| Titel: | Ueber Beaufumet's Rauchverzehrungs-Apparat, sowie verwandte Gegenstände; von Hrn. Prof. Dr. Rühlmann. | 
| Fundstelle: | Band 143, Jahrgang 1857, Nr. LXXVIII., S. 327 | 
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                        LXXVIII.
                        Ueber Beaufumet's Rauchverzehrungs-Apparat,
                           sowie verwandte Gegenstände; von Hrn. Prof. Dr. Rühlmann.
                        Aus den Mittheilungen des hannoverschen Gewerbevereins,
                              1856, S. 150.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              V.
                        Rühlmann, über Beaufumet's
                           Rauchverzehrungs-Apparat.
                        
                     
                        
                           Während meines Aufenthaltes in Paris war es nur wenigen Bevorzugten vergönnt in das
                              Geheimniß der vorbemerkten Rauchverbrennung einzudringen, ja die meisten Besucher
                              der Ausstellung, namentlich alle mir bekannten Fachmänner, hatten nicht einmal
                              gehört, daß an den Dampfkesseln im Annexe des Ausstellungsgebäudes, welche
                              Triebkraft für die arbeitenden Dampfmaschinen zu erzeugen hatten, Vorrichtungen oder
                              besondere Mittel
                              vorhanden waren, um einem allbekannten Uebel abzuhelfen. In der That suchte man,
                              einmal aufmerksam gemacht, bei einem kleinen Complexe der bemerkten Dampfkessel
                              vergeblich nach hohen Schornsteinen, man sah nur solche, welche kaum über die
                              Dachfirsten hinausragten und aus deren Mündungen dennoch nicht mehr und nicht
                              schwärzerer Rauch hervortrat, als bei gewöhnlichen, guten Herdfeuerungen
                              bürgerlicher Haushaltungen der Fall ist, trotzdem daß das Feuermaterial der
                              Dampfkessel nicht die allerbeste Steinkohlensorte war.
                           Ich verdanke die Aufmerksamkeit auf den mindestens nicht uninteressanten Gegenstand
                              Hrn. Dr. Hamm aus Leipzig und
                              den Eintritt in die fraglichen Kesselräume den Bemühungen eines meiner ehemaligen
                              Schüler, Hrn. Ingenieur Harbly
                              zu Paris.
                           Worin aber die Auflösung der Aufgabe besteht, wird aus der Skizze Fig. 13 zu entnehmen
                              seyn, deren völlige Richtigkeit ich jedoch nicht zu
                              verbürgen wage, da mir nur eine einmalige Besichtigung in etwas dunklem Raume
                              möglich wurde und überdieß für die Ferne wenig taugliche Augen zu Mißverständnissen
                              Veranlassung geben konnten, auch mir anderwärts mitgetheilte Skizzen weitere
                              Aufklärungen nicht zu verschaffen vermochten.
                           Wie man sofort erkennt, besteht die ganze Zusammenstellung aus Hauptkesseln A, B und aus Nebenkesseln Z,
                                 Z, deren Dampf- und Wasser räume sämmtlich beziehungsweise mit
                              einander durch Röhren in Verbindung gebracht sind.
                           Die Hauptkessel sind nach Art der Locomotivkessel construirt, nur daß die Röhren,
                              durch welche Flamme, Rauch und Verbrennungsproducte ziehen, viel weiter sind und
                              sämmtlich endlich in ein noch weiteres Rohr r münden,
                              das nach einem Sammelgefäße U führt, welchem durch ein
                              anderes Rohr G eine derartige Menge frischer Luft
                              zugebracht wird, daß deren Sauerstoffgehalt gerade hinreicht, um die Verbrennung der
                              bis zum Glühen erhitzten Theile des Rauches zu bewirken. Durch diese Verbrennung
                              wird aber auch noch genügende Wärme zur Heizung der Nebenkessel Z frei, von welchen aus nur ein durchsichtiger, fast
                              ungefärbter Rauch entweicht.
                           Begreiflicher Weise erfordert die gehörige Wirksamkeit der Anordnung ein
                              gleichförmiges und besonders stetes Aufschütten der
                              zerkleinten Kohlen (was in der Skizze nur angedeutet ist), so wie eine dem
                              Aufschüttungsquantum der Kohlen genau angepaßte, namentlich nicht zu große Menge
                              frischer Luft für den Verbrennungsrecipienten U, um die
                              Abkühlung der brennbaren Gase zu vermeiden.
                           
