| Titel: | Ueber das Färben der Seide, Wolle und Baumwolle mit Murexid. | 
| Fundstelle: | Band 145, Jahrgang 1857, Nr. XXXV., S. 137 | 
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                        XXXV.
                        Ueber das Färben der Seide, Wolle und Baumwolle
                           mit Murexid.Unsere Quelle enthält in Verbindung mit diesem Aufsatz Brooman's Verfahren zur
                                 Darstellung der Harnsäure aus dem Guano und zur Anwendung ihrer
                                 Oxydationsproducte in der Zeugdruckerei, welches wir bereits im polytechn.
                                 Journal Bd. CXLIV S. 68 mitgetheilt
                                 haben. A. d. Red.
                           
                        Aus der Deutschen Muster-Zeitung, 1857, Nr.
                              5.
                        Ueber das Färben der Seide, Wolle und Baumwolle mit
                           Murexid.
                        
                     
                        
                           Behandelt man Harnsäure mit Salpetersäure, die mit einem gleichen Volumen Wasser
                              verdünnt ist, mit Hülfe einer gelinden Wärme, so löst sie sich in diesem
                              Oxydationsmittel auf. Dampft man nun diese Auflösung vorsichtig bis zur Trockniß
                              ein, so erhält man eine intensiv rothe Masse, die eine dunkel purpurrothe Nüance
                              annimmt, sobald man sie mit Ammoniak behandelt. Diese Reaction ist so auffallend und
                              sicher, daß sie bereits seit langer Zeit den Chemikern dazu dient, das Vorhandenseyn
                              von Harnsäure in organischen Substanzen nachzuweisen. Prout fand l. J. 1818, daß diese Substanz aus Ammoniak und einem
                              eigentümlichen Stoffe zusammengesetzt sey, der die Eigenschaften einer Säure zeigt.
                              Er gibt die Darstellung dieser Säure in folgender Weise an: Man digerirt reine
                              Harnsäure mit Salpetersäure, die mit Wasser verdünnt ist; es erfolgt unter starkem
                              Aufbrausen die Auflösung derselben. Man neutralisirt dann die überschüssige
                              Salpetersäure mit Ammoniak und dampft das Ganze vorsichtig ein. Während des
                              Eindampfens verändert sich die Farbe der Auflösung, sie wird nach und nach dunkel
                              purpurroth und es schlagen sich zahlreiche dunkelrothe, zuweilen auch an der
                              Oberfläche grünlich aussehende körnige Krystalle daraus nieder. Diese Krystalle sind
                              aus Ammoniak und der in Rede stehenden Säure gebildet.
                           Das purpursaure Ammoniak (Murexid) krystallisirt in
                              vierseitigen Prismen, welche durchsichtig und intensiv granatroth mit auffallend
                              schönem grünen Reflex erscheinen. Die letztere Erscheinung bemerkt man mehr oder
                              weniger auch bei den anderen Salzen der Alkalien, selbst bei den Salzen der
                              alkalischen Erden. Das purpursaure Ammoniak löst sich in ungefähr 1500 Theilen
                              Wasser von 15° C., kochendes Wasser löst bedeutend mehr davon auf. Die
                              Auflösung hat eine schöne carminrothe oder rosenrothe Färbung. Es ist wenig oder gar
                              nicht löslich in Alkohol und Aether. Mischt man die Auflösungen neutraler Salze
                              anderer Basen mit der
                              wässerigen Lösung des purpursauren Ammoniaks, so erhält man eine Menge anderer
                              purpursaurer Salze.
                           Purpursaurer Kalk. Mischt man die gesättigten
                              kochendheißen Auflösungen von purpursaurem Ammoniak und Chlorkalcium, so erhält man
                              einen pulverförmigen Niederschlag von purpursaurem Kalk, der die Farbe des
                              Meerkrebses hat, bevor derselbe gekocht ist. Er ist nur wenig löslich in kaltem
                              Wasser, mehr in kochendem, und die Lösung besitzt eine schöne purpurrote Farbe.
                           Purpursaures Quecksilberoxyd. Das Quecksilberchlorid
                              (Sublimat) bringt in der Auflösung des purpursauren Ammoniaks einen schön
                              purpurrothen Niederschlag hervor und die Auflösung verliert vollkommen ihre
                              Farbe.
                           Purpursaures Bleioxyd. Mischt man die Auflösungen von
                              purpursaurem Ammoniak und salpetersaurem Bleioxyd, so färbt sich die Flüssigkeit
                              rosenroth, allein ohne einen Niederschlag zu geben.
                           Purpursaures Zinkoxyd. Eine Auflösung des essigsauren
                              Zinkoxyds gibt mit purpursaurem Ammoniak einen goldgelben Niederschlag, und es
                              bilden sich an der Oberfläche der Flüssigkeit sehr glänzende irisirende Häutchen, in
                              welchen die grüne und die gelbe Farbe vorherrschen.
                           Dieses wären einige der Verbindungen der Purpursäure, welche bereits von Prout beschrieben wurden. Die schönen Farben derselben
                              bilden ein hinreichend charakteristisches Kennzeichen, um sie vor jeder andern
                              Substanz auszuzeichnen. Prout gibt auch schon an, daß man
                              in der Malerei einige purpursaure Salze, z.B. purpursauren Kalk, anwenden könne,
                              ebenso empfahl er solche zum Färben der Wolle und anderer Stoffe thierischen
                              Ursprungs zu benutzen.
                           Wir sehen hieraus, daß Prout diese schönen von ihm
                              gemachten VersuchenLondon medical Gazette, Junius 1831; Froriep's Notizen Bd. XXXII S. 23; Gmelin's Handbuch der Chemie, vierte Auflage, Bd.
                                    V S. 323. A. d. Red. nur hätte im Großen auszuführen und in der Industrie anzuwenden brauchen, um
                              dahin zu gelangen, wohin wir erst 40 Jahre später gekommen. Der damalige hohe Preis
                              der Harnsäure (sie kostete nämlich 150–200 Frcs. das Kilogramm, während man
                              jetzt nur 10 Frcs. dafür bezahlt) hat am meisten dazu beigetragen, daß man die ganze
                              Sache als für die Technik nicht anwendbar beruhen ließ.
                           Die von Liebig und Wöhler für
                              das purpursaure Ammoniak gewählte Bezeichnung Murexid verleitete mehrfach zu der
                              Meinung, daß das Murexid
                              identisch sey mit dem lyrischen Purpur der Alten (murex
                              heißt die Purpurschnecke, welche den Purpur der Alten geliefert haben soll); der
                              Purpur der Alten widersteht aber der Einwirkung der stärksten Säuren, während das
                              Murexid durch die schwächsten Säuren, auch durch eine große Menge anderer
                              Reagentien, die sich in Beziehung auf die meisten Farbstoffe als indifferent
                              ausweisen, angegriffen wird. Die erwähnten Arbeiten von Prout ergaben, daß das Murexid, wenig oder gar nicht an und für sich
                              gefärbt, in Verbindung mit verschiedenen Basen Lackfarben von verschiedenem Ton und
                              Natur bilden könne. Hiernach wird es nicht auffallen, daß die Versuche welche Schlumberger und Andere über diesen Gegenstand gemacht,
                              schlecht ausgefallen sind, da sie alle ihre Bemühungen dahin richteten, mit Hülfe
                              von Hitze Murexid auf dem Gewebe zu erzeugen; nun ist aber das Murexid nichts
                              Anderes als purpursaures Ammoniak, und man hat daher keine Aussicht, eine feste
                              Verbindung desselben mit der Faser herzustellen.
                           Färben der Seide und Wolle, nach Depoully. – Vor
                              zwei Jahren gelang es Hrn. Depoully, Seide und Wolle mit
                              Murexid zu färben. Das Verfahren ist sehr einfach und ausgezeichnet für Seide; für
                              Wolle bleibt aber noch viel zu wünschen übrig.
                           Um Seide zu färben, nimmt man eine Auflösung von Murexid
                              und vermischt dieselbe mit einer gewissen Quantität einer. Auflösung von
                              Quecksilberchlorid (Sublimat). Diese beiden Flüssigkeiten trüben sich erst nach
                              Verlauf einer gewissen Zeit, so daß man Seide hineintauchen kann, welche sich
                              unmittelbar Purpurroth färbt. Die Intensität der Farbe hängt von der Concentration
                              der Flüssigkeit und den Quantitäten ab, die man von einer jeden angewandt hat.
                           Für Wolle ist das Verfahren nicht so einfach; man muß eine
                              Säure, z.B. Oralsäure, zu Hülfe nehmen, um die Farben hervorzubringen. – Das
                              Verfahren, welches den besten Erfolg gehabt hat, um Wolle mittelst Murexid roth zu
                              färben, ist folgendes: die Wolle wird sehr gut gewaschen und gespült, und darauf
                              eine bestimmte Zeit lang in ein concentrirtes Bad von Murexid eingetaucht,
                              ausgerungen und in der Luft getrocknet. Hierauf bringt man sie in ein Bad, welches
                              folgendermaßen zusammengesetzt ist:
                           
