| Titel: | Ueber die Steinkohle und deren Verkohkung; von Pieczonka, königl. preuß. Kohks-Verwalter zu Breslau. | 
| Autor: | Pieczonka | 
| Fundstelle: | Band 143, Jahrgang 1857, Nr. XLVIII., S. 196 | 
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                        XLVIII.
                        Ueber die Steinkohle und deren Verkohkung; von
                           Pieczonka, königl.
                           preuß. Kohks-Verwalter zu Breslau.
                        Pieczonka, über die Steinkohle und deren Verkohkung.
                        
                     
                        
                           Durch den kolossalen Verbrauch von Brennmaterial, welchen die Errichtung der
                              Eisenbahnen herbeiführte, hat man in der neueren Zeit sich genöthigt gesehen der
                              Steinkohle und deren Verkohkung eine größere Aufmerksamkeit zuzuwenden, als es
                              früher geschehen. Es sind eine Menge Versuche angestellt und in den betreffenden
                              Zeitschriften veröffentlicht worden, eine große Zahl neuer Ofenconstructionen
                              entstanden etc.; ob aber das darin Geleistete ein sonderlicher Fortschritt gewesen,
                              möchte ich mir zu bezweifeln erlauben. Auch einzelne Handbücher sind darüber
                              erschienen, denen man aber nichts weiter nachsagen kann, als daß es sehr oft ganz
                              unkritische Compilationen sind, und daß deren Verfasser sich wohl wenig praktisch
                              mit dem Gegenstande beschäftigt haben. So viel ich darüber gelesen habe, ist mir bis
                              jetzt nur ein rationelles Werk bekannt geworden, nämlich: Karstens II. Band der Eisenhüttenkunde, welcher die Brennmaterialien und
                              deren Verkohkung sehr gediegen und ausführlich behandelt. Wenn auch manche neuere
                              Erfahrungen darin nicht enthalten seyn können, so bleibt es bis jetzt immer noch das
                              beste Werk zur Belehrung.
                           Nach meinen Beobachtungen und Erfahrungen scheint es mir, als wenn in den weiteren
                              Kreisen des Publicums, und selbst in solchen wo man es weniger erwarten sollte, die
                              Begriffe über Steinkohle und deren Verkohkung noch sehr dunkel und verwirrt sind.
                              Ich glaube daher, daß es nicht als eine Anmaßung erscheinen wird, wenn ich mir
                              erlaube meine Erfahrungen in diesem Punkte, gestützt auf zehnjährige Praxis und auf
                              die Ausrüstung mit den nöthigen physikalischen, chemischen und geognostischen
                              Kenntnissen, hier kurz auseinanderzusetzen.
                           Ich habe die verschiedensten Sorten englischer, ober- und niederschlesischer
                              Kohlen zu verarbeiten gehabt, habe einen Theil der sächsischen und westphälischen
                              Kohks-Anstalten durch eigene Anschauung kennen gelernt, und alles was in
                              neuerer Zeit über Kohksfabrication erschien, gelesen und nach Umständen geprüft und
                              verglichen. Nach Belgien und dem Saarbrücker Revier hinzukommen und mich durch Autopsie
                              zu belehren, war mir bis jetzt nicht vergönnt, indeß sind mir die dortigen
                              Einrichtungen doch aus den Zeitschriften bekannt. Ich bin auch weit entfernt hier
                              eine vollständige Anleitung über die Verkohkung zu schreiben, sondern will nur
                              Hauptpunkte allgemein ins Klare zu bringen suchen, um unnützen und kostspieligen
                              Unternehmungen vorzubeugen.
