| Titel: | Versuche über Färberei, von Friedrich Kuhlmann. | 
| Fundstelle: | Band 145, Jahrgang 1857, Nr. XVI., S. 57 | 
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                        XVI.
                        Versuche über Färberei, von Friedrich Kuhlmann.
                        Nach den Comptes rendus t. XLIII p. 900 et 950, durch das
                              polytechn. Centralblatt 1857, S. 135.
                        Kuhlmann's Versuche über Färberei.
                        
                     
                        
                           Bei den Versuchen, welche wir im Jahrgang 1856 dieses Journals Bd. CXLII S. 221 mitgetheilt haben, fand Kuhlmann, daß die Cellulose oder Pflanzenfaser, wenn sie
                              in gewissem Grade nitrificirt, d.h. mit den Elementen der Salpetersäure verbunden
                              wird, dadurch die Eigenschaft erhält, die Farbstoffe leichter anzunehmen, als die
                              Pflanzenfaser im natürlichen Zustande, so daß sie nachher in dieser Beziehung den
                              natürlichen stickstoffhaltigen Faserstoffen sich nähert. Durch weitere Versuche hat
                              er festgestellt, daß beim Färben der nitrificirten Baumwolle nicht etwa
                              Salpetersäure oder deren Elemente aus derselben austreten, sondern die Faser dabei
                              in dem nitrificirten Zustande verbleibt. Die Zunahme des Vermögens, Farben
                              anzunehmen, welche man bei der in gewissem Grade nitrificirten, und die Abnahme
                              dieses Vermögens, welche man bei der ganz in Pyroxylin verwandelten Baumwolle
                              antrifft, gibt sich bei Farbebädern der verschiedensten Natur, sauren und
                              alkalischen, z.B. saurer Indiglösung, alkalischem Orseillebad, Saflor-,
                              Garancin-, Rothholzbad, in gleichem Maaße zu erkennen, was auch die
                              Vermuthung ausschließt, daß beim Färben Salpetersäure oder deren Elemente aus der
                              Faser austreten und den Erfolg bedingen möchten.
                           Die stickstoffhaltigen thierischen Faserstoffe besitzen nicht für alle Farbstoffe
                              eine größere Anziehungskraft als die Pflanzenfaser. Wolle nimmt bekanntlich den
                              Farbstoff des Saflors nicht so leicht an als Baumwolle. Mit nitrificirter Wolle
                              verhält es sich eben so; während Seide nach Behandlung mit Salpetersäure (aber von
                              freier Salpetersäure gänzlich wieder befreit) den Saflor-Farbstoff besser
                              annimmt als Seide im natürlichen Zustande, und dadurch eine Scharlachfarbe erhält,
                              wie nitrificirte Baumwolle, erstreckt sich diese Eigenschaft nicht im gleichen Grade
                              auf Wolle. Die Wolle ist überhaupt unter den verschiedenen Faserstoffen am wenigsten
                              geneigt, in Folge der Behandlung mit Salpetersäure, ihre Anziehung zu Farbstoffen zu
                              vergrößern. Man darf keineswegs glauben, daß alle stickstoffhaltigen organischen
                              Stoffe, indem man die Pflanzenfaser mit denselben imprägnirt, ihr ein größeres
                              Anziehungsvermögen für Farbstoffe geben. Versuche, die der Verfasser in dieser
                              Beziehung mit Harnsäure, harnsaurem Kali und salpetersaurem Harnstoff anstellte, gaben durchaus negative
                              Resultate.
                           Mercer hat bekanntlich gefunden, daß Gewebe aus Baumwolle
                              beim Färben eine sattere Farbe annehmen, wenn man sie vor dem Beizen in concentrirte
                              Natronlauge taucht. Dieß ist allerdings der Fall, aber die so erlangten Farben sind
                              doch bei weitem nicht so intensiv als diejenigen, welche man auf mit Salpetersäure
                              und Schwefelsäure behandelter Baumwolle erhalten kann. Die lebhaftere Färbung des
                              mit Natronlauge behandelten Baumwollgewebes hat man der Zusammenziehung und
                              Verdichtung zugeschrieben, welche dasselbe bei der Behandlung mit der Lauge
                              erleidet. Der Verf. hält diese Erklärung, welche in andern Fällen, wo das Vermögen,
                              sich färben zu lassen, viel mehr erhöht wird, wie namentlich bei der freiwillig
                              zersetzten Schießbaumwolle, gar nicht anwendbar ist, auch bei der mit Alkali
                              behandelten Baumwolle für gewagt, und meint, daß die verschiedene Anziehung der
                              Faserstoffe zu Farbstoffen lediglich durch Verschiedenheit in der molecularen
                              Anordnung ihrer Theile, durch welche auch Verschiedenheiten in dem chemischen
                              Verhalten bedingt werden (der Verf. ist der Ansicht, daß die Faserstoffe mit den
                              Farbstoffen wahre chemische Verbindungen bilden), zu erklären sey. Um bezüglich der
                              Theorie des Färbeprocesses noch weitere Thatsachen zu sammeln, unterwarf er
                              Baumwolle noch andern verändernden Einflüssen. Baumwollene Gewebe wurden mit Chlor,
                              mit Salzsäure, mit Fluorwasserstoffsäure behandelt, zeigten aber nachher kein
