| Titel: | Ueber den mechanischen Nutzeffect der Wirkung der Wärme, mit Anwendung auf das neue System der Reproducirung der im Wasserdampfe gebundenen Wärme durch Wasserkraft behufs der Wiederverwendung zum Abdampfen der Salzsoole; von Hrn. Peter Rittinger, k. k. Sectionsrath. | 
| Fundstelle: | Band 145, Jahrgang 1857, Nr. XXX., S. 115 | 
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                        XXX.
                        Ueber den mechanischen Nutzeffect der Wirkung der
                           Wärme, mit Anwendung auf das neue System der Reproducirung der im Wasserdampfe
                           gebundenen Wärme durch Wasserkraft behufs der Wiederverwendung zum Abdampfen der
                           Salzsoole; von Hrn. Peter
                              Rittinger, k. k. Sectionsrath.
                        Vortrag des Verfassers in der Wochenversammlung
                              des österreichischen Ingenieur-Vereins am 20. Decbr. v. J. – Aus der Zeitschrift dieses
                                 Vereins, 1857, Nr. 7.
                        Rittinger, über ein neues Abdampfverfahren.
                        
                     
                        
                           Der Wasserdampf ist eine Verbindung von Wasser mit Wärmestoff; zur
                              Bildung von einer Gewichtseinheit Wasserdampf oder zur Verdampfung von einem
                              Kilogramm Wasser sind erfahrungsgemäß ungefähr 650 Wärmeeinheiten nothwendig, d.h.
                              die hierzu verwendete Wärme vermag die Temperatur von 650 Kilogrammen Wasser um
                              1° C. zu erhöhen. Nach den neuesten genaueren Versuchen von Regnault nimmt die Bildung von 1 Kilogr. Dampf richtiger
                              606,5 + 0,305 t Wärmeeinheiten in Anspruch, wenn t die Temperatur des Dampfes bezeichnet.
                           Die an das Wasser behufs der Dampfbildung übergegangene und von demselben
                              aufgenommene Wärmemenge bringt eine doppelte Wirkung
                              hervor:
                           1) sie ändert den Aggregationszustand des Wassers, indem sie dasselbe aus einem
                              flüssigen in einen ausdehnsamen Körper verwandelt;
                           2) sie vergrößert dessen Volum; so z.B. nimmt der bei 100° C. entwickelte
                              satte Dampf ein 1695mal größeres Volum ein als das Wasser aus welchem er entstanden
                              ist.
                           Letztere Wirkung der Dampfbildung wird in der praktischen Mechanik bekanntlich in der
                              Art äußerst vortheilhaft benützt, daß man den sich bildenden Dampf gegen den
                              beweglichen Kolben der Dampfmaschine wirken läßt, und die
                              von ihm aufgenommene Arbeit zu beliebigen Zwecken sodann weiter fortpflanzt und
                              verwendet.
                           Wird umgekehrt gesättigter Dampf in einem Cylinder mittelst eines beweglichen Kolbens
                              zusammengepreßt, so wird derselbe nach den
                              vorhandenen Umständen ein doppeltes Verhalten äußern:
                           1) Ist nämlich der Cylinder sammt Kolben nach Außen durchaus mit schlechten Wärmeleitern umgeben, vermag also der
                              abgeschlossene Dampf nach Außen weder Wärme abzugeben noch aufzunehmen, so wird bei fortschreitender
                              Zusammendrückung desselben mittelst des Kolbens seine Pressung und mit dieser
                              gleichzeitig dessen Temperatur zunehmen. Er wird also nacheinander folgende
                              Pressungen und Temperaturen annehmen.
                           
                              
                                 Bei
                                 der
                                 Pressung
                                 von
                                   1 Atmosph.
                                 die
                                 Temperatur
                                 von
                                 100° C.
                                 
                              
                                  „
                                  „
                                      „
                                 „
                                   2      „
                                 „
                                      „
                                 „
                                 121° C.
                                 
                              
                                  „
                                  „
                                      „
                                 „
                                   3      „
                                 „
                                      „
                                 „
                                 135° C.
                                 
                              
                                  „
                                  „
                                      „
                                 „
                                   4      „
                                 „
                                      „
                                 „
                                 145° C.
                                 
                              
                                 
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                                       . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
                                       .
                                    
                                 
                              
                                  „
                                  „
                                      „
                                 „
                                 15     „
                                 „
                                      „
                                 „
                                 200° C.
                                 