                           Fassen wir zuerst die Kohle als den zu bearbeitenden Stoff ins Auge, so herrschen
                              darüber noch in größeren Kreisen sehr dunkle Begriffe. Wie unendlich verschieden
                              Kohlen in ihren getrennten Kohlenbecken, auf den einzelnen Gruben, auf den
                              verschiedenen Flötzen einer Grube, ja auf Strecken der einzelnen Flötze sind, ist
                              noch Vielen sehr unbekannt. Dem mit der geologischen Bildung der Kohle Vertrauten
                              ist dieß bekannt, denn er weiß daß die Bildung nicht aus gleichen Pflanzenstoffen,
                              nicht unter gleichen geologischen Verhältnissen und Bedingungen, nicht in gleichen
                              Zeiträumen erfolgt ist, wenn schon wir für die eigentliche Kohlenformation eine
                              bestimmte Zeitperiode annehmen. Es kommen bekanntlich Steinkohlen in älteren und in
                              jüngeren Gebirgsformationen vor. Es liegt also in der Natur der Sache, daß die
                              chemischen Stoffe aus welchen die Kohle zusammengesetzt ist, in verschiedenen
                              Verhältnissen zu einander auftreten müssen, und daß die mineralischen Beimengungen
                              ebenfalls sehr variiren können. Ob eine Kohle zur Verkohkung geeignet ist oder
                              nicht, hängt bekanntlich von dem Verhältniß des Wasserstoffs zum Sauerstoff und dem
                              größeren oder geringeren Gehalt an Kohlenstoff ab. Stehen die beiden ersten Stoffe
                              sich beinahe gleich, oder ist der Wasserstoff überwiegend, und der Gehalt an
                              Kohlenstoff groß, so ist auch die Backfähigkeit um so größer; daher alle sogenannten
                              bituminösen Kohlen vorzugsweise gut kohken, weil alle Erdharze bekanntlich nichts
                              weiter als Kohlenwasserstoffe sind. Vielen Kohlen jedoch wird dieser
                              Wasserstoffgehalt, durch das Lagern an der Luft, zum Theil genommen, so daß manche
                              oft schon nach fünf Tagen nicht mehr so gut kohken und so reiche Ausbeute geben, als
                              wenn sie unmittelbar aus der Grube in die Oefen kommen. Ob außerdem das als Hydrat
                              in der Kohle gebundene Wasser durch schnelle Verflüchtigung an der Luft mit dazu
                              beiträgt, wage ich nicht zu entscheiden, da manche Kohlen im nassen Zustande oder
                              künstlich benetzt, im Kohksofen ein sehr schlechtes Resultat geben. Wenn mehrere der
                              von mir untersuchten ober- und niederschlesischen Kohlen vierzehn Tage im
                              Freien gelagert hatten, gaben sie nicht die Hälfte der sonstigen Ausbeute und fast
                              nur kleine Stücke. Dagegen habe ich englische Hunian-Kohle 1 1/2 Jahr im
                              Freien liegen gehabt und sie kohkt noch eben so wie im Anfange.
                           
                           Die mineralischen Beimengungen, abgesehen von den geringen, ursprünglich
                              pflanzlichen, welche mitunter in Kohlen in sehr feinen dünnen oder stärkeren Lagen
                              vorkommen, können eine sonst backende Kohle doch zur Verkohkung für den
                              Locomotivengebrauch unfähig machen, indem sie entweder eingeschlossen in den Kohks
                              zur starken Schlackenbildung beitragen, oder indem sie die Kohle in zu dünnen
                              Schichten trennen, bei der Verkohkung sich daher nur kleine Kohksstücke bilden. Das
                              Letztere kann natürlich nur bei der Verkohkung von Steinkohlen vorkommen; bei den
                              kleinen Kohlen, dem sogenannten Kohlenklein oder Kohlengruß hat vorher eine
                              vollständige Durchmengung stattgefunden.
                           Die mineralischen Beimengungen sind schwer, fast unmöglich von der Kohle zu trennen.
                              Schieferstückchen lassen sich allerdings durch Ausklauben bei der Förderung der
                              Kohle daraus absondern, die grußartigen Theile sind aber trotz aller gut
                              construirten Waschmaschinen doch nicht daraus zu entfernen, wenn man sich dabei
                              nicht großen Kohlenverlusten aussetzen will. Stück- und Würfelkohlen erhalten
                              dadurch eine geringe Reinigung; bei vielen kleinen Kohlen, wie einem Theil der
                              ober- und niederschlesischen, ist das Waschen sogar schädlich, wenn man nicht
                              gleichzeitig einen Trockenapparat hat, auf dem das aufgenommene Wasser so schnell
                              als möglich verdampft wird, wie ich dieß bei meinen Versuchen in den Jahren 1847 bis
                              1849 leider erfahren habe.
                           Im Allgemeinen ist zur guten Verkohkung ein möglichst gleich großes Korn der kleinen
                              Kohle vortheilhaft. Bei solchen Kohlen namentlich, welche nicht eigentliche
                              Backkohlen, sondern nur Sinterkohlen sind, ist daher das Quetschen oder Mahlen aller
                              größeren Stückchen durchaus wünschenswerth, denn sonst verkohken diese für sich,
                              ohne sich mit der übrigen Kohle zu verbinden, und man erhält eine Menge kleiner für
                              den Locomotivgebrauch nicht geeigneter Kohks. Bei guter Backkohle, wie bei der
                              englischen, ist dieß aber nicht nöthig, denn bei dieser schmilzt die ganze Masse in
                              einen Block zusammen.
