| Titel: | Ueber Schwefelsäure-Fabrication mit Beziehung auf die neueste Schwefelsäure-Fabrik des Hrn. Dr. Kunheim in Berlin. | 
| Fundstelle: | Band 142, Jahrgang 1856, Nr. LXXXI., S. 339 | 
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                        LXXXI.
                        Ueber Schwefelsäure-Fabrication mit
                           								Beziehung auf die neueste Schwefelsäure-Fabrik des Hrn. Dr. Kunheim in Berlin.
                        Aus den Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des
                                 										Gewerbfleißes in Preußen, 1856, S. 114.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              									V.
                        Ueber Schwefelsäurefabrication.
                        
                     
                        
                           Der ausgedehnte Verbrauch von Schwefelsäure, welcher nicht allein in den
                              									verschiedensten Gewerben, sondern ganz besonders in den chemischen Fabriken selbst
                              									zur Zersetzung des Kochsalzes und zu dessen Verwandlung in Salzsäure und Glaubersalz
                              									stattfindet, erfordert großartige und kostspielige Anlagen, der so billige Preis der
                              									Schwefelsäure dagegen die sorgfältigste Fabrication. Deßhalb sind besonders drei
                              									Hauptpunkte bei der Schwefelsäure-Fabrication zu berücksichtigen:
                           1) in einem gegebenen Raume das möglich größte Quantum Schwefelsäure zu erzeugen;
                           2) aus einem bestimmten Quantum Schwefel die größte Menge Schwefelsäure zu
                              									erzielen;
                           3) möglichst wenig Salpetersäure zu verbrauchen.
                           In der hier erwähnten Schwefelsäure-Fabrik, welche einen Inhalt von 72,000
                              									Kubikfuß hat, werden jährlich 30,000 Ctr. Schwefelsäure à 1,85 spec. Gewichts erzeugt. Der Rechnung nach sollen 100 Pfund
                              									reiner Schwefel 307 Pfd. Schwefelsäure von 1,85 spec. Gewicht liefern; bei den
                              									Unreinigkeiten aber, welche der Schwefel gewöhnlich enthält, und bei den nicht zu
                              									vermeidenden Verlusten übersteigt die Ausbeute an Schwefelsäure selten 290 Pfd. auf
                              									100 Pfd. Schwefel.
                           Die Wirkung der Salpetersäure soll nicht darin bestehen, daß sie den Sauerstoff der
                              									Schwefelsäure liefert, sondern sie soll den Sauerstoff der Luft der schwefligen Säure zuführen, indem die Salpetersäure zunächst
                              									durch die Berührung mit der schwefligen Säure und dem Wasserdampfe in Stickoxydgas
                              									verwandelt wird, dieses durch Aufnahme des Sauerstoffs aus der Luft sich in
                              									salpetrige Säure verwandelt, diese wieder Sauerstoff der schwefligen Säure abgibt
                              									und so fort. Wenn diese Wechselwirkung auch keine unendliche ist und man durch den
                              									Luftzug und durch Verunreinigung der Schwefelsäure stets Verluste an Salpetersäure
                              									hat, daher stets neue Salpetersäure dem Apparate zugeführt werden muß, so wird durch
                              									einen hier eingeführten und später beschriebenen Apparat der Verlust doch so weit reducirt, daß nur 6
                              									Procent des angewandten Schwefels an Salpetersäure gebraucht werden.
                           Die bezügliche Zeichnung (Fig. 8 und 9) gibt den Gang der
                              									Operation an. Stündlich werden 120 Pfd. Schwefel im Ofen auf einer eisernen Platte
                              									verbrannt; auf dem Ofen liegt eine gußeiserne Blase, zum Vorwärmen und zugleich zum
                              									Speisen des Dampfkessels dienend. Durch diesen Vorwärmer geht das gußeiserne Rohr,
                              									welches in die erste kleine Kammer (tambour) führt. Ein
                              									Dampfstrahl verstärkt den Zug. Beim ersten Tambour geht die schweflige Säure in den
                              									zweiten Tambour, wo die Salpetersäure auf eine Terrasse von Steinzeug fällt, um die
                              									möglich größte Vertheilung zu bewirken. Von hier gehen die Gase und Dämpfe in die
                              									große Bleikammer, welche eine Länge von gegen 100 Fuß, eine Höhe von 20 Fuß und eine
                              									Breite von 30 Fuß hat. Dampfstrahlen treten von verschiedenen Seiten in die Kammer,
                              									mischen die Gase und führen das nöthige Wasser zu. Die der großen Nächstliegende
                              									Kammer ist mit Kohks angefüllt, damit die noch unzersetzten Gasarten, indem sie die
                              									Kohks durchströmen, auf diese Weise die vollständigste Mischung erleiden. Die Gase
                              									treten daraus in die fünfte Kammer und werden von hier aus, vermittelst eines
                              									Bleirohres, durch ein System von Steinzeug-Apparaten geleitet, in welchen
                              									concentrirte Schwefelsäure dem entweichenden Stickoxydgase entgegenfließt und dieses
                              									aufnimmt, worauf die mit letzterem möglichst gesättigte Schwefelsäure zu weiterer
                              									Benutzung in den zweiten Tambour zurückfließt.
                           Die concentrirte Schwefelsäure, zur Speisung dieses Apparates bestimmt, wird durch
                              									Dampfdruck vermittelst eines monte-jus in ein
                              									hochstehendes Gefäß geleitet.
                           Die Schwefelsäure, welche in den Kammern nur 50 Grab Baums erreicht, wird hierauf
                              									durch ein System von Bleipfannen bis 60 Grad abgedampft und im Platin-Apparat
                              									bis 66 Grad concentrirt, in welcher Stärke sie in den Handel kommt. Die nicht
                              									condensirten Dämpfe und Gase strömen durch die Esse ab.
                           Durch die Anwendung dieses Apparates wird weniger Salpetersäure verbraucht und die
                              									Nachbarschaft am meisten vor Belästigungen bewahrt.
                           Die Construction dieser Steinzeug-Apparate ist aus der Abbildung ersichtlich.
                              									Es sind große Schüsseln mit Glocken überstülpt, oben durch Röhren verbunden, welche
                              									die Gase, und unten durch Ausfluß-Tüllen, welche die Säure leiten.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