                              größeres Vermögen Farben anzunehmen. Einen bedeutenden Einfluß hatte dagegen die
                              Behandlung der Baumwolle mit concentrirter Schwefelsäure und Phosphorsäure. Unter
                              der Einwirkung dieser Säuren erleiden die Gewebe eine Zusammenziehung wie durch
                              Alkalien, und erlangen eine gewisse durchscheinende Beschaffenheit; sie lassen sich
                              nun lebhafter färben, als die Baumwolle im natürlichen Zustande.
                           Bekanntlich färbt man Ostereier durch Kochen in Rothholz- oder Blauholzbrühe,
                              Zwiebelschalenabsud, Lackmus, Orseille etc. Die Pigmente aus allen diesen Stoffen
                              befestigen sich vollkommen auf den Eiern, ohne daß eine Beize angewendet wird, nur
                              daß die einzelnen Eier mit verschiedener Leichtigkeit die Farben annehmen. Der Verf.
                              tauchte Eier einige Augenblicke lang zur Hälfte in verdünnte Salzsäure. Der
                              eingetaucht gewesene Theil jedes Eies war nachher mit einer weißen emulsiven
                              Substanz überzogen, welche durch Waschen mit Wasser abgelöst und beseitigt wurde.
                              Als man die so behandelten Eier nun zu färben versuchte, nahmen nur die mit der
                              Säure nicht in Berührung gewesenen Hälften derselben die Farben an, die anderen
                              Hälften blieben vollkommen weiß. Der Verf. nimmt hiernach an, daß die Färbung der
                              Eier durch eine stickstoffhaltige, dem coagulirten Eiweiß ähnliche Substanz, mit welcher die
                              Schale der Eier überzogen sey, bedingt werde. Das Eiweiß nimmt auch die Farben
                              leicht an, wenn man es im coagulirten Zustande mit Auszug von Rothholz, Orseille,
                              Lackmus etc. behandelt. Der Verf. wurde durch diese Ergebnisse veranlaßt,
                              Faserstoffe mit verschiedenen thierischen Stoffen zu imprägniren, um ihre Anziehung
                              zu Farbstoffen dadurch zu vergrößern, was übrigens bekanntlich keine neue Idee ist,
                              sondern namentlich von Broquette bereits ausgeführt
                              wurde. Er präparirte Gewebe aus Baumwolle, Wolle und Seide durch Eintauchen in
                              Eiweißlösung und Coaguliren des Eiweißes auf dem Gewebe durch Wärme oder durch eine
                              Säure, worauf die Gewebe gefärbt wurden. Bezüglich der Färbung der Baumwolle
                              gelangte er hierbei zu sehr günstigen Resultaten; bei der Seide war der Erfolg etwas
                              weniger hervortretend und bei der Wolle war er kaum merklich. Die Färbeversuche
                              wurden mit Rothholz, Blauholz und Krapp angestellt. Der Verf. benutzte ferner mit
                              demselben Erfolge Milch und Casein zum Präpariren der Zeuge, indem das Casein durch
                              eine Säure auf dieselben niedergeschlagen wurde; namentlich die Behandlung mit
                              Milch, diese allein oder zugleich mit Mordants angewendet, lieferte sehr gesättigte
                              Farben. Auch Leim wurde probirt, indem man denselben mittelst Gerbesäure unlöslich
                              machte und in den Zeugen fixirte. Auch hier wurde ein gewisser Erfolg erzielt,
                              jedoch ein wenig hervortretender, wenn nicht zugleich Beizen angewendet wurden. Der
                              Leim kann, indem er das Mittel darbietet, eine reichliche Menge Gerbsäure auf den
                              Faserstoffen zu fixiren, als sehr wirksames Hülfsmittel beim Grau- und
                              Schwarzfärben durch Eisensalze benutzt werden; der Verf. erhielt auf diese Weise
                              sehr dauerhafte Farben. Gerbsäure allein kann auch sehr gut benutzt werden (was beim
                              Behandeln mit Sumach etc. bereits geschieht), um Thonerde aus essigsaurer Thonerde
                              in größerer Menge auf Baumwolle zu fixiren und so sehr gesättigte Farben zu
                              erhalten.
                           Der Verf. stellte ferner Versuche darüber an, in wie weit die coagulirbaren
                              stickstoffhaltigen Stoffe dazu dienen können, Metalloxyde unlöslich auf den
                              Faserstoffen zu befestigen. Die hierbei angewendeten Salze waren essigsaure
                              Thonerde, Manganchlorür, schwefelsaures Zinkoxyd, schwefelsaures Kupferoxyd,
                              schwefelsaures Eisenoxydul, Quecksilberchlorid und Chlorplatin; absichtlich wurden
                              auch solche Salze gewählt, die durch Einwirkung der Faserstoffe allein sich nur
                              schwer zersetzen. Bei Anwendung von Brasilienholz als
                              Färbesubstanz erhielt man folgende Resultate: Die Baumwolle im natürlichen Zustande,
                              nicht gebeizt, nahm eine blaß violettrothe, die albuminirte, d.h. mit Eiweiß
                              imprägnirte Baumwolle eine dunkel violettrothe Farbe an. Bei Anwendung der Metallsalze wurden folgende
                              Ergebnisse erlangt:
                           
