| Titel: | Ueber die Unbestimmtheit des Ausdruckes und Werthes „Pferdekraft“ und einiger anderer damit zusammenhängender Begriffe der Maschinenlehre; von Prof. F. Reuleaux in Zürich. | 
| Fundstelle: | Band 145, Jahrgang 1857, Nr. II., S. 6 | 
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                        II.
                        Ueber die Unbestimmtheit des Ausdruckes und
                           Werthes „Pferdekraft“ und einiger anderer damit zusammenhängender
                           Begriffe der Maschinenlehre; von Prof. F. Reuleaux in Zürich.
                        Aus dem polytechn. Centralblatt, 1857, S.
                              643.
                        Reuleaux, über die Unbestimmtheit des Ausdruckes und Werthes
                           „Pferdekraft“.
                        
                     
                        
                           Unter dieser Ueberschrift befindet sich im „Civilingenieur“,
                              neue Folge, Bd. III S. 112 ein längerer Aufsatz, welchen wir im Folgenden
                              auszugsweise mittheilen. Nachdem der Verf. sich im Allgemeinen über die
                              Unbestimmtheit und Mangelhaftigkeit des Ausdrucks „Pferdekraft“
                              ausgesprochen hat, geht er zu dem mechanischen Begriff der „Arbeit“ über, welcher durch Ps ausgedrückt wird, wenn P die Kraft und s den in der Kraftrichtung
                              zurückgelegten Weg bezeichnet. Die Einheit der Arbeit wird nach Navier Kilogrammmeter genannt, wofür man in Deutschland
                              den Ausdruck Fußpfund nachgebildet hat. Bei dieser Angabe der Arbeitgröße wird ganz unberücksichtigt gelassen, in welcher Zeit sie
                              verrichtet wird; dagegen ist es in der Theorie, wie im praktischen Leben keineswegs
                              gleichgültig, ob für eine Arbeit eine kürzere oder längere Zeit gebraucht wird. Man
                              bedarf also noch eines zweiten Maaßes der Thätigkeit der Kräfte, nämlich eines
                              Maaßes der Intensität der Arbeit, des augenblicklichen
                              Aufwandes an Anstrengung, mit welcher gearbeitet wird, und um dieses Maaß zu
                              erhalten, muß man noch die Zeit in Betracht ziehen,
                              während welcher eine Arbeit vollführt wird. Als Ausdruck für die Intensität der
                              Arbeit einer Kraft P gewinnt man hiernach das Product
                              Pv, wenn v die
                              Geschwindigkeit der Kraft in ihrer eigenen Richtung bezeichnet. Diese
                              Geschwindigkeit ist entweder constant, wenn die Bewegung gleichförmig ist, oder eine
                              mittlere bei ungleichförmiger Bewegung.
                           Für das Product Pv entbehren wir sowohl einer
                              allgemein angenommenen Definition, als einer allgemein gültigen Benennung. Um die
                              letztere festzustellen, schlägt der Verf. vor, den Ausdruck „Arbeitstärke“ zu gebrauchen. Als Einheit
                              für dieselbe bietet sich ohne Weiteres das Product der Krafteinheit in die
                              Geschwindigkeitseinheit dar. Hier aber stoßen wir auf die erhebliche Schwierigkeit,
                              daß in der Mechanik kein besonderes Maaß für die Geschwindigkeit besteht, sondern
                              daß das Geschwindigkeitsmaaß dem Ausdruck nach mit dem Längenmaaß zusammenfällt. Man
                              erhält also wieder, wie bei der Bezeichnung der Arbeitgröße, Kilogrammmeter und Fußpfund, und
                              muß, wenn man die Arbeitstärke bezeichnen will, sagen: Kilogrammmeter pro Secunde, Fußpfund pro
                              Secunde, oder auch Secundenkilogrammmeter, Secundenfußpfund. Auch in den
                              Schriftzeichen hat man bisher in der Regel keinen Unterschied zwischen dem für die
                              Einheit der Arbeitstärke und dem für die Einheit der Arbeitgröße gemacht. Der Verf.
                              schlägt vor, anknüpfend an die Zeichen '' und ' für Secunde und Minute, die Zeichen
                              km und Fußpfund durch beziehentlich zweifache und
                              einfache Unterstreichung immer dann zu kennzeichnen, wenn man durch sie
                              Arbeitstärken nach Secunden oder nach Minuten gemessen bezeichnen will. Man hätte
                              demnach z.B. ein Fußpfund pro Secunde zu schreiben:
