| Titel: | Ueber Abscheidung des im Gossenwasser der Städte enthaltenen Düngers; von Hervé Mangon. | 
| Fundstelle: | Band 143, Jahrgang 1857, Nr. XXXIII., S. 150 | 
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                        XXXIII.
                        Ueber Abscheidung des im Gossenwasser der Städte
                           enthaltenen Düngers; von Hervé Mangon.
                        Aus den Comptes rendus, Novbr. 1856, Nr.
                              20.
                        Mangon, über die Abscheidung des im Gossenwasser der Städte
                           enthaltenen Düngers.
                        
                     
                        
                           Wenn man das Gossenwasser der großen Städte in die Flüsse ablaufen läßt, so hat man
                              den Nachtheil daß einerseits die Reinheit des Wassers verdorben wird, indem diese
                              unreinen Flüssigkeiten bisweilenbisweileu die Thäler, durch welche sie ziehen, inficiren, und daß anderseits eine
                              beträchtliche Menge düngender Producte für die Landwirthschaft verloren geht, weil
                              sie ohne Nutzen bis ins Meer abfließen.
                           Man hat längst vorgeschlagen, das Gossenwasser zum Begießen der angebauten Felder zu
                              verwenden, und erwiesenermaßen ist dieses Verfahren sehr vortheilhaft, wenn die Lage
                              der Orte und die Natur des Wassers es anzuwenden gestatten. Aber fast immer,
                              insbesondere für Paris, ergibt ein aufmerksames Studium der Frage, daß die Kosten
                              für das Weiterleiten, Aufspeichern und Vertheilen dieser Flüssigkeiten ihren Werth
                              als Dünger weit überschreiten würden, denn sie enthalten im Kubikmeter nur einige
                              Gramme Stickstoff.
                           Um die düngenden Substanzen im Gossenwasser zu benutzen, kann man es daher nur direct
                              auf dem Boden verbreiten. Man kann nicht daran denken, es durch Abdampfen zu
                              concentriren oder es zu filtriren; um aus demselben die nützlichsten Theile auf
                              ökonomische Weise abzuscheiden und so, daß sie nur einen kleinen Raum einnehmen,
                              bleibt folglich kein anderes Verfahren übrig, als deren Fällung. Diese Benutzungsweise des Gossenwassers hat ein geschickter
                              englischer Ingenieur, Hr. Wicksteed, zuerst in Vorschlag
                              gebracht; er fand, daß ein wenig Kalkmilch, diesen Flüssigkeiten zugesetzt, einen
                              leicht zu sammelnden Niederschlag hervorbringt, daher man sie auf diese Weise sehr
                              schnell klären, desinficiren und den größten Theil der düngenden Bestandtheile in
                              einem kleinen Volum gewinnen kann.
                           Dieses Verfahren wird in England zu Leicester, einer Stadt von 65,000 Einwohnern,
                              angewendet. Das mit Kalk vermischte Gossenwasser gelangt in ein Reservoir, worin
                              sich der gebildete Niederschlag absetzt; dieser Niederschlag, welcher einen
                              flüssigen Schlamm darstellt, wird durch die Bewegung einer archimedischen Schraube
                              beständig ausgezogen; man bringt ihn dann zum Entwässern in Centrifugalmaschinen, wodurch
                              er in einen Teig verwandelt wird, der fest genug ist um ihn unmittelbar zu Ziegeln
                              formen zu können, welche sich an freier Luft ohne Schwierigkeit trocknen lassen.
                              Mittelst sehr sinnreicher, von Hrn. Wicksteed erfundener
                              Maschinen wird so das Gossenwasser in eine durchsichtige
                              Flüssigkeit und in feste Ziegel eines schätzbaren Düngers
                              verwandelt.
                           Die merkwürdigen Resultate, welche man zu Leicester erhielt, veranlaßten mich eine
                              Reihe von Versuchen anzustellen, um zu ermitteln ob sich dieselben Verfahrungsarten
                              nicht auch zu Paris anwenden ließen.
                           Eine Analyse des Gossenwassers zu Leicester, vor und nach seiner Behandlung mit Kalk,
                              konnte ich nicht anstellen. Ich habe bloß eine Probe des dortigen festen Products
                              untersucht. Sie enthielt:
                           
                              
                                 
                                 Product, im  
                                     natürlichen  Zustande.
                                   Product, als  
                                    wasserfrei  angenommen.
                                 