                           Was nun die Oefen zur Verkohkung anbetrifft, so sind in neuerer Zeit eine Menge
                              mitunter sehr kunstvoller und kostspieliger Constructionen entstanden. Wenn man in
                              dergleichen Kohksanstalten kommt und Erkundigungen einziehen will, wird sehr
                              geheimnißvoll gethan und das Resultat der Oefen als vorzüglich herausgestrichen. Und
                              doch ist die Sache an und für sich sehr einfach, die Herren vergessen nur, daß der
                              Verkohkungsproceß ein ganz anderer als der des Hohofens ist. Sie gehen meistens von
                              dem ganz falschen Gesichtspunkte aus, durch mechanische Zuführung von Wärme –
                              als Verbrennung der entwickelten Gase zur stärkeren Erhitzung des Ofens –
                              eine bessere und vortheilhaftere Verkohkung erzeugen zu wollen; sie vergessen, daß
                              das Hauptgeschäft dabei eigentlich nur die Abtreibung des Schwefels seyn soll, und
                              daß man die kleine Kohle nur in zweckmäßig größere Stücke umwandeln will. Man läßt
                              sich vielleicht dadurch täuschen, daß, wenn man eine ziemlich magere Kohle in einem
                              hessischen Tiegel einem heftigen Glühfeuer aussetzt, man einen Kohkskegel erhält,
                              allein im Großen verhält sich das anders, und selbst der kleine Kegel ist nur
                              zusammengesintert und hat keine Festigkeit, so daß er leicht zerfällt. – Nach
                              meinen Erfahrungen steht fest, daß je backender eine Kohle ist, desto ruhiger,
                              langsamer muß der Ofen geführt werden, aller Luftzutritt muß bis auf ein gewisses
                              Minimum abgehalten werden, damit die Kohle nicht zu schnell kohkt und einen zu
                              großen Hitzegrad entwickelt. Es gibt dieß nicht allein festere Kohks, sondern auch
                              reichlichere Ausbeute. – Wenn recht gute englische Backkohle gleich von Hause
                              aus starken Zug erhält und in rasches Flammen gebracht wird, so geht der Ofen in
                              Zeit von 1–2 Stunden todt, d.h. es bildet sich, da die Erhitzung vom
                              Kernschacht des Ofens sich der Kohle mittheilt, sofort eine geschlossene Kruste von
                              Kohks und die Kohlenmasse sieht sich an, als sey sie gaar und verkohkt. Fängt man an
                              hinein zu brechen, so schlagen die Flammen von allen Seiten empor und man sieht
                              innerlich nur die rohe Kohle. Solchem Todtgehen kann man nur durch Durchstoßen der
                              oberen und vorderen Kruste mittelst einer eisernen Stange abhelfen, es ist indeß
                              immer Verlust dabei.
                           Bei mehr sinternden Kohlen tritt ein anderes Verhältniß ein, sie verlangen die ersten
                              10–12 Stunden scharfes Feuer, also möglichste Oeffnung aller
                              Luftzuführungs-Canäle. Während bei der guten Backkohle gegen Ende des
                              Processes etwas mehr Luftzutritt stattfinden muß, um das vollständige Gaaren der
                              Kohks zu bewirken, muß hier bei den Sinterkohlen der Luftzutritt allmählich
                              vermindert werden, so daß jedoch immer ein lebhaftes Feuer bleibt, und um die
                              letzten 10–12 Stunden thut man wohl den Luftzutritt auf ein Minimum zu
                              beschränken. – Bestimmte Vorschriften welche für alle Kohlen gelten, lassen
                              sich nicht geben; der erfahrene Kohker wird aber sehr bald an der Farbe der Flamme
                              und an dem Gange des Ofens erkennen, wie die Kohle behandelt seyn will.
                           Daß durch äußere mechanische Erhitzung die Verkohkung zu verbessern, eine irrige
                              Ansicht ist, geht daraus hervor, daß wenn man die Oefen forcirt, d.h. in kürzerer
                              Zeit, als für die Kohle eigentlich paßt, zum Gaaren bringt, der Kernschacht und die
                              Sohle so heiß werden, daß man nachher den Ofen zur Abkühlung eine halbe auch ganze
                              Stunde stehen lassen muß, weil sich sonst die kleinen Kohlen, so wie sie eingebracht
                              werden, sofort entzünden, also die Verkohkung verderben.