                              1, oder fünfhundert Kilogrammmeter pro Minute:
                              500 km. Hiernach würde: 1 km = 60 km, und 1 =
                              60.
                           Diese Einheit der Arbeitstärke ist in verschiedenen Ländern verschieden. Sehr
                              wünschenswerth muß es aber für die Technik seyn, ein Maaß für die Arbeitstärke zu
                              haben, das nicht von den Maaß- und Gewichtssystemen verschiedener Länder
                              abhängig ist, sondern allgemein gilt und überall verstanden wird; und sie hat sich
                              auch ein solches Maaß zu bilden gesucht in dem Werth, den man „Pferdekraft“ nennt. Leider hat man für die
                              „Pferdekraft“ noch keine bestimmte Größe von allgemeiner
                              Gültigkeit. Obgleich die Mechanik für eine gewisse Größe der
                              „Pferdekraft“ sich fest entschieden hat, indem sie sie = 75
                              km = 510 pr.
                              setzt, so ist doch die Technik weit entfernt, diese Größe bei ihren Messungen
                              folgerichtig anzuwenden.
                           Aber auch der Begriff des Maaßes „Pferdekraft“, fährt der Verf.
                              weiter fort, sey sehr schwankend. In der Regel werde die Pferdekraft als ein Maaß
                              der Arbeitgröße angesehen oder wenigstens so erklärt, daß
                              dieß die nächstliegende Deutung ist. Dieses Maaß bezeichne aber immer eine
                              Intensität der Arbeit oder Arbeitstärke, und es sey darum
                              der Name „Pferdeleistung“ nicht tauglicher als
                              „Pferdekraft“. Auf die vorstehenden Betrachtungen fußend,
                              schlägt der Verf. den Ausdruck „Pferdestärke“ vor, wofür die Engländer bereits treffend horse-power sagen und
                              im Französischen puissance de cheval statt force de cheval einzuführen wäre. Die Größe der
                              Pferdestärke wäre nach der bisherigen Annahme der wissenschaftlichen Mechanik
                           75 km
                              = 510 pr.
                           zu setzen.
                           Nachdem nun der Verf. weiter gezeigt hat, daß der praktische Maschinenbau dieses
                              Maaß, obgleich es in den mechanischen Schriften allgemein angewendet ist, keineswegs
                              eingehalten hat, sondern bei seinen Angaben, Schätzungen und Berechnungen, namentlich bei den
                              Dampfmaschinen, wo man noch nominelle und reelle Pferdestärken zu unterscheiden hat,
                              aufs Regelloseste von der obigen Größe abweicht, geht er dann zu seinem eigenen
                              Vorschlage, die Mehrdeutigkeit zu beseitigen und Irrthümer und Mißverständnisse
                              unmöglich zu machen, über.
                           Diesen Vorschlag und die Motivirung desselben lassen wir hier unverkürzt folgen:
                              „Weit besser aber würde man zu dem Ziele kommen, wenn man als die
                                 nächstgrößere Einheit nach dem Kilogrammmeter pro
                                 Secunde die Arbeitstärke von 100 km wählen würde. Man
                                 könnte dann nämlich aus dem Französischen quintal
                                 (für Centner = 100k) mit
                                 „Meter“ den Namen: „Quintalometer“ bilden. Dieß würde zunächst eine
                                 Arbeitgröße von 100 km bezeichnen. Eine Arbeitstärke von 100 km müßte dann ein Secunden-Quintalometer heißen. Man könnte sich aber leicht dahin einigen, die
                                 Arbeitgrößen niemals mit Quintalometern zu
                                 messen, und könnte dann für den gewöhnlichen Sprachgebrauch das Bestimmungswort
                                 „Secunde“ weglassen, würde dann also unter einem Quintalometer ein für allemal eine Arbeitstärke (von 100 km) verstehen.
                                 Erhöhte man alsdann die Pferdestärke von 75 auf 100 Kilogrammmeter pro Secunde, also auf das 4/3fache, so hätte man
                                 eine Ausdrucksweise, die wenig zu wünschen übrig lassen würde. Das
                                 Schriftzeichen für Secundenquintalometer würde, ganz entsprechend unserer obigen
                                 Annahme, seyn: qm, so
                                 daß man also hätte:
                              