                           Das zur Luftzuführung vorhandene Flügelgebläse F erhielt
                              seine Bewegung durch eine Riemenscheibe R, welche von
                              einer besonderen kleinen (transportabeln) Dampfmaschine in Umdrehung gesetzt wurde.
                              Ein Rohr D führte der Dampfmaschine Dampf und ein
                              anderes Rohr S den Kesseln Speisewasser zu. Die
                              mechanischen Aufschütter N mit den gezahnten Cylindern
                              E zum Zerkleinen der Steinkohlen lassen jede
                              anderweitige Anordnung zu, so wie ferner ein Drehrost vortheilhaft seyn könnte
                              – Alles bekannte Dinge, auf welche hier nicht weiter eingegangen zu werden
                              braucht.
                           Ist das Factum der mit dieser Anordnung erzielten vollständigen Rauchverbrennung auch
                              ganz richtig, so wird doch die Frage nach dem ökonomischen Vortheile derselben
                              höchst wahrscheinlich mit Nein zu beantworten seyn. Die ganze Zusammenstellung
                              dürfte überhaupt mehr als ein Experiment zu betrachten seyn, durch welches die
                              Möglichkeit der Lösung einer Aufgabe unter Anwendung außerordentlicher Mittel
                              dargethan ist.
                           Nach meinem besten Wissen muß der Anordnung das Prädicat
                              neu ertheilt werden, wenigstens habe ich in
                              Ausführung nirgends Derartiges bemerkt, trotz meiner vielfachen technischen Reisen
                              im Auslande und innerhalb Deutschlands, und trotz der durch meine amtliche Stellung
                              mir zur Pflicht gemachten Forschungen im Gebiete der technischen Literatur.
                           Auf letzterem Felde sind mir bloß zwei Zusammenstellungen bekannt, die in einigen
                              Beziehungen mit dem Vorbeschriebenen Aehnlichkeit haben.
                           Erstens John Hick's (in Bolton
                              bei Manchester) Doppelkessel, aus zwei in der Längenrichtung hinter einander
                              stehenden Kesseln gebildet, die durch eine zwischen beiden liegende sogenannte
                              Gaskammer verbunden sind, wovon der vordere Kessel ein sogenannter
                              Cornwall-Kessel, der hintere aber ein Locomotivkessel ohne Feuerkasten ist.
                              Abbildung und Beschreibung dieser Kessel finden sich im Practical Mechanic's Journal Vol. IV. (1851–1852) pag. 276.
                           Zweitens die von Boulton, Watt und Comp. bereits 1843 in der Londoner Börse aufgestellten Kessel mit verbessertem Drehroste nach Brunton.
                           Auch hier finden sich zwei Kessel, wovon der eine kleinere (chaudière supplémentaire) unmittelbar den Feuerrost
                              umschließt, der zweite größere (chaudière
                                 principale), ein gewöhnlicher Watt'scher
                              Kofferkessel, ebenfalls von der Flamme und den Verbrennungsproducten geheizt wird,
                              welche vom Roste des ersten abziehen.
                           Abbildungen und Beschreibungen hiervon befinden sich in Bataille's Traité
                                 des machines à vapeur. 1re Section pag.
                              123 et 124. Paris
                              1847–49, so wie in Bourne's Treatise on steam engine.
                           