                              
                                 Wasser, bei 110° C.
                                    abgegeben
                                      12,00
                                 
                                 
                              
                                 In schwacher Salzsäure
                                    unauflöslicher Rückstand
                                      13,25
                                      15,05
                                 
                              
                                 Thonerde, phosphorsaure Salze und
                                    Eisenoxyd
                                       
                                    8,25
                                       
                                    9,37
                                 
                              
                                 Kalk
                                      45,75
                                      51,97
                                 
                              
                                 Bittererde, Spuren
                                         
                                    „
                                         
                                    „
                                 
                              
                                 Stickstoff, den der Ammoniaksalze
                                    nicht    inbegriffenStickstoff der
                                    Ammoniaksalze 
                                 0,5580000,544666
                                 
                                    
                                    
                                    
                                       
                                    1,10
                                       
                                    1,25
                                 
                              
                                 Beim Glühen verflüchtigte Producte
                                    (ohne den    Stickstoff), Kohlensäure und
                                    andere nicht    bestimmte Substanzen
                                      19,65
                                      22,36
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                    100,00
                                    100,00
                                 
                              
                           Dieses Product braust mit den Säuren stark auf und verbreitet dabei einen schwachen
                              Geruch von Schwefelwasserstoff.
                           Als Dünger betrachtet, enthalten 1000 Kilogr. dieses Products eben so viel Stickstoff
                              als 2750 Kilogr. Normaldünger, oder als 73 3/10 Kilogr. eines Guano von 45 Proc.
                              Stickstoffgehalt.
                           Um zu ermitteln, ob das Pariser Gossenwasser sich gegen Kalk wie dasjenige zu
                              Leicester verhält, verschaffte ich mir Wasser aus der Gosse der Rivolistraße. Es
                              enthielt im Liter:
                           
                              
                                 Aufgelöste Substanzen
                                 1,242 Grm.
                                 
                              
                                 Feste Substanzen,
                                    suspendirt    
                                 0,484    „
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 1,726 Grm.
                                 
                              
                           Das freie Ammoniak des Gossenwassers in seinem natürlichen Zustande wurde auf die Art
                              bestimmt, daß man das Destillationsproduct mit den bekannten Vorsichtsmaßregeln in titrirter
                              Schwefelsäure sammelte. Der Stickstoffgehalt des durch Abdampfen der Flüssigkeit zur
                              Trockne erhaltenen Products wurde nach den gewöhnlichen Methoden bestimmt. Man fand
                              so, daß 1 Liter des untersuchten Wassers enthält:
                           
                              
                                 Stickstoff des freien
                                    Ammoniaks    
                                 0,0389
                                 
                              
                                 Stickstoff des festen Products
                                 0,0192
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 0,0581
                                 
                              
                           Dieß ist, aus fraglichem Gesichtspunkt, die Zusammensetzung der Flüssigkeit der
                              Rivoligosse, welche zu den nachstehenden Versuchen diente.
                           Man gab je 1 Liter Gossenwasser in eine Anzahl Flaschen von beiläufig 1 1/2 Liter
                              Inhalt. Diese trüben Flüssigkeiten versetzte man mit verschiedenen Quantitäten Kalk,
                              welcher in vollkommen wasserfreiem Zustande gewogen, dann mit ein wenig destillirtem
                              Wasser gelöscht worden war. Die Fällung erfolgte sehr rasch, und der Niederschlag
                              hatte dasselbe Ansehen wie derjenige aus den Flüssigkeiten zu Leicester, wenn man
                              0,4 und 0,5 Grm. reinen Kalk per Liter Gossenwasser
                              anwendete. Die von diesen beiden Niederschlägen abfiltrirten Flüssigkeiten
                              enthielten genau dasselbe Verhältniß von freiem Ammoniak, nämlich 0,037 Grm. im
                              Liter, entsprechend 0,030 Grm. Stickstoff.
                           Die Rückstände vom Abdampfen dieser zwei Flüssigkeiten wogen 0,978 Grm. per Liter.
                           Die angewendete Flüssigkeit enthielt, wie wir sahen, 1,726 Grm. feste Substanzen im
                              Liter, davon 1,242 Grm. in Auflösung. Der Kalk bewirkte folglich die rasche Fällung
                              von 0,748 Grm. fester Substanzen per Liter; dieselben
                              bestanden aus:
                           
                              
                                 Suspendirten festen
                                    Producten    
                                 0,484 Grm.
                                 
                              
                                 Aufgelösten festen Producten
                                 0,264    „
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 0,748 Grm.
                                 
