn die Mehrzahl der Gläser enthält nach meinen Beobachtungen
                              										Glaubersalz, dessen Menge von 1 oder 2 Tausendtheilen
                              									bis 2 Proc. des Glases variirt.
                           5) Kocht man Glaspulver mit Wasser und leitet dabei Kohlensäure hinein, so wird
                              									dieselbe sofort absorbirt und die Flüssigkeit braust nachher mit Säuren lebhaft
                              									auf.
                           6) Wenn man Glaspulver mehrere Stunden lang mit Wasser und schwefelsaurem Kalk kocht,
                              									so entsteht eine erhebliche Menge schwefelsaures Natron.
                           Diese Reaction erklärt, warum die Mauern und Fußböden der Räume, in denen die Spiegel
                              									geschliffen werden, sich immer mit Efflorescenzen von schwefelsaurem Natron
                              									bedecken. Der Gyps, welcher zum Festkitten der Glasplatten dient, liefert die
                              									Schwefelsäure, und das Glas liefert das Natron zur Bildung dieses Salzes.
                           7) Alle Glassorten machen, wenn man sie als feines Pulver mit feuchtem rothen
                              									Lackmuspapier zusammenbringt, dasselbe augenblicklich blau, indem sie sofort durch
                              									das Wasser zersetzt werden.
                           8) Wenn man fein pulverisirtes Krystallglas kurze Zeit lang mit kaltem Wasser, dem
                              									ein wenig Säure zugesetzt wurde, schüttelt, so gibt die Flüssigkeit nachher mit
                              									Schwefelwasserstoff einen Niederschlag von Schwefelblei. Durch halbstündiges Kochen
                              									mit Wasser und Zusatz einer Säure gaben 5 Grm. Krystallglaspulver mittelst Fällung
                              									durch Schwefelwasserstoff 0,05 Grm. Schwefelblei, was einer Zersetzung von ungefähr
                              									3 Proc. desselben entspricht. Das Flintglas, welches noch mehr Bleioxyd enthält,
                              									erleidet eine noch stärkere Zersetzung.
                           Das entglaste Glas verhält sich gegen Wasser wie gewöhnliches Glas, scheint aber
                              									durch dasselbe noch leichter zersetzt zu werden.
                           Aus dem Vorstehenden ersieht man, daß sich das pulverisirte Glas in Berührung mit
                              									Wasser oder feuchter Luft mit einer Schnelligkeit und Leichtigkeit zersetzt, welche
                              									bei der großen Dauerhaftigkeit der Gefäße und anderer Gegenstände aus gegossenem
                              									oder geblasenem Glase höchst auffallend sind. Natürlich muß aber das Wasser auf die
                              									Wände von Glasgefäßen in derselben Art wirken wie auf das pulverisirte Glas, jedoch
                              									außerordentlich viel langsamer, was nur darin seinen Grund zu haben scheint, daß bei den Glasgefäßen
                              									die Oberfläche, auf welche das Wasser wirken kann, verhältnißmäßig sehr viel kleiner
                              									ist, und daß die Bewegung und Erneuerung der Flüssigkeit zwischen den Theilen des
                              									Glaspulvers leichter erfolgt.