| Titel: | Bemerkungen über Wiesenbewässerung; von J. G. Gentele. | 
| Autor: | Johan G. Gentele [GND] | 
| Fundstelle: | Band 143, Jahrgang 1857, Nr. LVI., S. 230 | 
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                        LVI.
                        Bemerkungen über Wiesenbewässerung; von J. G. Gentele.
                        Gentele, über Wiesenbewässerung.
                        
                     
                        
                           Ueber die Wiesenbewässerung haben in der letzten Zeit Eug. Chevandier und Salvetat eine Abhandlung
                              veröffentlicht, welche nach dem in den Comptes rendus
                              enthaltenen Auszuge in diesem Journal Bd. CXXIV S.
                                 306 mitgetheilt worden ist. Sie theilen darin das Ergebniß ihrer
                              chemischen Untersuchung des Berieselungswassers und der mit demselben erhaltenen
                              landwirthschaftlichen Resultate mit und stellen dann die Schlüsse zusammen, welche
                              sich aus ihrer Untersuchung ergeben. Diese schöne und mühevolle Arbeit ist insofern
                              mangelhaft, als zwar berechnet wurde, wie viele wägbare Stoffe, insbesondere Stickstoff,
                              bei der Berieselung auf gleiche Flächen kamen, aber nicht auch, wie viele derselben
                              mit dem abfließenden Wasser wieder entzogen wurden, und so hinken diese Schlüsse,
                              wie so viele andere welche auf dem landwirthschaftlichen Gebiete unmittelbar aus den
                              chemischen Analysen gezogen worden sind. Die chemische Untersuchung des gleichzeitig abfließenden Wassers hätte entweder die
                              Schlußfolgerungen zur Gewißheit erhoben, oder auf die Frage geführt, welche Umstände
                              das Resultat mit der gegenwärtig angenommenen Theorie über die Wirkungsweise des
                              Berieselungswassers (d.h. seiner chemischen Bestandtheile) unvereinbar machten.Hr. Prof. J. v. Liebig hat in seiner neuesten
                                    Schrift: „Ueber Theorie und Praxis in der
                                          Landwirthschaft (Braunschweig, 1856)“ die
                                    Untersuchung der HHrn. Chevandier und Salvetat S. 88–92 der wohlverdienten
                                    Kritik unterzogen; er sagt: „Daß der große Unterschied im Ertrag
                                       der beiden Wiesen an Heu. welcher bei der einen constant viermal höher
                                       war als bei der andern, von dem Berieseln mit dem guten und schlechten
                                       Quellwasser herrühre, darüber hatten jene Chemiker nicht den mindesten
                                       Zweifel, dieß war von vorneherein als eine unbezweifelte Wahrheit
                                       angenommen. Im J. 1848 empfing die eine Wiese von der guten Quelle
                                       130312 Kubikmeter, die andere von der schlechten Quelle 126273
                                       Kubikmeter Wasser; die erstere lieferte 209 Centner, die andere nur 55
                                       Centner Heu. Im Ganzen empfing die eine Weise durch die gute Quelle in
                                       dem zufließenden Wasser 1622 Kilogr., die andere durch die schlechte
                                       Quelle 2070 Kilogr. Mineralsubstanzen. Der Gehalt
                                          des abfließenden Wassers an diesen Bestandtheilen wurde nicht untersucht. Die Elementaranalyse zeigte
                                       den genannten Chemikern den Grund des Unterschiedes in der befruchtenden
                                       Kraft der beiden Quellen; die organischen Materien in dem Wasser,
                                       welches den beiden Wiesen zufloß, enthielten Stickstoff, und die des Wassers der guten Quelle enthielten
                                       mehr von diesem Bestandtheil als das Wasser der schlechten. Die eine
                                       Wiese empfing durch die gute Quelle im Jahr 1848 an Stickstoff 23
                                       Kilogr. mehr als die andere Wiese, welche mit dem Wasser der schlechten
                                       Quelle berieselt worden war.“
                                    „Die Wirkung dieser ungleichen Stickstoffmengen (sagt Liebig) gränzt an ein Wunder! 23 Kilogr.
