| Titel: | Ueber die Behandlung der Quercitronrinde mit Schwefelsäure, um ein reineres und ergiebigeres Färbematerial zu erzielen. | 
| Fundstelle: | Band 143, Jahrgang 1857, Nr. LIII., S. 212 | 
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                        LIII.
                        Ueber die Behandlung der Quercitronrinde mit
                           Schwefelsäure, um ein reineres und ergiebigeres Färbematerial zu erzielen.
                        Aus dem Bulletin de la Société industrielle de
                                 Mulhouse, 1856, Nr. 136.
                        Ueber die Behandlung der Quercitronrinde mit Schwefelsäure, um ein
                           reineres Färbematerial zu erzielen.
                        
                     
                        
                           I. Ueber die mit Schwefelsäure
                                 behandelte Quercitronrinde; von Gustav Schäffer.
                           Die Quercitronrinde, welche man allgemein anwendet um die Baumwolle gelb, orange etc.
                              zu färben, enthält eine beträchtliche Menge Gerbstoff, welcher, indem er sich mit
                              den Beizen verbindet, die Lebhaftigkeit der Farben vermindert. Behandelt man aber
                              die Quercitronrinde mit Schwefelsäure, so wird der Gerbstoff ausgeschieden und man
                              erhält dann mit ihr viel lebhaftere und sattere Farben.
                           Hr. L. Rigaud veröffentlichte in den Annales de Chimie et de Physique
                              Annalen der Chemie und Pharmacie, 1854, Bd. XC S. 283. seine Versuche über die Umwandlung des Quercitrins in eine neue Substanz,
                              welche er Quercetin nennt, und Hr. Francis Leeshing, Chemiker zu Busby bei Glasgow, kam durch diese rein
                              wissenschaftliche Arbeit auf die Idee, die im Handel vorkommende Quercitronrinde
                              unmittelbar mit Schwefelsäure zu behandeln.Man s. Leeshing's Beschreibung seines Verfahrens
                                    im polytechn. Journal Bd. CXXXIX S.
                                       131.
                              
                           Im J. 1855 sah ich in Schottland in der Kattundruckfabrik von Walter Crum die ersten Proben welche mit dem Quercetin gemacht
                              wurden; da dasselbe hierbei auffallend intensive Nüancen lieferte, so stellte ich
                              bald darauf eine Reihe von Versuchen an, um den geeignetsten Säurezusatz und das
                              zweckmäßigste Verfahren zur Darstellung dieses neuen Products zu ermitteln. Seit
                              beiläufig einem Jahre wird das Quercetin im Großen in der Kattundruckfabrik von Dollfus Mieg und Comp. zu Dornach (Elsaß) angewendet, da
                              es entschiedene Vorzüge vor der gewöhnlichen Quercitronrinde hat.
                           Die Bereitung des Quercetins ist sehr einfach und überdieß nicht kostspielig;
                              folgende Verhältnisse gaben mir die besten Resultate:
                           
                              
                                 100
                                 Kil.
                                 Quercitronrinde,
                                 
                              
                                 280
                                   „
                                 Wasser,
                                 
                              
                                   25
                                   „
                                 Schwefelsäure von 66° Baumé.
                                 
                              
                           Man läßt zwei Stunden lang kochen, wascht fünf- bis sechsmal durch Decantiren
                              aus, gibt auf ein Filter und preßt dann den Rückstand aus, um sich desselben in
                              feuchtem Zustande zu bedienen. 1 Theil getrocknetes Quercetin (mit Schwefelsäure
                              behandelte Quercitronrinde) ersetzt 3 Theile Quercitronrinde des Handels.
                           
                        
                           II. Bericht über vorstehende Abhandlung
                                 und Fr. Leeshing's diesen Gegenstand betreffende Mittheilungen; von Albert
                                 Schlumberger.
                           Mit Schwefelsäure behandelte Quercitronrinde. –
                              Bekanntlich enthalten die gelben Färbematerialien mehr oder weniger Gerbstoff,
                              weßhalb sie mit den Beizen manchmal matte Farben liefern, wenn man ihnen nicht eine
                              Substanz zusetzt, welche diesen Gerbstoff fällen kann; noch zweckmäßiger ist es
                              offenbar, ein Mittel zu besitzen um diesen Gerbstoff zu zerstören, nämlich in einen
                              beim Färben nicht nachtheiligen Körper umzuwandeln. Die Schwefelsäure, welche die
                              Eigenschaft besitzt den Gerbstoff in Gallussäure umzuwandeln, wirkt in diesem Sinne
                              auch auf den in der Quercitronrinde enthaltenen Gerbstoff, hernach aber erleidet durch die Einwirkung der
                              Schwefelsäure in der Siedhitze nach Rigaud noch das
                              Quercitrin (der reine gelbe Farbstoff) eine Spaltung in eine Zuckerart
                              (C¹²H¹²O¹²) und in Quercetin
                              (C²⁴H⁹O²¹) welches sich in citrongelben Flocken
                              ausscheidet. Vom Quercitrin (C³⁶H¹⁹O²¹)
                              unterscheidet sich das Quercetin durch seine geringe Auflöslichkeit im Wasser.
                           Im Folgenden verstehe ich unter Quercetin die mit Schwefelsäure behandelte
                              Quercitronrinde, worin also jenes seinen Holzstoff noch vollständig enthält.
                           Das Verhältniß von Schwefelsäure, welches Hr. Schäffer zur
                              Bereitung des Quercetins im Großen vorschreibt, ist nach meinen Versuchen viel zu
                              groß; nach denselben ist es am zweckmäßigsten, die Behandlung im Wasserbad
                              vorzunehmen und folgende Verhältnisse anzuwenden:
                           