                           
                              100 km = 1 qm
                                 
                              
                           
                              und auch:
                              
                           
                              1 Pferdestärke = 1 qm.“
                              
                           
                              „Der mündliche und schriftliche Ausdruck würde durch Einführung dieser
                                 Einheit ganz erheblich gewinnen. Leicht und bestimmt würde man damit die größten
                                 Arbeitstärken welche in der Technik vorkommen, bezeichnen können. Wenn man sagt,
                                 ein Wasserrad habe dann und dann mit einer Stärke von 42 Quintalometern
                                 gearbeitet, so kann dieß gar nicht unrichtig gedeutet werden; es kann gar kein
                                 Zweifel über die Größe der Einheit Quintalometer aufkommen, da diese Größe in
                                 dem Kunstwort selbst angegeben wird. Will man dagegen ähnliche Angaben einfach
                                 in „Pferdestärken“ machen, so muß man, um dem möglichen
                                 Mißverständniß vorzubeugen, noch anmerken: die Pferdestärke zu 75 Kilogrammmeter
                                 pro Secunde gerechnet. Die Bezeichnung durch qm im mathematischen
                                 oder auch in dem gewöhnlichen schriftlichen Ausdruck läßt auch keine
                                 zweifelhafte Deutung zu, weil auch das Zeichen (die Bildungsweise desselben als
                                 bekannt vorausgesetzt) seine eigene Definition enthält und immer wieder auf den Sinn unseres
                                 Maaßes zurückleitet. Eine Erhöhung der Pferdestärke auf das 4/3fache des bisher
                                 in der Mechanik gebräuchlichen Werthes würde zudem weniger Schwierigkeiten
                                 bereiten, als man auf den ersten Anblick glauben möchte, und zwar aus zwei
                                 Gründen. Erstens, weil eben der Name Quintalometer,
                                 der ja bei den Rechnungen selbst immer statt „Pferdestärke“
                                 gebraucht werden würde, die Größe der Maaßeinheit angibt, und zweitens, weil die
                                 sogenannten „nominellen“ Pferdestärken doch schon einmal
                                 alle mehr oder weniger höher gegriffen werden als 75 km. Man würde sich
                                 also mit den Maschinenbauern unschwer verständigen können.“
                              
                           
                              „Daß der Name und die Größe der neuen Einheit dem metrischen System
                                 angepaßt sind, und nicht einem, das mit Fuß und Pfund mißt (wobei man auf
                                 Fußcentner kommen könnte), bedarf wohl keiner Rechtfertigung. Die Nützlichkeit
                                 eines allgemein gültigen Maaßes der Arbeitstärke ist
                                 in der Anerkennung des Maaßes „Pferdekraft“ über allen
                                 Zweifel erhoben; soll nun auch die so nöthige Einigung über Zeichen und Größe
                                 dieser Einheit getroffen werden, so muß ein dahin zielender Vorschlag auch von
                                 dem am allgemeinsten gültigen und wissenschaftlichsten Maaßsystem, dem
                                 metrischen, seinen Ausgang nehmen. Ohne Schwierigkeiten würden sich das Zeichen
                                 qm und der Name
                                 Quintalometer auch in anderen Sprachen einführen
                                 lassen, und dadurch auch der vorgeschlagenen Maaßeinheit die so nothwendige
                                 allgemeine Verständlichkeit gesichert seyn. Der
                                 „Quintalometer“ wird sich in verschiedenen Maaßsystemen
                                 auch verschieden ausdrücken, gerade so wie bisher die Pferdestärke, allein er
                                 wird immer seinen Namen und sein Zeichen qm behalten
                                 können.“