                              
                           2) Sind dagegen die Umfangswände des Cylinders so wie dessen weitere Umgebung gute Wärmeleiter, so wird der zusammengepreßte Dampf
                              seine in Folge der Pressung augenblicklich gestiegene Temperatur nicht lange
                              beibehalten, sondern dieselbe wird vielmehr in Folge der Abgabe von Wärme nach Außen
                              wieder auf ihren ursprünglichen Stand herabsinken. Dadurch daß der Dampf einen
                              gewissen Antheil seines Wärmestoffes verliert, ändert sich theilweise sein
                              Aggregationszustand, d.h. im Cylinder schlägt sich aus dem Dampfe Wasser nieder. Das
                              Volum des Dampfes nimmt ab, die Pressung dagegen bleibt sich gleich. Die auf den
                              Kolben ausgeübte mechanische Arbeit bewirkt demnach eine Trennung des Wärmestoffes und des Wassers, und äußert sich daher dampfvernichtend, während umgekehrt eine Verbindung des Wärmestoffes mit Wasser dampferzeugend wirkt, und eine mechanische Arbeit
                              hervorruft.
                           Es spricht sich auch hier das in der Physik und Mechanik allgemein bekannte und
                              vielfach angewendete Princip der Gleichheit zwischen Wirkung und Gegenwirkung
                              deutlich aus, dem zufolge man z.B. jede durch Wasser oder Wind betriebene
                              Kraftmaschine in eine Arbeitsmaschine und letztere umgekehrt in eine Kraftmaschine
                              umwandeln kann; so erhält man durch Umkehrung der Bewegung aus dem Wasserrade ein
                              Schöpfrad, aus der Wassersäulenmaschine eine Pumpe, aus dem Windrade einen
                              Ventilator und umgekehrt. Dem Vorausgeschickten zufolge wird durch Bindung der Wärme das Wasser unter Vermittlung einer
                              Dampfmaschine mechanische Arbeit erzeugen, und umgekehrt durch Einwirkung
                              mechanischer Arbeit auf den Dampf aus diesem die Wärme frei
                                 gemacht.
                           In allen Fällen der Abdampfung, in welchen die
                              Dampfbildung bloß den Zweck hat, einen in Wasser aufgelösten Stoff aus diesem
                              auszuscheiden, geht eine wesentliche Wirkung der Verdampfung, nämlich die
                              Hervorbringung einer mechanischen Arbeit gänzlich verloren, indem die ganze im
                              Dampfe gebundene Wärme mit diesem unbenutzt entweicht. Diese Wärme wieder nutzbar zu
                              machen, sie gewissermaßen aus dem Dampfe zu reproduciren
                              und neuerdings zum Abdampfen zu verwenden, ist nun der Zweck des neuen, hier zu
                              beschreibenden Abdampfsystemes.Wir verweisen auf die Notiz über dieses Abdampfsystem im polytechnischen
                                    Journal Bd. CXXXVI S. 391; ferner
                                    auf den Bericht über die günstigen Resultate, welche der neue Abdampfapparat
                                    bei der praktischen Prüfung aus der k. k. Saline zu Ebenste geliefert hat,
                                    S. 75 in diesem Bande. A. d. Red. Es ist allerdings zulässig, die Wärme des entweichenden Dampfes durch bloßen
                              Contact mit neuen Partien der zum Abdampfen bestimmten Flüssigkeit zu übertragen,
                              indem man den Dampf durch ein Röhrensystem hindurchstreichen läßt, welches von der
                              zu erwärmenden Flüssigkeit allseitig umgeben ist, und demselben hinreichende
                              Oberfläche darbietet. Allein auf diesem Wege der Dampfheizung gelingt es bloß größere Partien der Flüssigkeit vorzuwärmen
                              und nur allmählich abzudampfen, weil die Dampfbildung bei einer geringen Temperatur,
                              also bloß oberflächlich vor sich geht. So z.B. kann man mit einem Kilog. Dampf von
                              100° C. vermöge des Ansatzes (x + 1) 50 = 606,5 +
                              30,5 = 637
                           x = 637/50 – 1 = 11,3 Kilogr.
                           im günstigsten Falle 11,3 Kilogr. Wasser von 0 auf 50°
                              C. vorwärmen und oberflächlich zum langsamen Abdampfen bringen, also um 10,3 Kilogr.
                              mehr, als man behufs des eigentlichen continuirlichen Abdampfens braucht. Die wieder
                              benützte Wärme wird dabei aus große Massen dilatirt, ohne deren Temperatur genügend
                              zu steigern und ein energisches Abdampfen durch die ganze Masse der Flüssigkeit zu
                              ermöglichen. Wird dagegen der beim Abdampfen erzeugte Dampf auf künstliche Weise,
                              mittelst einer wohlfeilen disponiblen Kraft, etwa der Wasserkraft, zusammengepreßt,
                              so läßt sich dessen Temperatur nach Beschaffenheit der Seitenwände des Dampfraumes
                              beliebig steigern und daher abermals zur energischen Dampfbildung durch die ganze
                              Masse verwenden, wenn man dabei die Röhren, in welchen die Zusammenpressung vor sich
                              geht, mit der abzudampfenden Flüssigkeit umgibt. Diese Dampfbildung wird daher in
                              diesem Falle unter Benützung derselben in einen Kreislauf
                              gesetzten Wärmemenge vor sich gehen, und daher überdieß
                              nur so viel neue Wärmemenge benöthigen, als zum Ersatze der unvermeidlichen
                              Wärmeverluste erforderlich ist. Die Wärme verhält sich dabei gegen das Wasser
                              ähnlich wie das von einem Badeschwamme aufgesaugte Wasser, welches durch
                              Zusammenpressen des Schwammes diesen verläßt und an einen neuen Schwamm abermals
                              übergehen kann.
                           
                           Der Verfasser benützte zu den ziffermäßigen Angaben das Werk: „Der
                                 Wasserdampf von Fr. Ritter v. Schwind, k. k.
                                 Bergrath, 1856,“ hieran besonders die Bequemlichkeit und Nützlichkeit
                              der beigegebenen 32 Tabellen über Wasserdampf und die zugehörigen Hülfsmittel zur
                              ziffermäßigen Beantwortung der verschiedensten, diesen Gegenstand betreffenden
                              Fragen hervorhebend.