                              
                                 auf
                                 10 Liter Wasser rechnet man
                                 
                              
                                 
                                 60 Gramme
                                 Sublimat und
                                 
                              
                                 
                                 75     „
                                 essigsaures Natron. 
                                 
                              
                           Das Bad muß eine Temperatur von 40–50° C. haben.
                           Färben der Baumwolle, nach Lauth. – Was das Färben
                              der Baumwolle, Leinen, kurz der Gewerbe jeglicher Art mittelst Murexid betrifft, so ist dasselbe, in
                              Folge der glücklichen Entdeckungen des Hrn. Lauth, sehr
                              einfach. Das Verfahren besteht darin, daß man auf der Baumwolle Bleioxyd befestigt,
                              entweder indem man sie zuerst in ein Bad von essigsaurem Bleioxyd und nachher in ein
                              Bad von Salmiakgeist taucht, oder indem man sie direct in eine Kufe mit
                              Bleioxyd-Kalk (bleisaurem Kalk) bringt. Auf die eine oder andere Weise erhält
                              man eine Verbindung der Faser mit Bleioxyd, und es bleibt nur übrig, die Farbe
                              hervorzubringen, indem man das Gewebe in ein Bad von salpetersaurem Quecksilberoxyd
                              oder Sublimat, oder von einem Gemisch beider Substanzen unter Zusatz einer gewissen
                              Quantität essigsauren Natrons bringt.
                           Will man diese Farbe aufdrucken, so nimmt man hinreichend
                              verdicktes salpetersaures Bleioxyd, fügt so viel Murexid hinzu, als nöthig ist, um
                              die gewünschte Nuance hervorzubringen, trocknet und bringt darauf das Gewebe in ein
                              Bad von
                           100 Liter Wasser,
                               1 Kilogr. Sublimat,
                               1 Kilogr. essigsaurem Natron.
                           Man erhält auf diese Weise prachtvolle farbige Muster, jedoch nur auf weißem
                              Grunde.