                           Obwohl es nicht meine Absicht seyn kann, über alle Mittel, welche bis heute zur
                              Rauchverbrennung bei Dampfkesselfeuerungen in Anwendung gebracht worden sind,
                              ausführlich zu berichten, da das betreffende literarische Material bereits zu einer
                              Größe angewachsen ist, wie kaum in einem andern Zweige der rationellen gewerblichen
                              Technik, so dürfte es doch nicht unangemessen seyn überhaupt zu bemerken, daß alle
                              wirklich in Anwendung gebrachten Rauchverbrennungsmethoden hauptsächlich zweierlei Art sind, nämlich erstens solche, wobei die sogenannten mechanischen, selbstthätigen
                              Aufschütter mit festen oder beweglichen (drehenden oder fortschreitenden) Rosten die
                              Hauptrolle spielen; oder zweitens solche, wobei eine
                              besondere Zuführung frischer atmosphärischer Luft (außer der durch den Rost
                              eindringenden) an oder nahe der FeuerbrückeNachbemerkte Quellen enthalten eine wohl vollständige Literatur über
                                    Kohlenaufschütter und Rauchverbrennungs-Einrichtungen bei
                                    Dampfkesselfeuerungen.Alban: Die
                                    Hochdruckdampfmaschine. Rostock und Schwerin 1843. S. 282.Schubarth: Repertorium der
                                    technischen Literatur. Artikel: Heizungs-Anlagen. Berlin 1856. S.
                                    417.Rößler: Gewerbeblatt für das
                                    Großherzogthum Hessen. Nr. 51 und 52. Jahrg. 1854 und Nr. 43 Jahrg.
                                    1855.(Dumery: über rauchverzehrende
                                    Oefen im Allgemeinen und seinen rauchlosen Heizapparat für Dampfkessel etc.,
                                    im polytechn. Journal 1856. Bd. CXL S. 241 und 465. Die Red).,
                              oder auch durch die Feuerthür über dem RostSeydell: Ueber Prideaux's Ventil-Feuerthüren, in
                                    den Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen,
                                    1855, S. 114. Auch im polytechn. Journal Bd. CXXXVII S. 403. stattfindet.
                           Von den Mitteln ersterer Gattung verdienen höchstens zwei Systeme Hervorhebung,
                              nämlich die bereits erwähnten Drehroste nach Brunton und
                              die Stanley'(Collier) schen Schleudern, wobei kleine vor
                              der Feuerthür ausgestellte Rädchen mit Flügeln, um senkrechte Achsen drehbar, Kohlen
                              durch die Feuerthür nach dem Roste jagen, während die Kohlen selbst vorher durch
                              darüber angebrachte Riffelwalzen entsprechend zerkleinert wurden.
                           Ich habe noch im Jahre 1851 diese Stanley'schen
                              ApparateStanley's erstes
                                    Patent datirt sich vom 1. August 1829 (polyt Journal Bd. XXXIV S. 352). Später taucht derselbe Apparat mit vielem Pompe in Frankreich
                                    unter dem Namen des Collier'schen auf (Annales des Mines. Tome XI. 3ème Série, 1837, p. 341. Pl.
                                    VI.).Wieder wird er von Dean in London neu geboren (London Journal 1847 und daraus im polytechn.
                                    Centralblatte 1847, S. 1508.) von allen ähnlichen in England am meisten in Anwendung gesehen und nur Lob,
                              aber keinen Tadel über dieselben aussprechen hören. Ihr Hauptvorzug dürfte darin
                              bestehen, daß man sie ohne Weiteres außerhalb vor jedem Dampfkessel aufstellen kann
                              und sie überdieß ohne besondere Schwierigkeiten transportabel sind.
                           
                           Immerhin bleiben aber alle diese Automate (vielleicht mit Ausnahme von Prideaux's
                              Ventil-Feuerthüren) complicirte und theure Apparate, wozu der
                              Continental-Geldbeutel selten ausreicht, die durch tüchtige Heizer
                              größtentheils ersetzt werden können.
                           Die zweite oder directe Methode der Rauchverbrennung leidet hauptsächlich an dem
                              Uebel, daß es nicht leicht ist die richtige Menge von frischer Luft, außer der durch
                              den Rost gehenden, einzuführen und dieser nachher die erforderliche Temperatur zu
                              ertheilen. Auch hiervon gibt es ein wahres Heer von Anordnungen, ohne daß bis jetzt
                              eine derselben ganz allgemein befriedigt hätte. Auf die oben citirten Quellen
                              verweisend, mögen hier nur zwei der neuesten Einrichtungen angeführt werden, wovon
                              die erste Eigenthum des Dr. Gall in Trier ist, die zweite von einem Engländer Gardner in London herrührt.
                           Gall's Schrift
                              „Beschreibung meiner rauchverzehrenden Dampfkesselöfen,“
                              Trier 1855, und die darin empfohlenen Feuerungsanlagen machen neuerdings in
                              deutschen Zeitschriften viel von sich reden.Man s. Habich's Bericht
                                    über Gall's
                                    Ofenconstruction, im polytechn. Journal Bd. S. 1. Die Redact.
                              