                              
                                 100
                                 Kil.
                                 Quercitronrinde,
                                 
                              
                                 300
                                   „
                                 Wasser,
                                 
                              
                                   15
                                   „
                                 Schwefelsäure von 66° Baumé.
                                 
                              
                           Ich habe mich überzeugt, daß die Wärme des kochenden Wassers zur Umwandlung des
                              Gerbstoffs in Gallussäure nothwendig ist; denn die Versuche welche in der Kälte und
                              bei 50° C. angestellt wurden, lieferten nur negative Resultate. Um zu
                              ermitteln, ob bei dieser Behandlung der Quercitronrinde Kalk oder Kali entzogen
                              wird, habe ich sowohl Quercitronrinde als Quercetin eingeäschert, aber in beiden
                              ziemlich gleiche Verhältnisse von diesen zwei Basen gefunden; das Quercetin hatte
                              folglich Schwefelsäure zurückgehalten, welche sich mit einer dieser Basen verband,
                              weil dieselbe auf die Beizen nicht mehr wirkt. Mit kaltem Wasser und hernach mit
                              salpetersaurem Eisenoxyd behandelt, gibt das Quercetin keine auffallenden Spuren von
                              Gerbstoff zu erkennen; in einem alkoholischen Decoct desselben verursacht jedoch der
                              Thierleim noch einen Niederschlag.
                           Die Versuche welche ich über die Wirkung des Gerbstoffs, der Gallussäure, der Kreide
                              und des Thierleims beim Färben mit Quercitronrinde und mit Quercetin gemacht habe,
                              lieferten interessante Resultate. Ich versetzte 3 Th. Quercitronrinde oder 1 Th.
                              Quercetin mit 2, mit 4 und mit 10 Procent Gerbstoff. Mit diesem Zusatz liefern die
                              Quercitronrinde und das Quercetin Farben welche etwas dunkler, aber auch trüber
                              sind; ein Zusatz von Leim hebt diese Wirkung vollständig auf. – Als ich beim
                              Färben Gallussäure zusetzte, löste dieselbe, wie nach Prof. Calvert's
                              Polytechn. Journal Bd. CXXXVI S.
                                       221. Beobachtungen vorauszusehen war, die Beizen auf, daher kein Färben statt
                              fand. Diese Thatsache beweist also, daß die Gallussäure welche sich bei der
                              Behandlung der Quercitronrinde mit Schwefelsäure bildete, durch das Auswaschen
                              beseitigt wurde, denn sonst wäre das Färbevermögen der Rinde nicht größer, sondern
                              im Gegentheil geringer geworden. – Der Leim, welcher, ohne andern Zusatz,
                              beim Färben mit Hölzern im Allgemeinen sich als sehr nützlich erweist, spielt beim
                              Färben mit Quercetin auch noch eine wichtige Rolle; letzteres färbt nämlich aus
                              einer noch unbekannten Ursache den weißen Grund mehr als die Quercitronrinde.
                              Vielleicht ist die Ursache davon die geringe Löslichkeit des Farbstoffs in diesem
                              Zustande, welcher sich wegen der zum Färben erforderlichen höheren Temperatur auf
                              die nicht gebeizten Stellen wirft; vielleicht ist aber auch die Gallussäure nicht
                              vollkommen beseitigt und löst schwache Antheile der Beizen auf, welche sich dann in
                              den weißen Grund einschlagen.
                           Durch die Behandlung der Quercitronrinde mit Schwefelsäure muß ihr Farbstoff eine
                              Veränderung erlitten haben, weil er die Beizen nur noch bei einer hohen Temperatur
                              färbt; während er vorher in kaltem Wasser leicht löslich war, ist er fast
                              unauflöslich geworden, und ein wässeriger Absud desselben setzt beim Erkalten einen
                              reichlichen gelben Niederschlag ab, welcher Rigaud's
                              Quercetin zu seyn scheint.
                           Das nach meinem Verfahren dargestellte Quercetin ist beim Färben beiläufig viermal so
                              ergiebig, als das nach Schäffer's und Leeshing's Methode erhaltene; es hat ungefähr ein halb so