                              
                           Somit veranlaßt der Kalk die Fällung von nahezu dem vierten Theil der aufgelösten
                              Substanzen. Das Wasser ist nach der Fällung vollkommen klar, farblos und geruchlos.
                              Die mit Kalk gefällte und dann filtrirte Flüssigkeit lieferte beim Abdampfen einen
                              Rückstand welcher 0,837 Proc. Stickstoff enthielt, entsprechend 0,00818 Stickstoff
                              per Liter geklärter Flüssigkeit.
                           Der von dem Kalk hervorgebrachte Niederschlag, auf einem Filter gesammelt, dann an
                              der Sonne getrocknet, enthielt in 100 Theilen:
                           
                           
                              
                                 
                                 Product, an    der
                                    Sonne getrocknet.
                                    Product, 
                                    wasserfreiangenommen.
                                 
                              
                                 Wasser, bei 110° C.
                                    abgegeben
                                      2,20
                                 
                                 
                              
                                 In schwacher Salzsäure
                                    unauflöslicher Rückstand
                                      8,25
                                       8,43
                                 
                              
                                 Thonerde, phosphorsaure Salze und
                                    Eisenoxyd
                                      7,25
                                       7,41
                                 
                              
                                 Kalk
                                    33,75
                                     34,51
                                 
                              
                                 Bittererde, Spuren
                                       
                                    „
                                         „
                                 
                              
                                 Stickstoff, den der Ammoniaksalze
                                    nicht    inbegriffenStickstoff der
                                    Ammoniaksalze
                                 0,8370,336
                                 
                                    
                                    
                                    
                                      1,17
                                       1,20
                                 
                              
                                 Beim Glühen verflüchtigte Producte
                                    (ohne den    Stickstoff), Kohlensäure und
                                    andere nicht    bestimmte Substanzen
                                    47,38
                                     48,45
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                  100,00
                                   100,00
                                 
                              
                           Nun erhält man per Liter, mit Inbegriff der 0,4 Grm. Kalk
                              und der von einem Theil desselben absorbirten Kohlensäure, beiläufig 1,52 Grm.
                              dieses Niederschlags. Dieß gibt 0,1824 Grm. Stickstoff per Liter geklärten Wassers.
                           Stellt man die vorhergehenden Zahlen zusammen, so sieht man, daß der in 1 Liter
                              Gossenwasser, nach der Klärung durch Kalk enthaltene Stickstoff, sich folgendermaßen
                              vertheilt:
                           
                              
                                 Stickstoff der festen Substanzen, welche
                                    aufgelöst blieben
                                 0,0082
                                 
                              
                                 Stickstoff des freien Ammoniaks in der
                                    geklärten Flüssigkeit  
                                 0,0306
                                 
                              
                                 Stickstoff des durch den Kalk erzeugten
                                    Niederschlags
                                 0,0182
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                                                                                         
                                    Im Ganzen
                                 0,0570
                                 
                              
                           welche Ziffer der in 1 Liter natürlichen Wassers gefundenen
                              Gesammtmenge von Stickstoff, nämlich 0,058 Grm., so nahe kommt, als es sich bei
                              einer derartigen Untersuchung erwarten läßt.
                           Somit fällt der Kalk nahezu 30 Procent des im Gossenwasser enthaltenen Stickstoffs.
                              Er scheint aber nicht merklich auf das in diesem Wasser enthaltene freie Ammoniak zu
                              wirken.
                           Das beschriebene Verfahren ließe sich auch noch wesentlich verbessern; wahrscheinlich
                              könnte durch Zusatz von ein wenig saurem phosphorsaurem Kalk und einem
                              bittererdehaltigen Kalk viel mehr Stickstoff gesammelt werden.
                           Bis die in England begonnenen Versuche über den Düngerwerth der nach dem fraglichen
                              Verfahren erhaltenen Producte geschlossen sind, kann man sich natürlich nur an die
                              obigen theoretischen Schätzungen halten. Aus den bisher in England gemachten
                              Versuchen scheint hervorzugehen, daß das Product ein kräftiger Dünger ist, dessen
                              Wirkung aber eine langsame und lange Zeit fühlbar ist.
                           
                           Ich zweifle nicht, daß es leicht wäre, mit dem fraglichen Product sehr wirksame
                              Salpeterplantagen herzustellen, wodurch dasselbe einen weit größern Werth erhielte,
                              als bei seiner unmittelbaren Verwendung als Dünger.
                           Die Gossen von Paris führen jedes Jahr eine Quantität düngender Substanzen ab, welche
                              1,204,500 Kilogr. Stickstoff enthält. Dieß ist für die Landwirthschaft ein höchst
                              beträchtlicher jährlicher Verlust, welchen das besprochene Verfahren in einem
                              starken Verhältniß vermindern würde.