                           Die Hauptsache besteht hierbei darin, die Feuerung des Dampfkessels in den Kellerraum
                              bis zu 8 Fuß Entfernung unter dem Boden des Kessels zu legen, mehrere Roste im
                              Kreise aufzustellen und zwischen Rost und Kessel eine senkrechte Röhre aus
                              feuerfesten Ziegeln (einen Feuerschlot) einzubauen, in welche die Producte der
                              Verbrennung vom Roste aus strömen, so wie überdieß von außerhalb, seitwärts und
                              unten eingebrachte frische Luft.
                           Trotz aller Anpreisungen dieser Anordnung wird sie aber so wenig allgemein befriedigen wie ihre Vorgänger.
                           Dasselbe Urtheil ist über Gardner's Einrichtung zu fällen, so viel diese augenblicklich,
                              namentlich in London, Aufsehen zu erregen scheint.
                           Fig. 14 zeigt
                              in Skizze die Gardner'sche Feueranlage (Patent Smokeless Furnace)Mechanic's Magazine. Vol. 63. Sept. 1855. pag. 289.
                              
                           Ganz besondern Werth wird hierbei auf die metallenen Ablenkungsplatten (deflecting plates) F und N gelegt, deren Wirkungsweise nicht zu läugnen seyn
                              wird, obwohl nicht recht erklärlich ist, aus welchem Metalle namentlich die hintere
                              Platte N zu nehmen seyn wird, um sie vor einer immer
                              wiederholten Verbrennung sicher zu stellen. Ein ganzes System von Metallplatten M soll der durch K und L von außen zugeführten frischen atmosphärischen Luft
                              die erforderliche Temperatur ertheilen. Die sonst eingeschriebenen Buchstaben der Skizze dienen
                              nur zum Hervorheben der betreffenden Theile und werden letztere keiner besonderen
                              Erklärung bedürfen.Neuerdings werden auch Treppenroste zur
                                    Beförderung einer rauchfreien Verbrennung empfohlen. Man sehe deßhalb
                                    Scholl's Führer
                                    des Maschinisten, 4. Auflage S. 56 und S. 75. Ferner polytechn. Journal
                                    1856, Bd. CXL S. 402 und Bd. CXLII S. 154.
                              
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                           Es sind bereits fast drei Jahre verflossen, seit ich in unseren Mittheilungen 1853,
                              Seite 303 Fairbairn's
                              Röhrenkessel mit theilweiser Rauchverbrennung besprach (polytechn. Journal Bd. CXXXI S. 242) und die Neugierde der Leser
                              auf alle die Mittel und Apparate richtete, welche die englische Verordnung vom 1.
                              August 1854 ab hervorrufen würde, da durch diese allen Schornsteinen Londons,
                              einschließlich aller zwischen Richmond-Brücke und London-Brücke
                              fahrenden Dampfschiffe, das Rauchen untersagt war!
                           Seit dieser Zeit ist jenes Gesetz wirklich ins Leben getreten, ohne daß man ein
                              durchaus wirksames Mittel oder eine völlig zufriedenstellende Anordnung gefunden
                              hat, wodurch das Uebel des Rauchverbreitens von Dampfkesselschornsteinen gänzlich
                              beseitigt wird.
                           In London hilft man sich einfach mit dem Brennmateriale d.h. man brennt nur Kohkes
                              und Anthracit (Kohlenblende), zankt und ärgert sich über den hohen Preis dieser
                              aufgezwungenen Brennstoffe und klagt wohl auch über Mangel an Genie und
                              Erfindungsgabe der betheiligten Ingenieure!
                           Bei allen mir bekannten größeren, besonders neueren Fabrikanlagen des Königreichs
                              Hannover haben sich die bereits erwähnten Fairbairn-Kessel mit zwei getrennten Feuerungen, als Mittel einer
                              theilweisen Rauchverbrennung, ganz vortrefflich bewährt.Derartige Kessel liefert gegenwärtig ganz ausgezeichnet, als wahre Muster von
                                    Nietarbeit, der Fabrikant Pied-Boeuf in
                                    Aachen und zwar zu den fast unglaublich billigen Preisen von 9 Rthlr. per Centner franco
                                    Aachen. Stellt man bei derartigen Kesseln einen tüchtigen, aufmerksamen und
                              sorgfältigen Heizer an und fesselt dessen Interesse durch Gewährung von Procenten,
                              als Antheil bei etwaigen Kohlenersparnissen, so dürften weitere Anordnungen zur
                              Rauchverbrennung fast überflüssig werden.
                           
                        
                     
                  
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