                           
                           Man hört jetzt die Dubochet'schen und Appolt'schen Oefen sehr loben; was sind das aber für
                              Oefchen? Was kosten ihre Erbauung und ihre fortwährenden Reparaturen? Geben sie
                              wirklich mehr Ausbeute als andere Oefen? Die Antwort darauf ist, daß nach einer
                              alten längst bekannten Erfahrung je kleiner der Ofen in seiner Sohle, desto größer
                              verhältnißmäßig die Ausbeute ist; ebenso, je niedriger ein Ofen besetzt wird, um so
                              mehr Ertragsprocente er gibt. Es ist also sehr bekannt, daß ein Oefchen, welches nur
                              mit 7–9 Tonnen besetzt werden kann, leicht mehr Kohks gibt, als ein Ofen der
                              mit 25–30 Tonnen besetzt wird. Den kleinen Ofen muß ich alle Tage ziehen und
                              besetzen, den großen erst in 48 Stunden, auch wohl in noch längerer Zeit. Man könnte
                              sich hier also einfach helfen, ohne ein paar Dutzend verschiedene Formsteine, Röhren
                              etc. etc., indem man überhaupt die Oefen kleiner macht. Indeß in solchen Anstalten,
                              wo jährlich Hunderttausende von Tonnen fabricirt werden müssen, läßt sich dieß nicht
                              gut ausführen, denn die entstehenden Mehrkosten des Betriebs und die Zinsen des
                              bedeutend größeren Anlagecapitals, würden wohl den höheren Kohksertrag verschlingen.
                              – Daß in jenen Oefen magere Kohlen kohken und die Kohks im Allgemeinen fester
                              werden, darüber mochte ich mir den Beweis nicht durch bloße Behauptungen, sondern
                              durch physikalische und chemische Gründe belegt, erbitten. Wahrheit ist schwer zu
                              erlangen, wo vielleicht persönliche Interessen im Spiele sind.
                           Aehnlich verhält es sich mit den schaumburger Oefen, nur in anderer Weise. Für
                              einzelne Kohlensorten sind sie ganz passend und die Erbauung ist sehr einfach und
                              billig. Wir haben sie auch hier in Ober- und Niederschlesien gehabt, es am
                              besten Willen nicht fehlen lassen, aber wir haben bei unseren besten Kohlen stets
                              mit 25–30 Procent Verlust gearbeitet, und das ist zu viel.
                           Aus der gräflich Henkel'schen Falon-Hütte habe ich
                              eine Vorrichtung gesehen, welche ziemlich magere Kohle doch zum leidlichen Kohken in
                              schaumburger Oefen bringt. Es werden nämlich von halbrund geformten Charmottesteinen
                              über die Mitte der einzelnen Feuercanäle kleine überall durchbrochene Schornsteine
                              während des Besetzens aufgebaut, wodurch eine gleichzeitigere und schnellere
                              Entzündung der mageren Kohle bewirkt wird, ähnlich wie ich dieß bei den Sinterkohlen
                              in den gewöhnlichen Oefen angegeben. Sobald der Ofen in gutem Gange ist, muß
                              natürlich derselbe durch Eindecken kürzer gehalten werden.
                           Nach meinem Dafürhalten bleibt der einfache cylinderförmige Ofen mit Kuppelgewölbe
                              noch immer der beste. Man muß bei seiner Erbauung nur nicht über 10 Fuß Durchmesser
                              hinausgehen und die Höhe auf fünf Fuß halten. Macht man ihn größer, so verliert man an
                              Kohksertrag. Ebenso sind die länglichen Oefen von 4–5 Fuß Breite und 5 Fuß
                              Höhe, mit sich entgegenstehenden Oeffnungen, nicht unvortheilhaft, nur erfordert die
                              Führung des Ofens größere Aufmerksamkeit wegen des Luftzutritts von beiden kurzen
                              Seiten. Dagegen erlauben sie die Anwendung einer Schiebemaschine, um die ganze
                              Kohksmasse auf einmal aus dem Ofen zu entleeren, wodurch Zeit, Arbeit und Geräthe
                              erspart werden.
                           Noch möchte ich darauf aufmerksam machen, daß der Preis des Steinkohlentheers aufs
                              Vierfache gestiegen ist und dennoch das Verlangen darnach nicht befriedigt werden
                              kann; ferner daß das schwefelsaure Ammoniak auch noch einen sehr hohen Preis hat.
                              Wir jagen beide mit unseren gegenwärtigen Oefen zum Schornstein hinaus, während sie
                              durch einfache Vorrichtungen – ohne Beeinträchtigung der Verkohkung –
                              gewonnen werden könnten.