                                       Stickstoff, gelöst in 130 Millionen Kilogr. Wasser, sollen bewirkt
                                       haben, daß die Wiese 7720 Kilogr. oder 154 1/2 Centner mehr Heu als die
                                       andere Wiese und darin 77 1/5 Kilogr. Stickstoff mehr geliefert hat! 23
                                       Kilogr. Stickstoff mehr im Rieselwasser sollen bewirkt haben, daß die
                                       damit bewässerte Wiese 384 Kilogr. Aschenbestandtheile per Hektare an die darauf wachsenden
                                       Pflanzen mehr abzugeben vermochte, als die
                                       andere Wiese, die weniger Stickstoff empfangen hatte!! – Der
                                       Versuch, ob sich mit 23 Kilogr. Stickstoff oder einem Aequivalent an
                                       Ammoniaksalzen, der Ertrag der schlechten Wiese, oder der mit dem Wasser
                                       der schlechten Quelle erhaltene, auf die Höhe des Ertrags der anderen
                                       hätte erheben lassen, wurde natürlich nicht gemacht.“ A. d.
                                    Red.
                              
                           Da in jenem Aufsatze zur Erklärung der Verschiedenheiten in den Ernten von dem
                              bewässerten Boden bloß die chemischen Bestandtheile der beiden Quellenwässer zu
                              Hülfe genommen wurden, und ich auch anderweitig den hier zu besprechenden Umstand in
                              den Abhandlungen über Wiesenbewässerung nicht erwähnt finde, so muß ich annehmen,
                              daß sein Einfluß auf dieselbe bisher überhaupt nicht beachtet wurde.
                           Es ist bekannt, daß jeder geographischen Lage eine mittlere Temperatur der Erde
                              zukommt, welche in einiger Tiefe in derselben auch wirklich angetroffen wird; daß hingegen
                              an der Oberfläche des Bodens die Temperatur täglich und stündlich wechselt, im
                              Sommer die mittlere übersteigt und im Winter unter derselben bleibt.
                           Unsere Quellen, welche aus der Erdrinde entspringen, haben gleichfalls in der Regel
                              diese mittlere Temperatur an ihrem Ursprunge, und wenn sie ihre Temperatur
                              verändern, so sind sie solche, deren Wässer entweder die Tiefe nicht erreichen, wo
                              die mittlere Temperatur der Erde existirt, oder denen bisweilen andere derartige
                              Quellen zufließen. Das Quellwasser kann folglich eine höhere Temperatur als die
                              mittlere nur während des Sommers annehmen, und wenn es constant eine solche besitzt,
                              so kommt es aus größerer Tiefe (eigentliches Mineralwasser). Wenn die Quellwässer
                              über gewisse Strecken auf der Oberfläche der Erde gelaufen sind, so entstehen daraus
                              unsere Bäche, Flüsse etc., deren Temperatur mit derjenigen der Atmosphäre stets in
                              der Ausgleichung begriffen ist, aber selten mit derselben zusammenfallen wird. Wenn
                              wir im Sommer kalte Nächte haben, in denen sich auf dem Boden noch Eis bildet, so
                              bleibt das Wasser der Quellen stets auf viel höherer Temperatur etc. etc. Die
                              verschiedene Temperatur des fließenden Wassers, welches zur Berieselung verwendet
                              wird, muß nothwendig einen Einfluß auf das Wachsthum der Pflanzen äußern, und ich
                              glaube daß bei den Versuchen von Chevandier und Salvetat das verschiedene Resultat der Bewässerung mehr
                              von diesem Umstand herrührte, als von den chemischen Bestandtheilen des Wassers.
                              Wenn diese Chemiker die Temperatur der beiden von ihnen benutzten Quellen zur Zeit
                              des Sommers beobachten und nachträglich mittheilen wollten, so dürfte dieß von hohem
                              Interesse seyn.
