| Titel: | Ueber Darstellung der Pyrogallussäure; von Prof. Justus v. Liebig. | 
| Fundstelle: | Band 143, Jahrgang 1857, Nr. XLVII., S. 193 | 
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                        XLVII.
                        Ueber Darstellung der Pyrogallussäure; von Prof.
                           Justus v.
                              Liebig.
                        Aus den Annalen der Chemie und Pharmacie, Januar 1857, S.
                              47.
                        Liebig, über Darstellung der Pyrogallussäure.
                        
                     
                        
                           Die Pyrogallussäure, auf deren vortheilhafte Anwendung in der Photographie ich in den
                              Annalen der Chemie und Pharmacie Bd. I neuere Reihe S. 113 aufmerksam gemacht habe,
                              hat seitdem die Gallussäure ganz verdrängt, und ich halte es für nützlich, ein
                              Verfahren zu ihrer Darstellung zu beschreiben, welches ich seit drei Jahren anwende,
                              und das mir unter allen die vortheilhafteste Ausbeute geliefert hat.
                           Das hierzu dienende Material ist die krystallisirte Gallussäure; sie liefert durch
                              Zersetzung in der Hitze die schönste sublimirte Pyrogallussäure und in größter
                              Menge, und es ist, wie ich gefunden habe, keine Ersparniß, wenn man statt derselben
                              getrocknete Galläpfel oder den trockenen Extract derselben zur Darstellung
                              wählt.
                           Die Gallussäure wird für diesen Zweck stark getrocknet, mit ihrem doppelten Gewichte
                              gröblich gepulvertem Bimsstein gemengt in einem Kohlensäurestrome ihrer
                              Zersetzungstemperatur ausgesetzt.
                           Man bringt das Gemenge von Bimsstein und Gallussäure in eine tubulirte Retorte,
                              welche nicht über 1/4 damit angefüllt ist; die Retorte sitzt in einem Sandbade und
                              ist beinahe bis zum Tubulus mit dem Sand umgeben.
                           In den Tubulus ist eine Glasröhre durch eine Kautschukröhre eingesetzt, welche mit
                              einem Entwickelungsapparat für Kohlensäuregas in Verbindung steht; der in Mohr's pharmaceutischer Technik, 1853, S. 219
                              beschriebene Apparat eignet sich hierzu vorzugsweise. Die Röhre, durch welche das
                              Gas in die Retorte einströmt, reicht tief in den Bauch hinein, ihre Oeffnung ist
                              etwa 1/4 Zoll von der Mischung entfernt.
                           Der Hals der Retorte, welcher ziemlich weit seyn muß, reicht etwa 8 Zoll über den
                              Rand des Sandbades und wird in eine entsprechende Vorlage lose eingesteckt, so daß
                              diese leicht hinweggenommen werden kann.
                           Der Zweck dieser Vorrichtung ist leicht verständlich. Die trockene Gallussäure
                              zerlegt sich bei höherer Temperatur in Pyrogallussäure, Meta- oder
                              Melangallussäure, Kohlensäure und Wasser; ich habe angenommen (Annalen der Chemie
                              Bd. XXVI S. 166), daß aus 2 Atomen Gallussäure C₂₈H₁₂O₂₀ 2 At.
                              Pyrogallussäure, 1 Atom Metagallussäure C₁₂H₄O₄ unter
                              Freiwerden von 4 Atomen Kohlensäure und 2 Atomen Wasser gebildet werden, und es
                              sollten hiernach 100 Th. getrockneter Gallussäure 39 Th. Pyrogallussäure liefern. Da
                              nun aber die Pyrogallussäure für sich nahe in derselben Temperatur, in welcher die
                              Gallussäure zersetzt wird, in Wasser und Metagallussäure zerfällt, so hängt die
                              Ausbeute von 39 Proc. wesentlich davon ab, daß die sich bildende Pyrogallussäure so
                              rasch wie nur möglich aus der heißen Retorte entfernt und die Dämpfe gehindert
                              werden, sich in dem oberen Theile der Retorte zu verdichten, denn in diesem Falle
                              ist das Schmelzen der Krystalle und das Herabfließen der geschmolzenen
                              Pyrogallussäure in den Bauch der Retorte, in welchem sie zersetzt werden,
                              unvermeidlich. Der Kohlensäurestrom dient, um diese Quelle von Verlust zu
                              beseitigen; derselbe erfüllt noch einen anderen Zweck. In dem Gasstrome behält das
                              sich bildende Wasser an den Stellen des Halses der Retorte, an welchen sich die
                              Krystalle der Pyrogallussäure ansetzen, seine Dampfgestalt; in der Vorlage, wo sich
                              Dämpfe von Pyrogallussäure und Wasser gleichzeitig verdichten, erhält man anstatt
                              der Krystalle eine syrupdicke wässerige Lösung derselben, aus der man die
                              Pyrogallussäure durch Verdunsten, wiewohl niemals ungefärbt, wieder erhält.
                           Am vortheilhaftesten würde es seyn, die Gallussäure zur Zersetzung in einem Bad von
                              constanter Temperatur zu erhitzen, was sich durch ein
                              Sandbad, welches in einem Windofen sitzt, niemals erreichen läßt, und man muß
                              deßhalb den Gasstrom nach der Temperatur regeln. Setzen sich z.B. in dem oberen
                              Theile der Retorte Tropfen von geschmolzener Pyrogallussäure an, so muß man das
                              Feuer verstärken und den Gasstrom beschleunigen.
                           Wenn die Zersetzung im Gange ist, so füllt sich der weite Hals der Retorte sehr rasch
                              mit langen, breiten, platten, glänzend weißen Nadeln an, die man mit dem Barte einer
                              Feder hinwegnimmt. Erreicht der Hals der Retorte die Schmelzhitze der
                              Pyrogallussäure, so fließt sie zusammen und erstarrt weiter abwärts zu einer festen
                              Kruste, die man mit einem silbernen Spatel ablöst und herausnimmt; beim Schmelzen
                              nimmt die Pyrogallussäure eine röthliche Farbe an, welche nach dem Erstarren bleibt
                              und durch Kohle nicht hinweggenommen werden kann.
                           Man erhält nach dieser Methode 31 bis 32 Proc. feste und krystallisirte
                              Pyrogallussäure, aus 3 Pfd. getrockneter Gallussäure nahe 1 Pfd.; die 8 bis 9 Proc.
                              nach obiger Rechnung, welche verloren werden, geben der entweichenden Kohlensäure
                              das Ansehen eines weißen Rauches, und ich zweifle nicht, daß durch eine zweckmäßigere
                              Einrichtung des Apparates noch einige Procente davon gewonnen werden könnten.