                              großes Färbevermögen als das reine Quercitrin.
                           Setzt man beim Färben mit den erwähnten verschiedenen Substanzen Kreide zu, so werden
                              die Nüancen dunkler, aber auch viel trüber; man kann die Kreide jedoch mit dem
                              Quercetin anwenden, wenn demselben nicht alle Schwefelsäure entzogen worden ist.
                           100 Kil. Quercitronrinde, beste Sorte (welche 45 Francs kosten), liefern durch
                              Behandlung im Wasserbad mit 300 Kil. Wasser und 15 Kil. concentrirter Schwefelsäure,
                              an Quercetin 85 Kil. (welche auf 50 Francs zu stehen kommen). Diese 85 Kil.
                              Quercetin ersetzen beim Färben 250 Kil. Quercitronrinde. Es ist also ganz
                              vortheilhaft, die Quercitronrinde eben so zu behandeln wie den Krapp behufs seiner
                              Umwandlung in Garancin.
                           Behandlung anderer Farbhölzer mit Schwefelsäure. –
                              Ich behandelte Campecheholz, Lima-, Sandelholz, Curcuma, Cubaholz, Sumach,
                              Gelbbeeren, Wau, Galläpfel und Granatenschalen, von jedem 100 Gramme mit 3
                              Decilitern in verschiedenem Grade verdünnter Schwefelsäure (Wasser wurde nämlich mit
                              40, 20, 10, 5, 2 1/2 und 1 1/4 Procent seines Volums concentrirter Säure versetzt). Der Farbstoff
                              wurde mit der verdünnten Säure in ein kochendes Wasserbad gebracht und eine halbe
                              Stunde lang auf dieser Temperatur erhalten; hierauf durch Decantiren ausgewaschen,
                              ausgedrückt und getrocknet. Bei den Färbeversuchen mit diesen verschiedenen
                              Producten ergab sich, daß das Lima-, Campeche- und Sandelholz durch
                              die neue Behandlung nicht verbessert wurden, sondern beträchtlich litten, indem sie
                              nun helle und schäbige Nüancen lieferten, was sogar durch einen Zusatz von Kreide
                              nicht verhindert wurde. Auch Hr. Schäffer erhielt mit den
                              drei genannten Färbematerialien keine besseren Resultate. Bei den übrigen erwähnten
                              Färbematerialien hatte dagegen die Behandlung mit Schwefelsäure einen sehr günstigen
                              Erfolg.
                           Die auffallendste Veränderung zeigte sich beim Sumach, wenn man das Wasser mit 40 bis
                              50 Proc. Säure dem Volum nach mischte. Der im Handel vorkommende Sumach wird
                              bekanntlich zum Färben grauer, schwarzer etc. Nüancen benutzt, und gibt mit den
                              Thonerdebeizen nur ein blasses und mattes Gelb. Dagegen liefert der mit
                              Schwefelsäure behandelte Sumach sogar ein schöneres Gelb, Grau und Schwarz, als man
                              mit Quercitronrinde erhält, und überdieß wird sein Färbevermögen um wenigstens 400
                              Proc. erhöht. Mengt man solchen Sumach, welchen man Sumacin nennen könnte, dem
                              Garancin bei, so erhält man sattere Farben, neben dem bedeutenden Vortheil daß das
                              Violett nicht so leidet, wie es sonst beim Färben mit Zusatz eines gerbstoffhaltigen
                              Holzes der Fall ist.
                           Auch der Wau erlangt durch die Behandlung mit Schwefelsäure ein viel größeres
                              Färbevermögen und liefert überdieß reinere Nüancen; ich muß jedoch bemerken, daß er
                              dann erst bei 70° C. (56° R.) zu färben beginnt.
                           Gelbbeeren, Cubaholz und Curcuma, auf angegebene Weise behandelt, lieferten beim
                              Färben ebenfalls sehr günstige Resultate; für diese Substanzen wird das Wasser am
                              besten mit 15 bis 20 Procent seines Volums concentrirter Schwefelsäure gemischt.
                              – Bei den Galläpfeln und Granatenschalen wird durch die Behandlung mit
                              Schwefelsäure der Gerbstoff bei weitem nicht vollständig in Gallussäure umgewandelt,
                              jedoch mehr Farbstoff frei gemacht; die mit Thonerdebeize erhaltenen Farben stechen
                              mehr in Gelb, und die mit Eisenbeizen erzeugten werden reiner. Jedenfalls muß man
                              für die Galläpfel eine stärkere Schwefelsäure anwenden als für die
                              Granatenschalen.