                           Der Einfluß der Temperatur des Berieselungswassers, welcher theoretisch gefolgert
                              werden kann, zeigt sich auch wirklich im nördlichen Europa, in Schweden, Norwegen,
                              Finnland etc. etc. in sehr bemerklicher Weise. In diesen Ländern wird nämlich die
                              mittlere Temperatur des Bodens und der Quellen welche aus ziemlicher Tiefe
                              hervorkommen, nach und nach, je nördlicher man kommt, so gering, daß sie 0°
                              erreicht, und in Irkutsk gibt es endlich kein Quellwasser mehr, sondern bloß auf der
                              Oberfläche laufendes Wasser, indem die Erde auf einige Tiefe mit Wasser unter
                              0° getränkt ist, das nicht fließt. Man kann sich nun leicht die Wirkung einer
                              fast eiskalten Quelle denken, welche über die wachsenden Pflanzen auch während des
                              Sommers hinwegläuft; das Wachsthum wird hier gewiß nicht befördert werden, wenn das
                              Wasser auch die wirksamsten Bestandtheile enthalten sollte. In der That machen diese
                              Quellen, welche in den erwähnten Ländern aus Granitspalten, zwischen Granit und Thon
                              u.s.w. hervorkommen, den Einwohnern nicht geringe Sorgen, denn an den Stellen, wo sie das ganze
                              Jahr über fließen, wächst auf eine gewisse Strecke entweder nichts, oder es wachsen
                              nur einzelne Pflanzen, aber keine Culturpflanzen, letztere selbst dann nicht, wenn
                              das getränkte Gebiet nicht sumpfartig wird. Erst nachdem sich diese Quellen
                              verbreitet haben, und das Wasser auf seinem Laufe eine höhere Temperatur angenommen
                              hat, hört dessen üble Wirkung auf. Die Bewohner Schwedens und Finnlands, welche
                              diese Quellen Källsyra (Quellsäure) und das bewässerte
                              Gebiet Källsjuk (quellkrank) nennen, hüten sich wohl,
                              mit diesen Quellen zu wässern, vielmehr suchen sie dieselben zu fassen, und in
                              Gräben eingeschlossen, auf dem kürzesten Wege zu entfernen; die Drainage ist hier
                              besonders wohlthätig.
                           So wie in den angeführten Ländern der Einfluß der Quellen von der bezüglichen
                              mittleren Temperatur ein sehr schlimmer ist, dürfte
                              derselbe unter höheren Breitegraden auch noch sich äußern, wenn auch in einem sehr
                              geringen Verhältniß. Bemerklich wird derselbe stets bleiben, wenn die mittlere
                              Temperatur der Quelle am Orte eine so niedrige ist, daß sie unter diejenige fällt,
                              bei welcher der Boden, mit Hülfe der Erwärmung durch die Atmosphäre, noch ein
                              üppiges Wachsthum ermöglicht. Befindet sich neben einer solchen Quelle eine andere,
                              deren Temperatur im Sommer steigt (sey es wegen ihres Laufes, oder wegen der Art
                              ihres Entstehens), so wird der Unterschied bei der Anwendung beider zur Bewässerung
                              ein auffallender seyn. In ganz hohen Breitegraden, wo die mittlere Temperatur der
                              Quellen nicht unter diejenige sinkt, bei welcher die Pflanzen üppig gedeihen, muß
                              ein derartiger ungünstiger Einfluß ganz aufhören.
                           Nach Vorstehendem dürfte die Theorie über die Wirkungsweise des Berieselungswassers
                              nun eine andere Gestalt erhalten, während man bisher alles Gewicht auf die
                              chemischen Bestandtheile des Wassers legte. Eine Wiese, welche im Monat Mai, wo
                              zuweilen noch Nachtfröste eintreten, während der Nacht mit Wasser berieselt wurde,
                              dessen Temperatur höher war als diejenige der Atmosphäre während dieser Nacht, wird
                              offenbar nicht bloß gedüngt und gewässert, sondern auch erwärmt werden. Zwei zur
                              Berieselung verfügbare fließende Wässer von gleicher chemischer Constitution haben
                              daher nicht gleichen Werth, sobald sie hinsichtlich ihrer Temperatur stets eine
                              Verschiedenheit darbieten. Denjenigen Landwirthen, welche sich mit Versuchen über
                              die Wirkungsweise des Berieselungswassers beschäftigen, empfehle ich somit die
                              Berücksichtigung der Temperatur des benutzten Wassers, als zur Sache gehörig.