                              
                                      Angewendete
                                    Salze.
                                   Baumwolle im
                                    natürlichen       Zustande
                                    nach dem  Eintauchen in eine Lösungdes Salzes,
                                    Spülen in
                                    Wasser               
                                    und Färben.
                                         
                                    Albuminirte
                                    Baumwolle,            
                                    eben so behandelt.
                                 
                              
                                 Essigsaure Thonerde.
                                               Rothbraun.
                                 Dunkleres Violettroth.
                                 
                              
                                 Manganchlorür.
                                                   Lilla.
                                 Lilla, fast schwarz.
                                 
                              
                                 Schwefelsaures Zinkoxyd.
                                           Hell
                                    violettroth
                                 Dunkel violett.
                                 
                              
                                 Schwefelsaures
                                    Kupferoxyd.   
                                 So ziemlich dieselb. Farben, wie beim
                                    schwefelst Zinkoxyd.
                                 
                              
                                 Schwefelsaures Eisenoxydul.
                                             Rothviolett.
                                 Violettschwarz.
                                 
                              
                                 Quecksilberchlorid.
                                                   Lilla.
                                 Schwarz mit rothem Schein.
                                 
                              
                                 Chlorplatin.
                                     Schmutzig
                                    rothbraun.
                                 Dieselbe Farbe, aber viel dunkler.
                                 
                              
                                        Dieselben Versuche
                                    wurden mit Anwendung von Krapp als Färbesubstanz
                                    wiederholt, wobeifolgende Resultate erhalten wurden, die den
                                    vorstehenden analog sind, aber weniger hervortretendeVerschiedenheiten
                                    zeigen:
                                 
                              
                                 Essigsaure Thonerde.
                                               
                                    Rothbraun
                                 Dieselbe Farbe etwas gesättigter.
                                 
                              
                                 Manganchlorür.
                                          Schmutzig
                                    violett.
                                 Dieselbe Farbe dunkler.
                                 
                              
                                 Schwefelsaures Zinkoxyd.
                                             
                                    Matt violett.
                                     
                                    „            „          „
                                 
                              
                                 Schwefelsaures Kupferoxyd.
                                             Violettbraun.
                                     
                                    „            „    
                                    mit wenig merklicher    Abweichung.
                                 
                              
                                 Schwefelsaures Eisenoxydul.
                                           
                                    Dunkel violett.
                                 Dieselbe Farbe, aber noch dunkler.
                                 
                              
                                 Quecksilberchlorid.
                                               Lillabraun.
                                 Dieselbe Farbe viel dunkler.
                                 
                              
                                 Chlorplatin.
                                               Hellbraun.
                                 Rötheres und etwas dunkleres Braun.